| Titel: | Beiträge zur Fabrikation des Leimes; von Dr. Bruno Terne in Cambridge (Mass. Nordamerika). | 
| Autor: | Bruno Terne | 
| Fundstelle: | Band 221, Jahrgang 1876, S. 251 | 
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                        Beiträge zur Fabrikation des Leimes; von Dr.
                           Bruno Terne in Cambridge
                           (Mass. Nordamerika).
                        Mit Abbildungen.
                        Terne, Beiträge zur Fabrikation des Leimes.
                        
                     
                        
                           Die Literatur auf diesem Gebiet der Verwerthung thierischer Abfälle ist noch eine
                              verhältnißmäßig sehr wenig ausgedehnte, und dürfte es deshalb wohl nicht ganz ohne
                              Interesse sein, nach einer mehrjährigen Praxis auf diesem Feld, die gemachten
                              Erfahrungen zusammenzustellen und der Oeffentlichkeit zu übergeben. Besonders
                              angeregt dazu werde ich durch den betreffenden Ausstellungsbericht über die Wiener
                              Ausstellung 1873 von Prof. W. F. Gintl, welcher in diesem
                              Journal, 1874 214 294 aufgenommen ist.
                           In der Einleitung seines Berichtes findet der Berichterstatter den zum Spottnamen
                              gewordenen „Leimsieder“ in der That berechtigt und begründet
                              dies mit dem in Deutschland herrschenden System der Kleinindustrie. Die Richtigkeit
                              dieser Verhältnisse zugebend, muß ich für das Gebiet der Vereinigten Staaten
                              Nordamerikas diesen Industriezweig ganz entschieden gegen die gemachten Vorwürfe in
                              Schutz nehmen. Die gewaltigen Werke in New-York, Philadelphia, Chicago,
                              Boston, Baltimore etc. repräsentiren nicht nur durch ihre maschinellen Einrichtungen
                              eine wohlgepflegte Großindustrie, sondern bürgen auch durch die Art und Weise ihrer
                              Leitung, welche meist in den Händen tüchtiger Fachleute, überall von wohlgeschulten
                              Chemikern unterstützt, ruht, die Gewähr, daß die Fortschritte der Wissenschaft möglichst zum Nutzen
                              dieser Fabrikation ausgebeutet werden.
                           Es gereicht mir dabei zum besondern Vergnügen, zu constatiren, daß unsere deutschen
                              Landsleute, die Gebrüder Wahl in Chicago seit Jahren Nichts unversucht gelassen
                              haben, ihre Fabrik, in welchen der Verfasser beinahe zwei Jahre (1871 bis 1873) als
                              Chemiker thätig war, im Einklang mit den neuesten Forschungen der Wissenschaft zu
                              führen. Es ist dem Eifer der Genannten gelungen, ungeachtet zweier verheerenden
                              Feuersbrünfte ein Etablissement zu errichten, welches zur Ehre des deutschen Namens
                              eines der ersten und bedeutendsten im Lande ist. Die Ausdehnung der angezogenen
                              Fabriken läßt sich annähernd an den nöthigen Arbeitskräften ermessen, die in
                              denselben von 50 bis 200 und mehr Arbeitern variiren.
                           Gintl sagt in seinem Bericht: „Der Einwand, daß
                                 bei Anwendung gespannter Dämpfe die Qualität des resultirenden Leimes leide, hat
                                 sich als völlig haltlos erwiesen.“
                              
                           Ich muß dagegen die Richtigkeit dieser Behauptung auf das allerbestimmteste aufrecht
                              erhalten. Jede Spannung von Dämpfen beeinträchtigt die Qualität des zu erzielenden
                              Productes; je höher der Druck, um so geringer ist die Qualität des Leimes, welche
                              Verschlechterung sich mit der Erhöhung des Druckes bis zur vollständigen Vernichtung
                              der Gelatine steigert. Dasselbe Material, welches bei einem Druck von 10 bis 20 Pfd.
                              pro Quadratzoll (0,7 bis 1k,4 pro 1qc) ein noch leidlich gutes Product liefern
                              kann, wird bei einem Druck von 30 und mehr Pfund (über 2at) jn derselben Kochzeit ein ganz weiches,
                              selbst bei 0° nicht mehr gelatinirendes Product entstehen lassen. Während in
                              den Leimfabriken das Material, mit Sorgfalt dem geringsten zulässigen Druck
                              ausgesetzt, eine werthvolle Suppe für Leimgewinnung liefert, entsteht in den
                              Schlächtereien, welche dasselbe Material einzig für Fett ausbeuten, eine Brühe,
                              welche unter doppeltem und dreifachem Druck erzeugt, nicht die geringste Fähigkeit
                              besitzt, eine Gelatine zu geben. Ich hatte in Chicago Veranlassung, die Brühen der
                              Schlachthäuser sorgfältiger Prüfung zu unterwerfen (1873 208 386). Ich füge hinzu, daß trotz der entgegenstehenden Ansicht von Siebel (1873 210 79) ich die
                              Richtigkeit meiner aufgestellten Behauptung, diese Brühen als Ammoniakquellen zu
                              benützen, aufrecht erhalte, und daß ich gelegentlich eingehend darauf zurückkommen
                              werde.
                           Die Anwendung geschlossener Kessel ist durch allerhand außer dem Bereich der
                              eigentlichen Fabrikation liegenden Factoren geboten. Der Nachtheil, welcher durch
                              die Einführung der eisernen geschlossenen Kessel entstand, ist in den meisten
                              großen Fabriken durch die Einführung der Vacuumpfannen zu paralysiren gesucht. Es
                              ist eine unumstößliche Thatsache, daß je höher die Temperatur, unter welcher eine
                              Brühe erzeugt, je länger die Einwirkung der Temperatur dauert, eine um so geringere
                              Qualität des Leimes erzeugt wird, gleichviel ob nun die Brühen in der Zeit der
                              Extraction aus dem Rohmaterial oder in der Zeit der Eindampfung diesem Einfluß
                              ausgesetzt sind. Es existirt kaum eine einzige Leimfabrik von irgend welcher
                              Bedeutung, die sich nicht einer Vacuumpfanne bedient; es nimmt mich daher Wunder,
                              daß in dem obengenannten Bericht die Einführung des Siedens im Vacuum gar nicht
                              erwähnt ist, ja daß selbst in neueren technisch-chemischen Werken, z.B. Fleck's Abhandlung über Verwerthung thierischer
                              Abfallstoffe, Nichts davon erwähnt ist.
                           Wenn schließlich der Berichterstatter die Leimfabriken als gesundheitsgefährliche
                              Anstalten ansieht, so läßt das nur auf einen sehr niedern Stand der ins Auge
                              gefaßten Industrie schließen. Der Besuch der Mammuth-Leimsiedereien der
                              Vereinigten Staaten würde in dieser Hinsicht sofort eine bessere Ansicht über diesen
                              Industriezweig gewähren. Eine Leimsiederei, richtig eingerichtet und geleitet,
                              belästigt die Nachbarschaft nicht mehr als eine Hefefabrik oder Stärkefabrik.
                           Das Rohmaterial, welches in den Vereinigten Staaten für Leim verarbeitet wird,
                              zerfällt in zwei Hauptclassen: I) Abfälle der Schlächtereien, II) Abfälle der
                              Gerbereien.
                           Die Gewinnung des Knochenleimes mittels Herstellung der Gelatine durch Extraction der
                              mineralischen Bestandtheile der Knochen mittels Salzsäure ist wegen des hohen
                              Preises der letztern gänzlich ausgeschlossen, oder nur durch besonders günstige
                              Localverhältnisse in ganz geringem Umfang möglich.
                           I) Die Verarbeitung der Abfälle der Schlachthäuser. In den
                              großen Städten dieses Continentes ist überall die Schlächterei in großartige
                              Etablissements zusammengedrängt, so daß die Beziehung des Materials sehr erleichtert
                              wird. In den Handelsplätzen des Westens finden sich nun aber auch neben den
                              Schlächtereien für den Bedarf der Einwohner sehr ausgedehnte Plätze für den
                              Exporthandel. Das Rohmaterial häuft sich in den Wintermonaten ganz enorm an; es
                              werden, wie die Handelsberichte ausweisen, jährlich allein mehr als eine Million
                              Schweine für den Export geschlachtet.
                           Nach seinem Leimgehalt darf man das Schlachthausmaterial ordnen, wie folgt: 1)
                              Ochsenfüße, 2) Schweinfüße, 3) Kalb- und Schaffüße, 4) grüne Knochen, 5)
                              Ochsen- und Schweinsköpfe.
                           
                           Dieses Material ist soviel als möglich von Blut zu befreien. Je kleiner die Theile
                              sind, um so leichter wird sich dieser Zweck erreichen lassen. Deshalb findet man
                              denn auch in den größern Fabriken Maschinen zum Zerreißen der Fleischtheile und
                              Brechen der Knochen.
                           Der vortheilhafteste, mir bekannte Knochenbrecher ist der von Baugh und Sohn in Philadelphia patentirte (vgl.
                              *1869 191 186). Ein Knochenbrecher größter Construction
                              ist im Stande, täglich 20t Knochen in
                              Stücke von der Größe eines Daumengliedes zu zerbrechen. Wenn das Material die
                              Brechmaschine passirt hat, wird es am vortheilhaftesten in geeigneten Waschmühlen
                              von Schmutz und Blut befreit.
                           Nach gehöriger Waschung wurde das Material bisher als fertig zum Versieden angesehen.
                              Ich habe nun hier einen Bleichungsproceß in den Fabrikationsgang eingeschaltet, mit
                              welchem ich in dem Geschäft von G. Upton in Boston für
                              diese billigen Sorten Leim einen durchschlagenden Erfolg errungen habe. Bereits im
                              J. 1871 wurden von mir in der Fabrik von Gebrüder Wahl in
                              Chicago auf Anregung des Hrn. Ch. Wahl umfassende
                              Versuche mit schwefliger Säure angestellt und dieselbe in gesättigter Lösung während
                              des Koch- und Verdampfungsprocesses mit Vortheil benützt. In der von mir
                              erbauten Fabrik der St. Joseph-Actiengesellschaft benützte ich die schweflige
                              Säure in ausgedehntem Maße, konnte aber leider in Ermanglung einer Vacuumpfanne
                              nicht den vollen Nutzen davon ziehen. Erst in meiner jetzigen Stellung versuchte ich
                              den Weg einzuschlagen, welcher sich sofort als der einzig richtige und
                              erfolgreichste zu erkennen gab.
                           Nach Entfernung des Blutes behandle ich das Material in geeigneten Holzgefäßen, die
                              möglichst bedeckt sein sollen, mit einer gesättigten Lösung von schwefliger Säure.
                              Die Dauer der Einwirkung ist je nach der Beschaffenheit des Materials sehr
                              verschieden und ist es allein durch Erfahrung möglich, für dasselbe je nach seiner
                              Beschaffenheit und nach den Verhältnissen der Jahreszeit das rechte Maß einzuhalten.
                              Der Erfolg ist ein doppelter. Das Material liefert eine klare, beinahe wasserhelle
                              Brühe, welche in der Vacuumpfanne eingedampft, in Bezug auf Helligkeit und Glanz dem
                              Leim aus dem besten Hautmaterial in Nichts nachsteht.Proben dieses Knochenleimes hat die Bostoner Firma Gebrüder Upton in Philadelphia ausgestellt. Das Fett der gelblichen Knochen ist bedeutend heller und hat nicht den
                              unangenehmen Geruch, welchen das Knochenfett sonst stets zeigt, so daß es im Handel
                              mit 1/4 Cent mehr bezahlt wird als das nach der gewöhnlichen Methode erzeugte. Es
                              ist leicht, zu erkennen, daß die Kosten der schwefligen Säure durch den höhern Preis des Productes
                              reichlich ersetzt wird.
                           Um die schweflige Säure zu erzeugen, habe ich folgenden sehr einfachen Apparat (Fig. I) construirt, der zur vollständigsten
                              Zufriedenheit in beiden Plätzen unseres Geschäftes arbeitet. An beiden Plätzen
                              unseres Werkes sind die Kokesthürme so gestellt, daß der äußere Mantel durch die
                              Wärme des Kesselhauses und somit das Ganze gegen Frost geschützt ist.
                           
                              
                              Fig. 1., Bd. 221, S. 255
                              A Schwefelbrenner; B Abzugsrohr aus
                                 Stein; C Sammelreservoir; D Kokesthurm. 12 Steinzeugrohre zu 760mm Länge; E Zugregulator; F Wasserreservoir; G
                                 Dampfpumpe für Säure; H Schornstein für den Schwefelbrenner
                              
                           
                              
                              Fig. 2., Bd. 221, S. 255
                              A Eiserner, mit Blei ausgekleideter
                                 Kessel, um eventuell den Bleichungsproceß in demselben vorzunehmen; B
                                 Verschließbare Füllöffnung; C Verschließbare Auszugsöffnung; D Siebboden; E
                                 Dampfschlange, in Verbindung mit einem Condensationstopf e; F
                                 Dampfzuleitungsrohr; G Absperrhahn, verschlossen beim Kochen; H Hahn am
                                 Ablaßrohr; I Block, um Wasser abzulassen; K₁-K₅ Ablaßhähne
                                 für Fett und Oel; L Abzugsrohr für die stinkenden Gase zur Kesselfeuerung; M
                                 Sicherheitsventil; N Manometer
                              
                           Die Einwirkung einer concentrirten wässerigen Lösung von schwefliger Säure ist ganz
                              charakteristisch. Die Haupttheile und vor allem die Flechsentheile schwellen dick
                              auf und nehmen letztere den Glanz von Seide und die Durchsichtigkeit von Gelatine
                              an. Der wesentlichste Vortheil besteht darin, daß die leimgebenden Gewebe in
                              Berührung mit der SO₂ nicht nur gebleicht, sondern auch in den Zustand größter
                              Lockerheit gebracht werden und somit sich sehr schnell in Leim verwandeln lassen. In
                              Folge dieser Behandlung ist es möglich, aus grünen Knochen bei der ersten Abkochung
                              eine bedeutende Abkürzung derselben und Verminderung des Druckes zu erzielen.
                           Das gewaschene und gebleichte Rohmaterial ist nun fertig zum Versieden. Ueber den
                              Siedeproceß ist Neues kaum zu sagen. Hauptbedingungen für Erhaltung guter starker
                              Brühen ist, abgesehen von der vorbereitenden Behandlung des Materials, niedriger
                              Druck und möglichst kurze Kochzeit. Der Kessel mit der in Figur II angegebenen Einrichtung entspricht allen Anforderungen, die für
                              ein gleichmäßiges, ruhiges Kochen gemacht werden können, und bietet die Garantie,
                              bei leichter Behandlungsweise selbst in den Händen eines nicht sehr sorgsamen
                              Arbeiters ein fast fettfreies Product erzielen zu lassen. Das Rohr F für directen Dampf ist nur eingeführt, um das Wasser
                              rasch auf den Siedepunkt zu bringen; die Schlange E
                              genügt, um den Kessel im Sieden zu erhalten.
                           Die vollständig fettfreie Suppe hat sodann, um von den Fasertheilchen, coagulirten
                              Eiweißstoffen u. dgl. befreit zu werden, Filter zu passiren. Ich wende hier ein
                              Knochenkohlenfilter an von etwa 1m,22
                              Füllhöhe; die Kohlen sind mit groben Säcken bedeckt und das ganze Filter mit einem
                              Dampfmantel umgeben. Das Filter arbeitet sehr zufriedenstellend; doch bin ich
                              überzeugt, daß eine Filterpresse, wie solche z.B. von Wegelin und Hübner in Halle gebaut werden,
                              zweckentsprechender sein würden.
                           Von dem Filter aus ist die Flüssigkeit sofort der Vacuumpfanne zuzuführen; jede
                              Einschaltung einer Verdampfung in offenen Gefäßen ist ein Mißgriff, der nur zur
                              Verringerung der Qualität des Productes führt. Ueber Behandlung der
                              Leimflüssigkeiten in der Vacuumpfanne ist nichts Wesentliches hervorzuheben, was
                              nicht auch bei der Behandlung der Zuckersäfte zu beobachten wäre.
                           Die Consistenz der in den Vacuumpfannen zu erzielenden Leime ist je nach der
                              Bestimmung und der Lufttemperatur sehr verschieden und lassen sich unmöglich
                              allgemeine Regeln dafür aufstellen. Jedenfalls muß der Leim so dick eingekocht
                              werden, daß die zu erhaltenden gelatinirten grünen Leime fähig sind, geschnitten zu
                              werden, oder daß der zum Gießen in Platten bestimmte Leim sich leicht und in kurzer
                              Zeit aus den Formen entfernen läßt.
                           Ich bemerke hier zum mehrfach angezogenen Bericht, daß die Masse des Leimes, welche
                              gegossen wird, in den Vereinigten Staaten der Menge des geschnittenen Leimes nicht
                              viel nachsteht. Das Gießen des Leimes bietet den großen Vortheil gesparter Arbeit; sodann ist
                              der lästige Abfall, welcher beim Schneiden nicht zu umgehen ist, vermieden. Am
                              geeignetsten sind Platten von starkem verzinntem Eisenblech, welche allerdings die
                              Unannehmlichkeit haben, sich leicht zu werfen. Um diesen Uebelstand zu umgehen,
                              benützen die Gebrüder Wahl seit einigen Jahren eigens
                              dazu gefertigte Glastische, welche dem Leim einen außerordentlich schönen Glanz
                              verleihen; indessen ist die Zerbrechlichkeit der Glasplatten sehr störend.
                           Das Gießen des Leimes bietet entschiedene Vortheile: 1) muß derselbe dicker
                              eingekocht werden, um ihn möglichst schnell aus den Pfannen ziehen zu können, und
                              ist bei gleichem Volum also schwerer; man erspart in Folge dessen an Netzen; 2) kann
                              er besser Temperaturwechsel ertragen, weil der Leim in den Gußformen auf beiden
                              Seiten eine Haut bildet; dabei hat der gegossene Leim einen höhern Glanz; 3) das
                              durch die Formen bedingte schnelle Auskühlen beseitigt jede Gefahr des
                              Fermentirens.
                           Bei einer Temperatur unter 5° kann der Leim aus den Gußformen innerhalb
                              weniger Stunden entfernt werden, während selbst die besten Formen für Leimblöcke zum
                              Schneiden 24 bis 48 Stunden erfordern, um vollständig auszukühlen.
                           Das Abkühlen des frischen Leimes ist ein Umstand, dem jeder Fabrikant die größte
                              Aufmerksamkeit zu schenken hat. Der Leim soll wo möglich stets bei einer Temperatur
                              von 0 bis 5° abgekühlt werden; um dies erreichen zu können, sind sämmtliche
                              größere Fabriken mit Eishäusern und abgekühlten Arbeitsräumen versehen. Für den zu
                              schneidenden Leim habe ich die hier gebräuchlichen Formen von 3mm starkem galvanisirtem Eisenblech am
                              allerzweckmäßigsten gefunden. Die Höhe der Form beträgt 254mm, die obere Oeffnung 305 × 356mm, der Boden 290 × 330mm. Mit großem Vortheil kann der Leim, um
                              Eis zu sparen, in diesen Formen durch dieselben umspülendes Wasser abgekühlt werden.
                              Jedenfalls sind Formen aus schlecht wärmeleitendem Material gänzlich zu verwerfen,
                              da sie geeignet sind, den Leim in Fäulniß übergehen zu lassen.
                           Die Leimplatten, gegossen oder aus den Formen geschnitten, gehen zum Trocknen; an
                              Stelle der früher üblichen gestrickten Netze sind ganz allgemein Drahtnetze
                              getreten, die neben größerer Haltbarkeit auch den Vortheil größerer Sauberkeit für
                              sich haben.
                           Ich pflege nun, um die theuren Netze zu sparen, die Leimplatten, nachdem sie eine
                              gewisse Festigkeit erlangt haben, an dicken Eisendrähten senkrecht aufzuhängen.
                              Bezüglich des Trocknungsprocesses selbst machen sich die großen Geschäfte so
                              viel als möglich vom Wetter unabhängig. Selbstredend benützt man günstige Luft so
                              viel als möglich, als den billigsten Trockner; indessen sind Geschäfte, deren
                              Hauptproductionsperiode an die Zeit der Massenschlächterei gebunden ist, absolut
                              gezwungen, großartige Trockenanlagen zu errichten.
                           In dem Wahl'schen Etablissement wurden in den Jahren 1871/72 große Steintrockenhäuser
                              aufgeführt, die durch doppelte Fenster und Thüren fast hermetisch gegen die
                              Einwirkung der äußern Luft abgeschlossen waren. Die Lufterneuerung in denselben
                              wurde durch einen Riesenventilator hergestellt und von passenden Zügen im Haus
                              selbst regulirt. Die Anlage erlaubte während des ganzen Winters zu arbeiten, ohne
                              jemals gefrorene Leime machen zu müssen.
                           Ich bin fest überzeugt, daß die neuen Anlagen noch vollkommener sein werden, als sie
                              vor dem letzten Brande waren, und daß die genannten Herren bereit sein werden, ihre
                              Erfahrungen in dieser Hinsicht Fachgenossen mitzutheilen. Auch die großen
                              Etablissements im Osten arbeiten mit ähnlichen Einrichtungen.
                           Ehe ich zur Besprechung des bessern Rohmaterials übergehe, habe ich noch Folgendes zu
                              erwähnen. Die Entfettung des Leimmaterials mittels Benzin ist geeignet, eine
                              vollständige Revolution in dem Gange der bisherigen Fabrikation hervorzubringen. Ein
                              Verfahren, dessen Einzelheiten mir bis jetzt noch nicht bekannt sind, ist patentirt
                              für Amerika und befindet sich in den Händen von Baeder
                                 Adams und Comp. in Philadelphia. Ich habe
                              zahlreiche Versuche über die Extraction mittels Benzin angestellt und bin von der
                              eben ausgesprochenen Ansicht definitiv überzeugt worden.
                           Das Geschäft, in welchem ich im Augenblick thätig bin, ist durch Abschluß eines
                              Contractes mit dem großen Stadtschlachthaus genöthigt, täglich 1500 bis 2000
                              Gallonen Leimsuppe aufzuarbeiten, zu welcher das Rohmaterial sich unserer Controle
                              entzieht. Dasselbe ist behaftet mit Schmutz und Blut, wenn es in den Kessel kommt,
                              und liefert deshalb eine Brühe, die bisher beim Eindampfen ein braunes,
                              unscheinbares Product geliefert hat. Ich habe nun diese Suppen direct in der
                              Vacuumpfanne je nach der Färbung mit Lösungen schwefliger Säure gemischt im
                              Verhältniß von 10 bis 50 Proc. des Volums. Auch in diesem Fall hat sich die
                              schweflige Säure ganz ausgezeichnet bewährt und bewirkt, daß ein helles, klares und
                              beinahe geruchloses Material erzielt wird. Der Leim zeigt nach der Behandlung im
                              Vacuum nicht die geringste Reaction freier Säure.