| Titel: | Die Jute und ihre Verarbeitung; von Ingenieur G. Pfuhl, Lehrer am Polytechnicum in Langensalza. | 
| Autor: | G. Pfuhl | 
| Fundstelle: | Band 221, Jahrgang 1876, S. 501 | 
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                        Die Jute und ihre Verarbeitung; von Ingenieur G. Pfuhl, Lehrer am
                           Polytechnicum in Langensalza.
                        Mit Abbildungen.
                        Pfuhl, über die Jute und ihre Verarbeitung.
                        
                     
                        
                           Einleitung.Bei Bearbeitung der Einleitung und des 1. Abschnittes wurden benützt: Referat
                                    von Julius Spiegelberg in Braunschweig über
                                    Jute-Industrie; Wiesner's Abhandlungen
                                    über die Jutefaser in Dingler's polytechn. Journal, 1869 194 244. 1874 213 525;
                                    endlich die Notiz, ebendaselbst 1863 168 465.
                           (Nachdruck vorbehalten.)
                           Von allen fremdländischen Pflanzenfaserstoffen, wie Neuseeländischer Flachs (Phormium tenax), Manilahanf (Musa
                                 Textilis, M. troglodytarum), Ostindischer Hanf (Crotalaria juncea), Bombayhanf (Hibiscus
                                 cannabinus), Cocosbast (Faser von der Fruchtrinde der Cocospalme),
                              Chinagras (Böhmeria nivea), Ramiefaser (Böhmeria tenacissima), hat die Jute – die
                              Bastfaser zweier mit einander nahe verwandten Pflanzen, welche der Familie der
                              Tiliaceen angehören, nämlich der Corchorus capsularis
                              und der Corchorus olitorius – die weiteste
                              Verbreitung in der europäischen Textilindustrie gefunden. Diese aus Ostindien
                              stammenden Pflanzen, welche jetzt auch in andern warmen Ländern, z.B. in Algier,
                              Französisch-Guyana, Mauritius etc. angebaut werden, fanden zuerst in Dundee
                              1832 als Spinnstoff Eingang, und ist jetzt dieser Ort der Hauptsitz der bereits
                              großartig entwickelten Industrie. Später verbreitete sich dieser Industriezweig auch
                              nach andern Ländern und fand im J. 1861 zuerst Eingang in Deutschland in Vechelde
                              bei Braunschweig, wo sich um die Einführung dieses Stoffes der jetzige
                              Generaldirector der Braunschweigischen Actiengesellschaft für Flachs- und
                              Jute-Industrie in Braunschweig, Hr. Julius Spiegelberg, in hervorragender Weise mit Erfolg bemühte.
                           Die Vorurtheile gegen die Erzeugnisse aus diesem Spinnstoffe, welche nur langsam
                              überwunden werden konnten, und die erschwerenden Umstände, welche einer Entwicklung
                              dieser Industrie in Deutschland entgegen standen – und noch stehen, da
                              dieselbe ohne Schutzzoll gegen die mächtige englische Concurrenz anzukämpfen hat,
                              waren Veranlassungen, daß sich dieselbe erst in den letzten Jahren genügend
                              befestigt hat. Die außer in Braunschweig jetzt am Rhein, in Wien, in Hannover, in
                              Oldenburg, in Bremen und in Meißen bestehenden größern Etablissements verarbeiten
                              ca. 300000 Ctr. Rohjute, können aber den Bedarf an Jute-Artikeln in
                              Deutschland und Oesterreich bei weitem nicht decken, so daß eine weitere Ausbreitung
                              und Entwicklung dieser Industrie auch bei uns zu erwarten steht.
                           
                           Auch in Ostindien und Nordamerika ist die Jute-Industrie seit einigen Jahren
                              emporgeblüht, in ersterm Länderreich durch die Billigkeit des Rohmaterials und der
                              Arbeitslöhne, in letzterm durch hohe Schutzzölle außerordentlich begünstigt. Amerika
                              hat jetzt in den südlichen Ländern, wie Florida, Louisiana, Texas und Missisippi die
                              Jutepflanze anzubauen versucht und dürfte, falls dies dauernd gelingen sollte, als
                              ein hervorragend begünstigter Producent von Jute-Artikeln auftreten können.
                              Während in den europäischen Ländern und in Nordamerika der Verbrauch an Rohmaterial
                              bereits über 6 Millionen Ctr. gestiegen ist, entzieht sich der Consum dieses
                              Materials in den Heimathsländern der Pflanzen jeder nur annähernd genauen
                              Schätzung.
                           Die Ermittlungen, welche die englische Regierung über die Verbreitung und den Anbau
                              der Jutepflanzen in Indien angestellt hat, haben ergeben, daß ein viel größeres
                              Rohjute-Quantum vorhanden ist, als bis jetzt verbraucht wird, und daß der
                              Anbau der Pflanze in ausgedehntestem Maße fortgesetzt werden kann. Von Jahr zu Jahr
                              erobert sich aber auch dieses schöne Material mehr Terrain, und seine Verbreitung
                              steigt mit der zunehmenden Erkenntniß seiner Verwendbarkeit zu den verschiedensten
                              Artikeln, deren Billigkeit mit schönem äußern Ansehen und Gediegenheit
                              wetteifert.
                           Die Jutefaser wurde in ihrem Heimathslande größtentheils durch Hausindustrie,
                              neuerdings wird sie aber auch in besondern Fabriken zu Stricken und Seilen
                              verarbeitet, und werden aus dem Gespinnste Gewebe hergestellt, von denen die feinern
                              zu Kleidungsstücken, die gröbern aber als Material für Säcke zum Verpacken von Reis,
                              Kaffee, Baumwolle, Zucker etc. – bekannt als Gunnysäcke – im
                              ausgebreiteten Maße Verwendung finden. Nach englischen statistischen Nachweisen
                              sollen Ende 1875 bereits 3690 mechanische Webestühle in Indien in Betrieb gesetzt
                              worden sein, die monatlich 6730360 Säcke zu liefern im Stande sind, und sollen bis
                              Ende Juni 1876 im ganzen 4500 mechanische Stühle mit einer monatlichen Production
                              von 8190000 Säcken in Thätigkeit gelangen.
                           Die bessern Jutegewebe heißen in Bengalen „Megila“, die
                              geringern zu Packtuch verwendeten „Tat“ oder
                              „Choti“, und soll sich von letzterm Ausdruck der Name
                              „Jute“ herleiten. Jute war anfänglich die Bezeichnung der
                              Hindus für das Gewebe und bedeutete soviel wie „Zeug“; doch
                              wird jetzt der Name auch auf die rohe Corchorusfaser angewendet.
                           Die europäische Industrie stellt aus der Faser verschiedene Gewebe her, von denen die
                              hauptsächlichsten nach schottischer Bezeichnung sind:
                           
                           Baggins, ein loseres, weniger dichtes, grobes Gewebe,
                              welches als billigstes Verpackungsmaterial benützt wird.
                           Tarpawlings, ein festeres, stärkeres, ebenfalls grobes
                              Gewebe, welches besonders zu Säcken für diejenigen Artikel gebraucht wird, bei denen
                              es auf Stärke und Dichtigkeit ankommt, also für Mehl, feinen gemahlenen Zucker,
                              Cement etc.
                           Twilled Sackings, ein Zwillich- oder
                              Drillich-Gewebe, von sehr großer Festigkeit und Dauerhaftigkeit; dasselbe
                              wird zum Emballiren von schweren Gütern, von gepreßten Ballen, von Wolle, Hopfen,
                              auch Cement, Gyps, Kaffee etc. benützt.
                           Hessians, das feinste und schönste Gewebe, dient zum
                              Verpacken feinerer Waarencollis, aber auch zu Säcken für Salz, Rohzucker,
                              künstlichen Dünger etc., auch als Futterleinen, zur Herstellung von Matrazen
                              etc.
                           Es werden, da sich Jute sehr leicht bleichen und alsdann schön färben läßt, Teppiche,
                              Läufer, Tischdecken, Vorhänge von sehr gediegenem Aussehen und großer Haltbarkeit
                              aus derselben hergestellt. Man benützt ferner die Jutegarne, sowie daraus gefertigte
                              Zwirne in rohem, wie gebleichtem und gefärbtem Zustande zu den verschiedensten
                              Artikeln, wozu man sonst Baumwolle verwendete, so auch als Kette mit Baumwolle,
                              Wolle und Flachs vermischt in Hosenstoffen, Bettdrellen, Möbelripsen etc.; auch zu
                              Jagd- und Feuerwerkszündern, Lampendochten, zu Gurten, zu Kordel, zu Stramin
                              aller Art und vielen kleinern Artikeln, die zwar an sich nicht bedeutend sind, aber
                              in ihrer Gesammtmasse ein großes Quantum repräsentiren, werden die Garne verwendet.
                              Die rohe Jute findet ferner zum Umwinden von unterseeischen Telegraphenkabeln
                              vielfache Verwendung, während in neuester Zeit dieselbe in der Chirurgie als
                              Verbandmittel (Verband-Jute), zu welchem Zweck sie besonders zubereitet wird,
                              Verwendung gefunden hat.Die Jute wird entweder, wenn sie in der Chirurgie Anwendung findet, mit
                                    Salicylsäure (Salicyl-Jute), oder mit Karbolsäure
                                    (Karbol-Jute) getränkt, im erstern Falle im trockenen, im letztern im
                                    halbfeuchten Zustande angewendet, und hat sich besonders die letzte Art der
                                    Anwendung außerordentlich bewährt. – Das Aufsaugungsvermögen der
                                    Jute, bedingt durch die Hohlräume der Elementarfasern, ist nämlich sehr groß
                                    und die Verdunstung relativ gering, weshalb die stark ausgedrückten und sich
                                    fast trocken anfühlenden Jutekuchen doch noch mit Sicherheit antiseptisch
                                    wirken. Die Jute übertrifft in dieser Hinsicht sowohl die Baumwoll-,
                                    wie die Leinenfaser, so daß, außerdem noch begünstigt durch ihren
                                    außerordentlich niedrigen Preis (50k rohe Faser besserer Qualität kosten loco Hannover etwa 18 bis 24
                                    M.), ihre ausschließliche Verwendung für diesen Zweck zu erwarten steht.
                                    (Näheres hierüber enthalten die Mittheilungen des Stabsarztes Dr. R. Köhler in der
                                    Deutschen medicinischen Wochenschrift, 1876 S. 246.)Es eröffnet sich hierdurch der Industrie in der Herstellung der geeignetsten
                                    Form, in welcher die Jute zur Verwendung gelangen kann, ein neues, nicht
                                    unergiebiges Feld. Eine etwaige Besorgniß, daß im
                                    Kriegsfalle und bei eintretender Blockade unserer Zufuhrhäfen dieses
                                    Material nicht in genügender Menge sich würde zu dem beregten Zwecke
                                    beschaffen lassen, erscheint wohl unnöthig, da die deutschen Spinnereien
                                    stets einen derartigen Vorrath von Rohmaterial besitzen, welcher mehr als
                                    genügend ausreichen würde, selbst wenn nur ein Theil zu Verbandzwecken
                                    verarbeitet wird. Zudem würden sicher die deutschen Spinner, bei Voraussicht
                                    einer derartigen Eventualität, ihren Vorrath an Rohmaterial gegen den
                                    augenblicklichen erheblich vermehren.
                              
                           
                           Die bei der Fabrikation von Jute-Artikeln sich ergebenden Abfälle werden
                              theils als geschätztes Putzmaterial in Eisenbahnwerkstätten und Maschinenfabriken,
                              theils als Polstermaterial verbraucht. Die geringern, ganz kurze Fäserchen
                              enthaltenden Abfälle wandern in die Papierfabriken, und der bei der Reinigung der
                              Abfälle sich abscheidende Staub und Schmutz, welcher noch etwas kürzere Fasern,
                              sodann aber Theilchen von dem Bast und den Stengeln der Pflanze enthält, wird als
                              Düngungsmaterial benützt.
                           Nur wenige Jahrzehnte sind vergangen, seit die Jutefaser in Europa bekannt wurde, und
                              nur wenig über ein Decennium ist verflossen, seit die Verarbeitung derselben in
                              Deutschland begonnen hat, – und schon hat dieselbe, trotzdem sie, wie später
                              gezeigt werden soll, arg verleumdet wurde, ein so achtunggebietendes Feld sich
                              erobert. Freilich haben auch einige verwandte Fabrikationszweige, wie z.B. die
                              Fabrikation von Verpackungsmaterial aus groben Heedegarnen, Einbuße erlitten, haben
                              sogar gänzlich eingestellt werden müssen; doch ist dies kaum zu beklagen, wenn der
                              Ersatz betrachtet wird, welchen das billige und dabei so angenehm gelblich braune,
                              glänzende Verpackungsmaterial aus Jute, gegenüber dem schmutzig grauen, unreinen,
                              stacheligen Gewebe aus Heedegarnen bietet. Die Existenzberechtigung dieses
                              letzterwähnten Industriezweiges hat eben mit Einführung der Jute aufgehört. Die
                              Jutepflanze wird selbst bei gesteigerter Bodencultur im Heimathslande und durch ein
                              noch sorgsamer überwachtes Röstverfahren, welchen Punkten die britische Regierung
                              neuerdings erhöhte Aufmerksamkeit schenkt, nicht im Stande sein, den einheimischen
                              Flachs oder Hanf zu verdrängen. Die Jutefaser besitzt nicht die Festigkeit des
                              Hanfes und anderseits nicht die hohe Feinfaserigkeit bessern Flachses, wohl aber
                              übertrifft sie in ihren guten Eigenschaften jedes ordinäre
                                 Flachsgewächs; deshalb sollte die Einführung der Jute ein Sporn sein für
                              den Landwirth und Flachsspinner, die Cultur der edlern
                              Leinenpflanze mit besonderer Liebe zu pflegen, damit derselben die feinen
                              Garnnummern verbleiben; die groben sind unwiderruflich von der Jute, und zwar mit
                              vollstem Recht, in Anspruch genommen.
                           Bei den weitern Mittheilungen über die Jute und ihre Verarbeitung ist folgende
                              allgemeine Eintheilung zu Grunde gelegt worden:
                           
                           
                              
                                   I. Abtheilung.
                                 1) Gewinnung und Verpackung der Jutefaser.
                                    Eintheilung    in Qualitäten.
                                 
                              
                                 
                                 2) Eigenschaften der Jutefaser.
                                 
                              
                                  II. Abtheilung.
                                 Verarbeitung der Jutefaser, und zwar:
                                 
                              
                                 
                                 1) Das Erzeugen der Garne. a) Die Vorbereitung
                                    der    Faser zum
                                    Vorspinnen.    b) Das Vorspinnen.    c) Das Feinspinnen und Zwirnen. d) Abfälle,
                                    deren    Verwendung und Verarbeitung. e) Das
                                    Weifen,    Numeriren und Packen.
                                 
                              
                                 
                                 2) Das Weben der gewöhnlichen Jute-Artikel. a) Vorbereitung    des Schusses
                                    und der Kette. b) Das Weben und
                                    Appretiren.    c) Herstellung der Säcke.3) Allgemeine Mittheilungen über
                                    Betriebsführung,    Spinnkosten, Preise
                                    etc.
                                 
                              
                                 III. Abtheilung.
                                 Bauliche Mittheilungen. Stellung der Maschinen. Sheddächer.Plan der
                                    Braunschweigischen Jutespinnerei und Weberei.
                                 
                              
                           Es machen diese Mittheilungen weder den Anspruch der Vollständigkeit noch den der
                              erschöpfenden Gründlichkeit. Verfasser hat nur die ihm aus seiner frühern
                              praktischen Thätigkeit bekannten Zweige dieser Industrie einer Besprechung
                              unterzogen, soweit er sich Material gesammelt und ihm solches durch die freundlichen
                              Unterstützungen der HH. Julius Spiegelberg und Victor Rack zugänglich wurde.
                           
                              I. Abtheilung.
                              
                                 1) Gewinnung und Verpackung der
                                       Jutefaser. Eintheilung in Qualitäten.
                                 Die, wie erwähnt, aus dem südlichen Asien stammenden Pflanzen Corchorus capsularis und Corchorus olitorius, aus denen die Jutefaser gewonnen wird, sind
                                    einjährig und werden jährlich im Monat April oder Mai (wie bei uns der
                                    Flachs und Hanf) frisch gesäet. Die Pflanzen erreichen in etwa 100 Tagen
                                    nach ihrer Aussaat ihre Reife und dabei eine durchschnittliche Länge von
                                    etwa 12 Fuß englisch (3m,65), bei
                                    etwa 1/2 Zoll (13mm) Stengeldicke.
                                    Von den Eingeborenen werden die Pflanzen nicht blos als Fasermaterial,
                                    sondern auch in den Blättern und Schoten als Nahrungsmittel geschätzt, zu
                                    welchen Zwecken sie besonders cultivirt werden. Außer den erwähnten
                                    Corchorus-Arten dienen zur Fasergewinnung auch noch andere, so z.B.
                                    Corchorus decemangulatus, welche in den
                                    französischen Colonien angebaut werden. Häufig findet man auch die im
                                    Handel vorkommenden Jutefasern mit andern indischen Fasern, welche nicht von
                                    den Corchorus-Gattungen abstammen, vermengt, z.B. mit den Fasern
                                    zweier indischen Malvaceen: Urena simata und Ablemoschus tetraphyllus. Da diese Fasern aber
                                    der Jutefaser an Dauerhaftigkeit und Festigkeit gleichkommen, sie sogar
                                    übertreffen, so darf man diese Vermengungen wohl nicht als eine Verfälschung
                                    betrachten.
                                 Die Jutepflanze gehört zu denjenigen, bei welchen der spinnbare Faserstoff
                                    zwischen dem Bast und dem Stengel liegt, und besteht die Gewinnung der
                                    Spinnfaser darin, daß die (etwa im Monat August geernteten) Pflanzen einem
                                    Röstprocesse unterworfen werden – ähnlich dem, wie er bei uns zur
                                    Gewinnung der Flachs- und Hanffasern angewendet wird, – um den
                                    Bast von den Fasern und diese von dem holzigen Stengel zu trennen. Die
                                    Pflanzen werden zu diesem Zweck von den Nebenzweigen und Blättern befreit,
                                    bündelweise in fließendes Wasser oder auch in Teiche, die weit von den
                                    Dörfern abgelegen sind, gelegt und so beschwert, daß sie untersinken. Die
                                    hohe, in der Heimath der Pflanzen herrschende Temperatur begünstigt ein
                                    schnelles Vorschreiten des Röstprocesses, der schon nach wenigen, höchstens
                                    8 Tagen beendet ist. Die Bündel werden nun von den Arbeitern, welche zu dem
                                    Zwecke ins Wasser steigen, stengelweise herausgeholt. Von jedem Stengel
                                    trennt man einen Baststreifen ab, worauf der übrige Theil der Faserschicht
                                    mit großem Geschick gänzlich von dem holzigen Stengel, der dabei ganz
                                    bleibt, abgezogen wird. Die der vollen Länge der Stengel entsprechende,
                                    gewonnene Faserschicht wird nun noch, um den anhaftenden Schmutz und Schlamm
                                    und die zerstörten Bastzellen zu entfernen, rasch einigemale durch das
                                    Wasser gezogen, dann in der Luft abgeschwenkt und endlich ans Ufer geworfen,
                                    wo sie rasch vollends trocknet. Eine weitere Zubereitung erhält der
                                    Faserstoff nicht, sondern er ist nach dem Trocknen bereits in dem reinen
                                    Zustande, in welchem er zur Verpackung und Versendung kommt.
                                 Besondere Händler kaufen nun von den Producenten den so zubereiteten
                                    Faserstoff, verschiffen ihn nach Calcutta, wo er in sogen. Bazars durch
                                    eingeborene Makler für europäische Häuser in Calcutta gekauft wird. Hier
                                    findet das Sortiren des Faserstoffes und das Vereinigen in kleinere, lose
                                    verknüpfte Risten von etwa 3/4 Pfd. engl. (340g) Gewicht statt, aus denen dann
                                    größere Risten gebildet werden, die man ungefähr in der Mitte
                                    zusammenschlägt und nun mit Hilfe starker hydraulischer Pressen derart
                                    verpackt, daß die Köpfe der gefalteten Risten an den beiden schmalen Seiten
                                    des fertigen, ein Parallelepipidum bildenden Ballens zu sehen sind. Die
                                    Verschnürung der Ballen findet meist mit Jutestricken statt, die aus
                                    ordinärer Faser geflochten sind. Durch die Verschnürung wird gewöhnlich ein
                                    Stück leichtes Jutegewebe (Markenlappen) auf den Ballen festgehalten, das
                                    die Qualitätsbezeichnung und die Marke des Hauses enthält, von welchem die
                                    Versendung bewirkt wird, wenn nicht auf kleinen, mit Draht befestigten
                                    Bretchen oder Leinwandstreifchen die Markirung ausgeführt ist. Durch die
                                    feste Verpackung der Faser wird die Nässe von derselben möglichst
                                    abgehalten, anderseits aber durch Verringerung des Volums eine Reducirung
                                    der Schiffsfracht erzielt. Die fertigen Ballen wiegen 300, 350 und 400 Pfd.
                                    engl. (zu 454g) und nehmen 5
                                    solcher Ballen etwa 52 Cubikfuß engl. (zu 0cbm,02832)
                                    Schiffsfracht-Raum ein. Von Calcutta aus fast nur allein findet die
                                    Ausfuhr nach europäischen Häfen statt, vermittelt durch deutsche, in
                                    Calcutta und London domicilirte Firmen und durch griechische und englische
                                    Häuser. Seit einigen Jahren hat sich Dundee, Dank der Energie seiner
                                    Fabrikanten, zum hauptsächlichsten Jutemarkt emporgeschwungen, während sonst
                                    London und Liverpool die einzigen großen Stapelplätze für Jute waren.
                                    Versuche deutscher Fabrikanten, direct von Calcutta aus ihr Material zu
                                    beziehen, haben keine günstigen Resultate gehabt.
                                 Man unterscheidet nun im Allgemeinen am Productionsmarkte die Qualitäten und
                                    Sorten von Rohjute nach den Districten, aus denen sie stammen, als:
                                 Serajgunge, die von feiner Faser und guter Farbe
                                    ist und als beste Sorte angesehen wird.
                                 Nerajgunge von gröberer Faser und gemischter
                                    Farbe.
                                 Dacca, die eine harte Faser, grobe Wurzelenden
                                    und eine braun-gelbe, reine Farbe hat.
                                 Daisee, auch Crown
                                    (Kronjute) genannt. Diese Sorte wird in der Nähe von Calcutta gebaut und
                                    gelangt erst 1 bis 3 Monate später (September oder October) als die übrigen
                                    Jutesorten zur Ernte; sie ist von sehr feiner Faser, aber von unbeliebter
                                    brauner Farbe.
                                 Dowrah-Jute, hat grobe, harte und kurze
                                    Fasern mit starken bastigen Enden. Farbe gewöhnlich dunkelbraun.
                                 Rejections sind harte, kurze, durch einander
                                    liegende Fasern, welche aus den übrigen Sorten aussortirt wurden.
                                 Cuttings sind von den ordinären Sorten
                                    abgeschnittene Wurzelenden.
                                 Die mit den Einkauf beschäftigten Häuser in Calcutta haben nun ihre
                                    besonderen Bezeichnungen für die sortirten Jutesorten, und zwar wie
                                    folgt:
                                 
                                 
                                    
                                       First Standard, beste
                                          QualitätMedium Standard, zweite
                                          Qualität
                                       
                                          
                                          
                                          
                                          
                                       wiederum je nach derLänge und Feinheit derFaser in drei
                                          Unterabtheilungengetheilt, die entwedermit 1, 2, 3 oder
                                          A, B, C,oder 3, 4, 5 oder B, C, Dmarkirt sind.
                                       
                                    
                                 Dowrah, ordinäre, bastige, kurze Jute.
                                 Rejections (wie oben).
                                 Cuttings (wie oben).
                                 Man findet auch folgende Bezeichnungen:
                                 1) Fine Quality, 2) Medium Quality, 3) Common Quality,
                                    4) Low Quality, 5) Rejections und 6) Cuttings; ferner:
                                 1) Good to fine, 2) Fair to good fair, 3) Middling to
                                    good middling, 4) Low to good Common, 5) Rejections, 6) Cuttings.
                                 Die bessern Sorten sind auch hier, wie vorher
                                    angegeben, in drei Unterabtheilungen getheilt.
                                 Jede Firma hat sodann noch ihre besondern Marken zur Bezeichnung der
                                    Qualität, so z.B.
                                 die Firma B. und R. Doß in Calcutta:
                                 
                                    
                                    Textabbildung Bd. 221, S. 508
                                    
                                 
                                    
                                    Textabbildung Bd. 221, S. 508
                                    
                                 Oder die Firma Ralli Brothers in Calcutta und
                                    London:
                                 
                                    
                                    Textabbildung Bd. 221, S. 508
                                    
                                 
                                    
                                       
                                          
                                          RB
                                          
                                       
                                          
                                          
                                       verschiedenin
                                          denUnterabtheilungen
                                       
                                          
                                          
                                       Second Standard Quality.
                                       
                                    
                                 
                                    
                                    Textabbildung Bd. 221, S. 508
                                    
                                 
                                    
                                    Textabbildung Bd. 221, S. 508
                                    
                                 
                                 Die langen und ganz feinen Jutesorten werden in Schottland und Frankreich zu
                                    „Jute-Line“, in ähnlicher Weise wie Flachs,
                                    verarbeitet. In Deutschland wird nur „Jute-Tow“,
                                    ähnlich wie Werg oder Heede, gesponnen, und verwendet man hierzu die ersten
                                    Qualitäten, mit Ausnahme der langen Jute, zu Kettengarnen, die Medium oder
                                    zweiten Qualitäten, zu Schußgarnen von Nr. 3 bis 7, die ordinären Sorten zu
                                    Schuhgarnen von Nr. 1/2 bis 2 1/2.
                                 Die von den ordinären Jutesorten abgeschnittenen Wurzelenden (Cuttings)
                                    finden namentlich in der Papierfabrikation Verwendung, oder werden in
                                    Amerika zu Schußgarnen der geringern Baumwollpacktücher (Cotton Baggins)
                                    verarbeitet.
                                 Ueber die Unkosten, welche den deutschen Fabrikanten aus dem Ankauf und
                                    Transport der z.B. in London lagernden Juteballen nach Mitteldeutschland
                                    (Hannover) erwachsen, noch Folgendes: Es beträgt die Einkaufsprovision 1 bis
                                    1 1/2 Proc., ferner die Courtage (Mäklerlohn) 1/2 Proc.; Dock- und
                                    Verschiffungsspesen von 5 bis 8 Shilling pro Tonne, je nach der Entfernung
                                    des Lagerortes von dem Schiffe, Fracht per Steamer von London bis Bremen
                                    oder Hamburg, je nach der Geschäftsconjunctur und Jahreszeit, von. 7 bis 12
                                    Sh. pro Tonne. Die Spesen und die Fracht bis Hannover betragen etwa 70 Pf.
                                    pro 50k. Hiernach würden sich die
                                    Kosten pro 50k Rohmaterial in
                                    Hannover auf 1,5 bis 1,9 M., unter Umständen bis auf 2 M. berechnen.Die Angabe der Marktpreise findet stets pro Tonne statt, und
                                          bekanntlich ist 1 Tonne = 20 Ctr. engl. = 2240 Avoir-Pfund =
                                          2032 Zollpfd. = 1016k
                                          wonach sich leicht aus dem Einkaufspreis unter Zurechnung der Spesen
                                          der Preis des Rohmaterials loco Hannover berechnen läßt.
                                    
                                 In den deutschen Jutespinnereien pflegt man die Eintheilung der Jute in
                                    Sorten unter Berücksichtigung verschiedener Gesichtspunkte zu bewirken. Um
                                    eine derartige Eintheilung zu verstehen, sei im Voraus bemerkt, daß man
                                    höchstens Nr. 10, und nur ausnahmsweise auch Nr. 12 oder 14, in deutschen
                                    Spinnereien zu spinnen pflegt, wo unter Garnnummer die Anzahl Gebinde (Leas)
                                    zu 300 Yards (274m,3) auf 1 Pfd.
                                    engl. (454g) zu verstehen ist, und
                                    zwar pflegen einige größere Spinnereien die Garne von Nr. 1/4 bis 5 incl. in
                                    drei Qualitäten zu spinnen, die man absteigend z.B. bezeichnet mit ss, s und c, oder
                                    1., 2., 3. Qualität, während die Garne von Nr. 5 1/2 an bis 8 incl. in zwei
                                    Qualitäten ss und s
                                    oder 1. und 2. Qualität und schließlich die von Nr. 9 bis 14 nur in einer,
                                    der besten ss oder 1. Qualität hergestellt
                                    werden.
                                 Da nun die Ketten- (Warp-) Garne außer größerer Festigkeit
                                    – dieselbe ist unter sonst gleichen Umständen lediglich von der
                                    schärfern oder geringern Drehung abhängig – auch möglichste Egalität des Fadens
                                    voraussetzen, diese aber von der Reinheit und Güte des Materials wesentlich
                                    abhängig ist, so pflegt man die Kettengarne meistens nur in bester Qualität
                                    zu spinnen. Wenn man nun außerdem noch berücksichtigt, daß, je stärker die
                                    Garnnummer wird, ein um so geringeres, weniger feines Material nöthig ist,
                                    um eine bestimmte Qualität zu erzeugen, so wird die folgende Eintheilung in
                                    sechs Jutesorten verständlich sein. Weil nun die höheren Garnnummern nur
                                    ausnahmsweise verlangt werden, so bezeichnet man wohl auch die beste zu
                                    diesen Nummern geeignete Sorte mit 0 und erhält demnach Folgendes:
                                 
                                    
                                       0.
                                       Sorte
                                       Jute
                                       zu
                                       10 ss
                                       Weft und Warp; 7 ss und 8 ss Warp;
                                       
                                    
                                       1.
                                       „
                                       „
                                       „
                                         3 ss
                                       bis
                                       6 ss        „
                                       und
                                       8 ss
                                       Weft;
                                       
                                    
                                       2.
                                       „
                                       „
                                       „
                                         3 ss
                                       „
                                       6 ss    
                                             Weft
                                       „
                                       8 s
                                          „
                                       
                                    
                                       3.
                                       „
                                       „
                                       „
                                         1 ss
                                       „
                                       2 2/3 ss  „
                                       „
                                       3 s
                                       bis 7 s Weft:
                                       
                                    
                                       4.
                                       „
                                       „
                                       „
                                         1 s
                                       „
                                       2 1/2 s  
                                             „
                                       „
                                       3 c
                                         „  5 c    „
                                       
                                    
                                       5.
                                       „
                                       „
                                       „
                                       1/4 c
                                       „
                                       2 2/3 c  
                                             „
                                       (zu dieser Sorte gehören
                                       
                                    
                                       
                                       
                                       
                                       
                                       
                                       
                                       auch die Jutestricke von den
                                          Ballen).
                                       
                                    
                                 Manche Spinnereien erzeugen auch nur zwei Qualitäten Garn und verzichten auf
                                    das Spinnen der höheren Nummern ganz. In diesem Falle ist natürlich die
                                    Eintheilung der Jute nach einem andern Plane aufzustellen.
                                 
                                    
                                       (Fortsetzung folgt.)