| Titel: | Der neueste Standpunkt der Reisstärke-Fabrikation; von M. Adlung. | 
| Fundstelle: | Band 221, Jahrgang 1876, S. 543 | 
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                        Der neueste Standpunkt der
                           Reisstärke-Fabrikation; von M.
                              Adlung.
                        (Schluß von S. 63 dieses Bandes.)
                        Adlung, über den neuesten Standpunkt der
                           Reisstärkefabrikation.
                        
                     
                        
                           Obgleich auf die früher beschriebene Weise eine Stärke von vorzüglicher
                              Beschaffenheit geliefert werden kann, so hat das sogen. amerikanische Verfahren doch, bei gleich günstigen Resultaten, den
                              entschiedenen Vorzug der Einfachheit. Es gestattet nämlich eine terrassenförmige Anordnung der Apparate
                              eine consequente Aufeinanderfolge der Processe und schnelleres Arbeiten –
                              Umstände, welche bei der Reisstärkefabrikation besonders im Sommer von nicht zu
                              unterschätzender Bedeutung sind.
                           Bei Besprechung der englischen und deutsch-englischen Methode wurde schon
                              erwähnt, daß jenen beiden auch die amerikanische in den ersten Operationen völlig
                              gleicht. Auch hier wird der Reis in hölzernen Kisten oder Bottichen mit
                              Aetznatronlauge von 1 3/4° B. eingequellt und bleibt damit 18 Stunden lang
                              unter öfterm Umarbeiten in Berührung. Nun wird die schmutziggelbe Lauge abgezogen;
                              sie passirt eine lange, flache, wenig geneigte Rinne, auf welcher sich ein
                              stärkehaltiger Schlamm absetzt. Die weitere Verarbeitung dieses Schlammes, sowie der
                              Lauge soll unten angegeben werden.
                           Der Reis, welcher so weich sein muß, daß eine Probe davon leicht zwischen den Fingern
                              zerdrückt werden kann, wird nun zur Entfernung des Schleims wiederholt mit Wasser
                              ausgewaschen, alsdann unter Zufluß einer dünnern Aetznatronlauge zur einem dünnen
                              unfühlbaren Brei gemahlen. Der Brei gelangt aus der Mühle in den Mehlbottich, dessen
                              Rührwerk während 6 Stunden in Thätigkeit bleibt. Nach dieser Zeit überläßt man die
                              Masse 13 Stunden lang der Ruhe, wodurch einerseits eine vollkommene Lockerung des
                              Klebers bewirkt wird, anderseits eine Verdickung der Masse durch Abscheidung klarer
                              Lauge, welche man mittels eines Hebers entfernt.
                           Der dicke Brei wird nun mittels der Rohstärke Centrifuge geschleudert. Letztere
                              besteht in ihrer neuesten Form im Wesentlichen aus einem gußeisernen Cylinder von
                              1m Höhe und 0m,9 Durchmesser, sowie einer
                              tiefkesselförmigen kupfernen Trommel, in deren Mitte sich ein unten offener Kegel
                              von demselben Metall erhebt, welcher über die in der Mitte des Cylinders
                              eingelagerte, ebenfalls kegelförmige Spindel gesetzt wird. Die innere Wandung der
                              Trommel ist durch schmale verticale Scheidewände in sechs Fächer abgetheilt; am
                              Grunde befinden sich zwei kleine verschließbare Oeffnungen. Der obere Rand der
                              Trommel ist nur nach innen flach gewölbt und bleibt unbedeckt. Die Trommel wird zu
                              2/3 mit Reisbrei angefüllt und dann 15 Minuten lang in schnelle Drehung versetzt.
                              Entsprechend dem verschiedenen specifischen Gewicht seiner Bestandtheile findet
                              hierdurch eine scharfe Trennung des Breies statt in: 1) weiße Rohstärke, welche sich
                              an der Wandung der Trommel ausscheidet; 2) grauweiße Kleberstärke, auf jener
                              abgelagert; 3) eine schmutziggelbe alkalische Kleberlösung, die beim Außergangsetzen
                              der Centrifuge am Boden zusammenläuft und durch die erwähnten Oeffnungen abgelassen
                              wird. Die weitere
                              Verarbeitung dieser Lauge und der Kleberstärke wird unten angegeben werden; ich
                              bemerke jedoch schon hier, daß erstere zum Einquellen neuer Mengen mit verwendet
                              werden kann.
                           Das Fabrikgebäude hat außer dem Erdgeschoß drei Stockwerke. Die weiße feste Rohstärke
                              wird in großen Stücken aus der im Erdgeschoß stehenden Centrifuge heraus und mittels
                              des Fahrstuhles in einen in der dritten Etage befindlichen Aufrührbottich genommen,
                              um dort mit einer schwachen Sodalösung dünn aufgerührt zu werden. Nach erfolgter
                              Vertheilung läßt man die Stärkemilch durch ein Cylindersieb, von der Einrichtung wie
                              früher angegeben, nach einem in der zweiten Etage des Gebäudes befindlichen
                              Schlämmbottich laufen, wo das nochmalige Schlämmen der kurze Zeit abgesetzten
                              Flüssigkeit und Abziehen nach einem in der nächsten, also ersten Etage aufgestellten
                              Absitzbottich vorgenommen wird. Ein nochmaliges Sieben wird in den meisten Fällen
                              hier nicht nöthig sein; doch ist es geboten, die nöthige Einrichtung zu treffen,
                              welche aber nicht nur diesem einen Zweck zu dienen hat.
                           In dem zuletzt erwähnten Absitzbottich im ersten Stock läßt man bis zur vollkommen
                              festen Abscheidung der Stärke absitzen; der Zeitraum, welcher hierzu nöthig ist,
                              beträgt 24 bis 36 Stunden. Nachdem es geschehen, zieht man die klare Flüssigkeit ab,
                              rührt wieder mit wenig Wasser auf, und raffinirt die Stärke mittels der Centrifugen,
                              die im Erdgeschoß aufgestellt sind. Nach meinen Erfahrungen ist es nicht
                              vortheilhaft, die sogen. „Raffinationscentrifuge“ anzuwenden;
                              dieselbe liefert die Stärke zwar fast ganz lufttrocken, die Stücke bekommen jedoch
                              nach dem Trocknen einen eigenthümlich rauhen Bruch und eignen sich, ihrer Form
                              wegen, gar nicht zur Darstellung von Strahlenstärke. Ein weiterer Uebelstand ist
                              der, daß die bisweilen leichte Schmutztheile in Suspension enthaltene Lauge
                              gezwungen wird, durch den runden Stärkekuchen hindurch nach außen zu treten, bei
                              welcher Gelegenheit jene Schmutztheile sich in der Stärke abscheiden. Letztere
                              bekommt daher mindestens ein ungleiches Ansehen. Ich ziehe es daher vor, auch zum
                              Raffiniren die oben beschriebene, seitlich geschlossene Centrifuge anzuwenden, bei
                              welcher sich Kleberlösung und Schmutztheile innen abscheiden und leicht entfernt
                              werden können. Es geschieht diese Entfernung der gefärbten Innenfläche durch
                              sauberes Abwaschen mittels eines Pinsels, und man kann jetzt die Stärke in die
                              Füllkästen schlagen. Vortheilhafter für die Gleichartigkeit des Productes ist es
                              indessen, die Stücke nochmals nach einem Bottich zu nehmen, der in gleicher Höhe
                              steht mit dem oben erwähnten, im zweiten Stock des Gebäudes befindlichen
                              Schlämmbottich, hier mäßig dünn mit Wasser aufzurühren und dann durch das oben
                              erwähnte Reservecylindersieb in die mit dichten Leinentüchern ausgelegten Kästen laufen
                              zu lassen.
                           Um die Operation des Abfüllens auf Kästen wesentlich zu vereinfachen, schlägt man
                              folgenden Weg ein: Die durchlöcherten, mit Tüchern glatt ausgelegten Füllkästen von
                              1m,25 Länge werden im Erdgeschoß dicht
                              neben einander auf Holzgestelle gebracht, deren Etagen nach der Mitte zu rinnenartig
                              vertieft und mit Zinkblech ausgeschlagen sind. Die überschüssige Stärkemilch muß
                              also dort zusammenlaufen und kann nach der untern Etage geleitet werden. Man schlägt
                              nun das wenig überstehende Ende jedes Tuches nach derselben Richtung über den Rand
                              des benachbarten Kastens hinweg. Die äußeren, den Kastencomplex begrenzenden Ränder
                              werden durch Ansetzen genau passender Latten um 5cm erhöht. Man schlägt jetzt die noch freien Enden der Tücher über diese
                              Latten hinweg, wobei man natürlich auf die Richtung des einfließenden Stärkebreies
                              Rücksicht zu nehmen hat. Läßt man letztern jetzt an einer Seite einlaufen, so tritt
                              derselbe aus dem ersten Kasten in den zweiten über, und bald ist die ganze Reihe,
                              bezieh. auch die darunter stehende angefüllt.
                           Die weitere Verarbeitung dieser speciell zu Strahlenstärke geeigneten Stücke ist
                              genau die früher besprochene. Der beim Schlämmen in dem Schlämmbottich (im zweiten
                              Stockwerk) verbleibende Rückstand besteht zum größten Theil aus Kleberstärke neben
                              Cellulosehüllen und nicht gehörig zermalmten Reisstückchen. Man rührt ihn mit Wasser
                              auf und läßt ihn durch das Cylindersieb nach einem Bottich im ersten Stock laufen,
                              wo die Gährung stattfindet, während der Reis zurück nach der Mühle gelangt.
                           Eine ähnliche Behandlung erfährt das beim ersten Schleudern aus den Centrifugen
                              gekratzte sogen, „dritte Product“; es wird mittels eines
                              Fahrstuhles nach einem im zweiten Stockwerk stehenden Bottich gehoben, mit Wasser
                              aufgerührt und läuft durch das Cylindersieb ebenfalls nach dem letzterwähnten
                              Gährbottich in erster Etage.
                           Nach dem Absüßen leitet man die Gährung mittels gefaulten Weizenklebers ein; die
                              anfangs alkalische Gährung geht bald in die essigsaure über, und es findet eine
                              Lösung des Klebers statt. Nach vollendeter Gährung verfährt man ganz in der früher
                              angegebenen Weise; man schleudert, um die gelösten Substanzen zu entfernen, rührt
                              mit Wasser auf, cylindert und verarbeitet auf Luftstärke, während der
                              Schlämmrückstand und das an dieser Stelle vom Cylinder Ausgeworfene die Futterwaare
                              bildet.
                           Es ist nothwendig, die der Gährung dienenden Räume sorgfältig von denjenigen zu trennen, in
                              welchen die Gährung vermieden werden muß; die betreffenden Bottiche müssen sich etwa
                              in gleicher Höhe mit den Einquellkästen, doch auch von diesen getrennt, befinden.
                              Die Nähe einer Wärmequelle ist selbstverständlich wünschenswert.
                           Das Princip terrassenförmiger Anordnung der Apparate erfordert, daß die
                              Einquellkästen über die Mühle, die Mahlbottiche noch über den Rand der Centrifugen
                              zu stehen kommen. Die Höhe der zur ebenen Erde befindlichen Centrifugen beträgt
                              incl. Cementuntermauerung 1m. Nimmt man die
                              Höhe der Mahlbottiche zu 1m,4, den Fallraum
                              von der Unterkante der Mahlbottiche nach den Centrifugen und ebenso von der
                              Ausflußöffnung der Mühle nach den Mahlbottichen zu je 0m,3 an, so wird sich jene Ausflußöffnung in
                              einer Höhe von 3m befinden müssen. (Bei den
                              gebräuchlichen gußeisernen Reismühlen – von C. Rudolph und Comp. in Neustadt-Magdeburg
                              – befindet sich die Ausflußöffnung des zweiten Mahlganges 1m,25 über der Fundamentplatte, wonach also
                              die Höhe der Untermauerung 1m,75 betragen
                              muß.)
                           Es erübrigt noch, der weitern Ausnützung einiger Fabrikabflüsse zu gedenken. Alle,
                              auch die scheinbar klaren Absüßwässer etc., halten noch beträchtliche Mengen Stärke
                              in Suspension, die sich beim längern Stehen allmälig absetzt. Man leitet sie daher
                              in große terrassenförmig angelegte Cementbassins, die von Zeit zu Zeit abgelassen
                              und entleert werden können. Die schlammartige Stärke wird in Wasser vertheilt, durch
                              ein grobes Sieb in die Centrifugen geschickt und geschleudert, wodurch eine schnelle
                              Reinigung erzielt wird. Man rührt die noch etwas graue Stärke mit Wasser an, setzt
                              eine empirisch festzustellende Menge starker schwefliger Säure zu, läßt absitzen,
                              süßt so mehrere Male aus, cylindert dann und erhält auf diese Weise die Stärke
                              vollkommen rein.
                           Die Darstellung der schwefligen Säure geschieht durch Verbrennen von Schwefel und
                              Einleitung des Dampfes in das untere Ende eines 3m langen geschlossenen Holzcylinders, der zum Theil mit ausgelangten
                              Hobelspänen gefüllt ist. Ein durch einen durchlöcherten Bleideckel zertheilter
                              dünner Wasserstrahl kommt von oben den durch die Hobelspäne aufsteigenden
                              Schwefeldämpfen entgegen, dieselben schnell absorbirend. Die schweflige Säure ist,
                              wenn gut bereitet, das beste Mittel, Fäulniß oder zur Unzeit eingetretene Gährung zu
                              unterdrücken. Gleiche Wirkung hat das als Antichlor im Handel befindliche
                              schwefligsaure Natron; auch das Calciumsalz kann in Fällen, wo eine Gypsbildung
                              nicht mehr schädlich wirkt, angewendet werden.
                           Die beim ersten Schleudern aus den Centrifugen abfließende schwache Lauge ist der
                              nochmaligen Mitbenützung zum Einquellen neuer Mengen Reis recht wohl fähig; man
                              titrirt in diesem Falle ihren Gehalt an Aetznatron und ergänzt die fehlenden
                              Procente durch frische Lauge.
                           Es wurde erwähnt, daß auch die Lauge, die zum Einquellen des Reises gedient hat, zu
                              einer weitern Benützung fähig sei. Man läßt den Stärkeschlamm sich daraus absitzen;
                              derselbe wird wie Kleberstärke behandelt. Die Lauge gelangt in einen Holzbottich, wo
                              die Fällung des aufgelösten Klebers durch Salzsäure vorgenommen wird. Derselbe dient
                              gleich andern Abfällen zur Viehfütterung. Ebenso vollkommen wie durch Salzsäure
                              gelingt die Fällung des Klebers mittels Chlormagnesium. Es ist bemerkenswerth, daß
                              bei Anwendung geringer Mengen dieses Salzes ein großer Theil des in der Flüssigkeit
                              enthaltenen Aetznatrons unzersetzt bleibt; die völlig geklärte Flüssigkeit behält
                              ihre alkalische Reaction, und es ließe sich hierauf vielleicht eine Methode der
                              theilweisen Wiedergewinnung des Aetznatrons gründen. Ebenso gelingt die Abscheidung
                              des Klebers aus der gedachten Lauge mittels Chlorkalium und auch, obschon
                              unvollkommen, durch Chlornatrium. Ein Gehalt der Aetzsoda an Kochsalz, wie es doch
                              in der Regel angetroffen wird, wirkt aus diesem Grunde nachtheilig, die leichte
                              Löslichkeit des Klebers beeinträchtigend. Am meisten dürfte sich die aus Kryolith
                              dargestellte chlorfreie Aetzsoda für die Reisstärkefabrikation empfehlen. (Deutsche
                                    Industriezeitung, 1876 S. 294.)