| Titel: | Riemenaufleger für Transmissionen. | 
| Fundstelle: | Band 221, Jahrgang 1876, S. 207 | 
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                        Riemenaufleger für Transmissionen.
                        Mit Abbildungen auf Taf.
                              VI [a.b/1].
                        Riemenaufleger für Transmissionen.
                        
                     
                        
                           Das Auflegen der Treibriemen auf Riemenscheiben während des Ganges ist oft nicht
                              allein mit großen Gefahren für die Arbeiter, sondern auch mit Betriebsstörungen
                              verbunden, die je nach Umständen einer Fabrik sehr theuer zu stehen kommen können,
                              sei es durch Verluste von Entschädigungen an die verunglückten Arbeiter, oder an
                              Quantität oder Qualität der Waare. Die Gefahren für die Arbeiter beim Riemenauflegen
                              sind ja hinlänglich bekannt; verlorene Finger, Hände und Arme geben davon Zeugniß,
                              wenn nicht gar auf gräßliche Weise der Tod der Unglücklichen erfolgte.
                              Betriebsstörungen treten dann ein, wenn ein abgeschlagener oder zerrissener Riemen
                              während des Ganges der übrigen Maschinen sich nicht wieder aufbringen läßt, und muß
                              entweder diese Maschine bis zur nächsten Arbeitspause still stehen bleiben, oder es
                              müssen durch Abstellen der Betriebsmaschine alle übrigen Maschinen eine kurze Zeit
                              pausiren, bis der Riemen der einen wieder betriebsfähig ist. In beiden Fällen sind
                              Verluste an Quantität der Production ganz unvermeidlich. Bei gewissen
                              Fabrikationszweigen, z.B. Schlichten von Kettengarnen, Appretiren und Färben von
                              ganzen Zeugstücken, ist es ohne bedeutende Nachtheile für die Qualität der Waare
                              ganz unthunlich, die Bewegung zu unterbrechen, und in großen Fabriken müssen oft
                              Hunderte von Arbeitern, die Accordlohn haben, auf das Auflegen eines Riemens
                              warten.
                           Es ist hiernach wohl zweifellos dargethan, wie wichtig es ist, einen Riemen während
                              des Ganges der Transmissionen sicher und rasch aufschlagen zu können, und wenn auch
                              schon früher von verschiedenen Seiten die Wichtigkeit dieser Sache gewürdigt worden
                              ist, so ist doch dem Hannoverschen Bezirksvereine deutscher Ingenieure für eine
                              erneute Anregung derselben (durch Aussetzung eines Preises für einen
                              zweckentsprechenden gefahrlosen Riemenaufleger) Dank zu bringen; denn vielleicht gelingt es,
                              Fabrikbesitzer und Andere dafür zu interessiren, so daß darin, sei es freiwillig
                              oder unfreiwillig, etwas geschieht, zumal hier das Wohl der Arbeiter und das
                              Interesse der Arbeitgeber gleichzeitig gefördert wird.
                           Wenn kleine Treibriemen bis 50mm Breite auf
                              Riemenscheiben bis 500mm Durchmesser, bei
                              etwa 120 Umgängen, sich auch fast gefahrlos mit der Hand aufschlagen lassen, so
                              können doch Zufälligkeiten Unglücksfälle hervorrufen, und es ist besser, derartige
                              Riemen mittels einer gefingerten Stange aufzulegen; dieselbe – etwa 50mm stark aus zähem Holze – trägt
                              oben eine eiserne Hülse mit zwei rechtwinklig gestellten Fingern. Beim Gebrauche
                              wird der horizontale Finger unter den Riemen gesteckt und letzerer, in der
                              Bewegungsrichtung und der Scheibe zu, aufgeschoben. Man muß dabei auf diejenige
                              Seite der Welle treten, von wo ab man den Riemen mit der Stange am weitesten
                              verfolgen kann.
                           Was nun mechanische Vorrichtungen zum Auflegen der Treibriemen anlangt, so wurde die
                              erste im J. 1859 von Herland in Paris construirt (vgl.
                              1859 154 73) * 1860 155 82).
                              Dieser Riemenaufleger entsprach nach Ansicht der Pariser Akademie der Wissenschaften
                              den damaligen Anforderungen so vollkommen, daß der Erfinder den
                              Monthyon-Preis im Betrage von 1500 Franken erhielt.
                           Später verbesserte Durand (* 1870 197 114) die Herland'sche Vorrichtung, da derselbe im Gebrauche einige
                              Nachtheile zeigte; doch ist auch der Durand'sche Aufleger bei großen Riemen und
                              großer Umdrehungsgeschwindigkeit kaum brauchbar; denn es ist nicht möglich, durch
                              das Andrücken des Auflegers mittels einer Stange in der Höhe, wie Transmissionen
                              gewöhnlich liegen, eine solche Friction zu erzeugen, daß der Riemenaufleger
                              mitgenommen wird.
                           
                        
                           In den Berichten der Mülhauser Gesellschaft zur Verhütung von Unglücksfällen in
                              Fabriken wird der Riemenaufleger von Baudouin (1872 204 444) sehr empfohlen, und ist derselbe bereits in
                              vielen Exemplaren ausgeführt und mit bestem Erfolge angewendet worden. Derselbe ahmt
                              die Arbeit des menschlichen Armes nach und besteht aus einem hölzernen Arme, welcher
                              an einem Ende (in der Nähe der Welle) um einen Zapfen (Fig. 2) oder um diese
                              selbst (Fig. 3
                              und 4)
                              drehbar, am andern Ende in der Nähe des Kranzes der Riemenscheibe mit einem
                              schmiedeisernen, handartig gebogenen Winkel versehen ist. Bei kleinern Scheiben und
                              geringern Umdrehungszahlen dreht sich der Arm unmittelbar auf der Welle; bei größern
                              Scheiben und größern Umdrehungszahlen ist dicht neben der Scheibe ein Hängebock
                              (Fig. 2)
                              angebracht, welcher unten zwei nach der Scheibe zu gerichtete Zapfen a und b trägt, wovon der eine a als Drehpunkt, der andere b als Stützpunkt für den Arm dient. Der herabgefallene Treibriemen legt
                              sich auf die Hand und die Nabe des Hebels und nicht auf die treibende Welle, so daß
                              schon dadurch die Gefahr des Aufwickelns des Riemens beseitigt ist. Am Handende des
                              Armes, nach außen gerichtet, befindet sich ein Knopf k,
                              mittels dessen man durch eine Schub- und Zugstange den Arm erfassen und
                              entsprechend drehen kann, so daß er mit seiner Hand einige Centimeter über dem
                              Kranze der Riemenscheibe an dieser vorbei streicht und den mit aufgehobenen Riemen
                              von der schrägen Hand auf den Kranz herabgleiten läßt. Der Riemen legt sich dabei
                              zum Theil auf die Scheibe, deren Umdrehung dann die nothwendige Drehung des Armes
                              und dadurch die ganze Arbeit unterstützt.
                           Dieser Apparat läßt sich für alle Fälle leicht modificiren, er erfordert aber bei
                              schwerern Riemen und da, wo die Lage es nicht gestattet, daß man mit einer Stange den Arm weit genug drehen kann, mehrere
                              Arbeiter zur Bedienung.
                           Durch die excentrische Lage des Drehpunktes hebt die Hand den Riemen über den Kranz der Scheibe und verhindert das innige
                              Anschmiegen des Riemens an diesen, so daß die Drehung der Scheibe die nothwendige
                              Drehung des Armes nicht genügend unterstützen kann und der Apparat schwer zu
                              bedienen ist; es müssen zwei Mann, der eine schiebend, der andere ziehend
                              wirken.
                           
                        
                           Etwas vollkommener ist der Riemenaufleger von T. R. Read
                              in Birmingham (Fig.
                                 5 und 6). Derselbe besteht aus zwei solchen Armen, die unter einem Winkel von
                              60° mit einer zweitheiligen Nabe über die Welle und einen Stellring s geschoben werden, welcher die Lage der Arme so fixirt,
                              daß ihre Enden dicht am Kranze der betreffenden Riemenscheiben vorbeistreichen.
                              Jeder der Armenden hat einen nach außen gerichteten Knopf k zum Aufhängen in passender Lage und zum Anfassen beim Drehen. Der
                              Apparat wird so gestellt, daß ein herabfallender Riemen sich auf die glatte Seite
                              der Nabe und auf die Hand des ersten Armes legt, so daß er bei entsprechender
                              Drehung von dieser ersten schrägen Handfläche auf den Kranz der Scheibe geführt und
                              von dem zweiten nachfolgenden Arme dabei unterstützt wird. Beide Handflächen sind an
                              der Riemenscheibenseite mit dem Kranze bündig und bewegen sich damit concentrisch,
                              so daß der Riemen sich sofort in einem Bogen von 60° auf den Kranz auflegt
                              und, von diesem mitgenommen, die Manipulation energisch unterstützt. Die sichere
                              Wirkung des Apparates hängt wesentlich von der richtigen Breite der beiden
                              handartigen Winkel ab. Der erste muß etwas schmäler sein als der Riemen, der zweite
                              schmäler als der erste,
                              bei schmalen Riemen fast ganz gerade. Dieser zweiarmige Read'sche Apparat gestattet
                              außerdem auch mit Hilfe des zweiten Armes eine weitere Drehung als der einarmige
                              Baudouin'sche Riemenaufleger, da man bei letzterm mit der Schubstange um 60°
                              früher gegen die Welle kommt, als wenn man den Read'schen Apparat bei dem zweiten
                              Arme anfaßt.
                           Bei neuen Transmissionen kann man für die Anbringung eines solchen Riemenauflegers
                              gleich neben den betreffenden Riemenscheiben Stellringe mit aufstecken; bei alten
                              Transmissionen ist aber das Aufbringen solcher Stellringe mit viel Arbeit verbunden,
                              und die Anwendung zweitheiliger Ringe würde wieder etwas größere Dimensionen der
                              Nabe nach sich ziehen. Jedenfalls bleibt es aber immer nöthig, diese Naben, gleich
                              Zapfenlagern, zu schmieren, und da man wegen des Umschlagens der Arme
                              Schmierfangschalen nicht anbringen kann, so entstehen hieraus nicht allein Kosten,
                              sondern auch Schmierstellen, die in manchen Localen die Anwendung solcher Apparate
                              verbieten würden. Es ist auch nicht unmöglich, daß durch Mangel an Schmiere oder
                              durch zu festes Anziehen der Nabenschrauben oder durch Zwischensetzen von
                              Unreinigkeiten, bei seltenem Gebrauch, eine Festklemmung der Nabe stattfinden kann,
                              wodurch der Einöler auch in große Gefahr kommen könnte.
                           
                        
                           Oberingenieur L. Bach in Linden vor Hannover hat deshalb
                              die Read'sche Construction etwas verändert und dabei die gerügten Uebelstände zu
                              vermeiden gesucht. Dieser Riemenaufleger (Fig. 7 und 8) dreht sich um einen die
                              Welle umschließenden, hohlen Zapfen z, welcher wie die
                              Nabe n zweitheilig ist und von einem
                              hängelagerbockartigen, gußeisernen Zapfenträger b
                              gehalten wird, so daß der Apparat an allen möglichen Stellen angebracht werden kann,
                              ohne Theile der Transmission lösen zu müssen. Der hohle Zapfen ist aus hämmerbarem
                              Gußeisen hergestellt, um möglichst kleine Dimensionen zu erhalten; sein innerer
                              Durchmesser beträgt 90mm, weil diese Weite
                              für alle Wellen, wo Ableger anzubringen waren, genügte; die Wandstärke ist 5mm. Die Nabe n
                              ist von Gußeisen, die Arme a, a sind von Schmiedeisen
                              hergestellt, alle Verbindungsschrauben sind versenkt, alle Hervorragung möglichst
                              vermieden, die unvermeidlichen abgerundet.
                           Der Aufleger wird durch eine Stütze am Zapfenträger oder durch eine dünne Schnur oder
                              einen dünnen Draht in passender Lage erhalten, damit er für den Gebrauch gleich
                              fertig zum Drehen ist. Das Drehen des Auflegers geschieht durch eine gegen den Knopf
                              k gelegte gefingerte Stange, wie sie zum Auflegen
                              kleiner Riemen gebräuchlich ist. Seine Anwendung ist sicher und leicht; ein Mann
                              kann einen Riemen von
                              20cm Breite auf eine Riemenscheibe von
                              120cm Durchmesser bei 108 Umgängen mit
                              Leichtigkeit, Sicherheit und ohne jede Gefahr auflegen.
                           Es sind davon bereits 9 Stück unter verschiedenen Umständen im Gebrauch, welche sich
                              sämmtlich als völlig sicher in Bezug auf das Auflegen und völlig gefahrlos für die
                              damit Arbeitenden bewährt haben. Der Preis eines solchen Auflegers ist für
                              Riemenscheiben von 1m,88 bis 1m,25 Durchmesser 90 bezieh. 75 M., für
                              kleinere Scheiben 50 bis 60 M. (Nach den Mittheilungen des Gewerbevereins für
                                    Hannover, 1876 S. 10.)
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
