| Titel: | Bemerkungen über das Härten des Stahls; von Friedr. Dietlen in Reutlingen. | 
| Autor: | Friedr. Dietlen | 
| Fundstelle: | Band 221, Jahrgang 1876, S. 519 | 
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                        Bemerkungen über das Härten des Stahls; von
                           Friedr. Dietlen in
                           Reutlingen.
                        Dietlen, über das Härten des Stahls.
                        
                     
                        
                           Zu den Versuchen des Hrn. Fabrikdirector Jarolimek (S. 436
                              d. B.) erlaube ich mir aus der Praxis einige Erfahrungen mitzutheilen, wie sie sich
                              bei Härten von größern Stahlstücken ergeben. – In manchen Stoffen lassen sich
                              kleine Stahlstückchen härten, während größere Stahlstücke in demselben entweder nur
                              Federhärte erhalten oder öfters nur regenerirt werden; so härten z.B. die Uhrmacher
                              Bohrer und Reibahlen in Unschlitt und Siegellack. Glühender Stahldraht von 4 bis
                              6mm Durchmesser wird durch Eintauchen
                              in Erdöl gehärtet; derselbe von 8 bis 10mm
                              Dicke wird, auf dieselbe Weise behandelt, blos regenerirt. Die Temperatur, auf
                              welche der Stahl erhitzt werden muß, ist für jede Stahlsorte fast eine andere. Der
                              eine Stahl wird schon bei dunkler Rothglut hart (z.B. der von Gaspar in Cannstatt), während Gerb- und Puddelstahl zur
                              Hellrothgluthitze gebracht werden müssen. Man wird die Temperatur im Durchschnitt
                              auf 600 bis 700° anschlagen dürfen, da 500° wohl nur dunkle Rothglut
                              geben und bei dieser ein Stahl selten noch brauchbare Härte annimmt. Englischer
                              Gußstahl (von Huntsman) wird sehr weich, wenn er, bis zur
                              Rothglut erhitzt, in der Luft sich abkühlt, bis er schwarz wird, und dann schnell im
                              Wasser vollends abgekühlt wird.
                           Das verschiedene Verhalten des Stahls beim Härten mag hauptsächlich von dem
                              verschiedenen Gehalt an Kohlenstoff herrühren, da Stahl, in verschlossenen Gefäßen
                              erhitzt, keine so starke Glühhitze erfordert wie im offenen Feuer. Auch muß Stahl,
                              der öfters gehärtet wird, zu jeder folgenden Härtung mehr erwärmt werden, wenn er
                              nicht wieder regenerirt wird. Auch bei Anwendung von Härtemitteln braucht die
                              Glühhitze nicht so stark zu sein, da die Härtemittel dem Stahl theils Kohlenstoff
                              zuführen, theils die Luft abhalten, damit der Kohlenstoff nicht verbrennt. Auch die
                              Zusammenziehung des Stahls hängt von dem Gehalt an Kohlenstoff ab, da Stahl, welcher
                              im Feuer auf einer Seite dem directen Wind ausgesetzt wurde, sich auch einseitig
                              zieht oder auf dieser Seite Risse bekommt. Wenn größere Stahlstücke nur theilweise oder kurze Zeit
                              eingetaucht werden, so werden sich fast immer Sprünge oder Risse bilden; große
                              Stücke springen oft erst nach mehreren Stunden, wenn sie nicht so lange in der
                              Härteflüssigkeit bleiben, bis sie durchaus abgekühlt sind. Eine Löffelstanze, die
                              Abends gehärtet und zu bald aus dem Wasser genommen wurde, sprang den andern Morgen
                              um 8 Uhr, ohne daß sie in der Zwischenzeit berührt worden wäre. Die Bildung von
                              Rissen beim theilweisen Abkühlen sieht man sehr deutlich, wenn man Meißel, die
                              öfters gehärtet wurden, ausstreckt; dieselben sind an der Stelle, bis zu welcher sie
                              abgekühlt wurden, voll hufeisenförmiger Risse, deren Rundung der Schneide zugekehrt
                              ist. Es dürfte also das Härten im Metallbad mit kurzem Verweilen in demselben für
                              größere Stücke nicht zu empfehlen sein, auch wenn es möglich wäre, die Temperatur
                              derselben immer genau zu reguliren. Ein weiterer Uebelstand des Metallbades ist, daß
                              die Ecken und Spitzen beinahe momentan in demselben anlaufen, weshalb es für Stücke
                              von ungleichen Dimensionen oder scharfen Kanten auch nicht zum Anlassen verwendbar
                              ist.
                           Den erforderlichen Härtegrad blos durch Abkühlen ohne Anlassen zu geben, wird selten
                              gelingen, da der Stahl hierbei immer spröd bleibt, oder nicht die nöthige Härte
                              erhält. Für Metallbearbeitungswerkzeuge habe ich als bestes Verfahren gefunden, wenn
                              der Stahl gut bedeckt bis zur Dunkelrothglut erhitzt, hierauf mit Härtepulver
                              bestreut, bis zu dem der Stahlsorte entsprechenden Hitzegrad gebracht, rasch in
                              nicht zu kaltem Wasser abgekühlt wird; hierauf wird der Gegenstand abgetrocknet und
                              untersucht und, wenn er ohne Fehler ist, mit Oel bestrichen und auf Kohlenfeuer oder
                              bei kleinern Gegenständen über der Weingeistlampe erwärmt, bis eine gleichförmige
                              hell- oder dunkelgelbe Farbe den Gegenstand bedeckt, worauf derselbe zur
                              langsamen Abkühlung bei Seite gelegt wird. Durch das langsame Abkühlen nach dem
                              Anlassen wird der höchste Grad von Elasticität erreicht. Das billigste und beste
                              Härtepulver kann man sich aus 3 Th. Klauenmehl und 1 Th. Kochsalz herstellen.
                           Der Vorschlag Jarolimek's, durch Wasserdampf zu härten,
                              habe ich versucht. Dampf allein kühlt den Stahl nicht dermaßen ab, daß er hart wird;
                              mit einem Gemisch von Wasser und Dampf habe ich Stahlblech sowie größere
                              Gewindbacken gehärtet und damit eine bedeutende Härte erhalten. Das Stahlblech habe
                              ich blos von einer Seite dem Strahl aus dem untern Probirhahn eines Dampfkessels mit
                              4at Druck ausgesetzt, und war dasselbe
                              bis zur Mitte gehärtet; die untere Seite war weich. Die Gewindbacken waren so hart,
                              daß ich sie anlassen konnte.
                           
                           Dünne Gegenstände, welche dem Verziehen beim Härten ausgesetzt sind, lassen sich sehr
                              gut zwischen kalten Metallplatten härten; nur muß man darauf sehen, daß beide
                              Platten den glühenden Stahl zugleich von beiden Seiten berühren, da sonst leicht
                              eine Verkrümmung auf der zuerst berührten Seite auftritt.
                           Um Gegenstände, die sich verzogen haben, beim ersten Abkühlen wieder gerade zu
                              biegen, benützt man das Anlassen. Man spannt den Gegenstand mittels eiserner
                              Schraubzwingen auf ein Stück Eisen, so daß die hohle Seite dem Eisen zugekehrt ist,
                              erwärmt nun das Ganze langsam über Kohlenfeuer; wenn der Gegenstand anfängt, gelb zu
                              werden, kann durch Anziehen der Schraube, die auf die erhabene Stelle wirken muß,
                              der Gegenstand langsam gerade gerichtet werden; sobald er die nöthige Anlauffarbe
                              hat, wird er durch Begießen mit Wasser auf die erhaben gewesene Seite abgekühlt, und
                              behält nun diese Form nach dem Lüften der Schraube bei. Ganz unbedeutende Krümmungen
                              werden schon durch Erwärmen der hohlen Seite und nachheriges Benetzen der convexen
                              Seite weggeschafft.