| Titel: | Ueber den Häuserschwamm und dessen Bekämpfung; von Prof. Dr. Göppert. | 
| Fundstelle: | Band 221, Jahrgang 1876, S. 478 | 
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                        Ueber den Häuserschwamm und dessen Bekämpfung;
                           von Prof. Dr. Göppert.Nach einem vom Verfasser kürzlich in Breslau gehaltenen und in Separatabdruck
                                 gef. eingesendeten Vortrag.
                           
                        Göppert, über den Häuserschwamm und dessen Bekämpfung.
                        
                     
                        
                           Unter den Kryptogamen, welche gegenwärtig von den Botanikern besonders beachtet
                              werden, stehen die Pilze, und zwar vorzugsweise die mikroskopischen, in erster Reihe
                              und doch ist die Erforschung derselben noch lange nicht erschöpft. Eine oder die
                              andere Richtung tritt dabei natürlich zurück. Dies gilt insbesondere von den
                              größern, dem unbewaffneten Auge sichtbaren Arten dieser formenreichen merkwürdigen
                              Familie.
                           Während jene mikroskopischen Organismen auf dem nicht anomalen, sondern für unsere
                              Existenz ja ganz nothwendigen Wege des Athmens in unseres Inneres gelangen, durch
                              Zersetzungsprocesse oft gefährliche Krankheiten erzeugen und uns ein vorzeitiges
                              Ende bereiten, stören uns andere, wie der sogen. Häuser- oder Gebäudeschwamm
                              (Merulius vastator, lacrimans, oder destruens) auf nicht minder heimtückische Weise in
                              unserer gemächlichen häuslichen Ruhe, erfüllt die Atmosphäre unserer Wohnungen mit
                              schädlichen Ausdünstungen, ja bewirkt endlich nach der Zerstörung allen Holzwerkes
                              den Zusammensturz des Gebäudes, wenn wir uns nicht beeilen, ihm
                              entgegenzutreten.
                           Höchst mannigfaltig sind die Formen seiner äußern Erscheinung, welche weniger von
                              seiner Eigenthümlichkeit, als vielmehr von äußern Umständen bedingt wird. Die
                              Fortpflanzung erfolgt nicht durch zufällige äußere Verhältnisse: Feuchtigkeit,
                              Fäulniß, wie immer noch viele glauben, sondern durch Sporen. In tiefster
                              Verborgenheit entwickelt sich zuerst das aus zarten cylindrischen Zellen bestehende
                              Mycelium. Rasch wächst es empor, klammert sich an alles Holz zunächst ohne einen
                              bestimmten, festen Typus, wie wir ihn sonst bei Pflanzen wahrnehmen, sondern richtet
                              sich, wie schon erwähnt, nach der Beschaffenheit der umgebenden Räumlichkeiten,
                              verbreitet sich in zarte, spinnwebenartige Fasern über Holz- und Mauerflächen
                              bis zu mehreren Fuß Länge mit Neigung zu fächerförmiger Ausbreitung, dringt dabei in
                              die Zellen, Gefäße, Markstrahlen des Holzes, umspinnt es und löst so zu sagen
                              insbesondere das
                              Nadelholz in längliche viereckige Stäbchen oder Stücke, verwandelt sie offenbar
                              unter Entziehung ihrer anorganischen (Kali-) Bestandtheile in verhältnißmäßig
                              kurzer Zeit in eine leichte, brüchige Masse.
                           Bei örtlichen Hindernissen oder mangelndem Flächenraum bilden sich schmale, bis 25mm breite Bänder oder bis 15mm dicke Stränge, welche durch alle Fugen,
                              selbst durch Kalk zwischen den Ziegeln, auch in morsche Ziegel dringen und sich vom
                              tiefsten Keller bis durch alle Stockwerke in kurzer Zeit verbreiten. An einigermaßen
                              räumlichen Stellen sucht er sodann freien Horizont zu gewinnen, um zur Bildung des
                              Fruchtlagers, dem verderblichsten, die Fortpflanzung und Verbreitung bewirkenden
                              Entwicklungsstadium zu gelangen.
                           Aeußere Umstände üben auch hier großen Einfluß auf die Form desselben aus. Anfänglich
                              im Dunkeln, um so gefährlicher, weil man es bisher kaum beobachtete, erheben sich
                              auf solchen Flächen rundlich warzenartige, besonders saftige, erbsen- bis
                              silbergroschengroße Stellen, welche netzförmige Adern bilden, sich in der Mitte gelb
                              färben und schon Sporen oder Samen entleeren. Allmälig vergrößern sich diese
                              netzförmigen Stellen, fließen zusammen und bilden rundliche, längliche Flächen, die
                              eine großartige Menge zimmetbrauner Sporen absondern.
                           Aus bandförmig zwischen Holzwerk schnell hervordringendem Mycelium entsteht ein
                              schüsselförmiges, viel dickeres Fruchtlager, das anfänglich wie eine von einem
                              schimmelartigen zarten Flaum überzogene Masse sich darstellt, dann gelblich
                              rosenroth sich färbt, mit wulstigen, faltigen Rändern und Andeutung concentrischer
                              Kreise versehen ist. In der Mitte entsteht ebenfalls jene netzartige, auch mit
                              Sporen erfüllte Schicht Hymenium. Beim Berühren verfärbt sie sich, wird
                              augenblicklich weinroth, später schmutzigbraun und endlich schwarz.
                           Die Sporen sind von äußerst geringer Größe (etwa (0mm,007 Durchmesser), zimmetbrauner Farbe
                              und werden bei der Reife mit einer fast unglaublichen Energie Meter weit
                              hinweggeschleudert, so daß man oft ausgedehnte Räumlichkeiten mit ihnen bedeckt
                              findet.
                           Im Zustande der Reife sondert das Fruchtlager eine anfänglich wasserhelle, später
                              milchartig trübe Flüssigkeit von widrigem Geschmack ab, die noch nicht chemisch
                              untersucht worden ist. Die an Kohlensäure gewiß sehr reiche Gesammtausdünstung des
                              Pilzes wird für sehr nachtheilig erklärt und wohl nicht mit Unrecht, obschon stets
                              bei den mit Pilzvegetation erfüllten Wohnungen doch auch noch die Einwirkung der nie
                              fehlenden Feuchtigkeit in Anschlag zu bringen ist, ohne welche die Keimung und das
                              Wachsthum des in Rede stehenden Pilzes nicht erfolgt. Jahn u.a. führen als Symptome vorzugsweise allerhand nervöse Zufälle, wie
                              Kopfschmerz, Schwindel, dann Affectionen der Schläumhäute des Halses, Schwämmchen,
                              Aphthen, nervöse Fieber, Asthma an, Symptome, die wenigstens eine gewisse
                              specifische Beziehung kaum erkennen lassen; es seien denn etwa die Aphthen und das
                              Asthma, die wohl durch die Einathmung der in so großer Menge vorhandenen, bei jedem
                              Luftzuge in solchen Räumen sich in Bewegung setzenden Sporen verursacht worden sein
                              könnten.
                           Nichtsdestoweniger erscheinen selbstverständlich Reinigung und Entfernung der
                              Schwammvegetation, vor Allem der Fruchtlager derselben, dringend nothwendig,
                              freilich stets auch nur in Verbindung mit Trockenlegung der Wohnungsräume. Die
                              Schädlichkeit der Kellerwohnungen liegt auf der Hand, die leider in großen Städten
                              immer noch vermehrt werden.
                           Was nun aber die in praktischer Beziehung vor allem wünschenswerthe Bekämpfung dieses
                              Feindes unserer Wohnungen betrifft, so muß hier zunächst angeführt werden, daß seine eigentliche
                              Heimath in den Wäldern zu suchen ist und er nur durch aus ihnen entnommenes Bauholz
                              nach und nach in unsere Gebäude gelangte. Hier wird er insbesondere durch aus
                              solchen inficirten Häusern entnommenen, an Pilzsporen überreichen Bauschutt
                              wohlconservirt und immer weiter verbreitet, sobald nur das geringste Maß von
                              Feuchtigkeit, welche in solchem Bauschutt und dem zum Bau verwendeten, meist noch
                              nassen Holze nicht fehlt, vorhanden ist. Eine einzige Spore ist ausreichend, ein
                              ganzes Gebäude zu inficiren und dessen Besitzer um Tausende zu schädigen. Daß der
                              durch diesen unscheinbaren Pilz herbeigeführte Verlust sich schon nach vielen
                              Millionen beziffern läßt, bedarf keines näheren Beweises.
                           Einen großen Theil der Schuld trägt die geringe Berücksichtigung, welche man bisher
                              den Ergebnissen wissenschaftlicher Forschungen seitens der Praktiker widmete,
                              Zustände, die sich auch schwerlich verbessern werden, da in unsern Gewerbeschulen
                              und Bau-Akademien unter allen Naturwissenschaften gerade der Botanik entweder
                              nur eine sehr geringe, oder wohl gar keine Berücksichtigung gewidmet wird. Wenn in
                              diesen Instituten die Pilzfrage eingehender behandelt worden wäre, würde man doch
                              wohl längst dem Hauptherde der Verbreitung durch Samen oder Sporen einige
                              Aufmerksamkeit geschenkt und sich vor vielen herben Verlusten bewahrt haben. Eine
                              solche Vernachlässigung rächt sich selbst!
                           Man meint immer noch, daß der Ursprung des Schwammes im Holz selbst zu suchen sei und
                              durch eine Zersetzung und Gährung vegetabilischer Säfte und Absonderung des
                              Schleimes gebildet werde, denkt daher natürlich gar nicht an die Beseitigung der
                              Sporen oder Samen, sondern begnügt sich, mit der Bekämpfung seiner
                              Vegetationsorgane, der auf der Zimmerung ausgebreiteten weißlichen Pilzmasse,
                              betropft oder bestreicht sie mit den verschiedenartigsten Flüssigkeiten, bald mit
                              dieser, bald mit jener Säure in verschiedenem Zustande der Concentration, mit Alaun,
                              holzessigsaurem und schwefelsaurem Eisen oder Kupfer, brenzlichen Producten, Theer,
                              Holzessig, Carbolsäure, oder läßt sich auch zur Verwendung marktschreierisch
                              geheimnißvoll mit pompösen Namen ausgestatteter Mittel (Mycothanaton) herab, überlegt aber nicht, in wie geringe Tiefe dergleichen
                              von der Oberfläche aus eindringen. Zu warnen ist vor Allem vor der Anwendung der so
                              giftigen, aber nichtsdestoweniger selbst amtlich hier und da empfohlenen
                              Quecksilbersublimatlösung, welche auch die bereits in der Tiefe wuchernden
                              Pilzzellen nicht zu erreichen vermag. Erfolgt die Anwendung aller dieser Mittel
                              überhaupt erst nach Bildung der Fruchtlager, so erscheint sie unter allen Umständen
                              ganz überflüssig, da in diesem Stadium das Holz auch schon zersetzt worden ist.
                           Die sorgfältigste Entfernung der Sporen kann nicht dringend genug empfohlen werden,
                              obschon die Schwierigkeit der Bekämpfung eines Feindes von solcher Kleinheit von Göppert nicht verkannt wird. Wenn man aber damit ganz
                              consequent verfährt, vor Allem mit möglichster Strenge auf Vernichtung des
                              Bauschuttes inficirter Häuser gedrungen wird, dürfte mit der Zeit ein günstiger
                              Erfolg nicht ausbleiben. Es ist jedoch nicht zu erwarten, wenn man nicht zugleich
                              auf Beseitigung der hier so wichtigen, die Entwicklung des Pilzes begünstigenden
                              Feuchtigkeit und zwar schon bei Neubauten Rücksicht nimmt. Keller sind in unendlich
                              vielen Fällen die Hauptherde des Pilzes; ihnen ist besondere Aufmerksamkeit
                              zuzuwenden, und nichts ist hier wirksamer, wenn es angeht, als die Anwendung des
                              Feuers einer Fackel, um den überall im Mauerwerke und in jedem darin befindlichen
                              Holzreste herumkriechenden unheimlichen Gast zu vernichten.
                           Unter allen Umständen aber wird man weiter gelangen, wenn man bei Neubauten alles
                              beseitigt, was seine Entwicklung begünstigt, also Gebäude nicht auf moorigem, mit
                              verwesten und verwesenden Pflanzentheilen erfülltem Boden ohne vorherige
                              Abschließung von demselben errichtet und nicht mit Sporen inficirten, dabei auch
                              noch feuchten Bauschutt als Füllmaterial verwendet, statt trockenen, am besten
                              geglühten Sand oder sehr empfehlenswerthe Kokes, oder anderes von organischen
                              Stoffen freies Material als solches zu benützen.
                           Selbstverständlich ist auch für möglichst trockenes Holz Sorge zu tragen. Von
                              höchster Bedeutung erscheinen aber auch zweckmäßige Einrichtungen für
                              Luftcirculation, welche auch bei schon von dem Pilz inficirten Gebäuden als
                              wirksames Mittel anzusehen ist, um durch Austrocknen – wenn es noch Zeit ist
                              und der Zustand des Holzes dies verlohnt – die Ausbildung des Pilzes zu
                              verhindern.