| Titel: | Ueber neue Dampfmaschinen-Steuerungen; von Ingenieur Müller-Melchiors. | 
| Fundstelle: | Band 221, Jahrgang 1876, S. 1 | 
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                        Ueber neue Dampfmaschinen-Steuerungen; von
                           Ingenieur Müller-Melchiors.
                        Mit Abbildungen auf Taf.
                              I.
                        (Fortsetzung von S. 397 des vorhergehenden
                           Bandes.)
                        Müller-Melchiors, über neue
                           Dampfmaschinen-Steuerungen.
                        
                     
                        
                           III. Drehschieber-Steuerungen.
                           Es gibt anscheinend kaum eine Gruppe der Steuerungsmechanismen, die sich mehr dem
                              Zwange eines Systems entzieht, als dies bei den Drehschieber-Steuerungen der
                              Fall ist, denen sich allein schon in der Gestaltung des Dampfvertheilungsorganes als
                              flacher, cylindrischer oder conischer Drehschieber, noch mehr aber in der Anordnung
                              der Expansionsregulirung eine Reihe der verschiedenartigsten Constructionen
                              darbietet. So sehr aber auch diese Constructionen als solche von einander abweichen
                              mögen, sind sie doch anderseits in ihrem Effecte auf die Dampfvertheilung völlig gleich, nachdem es nur ein Mittel gibt, bei
                              Drehschieber-Steuerungen die Phasen der Dampfvertheilung zu bestimmen, und
                              das ist die Anordnung der zusammen arbeitenden Kanten des
                              Schiebers und seines Schiebergesichtes. Hierdurch kann jeder gewünschte fixe
                              Expansionsgrad mit jeder beliebigen Voreilung der Ein- und Ausströmung in
                              einfachster Weise mittels eines einzigen Drehschiebers erzielt werden. Soll dann
                              variable Expansion erzielt werden, so muß eine willkürliche Veränderung derjenigen
                              Kantendistanz, welche den Dampfabschluß bestimmt, möglich sein, und hierzu wird ein
                              zweiter Drehschieber erfordert, der gewöhnlich fest
                              und nur von Hand oder mittels des Regulators verstellbar ist, dessen weitere
                              Anordnung übrigens ohne jeden Einfluß auf die Güte der Dampfvertheilung bleibt.
                           Es ist somit hier jede theoretische Erörterung von vornherein ausgeschlossen und das
                              einzige Augenmerk auf die praktische Ausführung zu richten, um hiernach den Werth
                              der verschiedenen Steuerungen zu beurtheilen. Anders wird dies, sobald es sich um
                              die Herstellung einer reversiblen
                              Drehschieber-Steuerung handelt. Die Punkte, die hier Berücksichtigung
                              erfordern, und welche die Aufgabe des Constructeurs zu einer ebenso interessanten
                              als schwierigen gestalten, wurden in unserer frühern Abhandlung an der Hand des
                              damals zuerst aufgestellten Curvendiagrammes (vgl. 1874 213 266) hervorgehoben und bedürfen hier keiner Wiederholung, nachdem bis
                              jetzt noch keine einzige reversible Drehschieber-Steuerung mit variabler
                              Expansion vorhanden ist. Und doch wäre nur hierin die Möglichkeit gelegen, der
                              Drehschieber-Steuerung, welche sich so eminent für schnellgehende und stark
                              expandirende Maschinen eignet, in ihrer Adoptirung für Locomotivmaschinen ein
                              großartiges Gebiet der Anwendung zu erschließen. Die Zahnräder wären leicht durch
                              ein auf der Vorderachse aufzukeilendes Excenter, dessen Stange an einer Kurbel der
                              Ventilspindel angreift, zu ersetzen, und daß sich in allen übrigen Beziehungen,
                              speciell auch den Anforderungen der Dauerhaftigkeit, eine gut construirte
                              Drehschieber-Steuerung mit jeder Flachschieber-Steuerung messen kann,
                              wurde seiner Zeit, vielleicht zum ersten Mal, an der Dingler-Maschine der
                              Wiener Weltausstellung bewiesen (* 1874 213 273), und
                              erscheint neuerdings durch die schönen Resultate der nach dem Patente von Ingenieur
                              Musil gebauten Dampfmaschinen bestätigt.
                           
                        
                           Die bei letztern angewendete Drehschieber-Steuerung hat in vielen Punkten nahe
                              Verwandtschaft mit der Steuerung der Dingler-Maschine, wie dies übrigens nach
                              unserer eingangs ausgesprochenen Ansicht in der Natur der Sache bedingt ist;
                              – die Musil'sche Steuerung ist jedoch vollkommen
                              unabhängig von derselben erfunden worden, war bereits im Mai 1873 patentirt und
                              bietet auch manche interessanten Eigenthümlichkeiten, welche ein näheres Eingehen
                              wohl rechtfertigen. Die Zeichnungen auf Tafel I [a.b/1] stellen in Figur 1 einen Querschnitt
                              durch das eine Cylinderende dar, in Figur 2 die Ansicht des
                              Vertheilungshahnes von der linken Seite der Figur 1
                              (Dampfausströmung), in Figur 3 die Ansicht von
                              der rechten Seite (Dampfeinströmung), in Figur 4 endlich den
                              Querschnitt durch die Mitte des Hahnes und seines Gehäuses, wie sich dieselben an
                              jedem Cylinderende befinden.
                           Aus diesen Skizzen ist ersichtlich, daß der äußere Hahnkegel, welcher die
                              Dampfvertheilung besorgt, von vier symmetrischen Oeffnungen durchbrochen ist, davon
                              je zwei gegenüber liegende e, e für den Dampfeintritt,
                              die beiden andern a, a für den Austritt. Dem
                              entsprechend sind im Hahngehäuse zwei Oeffnungen s, s,
                              durch welche gleichzeitig der Schieber mit dem Innern des Dampfcylinders
                              communicirt, so daß bei jeder Viertelumdrehung Eintritt und Austritt wechseln und in
                              Folge dessen der Drehschieber nur die halbe Umdrehungszahl der Maschinenwelle
                              erhalten darf; daß außerdem der Drehschieber durch diese Einrichtung an seinem
                              Umfange völlig entlastet ist, bedarf keiner nähern Begründung.
                           
                           Die im Querschnitte Figur 4 mit a bezeichneten Kammern sind, wie
                              aus Fig. 1 und
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                              hervorgeht, nach dem Ausströmungsende zu offen, gestatten somit den directen
                              Austritt des verbrauchten Dampfes in das am linken Ende des Schiebergehäuses
                              einmündende Austrittrohr; die Eintrittsöffnungen e, e
                              dagegen sind an beiden Enden geschlossen und können nur mit dem Innern des
                              Hahnkegels durch zwei Spalten s', s' communiciren. Durch
                              diese nun wird die variable Füllung erzielt, indem im Innern des nach dem Pfeile in
                              Figur 4
                              rotirenden Hahnkegels ein cylindrischer Expansionsschieber angebracht ist, der für
                              gewöhnlich fix bleibt und somit bei fortgesetzter Drehung des Hahnkegels den
                              Dampfeintritt abschneidet – und dies um so früher, je näher für die in Figur 4
                              gezeichnete Todtenpunktstellung die Kanten b und B zusammen sind. Durch Verdrehung des
                              Expansionsschiebers um einen kleinen Betrag kann somit die Füllung vermehrt oder
                              vermindert werden, und zwar je nachdem die Verdrehung im Sinne der Bewegung des
                              Vertheilungsschiebers oder derselben entgegengesetzt erfolgt.
                           Der Expansionsschieber ist, wie aus Figur 1 ersichtlich, ein
                              cylindrischer, somit vollkommen entlasteter Hohlcylinder, bei dessen Verdrehung der
                              Regulator nur die Stopfbüchsenreibung zu überwinden hat; der Vertheilungsschieber
                              ist etwas conisch, mit dem schwächern Ende der Einströmung zugewendet, so daß der
                              Dampf die Tendenz hat, denselben von seinem Sitze abzudrängen. Dieser nach außen
                              gerichtete Druck wird am Ende der Schieberspindel durch ein adjustirbares Spurlager
                              aufgenommen. Der Antrieb erfolgt durch Schraubenräder mittels einer längs des
                              Cylinders laufenden und von der Maschinenwelle gleichfalls durch Schraubenräder
                              angetriebenen Welle w (Fig. 1).
                           Die erste nach diesem System construirte Maschine, von 265mm Cylinderdurchmesser, 550mm Hub und 110 Touren pro Minute, betreibt
                              nun schon über zwei Jahre die Werkstätten der Hüttenberger Eisenwerksgesellschaft in
                              Klagenfurt und ergibt sowohl in Bezug auf die Dampfvertheilung, wie durch zahlreiche
                              uns vorliegende Diagramme bestätigt wird, als mit Rücksicht auf Oekonomie,
                              Dauerhaftigkeit, sichern und anstandslosen Betrieb die günstigsten Resultate. Es
                              wurde constatirt und ergibt sich aus den Diagrammen, daß sowohl der conische, als
                              der cylindrische Schieber vollkommen dicht halten, und der Erfinder hat sich in
                              Folge dessen veranlaßt gesehen, auch den Hahnkegel, welcher jetzt den
                              Vertheilungsschieber darstellt, durch einen vollkommen cylindrischen Schieber zu
                              ersetzen, – ein Experiment, das sich bis jetzt bestens bewährt hat.
                           Bei einer zweiten Maschine, welche zum Betriebe einer Dampfmühle benützt wird, wurden
                              die conischen Vertheilungsschieber beibehalten, jedoch statt des Spurzapfens zur
                              Aufnahme des achsialen Druckes ein mittels Schrauben regulirbares Kammlager
                              angewendet, um zu verhüten, daß bei etwaigem verkehrten Andrehen der Maschine der
                              Hahnkegel durch den Zahndruck der Schraubenräder auf seinem Sitze verklemmt und
                              dadurch ein Bruch veranlaßt werde. Die Schraubenräder selbst haben sich, wie dies
                              auch bei der Dingler-Maschine constatirt wurde, bestens bewährt und zeigen
                              keine bemerkbare Abnützung.
                           Eine Reversirung würde hier zunächst nur eine Verdrehung des Vertheilungsschiebers um
                              90° erfordern; beim nun beginnenden Rücklaufe der Maschine und des Schiebers
                              würde jedoch der Regulator verkehrt reguliren, nämlich schließen bei sinkenden
                              Kugeln und öffnen bei vermehrter Geschwindigkeit, so daß zur richtigen Reversirung
                              entweder noch eine Veränderung des Stellzeuges, oder eine Umkehrung des
                              Drehungssinnes für den Vertheilungsschieber erforderlich würde. Selbstverständlich
                              ist dies bei den vorliegenden Maschinen, die stets nur in einem Sinne umzulaufen
                              haben, gar nicht berücksichtigt.
                           Der Regulator vermag bei 80mm Hub die
                              Füllung zwischen 0 und 90 Proc. zu variiren und hat nur die Reibung der beiden
                              Stopfbüchsen zu überwinden, welche allerdings einen etwas wechselnden Widerstand
                              entgegensetzen, der sich aber bei nur einiger Sorgfalt kaum bemerklich machen
                              dürfte, so daß die Musil'sche Steuerung mit Recht der Steuerung der
                              Dingler-Maschine an die Seite und unter die vollendetsten
                              Drehschieber-Steuerungen gestellt werden kann.
                           
                        
                           Nicht das gleiche kann von der zweiten hier noch zu beschreibenden Steuerung gesagt
                              werden, die von Ingenieur Luschka in der Zeitschrift des
                              österreichischen Ingenieur- und Architektenvereines, Bd. 27 S. 114
                              vorgeschlagen wurde und in Fig. 5 und 6 [a/4] dargestellt ist. Hier fungirt der Vertheilungsschieber a gleichzeitig als Flachschieber und als Hahn,
                              einerseits um auf den zwei Communicationscanälen des Dampfcylinders, welche mit
                              ihren segmentförmigen Oeffnungen e und e' das Schiebergesicht bilden, die fixe Dampfvertheilung
                              zu bewirken, während anderseits an den fensterartigen Oeffnungen i und i' des Hahnkörpers der
                              Expansionsschieber zur Wirkung gelangt. Uebereinstimmend mit den Oeffnungen e und e' des
                              Schiebergesichtes hat der Drehschieber zwei Ausschnitte o und o', von denen der erstere zum Eintritt
                              des Dampfes dient und mit dem Innern des Vertheilungsschiebers communicirt, der
                              zweite hingegen in ein Rohr mündet, welcher, in der Achse des Vertheilungsschiebers
                              geführt, durch eine Stopfbüchse das Schiebergehäuse verläßt.
                           Zur Erzielung variabler Expansion ist auf dem conischen Theile des
                              Vertheilungsschiebers ein Mantel mit correspondirenden Fenstern aufgesetzt, durch welche der
                              Kesseldampf aus dem Schiebergehäuse in das Innere des Vertheilungsschiebers gelangt.
                              Während jedoch die Fenster des Vertheilungsschiebers von unveränderlicher Größe
                              sind, ist die Weite der Fenster des Expansionsmantels dadurch veränderlich gemacht,
                              daß derselbe aus zwei Theilen c und d zusammengesetzt ist, von denen der erstere c durch drei Stifte s an
                              jeder Drehung verhindert ist, der Theil d hingegen
                              mittels der am obern Rande angebrachten Verzahnung und einer Schnecke verdreht
                              werden kann. Geschieht diese Verdrehung im Sinne der Bewegung des
                              Vertheilungsschiebers, so erhält man, wenn die Nase n
                              des Theiles d an den fixen Ausschnitt des Mantels c anstößt, die höchste Füllung von etwa 40 Proc.; bei
                              der entgegengesetzten Bewegung kommt d schließlich in
                              die Stellung der Figur 6, bei welcher nur mehr 14 Proc. Füllung stattfindet. Außerdem
                              können auch noch geringere Füllungsgrade erreicht werden; die obere Grenze von 40
                              Proc. dagegen ist zwar auch zu überschreiten, gibt aber dann, indem sich die freien
                              Enden des äußern Mantels d über die Einströmkanten des
                              innern Mantels c legen, gedrosselten Dampfeintritt.
                              Selbstverständlich wäre dieser Uebelstand zu vermeiden, wenn der
                              Vertheilungsschieber und Expansionsmantel nur ein Fenster für den Dampfeintritt
                              hätten, ebensowohl auch bei Anwendung zweier Fenster, wenn der Vertheilungsschieber
                              nur die halbe Umdrehungszahl der Kurbelwelle machen würde. Beide Auskunftsmittel
                              sind jedoch hier nicht anwendbar, da die Anbringung zweier Fenster zum Zwecke der
                              Entlastung unbedingt nothwendig ist, und der Vertheilungsschieber, welcher beide
                              Cylinderseiten steuern soll, nothwendig eine ganze Umdrehung für ein volles
                              Kolbenspiel machen muß; in Folge dessen bleibt nur ein Viertelkreis für die
                              Regulirung der Füllung disponibel, welche somit zwischen den Grenzen von 40 Proc.
                              zwischen Maximum und Minimum eingeschlossen wird.
                           Hierin allein liegt schon im Gegensatze zu so vielen andern
                              Drehschieber-Steuerungen ein wesentlicher Nachtheil der Luschka'schen
                              Steuerung; abgesehen davon ist die Expansionswirkung durch den großen schädlichen
                              Raum beeinträchtigt, und die Regulirung mittels des Schraubenmechanismus wohl kaum
                              durch den Regulator möglich; dies scheint auch nicht beabsichtigt zu sein, da in
                              Figur 5 zu
                              diesem Zweck ein Griffrad g angedeutet ist. In
                              constructiver Hinsicht ist bei dem conischen Expansionsmantel der Gefahr des
                              Verklemmens durch den auf den Conus wirkenden achsialen Druck durch nichts begegnet;
                              die vollkommene Herstellung des aus zwei Theilen bestehenden Expansionsmantels, bei
                              welchem auch die Nasen n in die Fenster des innern
                              Mantels c dampfdicht einpassen müssen, ist
                              außerordentlich schwierig, und endlich macht die Ableitung des Dampfes aus der
                              Drehungsachse des Vertheilungsschiebers außerhalb des Schiebergehäuses noch eine
                              zweite Stopfbüchse zur Verbindung mit dem Ausblaserohre erforderlich, so daß in
                              Zusammenfassung aller dieser Uebelstände eine praktische Ausführung dieser
                              Construction wohl kaum gelingen dürfte.
                           Was die Möglichkeit der Umsteuerung betrifft, so spricht der Erfinder hierüber a. a.
                              O. folgende Meinung aus: „Die Umsteuerung ist hier eine außerordentlich
                                 einfache, da der Schieber nur um 180° gedreht zu werden braucht, ist
                                 jedoch nur bei diagonalem Gegenüberliegen der Aus- und Einströmung
                                 gestattet.“ Was die fixe Dampfvertheilung betrifft, so ist dies in
                              dem bedingten Falle, wie er in Figur 6 dargestellt ist,
                              allerdings vollkommen richtig, für die Expansionsvorrichtung jedoch gänzlich
                              unrichtig; denn beim Reversiren der Maschine ändert auch der Schieber seinen
                              Drehungssinn, und alle zusammen arbeitenden Kanten vertauschen ihre Functionen, so
                              daß dann die Expansionsvorrichtung statt den Schluß
                              nunmehr den Beginn der Expansion variabel gestalten
                              würde, was nur dadurch vermieden werden kann, daß gleichzeitig mit der Verdrehung
                              des Schiebers auch die Verbindung desselben mit der Maschinenwelle reversirt würde.
                              Diese Bedingung wäre wohl unschwer zu erfüllen, dürfte aber die Umsteuerung kaum
                              mehr besonders einfach erscheinen lassen.
                           
                        
                           Im Anschlusse an die hier beschriebenen Drehschieber-Steuerungen ist noch die
                              Steuerung des neuen Betriebsmaschinensystems (Fig. 7 bis 17 [b.c/1) von P. Hlubek,
                              Ingenieur der Maschinen- und Waggonbaufabriks-Actiengesellschaft in
                              Simmering bei Wien, zu behandeln. Hier erhalten zwar die Schieber keine rotirende,
                              sondern eine stoßweise oscillirende Bewegung, vermöge deren sie sich mehr den
                              Corlißsteuerungen annähern; anderseits aber findet die Bewegung derselben durch
                              continuirlich rotirende Steuerungswellen statt, es erfolgt die Veränderung des
                              Füllungsgrades sowie des Drehungssinnes nur durch Variation des Voreilens, und es
                              kann daher die vorliegende Steuerung am besten an dieser Stelle, vor Besprechung der
                              Corlißsteuerungen, ihre Erledigung finden. Ehe wir jedoch zur Besprechung der Steuerung, die übrigens auch bei gewöhnlichen
                              Dampfmaschinen Verwendung finden könnte, übergehen, möge gestattet sein, mit einigen
                              Worten das vollständig neue System, welches der Maschine
                              zu Grunde liegt, zu erörtern.
                           Wie aus den schematischen Zeichnungen (Figur 7 Grundriß und Figur 8
                              Längsschnitt) hervorgeht, bewegen sich hier in einem gemeinschaftlichen Cylinder
                              zwei Kolben a und b, von
                              denen der eine durch Kolbenstange, Kreuzkopf und Kurbelstange direct mit der
                              mittlern Kurbel der
                              dreifach abgekröpften Maschinenwelle verbunden ist, während der Kolben b durch Vermittlung eines Querhauptes und zweier
                              seitlich vom Cylinder geführten Stangen mit zwei andern Kreuzköpfen verbunden ist,
                              die mit den äußern Kurbeln der Maschinenwelle, welche der mittlern um 60°
                              nacheilen, durch Kurbelstangen in Verbindung stehen. Der Cylinder hat drei
                              Dampfeintritt- resp. Austrittcanäle, die an dessen unterer Seite angebracht
                              sind und hierdurch gleichzeitig die Drainirung des Cylinders besorgen. Unter jeder
                              dieser Oeffnungen befindet sich ein Rundschieber, dessen Construction und Bewegung
                              weiter unten erörtert werden soll; bei der Mittlern Oeffnung ist der Cylinder nach
                              beiden Seiten zu ausgenommen, damit die Dampfkolben in ihren extremen innern
                              Stellungen (Fig.
                                 9 für a, Fig. 12 für b) den Dampfeintritt nicht hindern.
                           Auf die Weise wird ein Motor geschaffen, der für eine Umdrehung der Kurbelwelle drei
                              Füllungen nutzbar macht, in Folge dessen äußerst günstige
                              Kraftübertragungsverhältnisse gewinnt und von jedem Punkte aus mit gleicher
                              Leichtigkeit anzulassen, daher auch für Reversirmaschinen anwendbar ist. Zur
                              Erläuterung des hier Gesagten seien in kurzer Darstellung die beiden Dampfkolben auf
                              ihrem Wege bei einer Umdrehung verfolgt, und zwar unter der Annahme voller
                              Füllung.
                           In Fig. 7 und 8 befinden sich beide
                              Kolben am meisten genähert, beide gehen nach links; hinter a ist Dampfeintritt, vor b Dampfaustritt,
                              zwischen a und b
                              Dampfeintritt, dessen Wirkung auf a aufgehoben wird, in
                              Folge dessen Kraftabgabe an der Kurbel b in günstigster
                              Stellung.
                           Figur 9: Todter Punkt des Kolbens a, an
                              beiden Cylinderenden Dampfaustritt, in der Mitte Dampfeintritt. Kraftabgabe an
                              beiden Kurbeln, in günstiger Weise an der Kurbel b.
                           Figur 10: Todter Punkt des Kolbens b.
                              Dampfeintritt am linken Cylinderende und in der Mitte, Austritt rechts, in Folge
                              dessen Kraftabgabe an der Kurbel a in günstigster
                              Weise.
                           Figur 11: Zweiter todter Punkt des Kolbens a.
                              Dampfeintritt an beiden Cylinderenden, Austritt in der Mitte; beide Kolben arbeiten,
                              davon b unter günstigem Kurbelwinkel.
                           Figur 12: Zweiter todter Punkt des Kolbens b.
                              Dampfaustritt links und in der Mitte, Dampfeintritt rechts, Kraftabgabe an der
                              Kurbel a in günstigster Stellung.
                           Zu bemerken ist noch, daß sich hier der Gegendruck des frischen oder gebrauchten
                              Dampfes zwischen den zwei Kolben stets ausgleicht, so daß die Maschine in diesem
                              Falle genau wie eine gewöhnliche Dampfmaschine mit einem Cylinder in günstiger
                              Kurbelstellung arbeitet, wie dies aus den Skizzen Fig. 8, 10 und 12 hervorgeht; in den
                              Todtenpunktlagen des linken Kolbens b findet außerdem
                              stets eine völlige Entlastung statt, so daß hier gar keine Reibungsverluste
                              auftreten können, während der zweite Kolben wie bei einer Zweicylindermaschine
                              functionirt. In Folge dessen entwickelt die Hlubek'sche Maschine einen sehr
                              gleichförmigen Gang, selbst bei den höchsten Expansionsgraden, erfordert nur ein
                              mäßiges Schwungrad, kann in manchen Details schwächer gehalten sein und wird darum
                              bedeutend leichter und somit auch billiger als eine Zweicylindermaschine von
                              derselben Leistungsfähigkeit. Zudem erfordert die Hlubek'sche Maschine bedeutend
                              geringern Raum und fast gar kein Fundament, so daß sie der Zweicylindermaschine in
                              vielen Stücken entschieden überlegen ist. Nachdem auch die einzelnen Theile mit
                              Leichtigkeit zugänglich sind, günstige Abnützungsverhältnisse existiren und die zwei
                              bis jetzt ausgeführten Maschinen vortreffliche Resultate ergeben haben, so ist aller
                              Grund vorhanden, einer weitern Verbreitung dieses neuen Systems entgegenzusehen.
                           Als Uebelstände gegenüber einer Zweicylindermaschine wäre zunächst die Anwendung
                              dreier Kreuzköpfe und Kurbelstangen anzuführen, deren Wartung jedenfalls größere
                              Mühe und Sorgfalt bedingt, wenn auch die Abnützung in Folge der günstigen
                              Beanspruchung geringer ist; ferner die Anwendung einer dreifach gekröpften Welle,
                              die hier kaum umgangen werden kann, und endlich die Lagerung dieser Welle in
                              mindestens drei Lagern, zu denen, falls das Schwungrad nicht fliegend aufgekeilt
                              werden soll, noch ein viertes, außerhalb der Maschine liegendes hinzukommen muß.
                           Ebenso interessant und eigenthümlich wie die Maschine selbst ist auch deren
                              Steuerung, welche in ihrer allgemeinen Disposition aus den Figuren 13 und 14, bei
                              abgehobenem Dampfcylinder, ersichtlich ist.
                           Unter den drei Dampfcanälen des Dampfcylinders befindet sich, wie bereits oben
                              bemerkt, je ein Rundschieber von dem aus Figur 13 ersichtlichen
                              Querschnitte, welcher durch eine Längswand in zwei Theile getrennt, an den beiden
                              Enden durch Spannringe und der Länge nach durch eine Spange abgedichtet ist, die
                              mittels Federn an die Wand des Gehäuses gepreßt wird. In diesen Schiebern befindet
                              sich einerseits die Dampfeintrittkammer e, den
                              Rundschieber der ganzen Länge nach durchsetzend, anderseits die Austrittkammer u, an beiden Enden geschlossen, jede Kammer aber unten
                              und oben mit einem Längsschlitze versehen. Die beiden obern Längsschlitze verbinden
                              bei der Oscillation des Schiebers abwechselnd die Eintritt- und die
                              Austrittkammer mit dem Dampfcylinder, der untere Schlitz der Austrittkammer u kommt abwechselnd in und außer Verbindung mit dem
                              Dampfaustrittcanal, der sich in der Mitte unter den drei Schiebergehäusen hinzieht;
                              der untere Schlitz der Eintrittkammer e endlich dient nur zur Entlastung,
                              nachdem der Kesseldampf direct aus dem Schiebergehäuse der Länge nach durch die an
                              beiden Enden offene Eintrittkammer strömen kann. Die Schiebergehäuse stehen nämlich
                              an ihrem hintern Ende (Fig. 14) mit einem
                              seitlichen Canal v in Verbindung, der in zwei Arme
                              getheilt zu dem oberhalb des Dampfcylinders angebrachten Dampfabsperrschieber
                              führt.
                           Es handelt sich jetzt nur mehr um die Darstellung der Mechanismen, welche den drei
                              Rundschiebern ihre oscillirende Bewegung ertheilen und dieselbe von dem Regulator
                              abhängig machen. Zu diesem Zwecke wird jeder Schieber von dem flach geschmiedeten
                              Theile einer Welle durchsetzt, welche aus dem vordern Ende des Schieberkastens durch
                              eine Stopfbüchse heraustritt und hier an einer nach aufwärts gerichteten Kurbel eine
                              conische Rolle o (Fig. 13, 14 und 17) trägt. Längs dieser
                              drei Rollen ist seitlich vom Cylinder eine gemeinsam mit der Kurbelwelle sich
                              drehende Steuerwelle s gelagert, welche auf beiden
                              Seiten der conischen Rollen o je zwei Scheiben S, S' trägt, deren innere Oberfläche jedoch nicht
                              conisch, sondern nach einer wellenförmigen Fläche geformt ist, so daß bei jeder
                              Umdrehung der Steuerwelle s die Kurbeln auf den
                              Schieberspindeln und mit ihnen die Schieber einmal nach links geschoben werden und
                              eine Zeitlang unverändert stehen bleiben (Einströmung), dann wieder in die
                              Mittellage gelangen (Expansion) und endlich nach rechts geschoben werden
                              (Ausströmung), worauf ein neues Spiel beginnt.
                           Demgemäß haben die drei auf der rechten Seite der Rollen befindlichen Scheiben S' eine eigenthümliche Gestalt der Oberfläche, deren
                              Contur (in aufgewickeltem Zustande in der obern Hälfte der Figur 17 dargestellt) den
                              Beginn der Einströmung sowie Schluß der Ausströmung bestimmt. Die drei links
                              befindlichen Scheiben S sind durch die untere Linie der
                              Figur 17
                              bezeichnet, welche den Schluß der Einströmung und Beginn der Ausströmung
                              herbeizuführen hat. Hier ist jedoch nur die der Ausströmung bestimmte Kante fest mit
                              der Scheibe S und der Steuerwelle s verbunden, die beiden Kanten k und l hingegen sind in runden Schlitzen der Scheibe S frei beweglich und mit einem Zahnrade T verbunden, das neben S auf
                              der Welle s frei beweglich aufgesetzt ist. In diese
                              Zahnräder greifen drei gleich große Räder U, die auf
                              einer entgegengesetzt der Welle s, aber mit gleicher
                              Tourenzahl rotirenden Welle x aufgekeilt sind, so daß
                              die Kanten k und l genau so
                              mit der Scheibe S rotiren, als ob sie aus einem Stücke
                              mit derselben wären. Um nun die Füllung zu verändern, hat nichts zu geschehen, als
                              der Welle x ein Vor- oder Nacheilen gegenüber der
                              Welle s zu geben, wobei die Kanten k und l momentan ihren Ort
                              gegenüber den andern Kanten der Steuerscheiben verändern, dann aber wieder gemeinschaftlich mit denselben
                              weiter rotiren. Auf diese Weise werden bei einer Verschiebung der Expansionskanten
                              von der in Figur
                                 17 vollgezeichneten Stellung k bis zur
                              punktirt angedeuteten k', wo sie sich direct an die
                              Austrittkante anlehnt, alle Füllungen von 6 bis zu 93 Proc. erreicht; die Kante l geht hierbei gleichfalls von links nach rechts bis zur
                              Stellung l', bleibt aber beim Vorwärtsgange ohne jeden
                              Einfluß auf die Dampfvertheilung.
                           Soll hingegen die Maschine reversirt werden, so muß nur die Steuerwelle um den Winkel
                              arc α = w/r (Fig. 17) gedreht werden,
                              wobei r der Radius der aufgewickelten Fläche und w der halbe Kreisumfang weniger dem doppelten Betrage
                              v der Voreilung ist. Dies geschieht dadurch, daß die
                              Welle y (Fig. 14), welche mit der
                              Kurbelwelle durch die Kegelräder verbunden ist und die beiden Wellen x und s antreibt, aus zwei
                              Theilen besteht, von denen der eine am Ende eine gerade Keilnuth, der zweite eine
                              schraubenförmig gewundene Nuth enthält; über diese geht ein Schiebmuff, der mit je
                              einem Zahn in die beiden Nuthen eingreift, durch einen Hebel verstellbar ist und so
                              die gewünschte Verdrehung um den Winkel α
                              hervorbringt. Die Stellung der Kanten k und l in den Scheiben S ist
                              dabei unverändert geblieben, nachdem sich die Welle x um
                              denselben Betrag und im entgegengesetzten Sinne wie s
                              verdreht hat; da aber jetzt die Steuerscheiben in umgekehrter Richtung rotiren, so
                              bleibt die Kante k ganz außer Function und l bestimmt den Dampfabschluß und wird durch den
                              Regulator nach rechts oder links verschoben, je nachdem die Füllung zu- oder
                              abnehmen soll.
                           Diese Einflußnahme des Regulators geschieht auf folgende Weise. Die Welle y, welche die Steuerwelle s
                              und die Expansionswelle x antreibt, ist nur mit der
                              ersteren durch eine feste Stirnradübersetzung z, z'
                              verbunden, die Welle x hingegen mit ihrem einen Ende
                              frei in der verlängerten Nabe des Antriebrades z
                              gelagert und wird nur dadurch mit demselben gekuppelt (Fig. 15 und 16), daß in
                              zwei am Rade z angegossenen Armen eine Schnecke g gelagert ist, welche in ein Schneckenrad h eingreift, das auf der Welle x befestigt ist. Auf der Welle der Schnecke g
                              sitzt ein zweites Schneckenrad, welches in eine zweite Schnecke f eingreift, die gleichfalls in einem Arm des Rades z gelagert ist und am Ende ein Stirnrädchen i trägt. Dieses kreist für gewöhnlich frei zwischen
                              einem außen verzahnten Rade r und einem innen verzahnten
                              Rade p, die zu einem gemeinsamen Gußkörper verbunden
                              sind, welcher gleichzeitig als Schutzhülse dienend über die Welle x geschoben ist, jedoch durch eine am Maschinenbette
                              angeschraubte Führung an der Drehung verhindert ist und nur eine Längsverschiebung
                              machen kann. Diese erfolgt durch den Einfluß des Regulators mittels der aus Figur 13
                              ersichtlichen Hebel, und bringt auf diese Weise bei jeder Störung des
                              Gleichgewichtes entweder das Rad r oder die Verzahnung
                              p mit dem continuirlich kreisenden Rädchen i in Eingriff. Hierdurch wird mittels der Schneckenräder
                              die Welle x gegenüber der Antriebswelle y verdreht, und zwar bleibt sie im ersteren Falle hinter
                              derselben zurück und eilt im andern Falle vor, hiermit in gewünschter Weise die
                              Füllung verändernd.
                           Der Regulator besteht aus zwei Kugeln, welche an Winkelhebeln befestigt sind, deren
                              anderes Ende mittels Zugstangen die Hülse bewegt; zum Einstellen des Regulators auf
                              verschiedene Geschwindigkeiten ist statt des Porter'schen Hülsengewichtes ein
                              verstellbares Gewicht q angebracht, das durch
                              Zahnradübersetzung verdoppelt und, mittels eines verstellbaren Hebels übertragen,
                              auf die Hülse wirkt. Selbstverständlich wird der Regulator, obwohl er für bestimmte
                              Geschwindigkeit nur bei einer einzigen Stellung in Gleichgewicht ist, vermöge des
                              Stellzeuges zu einem asiatisch wirkenden, und nachdem er nur die Zahnräder r und p ein- oder
                              auszulösen hat, genügen mäßige Dimensionen, um ihm die entsprechende Empfindlichkeit
                              zu geben.
                           Auf diese Weise wird die Füllung der Maschine in rationellster Weise von dem
                              Regulator abhängig gemacht, während alle andern Functionen der Dampfvertheilung
                              constant bleiben; durch die Form der Knaggen ist es möglich, rasche Oeffnung und
                              Schließung der Dampfcanäle zu erzielen, der schädliche Raum ist auf ein Minimum von
                              1 1/2 Proc. herabgedrückt, und endlich ist die Umsteuerung in einfachster Weise
                              während des Ganges der Maschine vorzunehmen. Die Schieber sind vollkommen entlastet
                              und können ohne Mühe in diesem Zustande erhalten werden, und es ist wohl anzunehmen,
                              daß sich die Hlubek'sche Steuerung auch bei längerm Gebrauche bestens bewähren wird,
                              wenn nur die zahlreichen Zahn- und Schneckenräder, Wellen und Lager
                              entsprechend gut hergestellt und sorgfältig gewartet werden. Dagegen dürfte eben
                              eine vorzügliche Herstellung dieses Mechanismus den Preis der Maschine sehr
                              vertheuern, so daß nach unserer Meinung eine einfachere, wenn auch minder correcte
                              Steuerung dem Systeme selbst bessere Dienste leisten würde.
                           Speciell für rasch laufende Reversirmaschinen, für welche sich das Hlubek'sche
                              Maschinensystem im übrigen so vortrefflich eignet, wäre jedenfalls irgend eine
                              Doppelschieber-Steuerung mit Coulissenbewegung, oder eine rationelle
                              Drehschieber-Steuerung zu empfehlen, und wir zweifeln nicht, daß der
                              geistreiche Erfinder sein System nach dieser Richtung hin nutzbar machen werde.
                           
                              
                                 (Schluß folgt.)
                                 
                              
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
