| Titel: | Ueber die Verwendung von Mineralölen zur Erzeugung von Dampf; von William Gadd. | 
| Fundstelle: | Band 218, Jahrgang 1875, S. 310 | 
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                        Ueber die Verwendung von Mineralölen zur
                           Erzeugung von Dampf; von William
                              Gadd.
                        Gadd, über die Verwendung von Mineralölen zur Erzeugung von
                           Dampf.
                        
                     
                        
                           Einem am 9. März d. J. in einer Versammlung der Scientific and
                                 Mechanical Society zu Manchester gehaltenen Vortrage über die Erzeugung von
                              Wasserdampf durch Verbrennung von Mineralölen entnehmen wir nach den Mittheilungen
                              im Iron, März 1875 S. 332 Nachstehendes.
                           Wenn auch augenblicklich kein Mangel an Steinkohlen herrscht und in Folge dessen die
                              Kohlenpreise für jetzt nicht so hoch sind, als vor kurzer Zeit, so steht doch
                              unleugbar ein wiederholtes Steigen derselben binnen verhältnißmäßig kurzer Zeit in
                              sicherer Aussicht, und somit ist die Frage von der Verwendbarkeit der Mineralöle als
                              Brennmaterial um so wichtiger, als die zu befürchtende Preissteigerung der Kohlen
                              aller Wahrscheinlichkeit nach durch ungünstige Verhältnisse des Arbeitsmarktes
                              wenigstens auf einige Zeit eine ganz abnorme, außerdem aber trotz der Existenz
                              ausgedehnter Kohlenfelder mit zunehmender Teufe der Gruben der Abbau derselben und
                              die Förderung der Kohle immer schwieriger und kostspieliger werden wird. Torf und
                              Braunkohle werden, wenn dieselben für häusliche und ökonomische Zwecke auch immerhin
                              ihren Werth behalten, weder hinsichtlich der massenhaften Zufuhr, noch in Bezug auf
                              Verwendbarkeit zu den verschiedenen Zwecken, die Steinkohle jemals vollständig
                              ersetzen und zu dem „Brennmateriale der Zukunft“ erhoben werden
                              können; vielmehr ist der Vortragende durch anhaltende und eingehende Studien über
                              diesen Gegenstand zu der festen Ueberzeugung gekommen, daß ein solcher
                              „Brennstoff der unmittelbaren Zukunft“ zur Erzeugung von
                              Dampf für industrielle Zwecke in den Mineralölen zu
                              suchen ist.
                           Die Bedingungen, denen ein Brennmaterial, welches mit der Steinkohle für die
                              Verwendung im Großen concurriren können soll, entsprechen muß, sind nachstehende.
                              Zunächst muß es billiger und bei mindestens gleicher Leistungsfähigkeit von höchstens gleichem,
                              besser aber noch von geringerem Volum sein, als die
                              Steinkohle. Dann muß es in wenigstens ebenso großen, wenn nicht noch größeren Mengen
                              vorhanden und ebenso leicht oder noch leichter zu beschaffen sein,
                              als die letztere. Allen diesen Bedingungen aber entsprechen die Mineralöle, welche außerdem vor der Steinkohle noch Vorzüge von ganz unermeßlicher Wichtigkeit voraus
                              haben.
                           
                           Für die Wichtigkeit der Verwendung vieler Mineralöle zu Heizzwecken im großen
                              Maßstabe dürften die zahlreichen auf Vorrichtungen zur Verbrennung von Mineralölen
                              unter Dampfkesseln ertheilten Patente sprechen, bezüglich deren freilich leider
                              bemerkt werden muß, daß die meisten dieser Erfindungen nur sehr theilweise Resultate
                              ermöglichten.Siehe in diesem Journal: Ueber den Apparat von Wise,
                                       Field und Aydon, 1867 184 111; den von Foote, 1868 187 211; die Mittheilungen von
                                    Rankine, 1868 189
                                    43; von Deville, 1868 189 50. 1869 192 204. 1869 193 61 und 124. 1870 195 209; von Audouin, 1869 191 25.
                              
                           Da der Brennwerth der ölförmigen Kohlenwasserstoffe bedeutend größer ist, als der
                              Steinkohle, so ist, sobald die Möglichkeit und praktische Ausführbarkeit einer
                              vollständigen Verbrennung der ersteren gesichert ist, auch die größere Billigkeit
                              derselben festgestellt. Nach den zuverlässigen, auf officielle Ermittelungen sich
                              stützenden Angaben Selwin's ist auch eine mehr als
                              ausreichende Production solcher Oele für England schon durch die unermeßlichen,
                              seine Küsten umgebenden Ablagerungen von ölhaltigen Schiefern außer Frage gestellt;
                              überdies werden dort bei der Fabrikation zahlreicher anderer Erzeugnisse gewaltige
                              Massen von Abfallproducten gewonnen, welche auf diesem Wege verwerthet werden
                              könnten.
                           Einige von den frühesten Versuchen, Mineralöle mit ökonomisch vortheilhaften
                              Ergebnissen als Brennmaterial zu verwerthen, wurden mit Apparaten ausgeführt, welche
                              wesentlich aus einer Reihe von ausgekehlten, zu einer Art von schiefer Ebene
                              angeordneten Stäben bestanden, denen entlang man das Oel laufen oder vielmehr
                              tröpfeln ließ, so daß es auf diesem Wege zur Verbrennung kam. Dieses System wurde in
                              Form verschiedener, mannigfach abgeänderter Vorrichtungen ausgeführt; allein bei der
                              Anwendung aller dieser, sowie verschiedener anderer Apparate, durch welche nicht
                              eine vollständige Verbrennung des Materials vermittelt wurde, fand ein großer
                              Verlust durch Rauchbildung u. dgl. statt. Den meisten Erfolg hat man ohne Zweifel
                              bisher mit dem sogen. Düsengebläsesystem erzielt, welches
                              durch Selwin zu einem hohen Grade von Vollkommenheit
                              ausgebildet worden ist. Auch die nach diesem System construirten
                              Verbrennungsapparate sind in den Einzelnheiten ihrer Einrichtungen mehrfach
                              modificirt worden, doch stimmen sie im Principe sämmtlich überein.
                           In den eigentlichen Verbrennungs- oder Ofenraum wird eine Düse eingeführt, in
                              welche das zu verbrennende Oel durch Oeffnung eines Hahnes zugelassen wird.
                              Gleichzeitig wird vom Dampfkessel aus in dieselbe Düse ein Dampfstrom eingeleitet,
                              welcher das Oel in Form eines feinen Staubes in den Feuerzug mit sich fortreißt, wo
                              das Brennmaterial sich
                              entzündet und augenblicklich eine lange Flammenzunge bildet. So einfach dieses
                              Verfahren zu sein scheint, so sind dabei doch manche Punkte zu beachten. Wird
                              zunächst die Menge und die Kraft oder Spannung des zugeleiteten Wasserdampfes nicht
                              sehr genau regulirt, so findet ein bedeutender Verlust an Brennstoff und eine im
                              höchsten Grade lästige Rauchbildung statt. Zweitens wird bei dieser Einrichtung weit
                              mehr Dampf verbraucht, als erforderlich ist, und drittens wird die Verbrennung von
                              einem sehr unangenehmen und störenden brausenden Geräusche begleitet.
                           Diese Uebelstände werden nun, nach Angabe des Vortragenden, durch die Anwendung des
                              im Nachstehenden beschriebenen, sehr einfachen, von Gadd
                              selbst construirten Apparates vermieden, mittels dessen sich sehr günstige
                              Ergebnisse erzielen lassen. Ein aus Gußeisen oder feuerfestem Thon bestehendes,
                              flaches, offenes Gefäß steht auf den Roststäben des Ofens und bedeckt dieselben. In
                              und auf diesem Gefäße sind conisch geformte Vorsprünge in einer solchen Anzahl
                              angebracht, wie sie für nothwendig befunden wird; dieselben sind mit durchgehenden
                              Bohrungen versehen, um der zur Erzielung einer vollständigen Verbrennung des Oeles
                              in allen Theilen der Flammen nöthigen atmosphärischen Luft freien Zutritt zu
                              gestatten. Auf dem Boden dieses Gefäßes liegt eine Reihe von kleinen Dampfröhren
                              (etwa 13mm weite eiserne Gasröhren sind
                              dazu sehr zweckmäßig zu verwenden), welche in den erforderlichen Abständen von
                              feinen, zur Zuleitung dünner Dampfstrahlen dienenden Löchern durchbohrt sind. Dieses
                              Röhrensystem steht durch ein besonderes Rohr mit dem Dampfkessel in Verbindung, und
                              der Zutritt des Dampfes zu den einzelnen Röhren wird durch einen Ventil- oder
                              einen Absperrhahn regulirt. Ein zweites Rohr vermittelt die Verbindung des
                              Röhrensystems mit dem Oelbehälter, ein drittes die Communication mit einem
                              Wasserreservoir. Der Oelzufluß regulirt sich mit Hilfe eines Kugelventiles
                              automatisch.
                           Soll der Apparat in Betrieb gesetzt werden, so läßt man etwas Wasser in das Gefäß
                              eintreten und dann so viel Oel zufließen, daß die Flüssigkeit in demselben ungefähr
                              9 bis 13mm hoch steht; doch kommt es auf
                              ein Mehr oder Weniger nicht so genau an. Dann zündet man das Oel an und läßt, sobald
                              es gehörig im Brennen ist, Dampf zu. Die Intensität der dadurch entstandenen Flamme
                              entspricht der Kraft und der Menge des zugelassenen Dampfes, indem bei jedem Drucke
                              eine vollständige Verbrennung erfolgt. Selbstverständlich ist es beim Anheizen eines
                              kalten Kessels nothwendig, den ersten dazu erforderlichen Dampf auf kurze Zeit von
                              einem anderen Kessel zu entlehnen, oder aber auf Kosten von etwas Rauch einige
                              Pfund Dampf direct zu erzeugen. Die vielleicht auffällig erscheinende Anwendung von
                              Wasser ist namentlich beim Brennen von Schwerölen von großem Vortheile, insofern
                              dadurch, wie Gadd voraussetzte und durch die Erfahrung
                              bestätigt fand, eine vollständigere Verbrennung begünstigt wird. Das Oel sinkt als
                              die schwerere Substanz zu Boden, das Wasser tritt an die Oberfläche und bildet auf
                              dem ersteren eine Decke, welche die Verbrennung des inzwischen erhitzt werdenden
                              Oeles so lange verzögert, bis es in Gasform entweicht, oder wenigstens bis es
                              leichter geworden ist, wie es ursprünglich war. Ferner wird die Oberfläche der
                              Flüssigkeit in Folge der durch den Dampf vermittelten continuirlichen Einwirkung der
                              atmosphärischen Luft auf alle Theile der Flammen in solchem Grade abgekühlt, daß sie
                              nicht ins Sieden gerathen kann, gleichviel wie heiß der über ihr befindliche Raum
                              sein mag. Diese Verzögerung trägt nach Gadd's Ansicht zur
                              ökonomischen Verwerthung des Brennmaterials in bedeutendem Maße bei; indessen ist
                              die Anwendung von Wasser bei manchen Oelen nicht erforderlich. Ueberhaupt können und
                              müssen die besonderen Einzelnheiten dieses Verfahrens, der besonderen Beschaffenheit
                              der zum Gebrauche bestimmten Oelsorte entsprechend, in verschiedener Weise
                              abgeändert werden, so daß es sich sowohl den Leichtölen, als den Schwerölen anpassen
                              läßt.
                           Die bis jetzt von Gadd ausgeführten Versuche sind weder in
                              Bezug auf den Maßstab, in welchem sie angestellt wurden, noch in Bezug auf die Länge
                              der Zeit, in der er sie fortführte, so weit gediehen, daß er hinsichtlich der unter
                              verschiedenen Bedingungen erreichbaren Temperaturen, sowie bezüglich der
                              beobachteten Verdampfungskraft genaue Zahlenangaben zu machen im Stande wäre.
                              Indessen wird das Ergebniß eines an freier Luft, ohne Beihilfe eines Feuerzuges
                              ausgeführten Versuches eine annähernde Vorstellung von dem Werthe dieser
                              Brennmaterialien, wenn sie in der angegebenen Weise zur Verwendung kommen, geben
                              können. Als 1l,2 Oel, von weniger als 5 Pf.
                              Werth, zusammen mit Wasser in das Gefäß gegossen und angezündet wurde, erhielt Gadd mit Hilfe der Dampfstrahlen eine Flamme von 915mm Länge, 685mm Breite und 915mm Höhe, welche mit diesen Dimensionen
                              volle 13 Minuten brannte. Nun vergleiche man mit diesem Ergebnisse die Größe und die
                              Brenndauer einer Flamme, welche man mit einem für 5 Pf. käuflichen
                              Steinkohlenquantum zu erzeugen im Stande ist!
                           Dem Gesagten zufolge haben wir in den Mineralölen, wenn dieselben in der angegebenen
                              Weise zur Verwendung kommen, ein billiges und gleichzeitig in mindestens ebenso
                              großen Mengen, wie die Steinkohle in England, abgesehen von dem vom Auslande
                              beziehbaren Bedarfe, zu beschaffendes Brennmaterial, welches außerdem bei gleicher Leistungsfähigkeit
                              beträchtlich weniger Raum einnimmt und leichter zu verpacken ist. Ein weiterer,
                              nicht genug zu schätzender Vorzug desselben besteht darin, daß man bei Benützung der
                              Oele die Hitze des Feuers dauernd auf einem beliebigen Intensitätsgrade erhalten
                              kann, was bei Anwendung von Steinkohle durchaus nicht zu erreichen ist, zumal da
                              einem Steinkohlenfeuer bei jedem Aufgeben von frischen Kohlen plötzlich eine sehr
                              beträchtliche Wärmemenge entzogen, dadurch aber ein Verlust im absoluten
                              Wärmeeffecte verursacht wird, indem namentlich bei unachtsamer Kesselwartung die
                              Temperatur sich bedeutend vermindert und dadurch auch der Kessel eines Theiles
                              seiner Wärme verlustig geht. Schließlich gestattet der beschriebene Apparat (was
                              keineswegs sein geringster Vorzug ist) ein selbstthätiges, automatisches Schüren der
                              einfachsten und wirksamsten Art, insofern, nachdem das Feuer Morgens angezündet
                              worden, nur die Hähne regulirt werden brauchen, so daß ein einziger Mann eine
                              ziemliche Anzahl von Kesseln zu bedienen im Stande ist, wodurch bedeutend an der bei
                              den jetzigen Kesselfeuerungssystemen unentbehrlichen Menschenkraft erspart wird
                              – ein Vorzug, der namentlich bei Dampfschiffen schwer ins Gewicht fallen
                              dürfte.
                           Zum Schlusse bemerkte der Vortragende, daß wir seiner Ueberzeugung nach in den
                              verschiedenen, direct oder aus Abfallstoffen erzeugten ölartigen Hydrocarburen ein
                              allen an seine Brauchbarkeit geknüpften Bedingungen durchaus entsprechendes
                              Brennmaterial haben, dessen praktische Verwendung mittels eines Verfahrens, wie das
                              oben beschriebene, zur Wirklichkeit gebracht werden kann.
                           
                              H. H.