| Titel: | Ueber die Erzeugung von Stabeisen und Stahl aus phosphorhaltigem Roheisen; von Thieblemont. | 
| Fundstelle: | Band 218, Jahrgang 1875, S. 433 | 
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                        Ueber die Erzeugung von Stabeisen und Stahl aus
                           phosphorhaltigem Roheisen; von Thieblemont.Nach dem Iron, Juni 1875 S. 746. Vergl. auch 1875 216 342. 217 33.
                           
                        Thieblemont, über die Erzeugung von Stabeisen und Stahl aus
                           phosphorhaltigem Roheisen.
                        
                     
                        
                           Thieblemont, Ingenieur der Hohofenwerke von St. Louis,
                              hat diesen Gegenstand sorgfältigen und eingehenden Erörterungen unterzogen und unter
                              dem Titel „Eisen und Phosphor, vom metallurgischen Gesichtspunkte aus
                                 betrachtet“ seine Beobachtungen über denselben mitgetheilt. Indem
                              Verfasser die Schwierigkeiten beklagt, welche sich der Erlangung gründlicher
                              Aufschlüsse über alle zur Beseitigung des Phosphors aus dem Roheisen bisher
                              angewendeten Processe entgegenstellen, erinnert er in Bezug auf Schwefel und
                              Phosphor, diese beiden alten Feinde des Eisenhüttenmannes, daran, daß es der Praxis
                              im Bunde mit der Wissenschaft allerdings wohl gelungen ist, die Wirkungen des
                              ersteren im Hohofen (mit Ausnahmen, welche der Verfasser einem fehlerhaften Betriebe
                              zuschreiben zu müssen glaubt) zu beseitigen. Phosphor dagegen äußert eine so große
                              Affinität zum Eisen, daß man es bisher noch nicht dahin zu bringen im Stande gewesen
                              ist, diesen Körper von dem Metalle vollständig abzuscheiden. Zwar sind zahlreiche
                              Methoden und Processe zur Erreichung dieses Zweckes empfohlen und praktisch probirt
                              worden – Methoden, welche im Allgemeinen darauf hinzielen, den Phosphor beim
                              Feinen durch Vermittlung einer Bildung von basischen Schlacken zu entfernen, und
                              dies ist auch sicherlich der einzige praktische Weg; allein immer bleibt noch so
                              viel von diesem Elemente zurück, daß ein Feineisen, welches diese Bezeichnung
                              wirklich verdient, aus stark phosphorhaltigen Roheisengänzen nicht erzeugt werden
                              kann. Beim Verpuddeln eines derartigen Roheisens wird eine verhältnißmäßig nur
                              kleine Menge Material auf einmal in Arbeit genommen und die Operation selbst bedarf
                              zu ihrer Ausführung einer Zeit von zwei Stunden. Es ist dazu eine sehr hohe
                              Temperatur, sowie ein zwei- bis dreimaliger Zusatz von Hammerschlag
                              erforderlich, welcher nach Vollendung der Operation abgestochen wird. Das Feinen muß
                              langsam und bei nur wenig oxydirend wirkender Flamme erfolgen, weil sonst die Wirkung in der
                              ganzen Metallmasse durch die Berührung des Eisens mit den Metalloxyden zu lebhaft
                              stattfinden würde. Ein wesentlicher Punkt ist die Basicität der Schlacke. Auf diese
                              Weise wird es möglich, aus Roheisen mit 1 Proc. Phosphor Stabeisen mit nur 0,15 bis
                              0,20 Proc. Phosphor darzustellen – freilich leider nur mit großem
                              Brennstoff- und Arbeitsaufwande.
                           Nach einem Rückblicke auf die zahlreichen Versuche zur Beseitigung des Phosphors mit
                              Hilfe von Wasserstoff und anderen Gasen, sowie auf das Verfahren von Heaton bemerkt der Verfasser, daß die Herren de Wendel die Ersten waren, welche auf ihren Eisenhütten
                              zu Hayange aus phosphorhaltigem Roheisen Stahlschienen zu erzeugen versuchten
                              – eine bei Moseleisen, welches über 1 Proc. Phosphor enthält, sehr schwierige
                              Operation. Auf die vorhin angegebene Weise im Puddelofen behandelt, gibt dies
                              Roheisen ein Stabeisen von grobem, hartem, glänzendem Korn, welches ungeachtet
                              seiner bedeutenden Brüchigkeit zur Schienenfabrikation gleichwohl gute Dienste
                              leistet und 7 bis 8 Tausendtheile Phosphor enthält.
                           Zum Bessemern ist Roheisen von solcher Beschaffenheit gar nicht geeignet, indem bei
                              diesem Processe zuletzt der Schwefel- und Phosphorgehalt concentrirt wird;
                              das einzige zur Verarbeitung von solchem Roheisen taugliche Verfahren ist das
                              Verarbeiten im Martin-Siemens-Ofen.
                           Zunächst strebte man in Hayange dahin, einen möglichst weichen Stahl zu erhalten und
                              den Kohlenstoffgehalt auf ein Minimum zu reduciren; es zeigte sich aber bald die
                              Unmöglichkeit, denselben noch unter 0,20 Proc. hinabzubringen. Ein
                              Martin-Ofen wurde mit 14k Roheisen
                              erster Qualität chargirt, in welchem 79k
                              gutes gewöhnliches Moselstabeisen, welches nicht über 0,40 bis 0,50 Proc. Phosphor
                              enthielt, eingeschmolzen wurde. Die Charge wurde mit einem (oxydirenden)
                              Flammenstrom behandelt, so daß sie nach Verlauf von 4 bis 5 Stunden aus beiden nahe
                              reinem Eisen mit nur 0,05 Proc. Kohlenstoffgehalt bestand. In 14k Roheisen waren 0k,84 fremde Substanzen enthalten, welche
                              13k,16 reines Eisen hinterließen,
                              nachdem der Kohlenstoff nebst dem Silicium durch die Flamme und die Sohlschlacke
                              verbrannt worden war, so daß nur noch 0,05 Proc. vom ersteren zurückblieben. Durch
                              Zusatz von 7k Spiegeleisen, welches 5 Proc.
                              Kohlenstoff enthielt, sollte der gesammte Kohlenstoffgehalt auf 0,396 Proc. erhöht
                              werden; allein die Analyse des daraus producirten Stahles ergab nur 0,27 Proc.
                              Kohlenstoff. Diese sehr bedeutende Differenz läßt sich leicht dadurch erklären, daß
                              in dem Augenblicke, in welchem das Spiegeleisen zugesetzt wurde, eine sehr basische
                              Schlacke in dem Metalle schwamm und Zeit hatte, einen Theil des in diesem Eisen enthaltenen
                              Kohlenstoffes während des Einschmelzens des ersteren zu verbrennen. Die Zahl 0,27
                              ist richtig. Die 14k Roheisen enthielten
                              keinen Phosphor, aber die 79k Stabeisen
                              enthielten 0,35 Proc. oder 0k,276, und das
                              Spiegeleisen 0,06 Proc., was zusammen 0,28 Proc. gibt. Diese Analyse von
                              phosphorhaltigem Stahl gilt ebenso Wohl für die aus phosphorhaltigem Roheisen und
                              Ferromangan, als wie für die mit Spiegeleisen erzeugten Schienen.
                           Nachdem die Ingots durch gewöhnliche Walzen gegangen waren, zeigten sie einige
                              Fehler, doch walzte sich der größte Theil derselben gut aus; seitdem sind aber die
                              Walz- und Schweißmethoden sehr verbessert worden. Beim Probiren der aus dem
                              oben beschriebenen Metalle angefertigten Schienen wurden folgende Resultate
                              erhalten. Zunächst wurde die Schiene auf zwei scharfkantige, 1m,10 von einander entfernte Unterlagen
                              gelegt; dann ließ man ein 300k schweres
                              Eisenstück aus verschiedenen Höhen auf die Mitte der Schiene hinabfallen. Bei
                              derartigen Proben gilt die Regel, daß gute Schienen für je 1m Fallhöhe eine permanente Biegung von 0mm,5 annehmen, für 1m,50 also eine Biegung von 3mm, für 2m,50 von 10mm, worauf gewöhnlich Bruch eintritt. Bei
                              der Prüfung von 3 Schienen der in Rede stehenden Art nahm Nr. 1, aus
                              phosphorhaltigem Stahl angefertigt, bei einem Falle aus 1m Höhe eine bleibende Biegung von 2mm an und brach bei einem Falle aus 1m,50 Höhe. Nr. 2 bog sich permanent um 2mm bei dem Falle aus 1m Höhe, um 6mm bei 1m,50 Fall, um 11mm bei 2m Fall, um 20mm bei 2m,50 und brach bei einem Falle aus 3m Höhe. Die Schiene Nr. 3, deren Stahl nur 0,20 Proc. Kohlenstoff
                              enthielt, bog sich um 1mm bei einem Falle
                              von 1m Höhe, um 4mm bei 1m,50, um 9mm bei 2m und um 16mm bei 2m,50 Fallhöhe, dann brach sie. Diese Proben zeigen den progressiven
                              Einfluß der Verminderung des Kohlenstoffgehaltes bei gleichbleibendem
                              Phosphorgehalte.
                           Sonach haben wir hier ein Material, welches in seiner chemischen Constitution von dem
                              früher erzeugten Stahle wesentlich abweicht und ungeachtet einer schlechten oder
                              vielmehr einer seinen Eigenschaften wenig angemessenen Erzeugungsweise doch
                              Resultate gibt, welche den an eine Handelswaare zu machenden Anforderungen beinahe
                              entsprechen.
                           Die neuesten, bei der Darstellung von phosphorhaltigem Stahl mit Zusatz von
                              Ferromangan erzielten Resultate lieferten ein Metall, welches bei Beobachtung
                              derselben Vorsichtsmaßregeln ebenso gut schweißt wie weicher Stahl. Aus
                              phosphorhaltigem Roheisen wurde ein roh gepuddeltes Stabeisen mit einem
                              Phosphorgehalte von noch 0,45 bis 0,50 Proc. producirt und aus diesem wurde ein
                              Stahl erzeugt, welcher sich bei ebenso starker Hitze auswalzen läßt wie das Stabeisen
                              selbst, vorausgesetzt, daß das Anwärmen allmälig geschieht. Pourcel, Ingenieur der Eisenwerke von Terrenoire, bemerkt in Bezug auf
                              diesen Punkt: „Bei phosphorhaltigem Stahl muß, wie bei allen
                                 krystallinischen Massen, die Temperatur allmählig gesteigert werden, da wir es
                                 mit einem homogenen starren Körper zu thun haben, dessen Atome sämmtlich mit
                                 einander verbunden sind, und bei welchem die Neigung zur Ausdehnung eine
                                 bedeutende Rolle spielt.“
                              
                           Bei gleichzeitiger Bewahrung der Homogenität ist der Versuch von Wichtigkeit, den
                              Molecülen der Masse eine gewisse relative Beweglichkeit zu ertheilen, ein Resultat,
                              welches sich in der Praxis offenbar ohne große Schwierigkeit erzielen läßt. Sonach
                              ist der Frage der mechanischen Bearbeitung bei der Fabrikation von phosphorhaltigem
                              Stahl eine hervorragende Stelle einzuräumen.
                           Man darf aus dem Gesagten nicht schließen, daß es vortheilhaft sei, phosphorfreies
                              Roheisen oder Stabeisen mit phosphorhaltigen Substanzen zu versetzen. Der hier in
                              Aussicht genommene Zweck besteht einzig und allein in dem Nachweise, daß das Studium
                              der bei hüttenmännischen Processen stattfindenden chemischen Erscheinungen sich in
                              der Metallurgie immer mehr und mehr einbürgert und große Fortschritte veranlaßt. Wer
                              über reine Materialien zu verfügen hat, soll dieselben ja möglichst frei von
                              Phosphor erhalten; wer unreine Rohstoffe hat, soll den Phosphor möglichst
                              vollständig zu entfernen und sein Product mit dem in demselben zurückgebliebenen
                              Phosphor in einer solchen Weise zu verarbeiten suchen, daß es unter den Erzeugnissen
                              der Industrie einen höheren Platz einzunehmen befähigt wird.
                           Als Beispiel möge eine gewisse Roheisensorte angeführt werden, welche wegen eines
                              sehr geringen Phosphorgehaltes noch vor wenigen Jahren zur Erzeugung von
                              Bessemerstahl nicht verwendet werden konnte, sich aber jetzt mit Hilfe der neuen
                              Methoden zu sehr guten phosphorhaltigen Schienen verarbeiten lassen kann. Die
                              Analyse ergab: Silicium 3,62, Graphit 3,12, gebundenen Kohlenstoff 0,40, Schwefel
                              0,069 Phosphor 0,130, Mangan 0,296 Proc. Dieses Roheisen war aus Erzen des
                              Departement Haute-Marne erzeugt worden, deren Eisengehalt 35 bis 40 Proc.
                              betrug und die, vom älteren metallurgischen Standpunkte aus betrachtet, nur zur
                              Erzeugung von Gießereiroheisen geeignet waren. Bei einer den neu eingeführten Ideen
                              entsprechenden Behandlung würde dies Material im Bessemerconverter oder im
                              Martin-Ofen vortreffliche Resultate geben. Es möge hierzu bemerkt werden, daß
                              ein großer Theil der Eisenfabrikation in Frankreich sich unter analogen
                              Verhältnissen befindet,
                              und daß es, von einem allgemeinen Gesichtspunkte aus betrachtet, gut sein würde,
                              wenn bei der Maschinenfabrikation und für Bauzwecke ein Metall angewendet würde,
                              welches größere Sicherheit darböte, gleichzeitig aber eine Verminderung des
                              Gewichtes zuließe. Leider ist Ferromangan noch immer ein ziemlich theures Product,
                              und wichtige Verbesserungen in den zu seiner Erzeugung befolgten Methoden, so daß es
                              in allgemeineren Gebrauch kommen könnte, sind sehr wünschenswerth. Das Metall kostet
                              3 1/2 bis 4 Franken (2 M. 80 Pf. bis 3 M. 20 Pf.) pro 1k, so daß unter fast allen
                              Fabrikationsverhältnissen Gemenge von Spiegeleisen mit 20 bis 30 Proc. Mangangehalt,
                              in denen das metallische Mangan zu weit billigeren Preisen verkauft wird wie bei
                              Ferromangan, als Ersatz für das letztere benützt werden kann.
                           
                              H. H.