| Titel: | Ueber die Correctur des Wassers für das Färben mit den Krappfarbstoffen; von A. Rosenstiehl. | 
| Autor: | A. Rosenstiehl | 
| Fundstelle: | Band 221, Jahrgang 1876, S. 167 | 
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                        Ueber die Correctur des Wassers für das Färben
                           mit den Krappfarbstoffen; von A.
                              Rosenstiehl.
                        Rosenstiehl, über Wassercorrectur bei Krappfärberei.
                        
                     
                        
                           Es ist unter den Fachleuten eine bekannte Thatsache, daß die wirkliche Ausgiebigkeit
                              eines Farbstoffes immer größer ist, als die im Kleinen angestellten Färbeversuche
                              angeben. Bei letztern arbeitet man nur mit 1l, beim Färben im Großen mit 600 bis 800l Wasser; die kleinere Menge Wasser gibt
                              ihren natürlichen Kohlensäuregehalt beim Erwärmen in unverhältnißmäßig kurzer Zeit
                              ab, die größere Menge Wasser dagegen hält einen Theil ihres Kohlensäuregehaltes
                              während der ganzen Dauer der Färbung zurück. Die frühern Untersuchungen Rosenstiehl's (1874 214 485)
                              1875 216 447) haben festgestellt, daß Alizarin, wenn es
                              die Beizen vollständig sättigen soll, einen bestimmten Kalkgehalt des Färbebades
                              voraussetzt, daß Purpurin einen solchen Kalkgehalt erträgt, aber nicht absolut
                              verlangt, daß mit Pseudopurpurin nur in reinem destillirtem Wasser und auch dann nur
                              unsolide, wenig haltbare Nuancen gefärbt werden können. Aus denselben Versuchen geht
                              ferner hervor, daß der Kalklack des Alizarins durch freie Kohlensäure leicht, der
                              des Purpurins schwierig und der des Pseudopurpurins fast gar nicht zerlegt wird;
                              aber die Bildung der beiden letztern Kalklacke wird durch die Anwesenheit der
                              Kohlensäure wesentlich verzögert. In diesen Verhältnissen ist nach der neuesten
                              Arbeit Rosenstiehl's (Bulletin de
                                 Mulhouse, 1876 S. 112) der Grund für die Differenz zwischen der Färberei im
                              Kleinen und der im Großen – und zusammenhängend damit auch die Erklärung für
                              die weitere, ebenso bekannte, bis jetzt ebenso wenig enträthselte Thatsache zu
                              suchen, daß es nicht möglich ist, in einem und demselben Bad zwei auf einander
                              folgende Färbungen vorzunehmen, auch nicht wenn man gleichzeitig mit dem Farbstoff
                              das zutreffende Quantum Kreide zusetzt. Die in der Flotte zurück gebliebene Menge
                              Kohlensäure reicht nicht mehr aus, um den zugefügten kohlensauren Kalk für die
                              active Theilnahme an der Färbung in Lösung überzuführen; sie reicht auch nicht aus,
                              um die für das Färberesultat ungünstigen Kalklacke zu zersetzen, beziehungsweise
                              deren Bildung zu verhindern. Es ist erinnerlich, daß Verfasser, von diesen Ideen
                              geleitet, längere Zeit für seine Laboratoriumsversuche sich einer Lösung von
                              doppeltkohlensaurem Natron mit Vortheil bedient hat, um das Wasser seiner
                              Farbflotten im Kleinen zu corrigiren. Die Unbeständigkeit dieser Verbindung hat ihn
                              jedoch später veranlaßt, die Kohlensäure in Form eines Kohlensäurestromes in das
                              Farbbad einzuführen. Von nun an waren seine Versuche im Kleinen vollkommen in
                              Uebereinstimmung mit den Färbungen im Großen, das Bad erhielt sich auffallend klar, und es
                              resultirte eine Ersparniß an Farbmaterial bis zu 20 Proc.Es ist zu bemerken, daß Verfasser für seine Laboratoriumsversuche sich einer
                                    eigenen Miniaturfärbstande bediente, um den Verhältnissen der Fabrikation im
                                    Großen möglichst nahe zu kommen, namentlich in Ansehung der nöthigen
                                    Wassermenge. Dieselbe wurde ferner nicht, wie sonst üblich, mit frei
                                    ausströmendem Dampf, sondern mit geschlossenen Dampfröhren erwärmt. Es soll
                                    damit bezweckt werden (und diese Anschauung ist sicherlich die richtige),
                                    daß die Wirkung der Flotte, wenn sie auf den Höhepunkt ihrer Temperatur
                                    angekommen ist, nachdem sie schon einen großen Theil des Farbstoffes an die
                                    bedruckten Stoffe abgetreten hat, nicht eine weitere Abschwächung durch
                                    fortgesetzte Vermehrung des Condensationswassers erfährt – gerade in
                                    der Zeit, in welcher die möglichst vollständige Erschöpfung des Bades vor
                                    sich gehen soll. Die Versuche wurden mit 25m langen Abschnitten, unter
                                    Anwendung von 1 1/2 bis 2l Wasser
                                    pro Meter, ausgeführt.
                              
                           Rosenstiehl hat auch diese Methode wieder verlassen, weil
                              deren Ausführung im Großen nicht so leicht sich bewerkstelligen läßt. Er verwendet
                              jetzt zu seinen Versuchen eine Lösung von essigsaurem Kalk. Vermöge ihrer sauren
                              Natur sind die Krappfarbstoffs, die natürlichen sowohl als die künstlichen, im
                              Stande, lösliche Kalksalze, wie essigsauren, salzsauren, salpetersauren Kalk, in der
                              Siedhitze zu zerlegen, so daß in der ursprünglich neutralen Flüssigkeit die freien
                              Säuren sich nachweisen lassen. Das Auftreten freier Salzsäure oder Salpetersäure in
                              einer Farbflotte ist immerhin gefährlich; freie Essigsäure schadet in keiner Weise,
                              weshalb die Anwendung des essigsauren Salzes allein für die Praxis zu
                              berücksichtigen ist. Die Wirkung desselben ist bei Anwesenheit eines mordancirten
                              Stoffes, also unter den Verhältnissen, wie sie gerade die Färberei mit sich bringt,
                              eine noch viel durchschlagendere, sofern der Kalk sogleich Gelegenheit findet, mit
                              dem Farbstoff und der Basis des Mordant einen jener für die Färberei mit den
                              Krappfarbstoffen so wichtigen Doppellacke zu bilden (vgl. 1875 216 447). Wird genau 1 Aeq. essigsaurer Kalk auf 1 Aeq. Alizarin genommen,
                              so erhält man in destillirtem Wasser eine ganz vollkommene Färbung; noch etwas
                              vollständiger wird das Bad ausgezogen bei Anwendung von 2, weniger vollständig bei
                              Anwendung von 3 Aeq. Kalksalz. Auch das Purpurin färbt die Mordants leicht bei
                              Gegenwart von essigsaurem Kalk; zwei Aequivalente des letztern auf 1 Aeq. Purpurin
                              liefern sehr gute Färberesultate. Sogar das Pseudopurpurin verträgt einen Zusatz
                              dieses Salzes, wenn auch im Ueberschuß zugefügt; während des Färbens geht es
                              theilweise in Purpurin über. Schließlich folgt hieraus und ist durch die Versuche
                              bestätigt, daß auch die Krappextracte und die künstlichen Alizarine für Roth und für
                              Violett bei Gegenwart von 2 Aeq. essigsaurem Kalk leicht die Mordants sättigen: das
                              Farbbad wird vollkommen ausgezogen und ist zuletzt viel klarer, als wenn man mit
                              Kohlensäure operirt.
                           
                           Rosenstiehl verwendet nun den essigsauren Kalk bei seinen
                              Färbeversuchen in folgender Weise. Das Wasser, welches ihm zu Gebote steht, ist das
                              der Doller. Dasselbe enthält 50mg (1
                              Milligrammäquivalent) kohlensauren Kalk in 1l; diesen führt er zunächst in essigsauren Kalk über durch Hinzufügen von
                              10cc einer Zehntelnormalessigsäure (im
                              Liter 6g HC₂ H₃ O₂,
                              oder 18cc,3 Essigsäure von 1,045 spec.
                              Gew.). Der Gehalt von 1l Flußwasser an
                              essigsaurem Kalk ist jetzt äquivalent mit 0g,340 Alizarin oder mit 0g,156
                              Purpurin. Um in dem Färbebad das günstigere Verhältniß von 2 Aeq. Kalksalz auf 1
                              Aeq. Alizarin oder Purpurin herzustellen, werden noch weitere 10cc einer Zehntellösung von essigsaurem Kalk
                              zugegeben. Diese Zehntellösung wird erhalten durch Vermischen von 41g,5 einer Lösung von essigsaurem Kalk,
                              deren spec. Gew. 1,115 ist, mit 6g,1
                              Essigsäure vom spec. Gew. 1,045 und Auffüllen des Ganzen mit Wasser bis zu 1l. Die Flüssigkeit enthält somit einen
                              Ueberschuß an Essigsäure, welcher beim Färben nicht schadet, sich vielmehr bei einer
                              Reihe von Versuchen als vortheilhaft erwiesen hat.
                           Mit dieser Correctur des Wassers erhielt Rosenstiehl beim
                              Färben im Kleinen Resultate, welche mit den beim Färben im Großen erhaltenen in
                              möglichster Uebereinstimmung waren. Das Verfahren bietet aber außerdem den großen
                              Vortheil, daß man ohne allen Anstand mehrere Färbungen hinter einander in demselben
                              Bad, ohne zu leeren, ausführen kann, indem man nur für jede neue Färbung das
                              entsprechende Farbmaterial und je auf 1 Aeq. des letzteren 1 Aeq. essigsauren Kalk
                              hinzuzufügen hat, d.h. es bietet den großen Vortheil, daß es erlaubt, mit einem
                              Ueberschuß von Farbmaterial bei niedrigerer Temperatur und in kürzerer Zeit zu
                              färben, weil man eben nicht mehr genöthigt ist, die Flotte bei jedem Färbeposten
                              gänzlich zu erschöpfen. Gleichzeitig erhält das in manchen Fabriken schon längere
                              Zeit übliche Verfahren, das Wasser der Farbflotten mit Essigsäure zu corrigiren,
                              durch Rosenstiehl's Studien eine nachträgliche
                              Bestätigung und theoretische Beleuchtung. Dasselbe erweist sich hiernach als ganz
                              rationell und allgemein durchführbar, auch für Wasser, welches außer kohlensaurem
                              Kalk noch Schwefelsäure- oder Salzsäureverbindungen enthält. In diesem Fall
                              wird Zusatz von essigsaurem Kalk oder auch von essigsaurem Natron das bisherige
                              Verfahren ergänzen. Doch ist letzteres Salz mit großer Vorsicht zu verwenden; denn
                              sobald es in größerer Menge zugefügt wird, als die Umsetzung jener Schwefelsäure und
                              Salzsäureverbindungen erfordert, wird es auf das Färberesultat einen schädlichen,
                              nicht aber einen vortheilhaften Einfluß ausüben.
                           
                              Kl.