| Titel: | Mittheilungen über neue Handfeuerwaffen; von F. Hentsch Hauptmann a. D. in Berlin. | 
| Autor: | F. Hentsch | 
| Fundstelle: | Band 222, Jahrgang 1876, S. 41 | 
| Download: | XML | 
                     
                        Mittheilungen über neue Handfeuerwaffen; von F. Hentsch Hauptmann a. D. in Berlin.
                        Mit Abbildungen auf Taf.
                              II [d/1].
                        (Fortsetzung von S. 518 des vorhergehenden Bandes.)
                        Hentsch, über neue Handfeuerwaffen.
                        
                     
                        
                           Gewehrsystem Timner, Modell
                              1876.
                           Das von dem Büchsenmacher A. F. W. Timner zu Coblenz
                              construirte und patentirte Gewehr gehört zur Classe der Cylinderverschlußsysteme und wird aus ihm eine
                              Metallpatrone geschossen. Die Waffe zeigt wenig Originelles und ist vielmehr
                              hauptsächlich eine Combination älterer Constructionen. Mit welchem Geschicke dies
                              seitens des Constructeurs ausgeführt ist, möge folgende Beschreibung der Waffe
                              zeigen. Es zeigen Figur 18 Ansicht der Hülse von oben, Figur 19
                              Verticallängendurchschnitt des geschlossenen und abgeschossenen Gewehres, Figur 20
                              Seitenansicht des Verschlußcylinders, Figur 21
                              Verticallängendurchschnitt bei geöffnetem und gespanntem Gewehre.
                           Auf dem hintern Theile des Laufes ist wie bei allen Cylinderverschlußsystemen eine
                              Hülse B aufgeschraubt, welche zur Aufnahme des
                              Verschlußcylinders und Extractors dient. Die hinten senkrechte Fläche des
                              Hülsenkopfes A besitzt im obern Theile, dort wo der Kopf
                              in die linke Hülsenwand übergeht, eine schraubenartig gewundene Fläche, durch welche
                              bei dem Oeffnen des Verschlußmechanismus der Verschlußcylinder etwas zurückgeführt
                              und die Patronenhülse im Patronenlager gelockert werden soll. Dieser Fläche
                              entsprechend ist auch die nach vorn gerichtete, die Patroneneinlage hinten
                              begrenzende rechte Hülsenwandfläche im obern Theile abgeschrägt, um bei dem
                              Schließen des Gewehres die Patrone ganz an ihren Platz zu führen. Beide
                              Einrichtungen finden wir bereits seit Jahren bei dem Mauser-Gewehre (vgl. *
                              1872 206 343. * 1875 216
                              145).
                           Ebenso wie bei letzterer Waffe besitzt die Hülse an ihrem hintern Ende eine
                              Verstärkung, welche ihre obere Fläche überragt und das Herausziehen des
                              Verschlußcylinders aus der Hülse dadurch verhindert, daß sich gegen sie eine auf der
                              obern Fläche des Verschlußcylinders angebrachte Scheibe legt, eine Einrichtung,
                              welche ebenfalls dem Mauser-Gewehr entnommen ist.
                           Abweichend von letzterer Waffe befindet sich in der untern Hülsenwand der Länge nach
                              eine schmale Rinne zur Aufnahme des Extractors f und an
                              der untern Fläche der Hülse die Schlagfeder g mit dem
                              Schlagstücke h. Die Schlagfeder entspricht der
                              Abzugsfeder des Dreyse'schen Zündnadelgewehres, ist aber kräftiger gearbeitet und
                              trägt an Stelle des Abzugsfederstollens das das Vorschnellen des Schlagbolzens
                              veranlassende Schlagstück h. Dasselbe tritt durch eine
                              Auslassung der untern Wand der Hülse in das Innere der letztern. Seine vordere
                              Fläche, die eigentliche Schlagfläche, ist abgeschrägt und tritt im obern Theile nach
                              hinten zurück. An seiner hintern Seite befindet sich ein Absatz x, welcher als Spannrast dient und sich bei
                              niedergedrückter Stellung unter einen entsprechenden Absatz des Abzuges m legt.
                           Hinter der zum Durchlassen des Schlagstückes bestimmten Oeffnung in der untern Wand
                              der Hülse ist an der untern Fläche der letztern mittels einer horizontalen Schraube in einer senkrechten
                              Auslassung der Abzug m und hinter ihm mittels einer
                              senkrechten Schraube die Abzugsfeder n befestigt. Wie
                              schon erwähnt, besitzt der Abzug an seiner vordern Seite einen Absatz, welcher sich
                              bei gespanntem Gewehre auf den Absatz x des
                              Schlagstückes legt und in dieser Stellung durch die Abzugsfeder erhalten wird.
                           Das Verschlußstück C besteht aus einem Cylinder, welcher
                              im allgemeinen dem Verschlußcylinder der ersten Modelle, welche die Umänderung des
                              Zündnadelgewehres zum Gebrauche von Metallpatronen bezweckten, entspricht. Ein
                              besonderer, die Rotation des Cylinders nicht mitmachender Verschlußkopf, wie bei den
                              neueren Modellen dieser Gattung, existirt bei dem vorliegenden Gewehre nicht, und
                              mußte daher der Extractor f getrennt von dem Cylinder
                              angebracht werden, um ihn an dem Drehen des letztern zu verhindern. Auf der
                              Führungswarze befindet sich wie bei dem Mauser-Gewehr eine Scheibe, welche
                              durch eine Schraube festgehalten wird, die Führungswarze nach oben und den beiden
                              Seiten überragt und die Rückwärtsbewegung des Cylinders begrenzt. Das über die
                              Führungswarze nach vorn hervorstehende Ende d des
                              Verschlußcylinders C ist absatzartig verjüngt, und tritt
                              dieser Theil in die Laufbohrung.
                           An der der Führungswarze gegenüberstehenden Cylinderfläche ist eine Längsnuth
                              angebracht, welche an ihrem hintern Ende unter rechtem Winkel in eine kurze
                              Querauslassung übergeht. Dieser so gebrochene Gang dient zur Aufnahme des hintern
                              Ansatzes des Extractors f. Letzterer befindet sich in
                              der Längsnuth bei geöffnetem, in der Quernuth bei geschlossenem Gewehre. Die hintere
                              Seite des Verschlußcylinders bildet eine schiefe Fläche, welche im Vereine mit der
                              vordern Abschrägung des Schlagstückes das Spannen des letztern bewirkt, eine
                              Einrichtung, welche nicht neu ist, sondern sich schon bei einem seit fast 30 Jahren
                              in der Waffensammlung der HH. Falisse und Trapmann in Lüttich befindlichen Zündnadelgewehre und
                              später bei den Modellen von Deprez und Carter vorfindet, nur mit dem Unterschiede, daß bei
                              diesen Waffen der Hahn eines Percussionsschlosses auf diese Weise gespannt wird,
                              hier dagegen Schlagstück und Schlagfeder ein einziges Stück bilden. Der
                              Verschlußcylinder besitzt der Länge nach eine centrale, cylindrische Bohrung, welche
                              zur Aufnahme des entsprechend geformten Schlagstiftes e
                              dient, vorn sich absatzartig verjüngt, hinten durch eine Schraube mit centraler
                              enger Bohrung geschlossen wird.
                           Der Extractor f besteht aus einem langen, mit seiner
                              obern Fläche sich mit der innern Fläche der Hülse vergleichenden und vorn und hinten
                              je einen letztern
                              nach oben überragenden Ansatz tragenden Eisenstäbchen; der vordere Ansatz dient zum
                              Zurückziehen der Patrone und legt sich vor den Bodenrand ihrer Hülse, der hintere
                              tritt in den gebrochenen Gang des Verschlußcylinders C.
                           Was nun das Zusammenwirken der Schloß- und Verschlußtheile betrifft, so nehmen
                              dieselben bei geschlossenem und abgeschossenem Gewehre folgende Stellung ein: Das
                              Schlagstück h ist aus der Abzugsrast herausgetreten,
                              hochgeschnellt, liegt mit seiner vordern Fläche an der hintern des Schlagbolzens,
                              und ist dieser mit seinem vordern Ende über die vordere Fläche des
                              Verschlußcylinders C hervorgetreten. Letzterer liegt mit
                              seiner vordern Verjüngung d in der Laufbohrung, seine
                              Führungswarze in der betreffenden Auslassung der rechten Hülsenwand, der Extractor
                              f mit seinem vordern Ansatze vor dem
                              Patronenbodenrande, mit dem hintern in der Querauslassung des Cylinders C.
                           Um das Gewehr zu laden, wird der Verschlußcylinder C nach
                              links gedreht, wobei ihn die scharfe Fläche des Hülsenkopfes etwas zurückdrückt. Der
                              Extractor f gleitet mit seinem hintern Ansatze in der
                              Querauslassung zur Seite, macht somit die drehende Bewegung nicht, wohl aber die
                              geringe Rückwärtsbewegung mit, wodurch die Patronenhülse i in ihrem Lager gelockert und dadurch ihr späteres Entfernen erleichtert
                              wird. Bei der Drehung hat die schiefe hintere Cylinderfläche einen Druck gegen die
                              schiefe Fläche des Spannstückes h ausgeführt, dieses
                              niedergedrückt und die Schlagfeder g gespannt. Hierauf
                              wird der Verschlußcylinder C so weit zurückgezogen, als
                              es die auf seiner Führungswarze angebrachte Scheibe gestattet, wobei der mit seinem
                              hintern Ansatze in die Längsnuth des Cylinders getretene Extractor anfangs
                              unbeweglich bleibt, bis daß die vordere Begrenzungsfläche der Nuth ihn trifft und
                              mit zurücknimmt. Der Weg, welchen er ausführt, ist indessen nur kurz, die
                              Patronenhülse bleibt mit ihrem vordern Ende im Lauf stecken und muß mit Hilfe der
                              Finger entfernt werden.
                           Hierauf wird die Patrone eingeführt, der Verschlußcylinder C vorgeschoben, nach rechts gedreht und das Gewehr dadurch geschlossen.
                              Bei dem Vorschieben trifft der bei obigen Bewegungen stets unverrückt gebliebene,
                              somit nach vorn hervorstehende Schlagbolzen e den
                              Patronenboden, wird dadurch zurückgedrückt, und tritt sein hinteres Ende aus der
                              Bodenschraube hervor. Der Extractor f verharrt anfangs
                              in seiner Lage, bis sein hinterer Ansatz die Quernuth erreicht, und tritt dieser
                              alsdann bei dem Rechtsdrehen des Cylinders in letztern ein. Die andern Schloßtheile
                              verharren in ihrer Lage.
                           Erfolgt nun ein Druck gegen den Abzug, so wird das Schlagstück h
                              frei, von der Schlagfeder
                              g hochgeschnellt, trifft den Schlagbolzen e, schleudert diesen vor, und es erfolgt die Entzündung
                              der Patrone.
                           Eine besondere Sicherung hat der Constructeur für überflüssig gehalten, da die
                              eigenthümliche Construction des Mechanismus schon an sich vollständige Sicherheit
                              gewähren soll, und zwar durch Aufdrehen des Verschlußcylinders bis zur Hälfte, da
                              dann bei dem Hochschnellen des Schlagstückes dieses durch die schiefe Fläche des
                              Cylinders verhindert wird, den Schlagbolzen zu treffen. – Dies hat allerdings
                              seine Richtigkeit; allein es fehlt der Waffe jede Vorrichtung, das Verschlußstück in
                              dieser Stellung zu fixiren, und wird letzteres daher nicht einen Augenblick länger
                              in dieser Lage verharren, sobald es losgelassen wird. Es ist daher auch der
                              Vorschlag gemacht worden, einen Schieber in der Hülsenwand so anzubringen, daß er
                              bei seinem Hineinschieben sich über das Schlagstück legt und dessen Hochschnellen
                              verhindert, jedenfalls eine unsichere und äußerst primitive Vorrichtung.
                           Das Auseinandernehmen und Zusammensetzen des Verschlußmechanismus hat seine
                              Schwierigkeiten, da bei ersterm die Abnahme des Schlagstückes mit Schlagfeder das
                              Entfernen des Laufes aus dem Schafte erfordert. Das blose Herausnehmen des
                              Verschlußcylinders bedingt ebenfalls den Gebrauch eines Schraubenziehers zum
                              Entfernen der Scheibenschraube von der Führungswarze und der Bodenschraube des
                              Cylinders.
                           Was den Werth der Construction betrifft, so besteht sein einziger Vorzug in der
                              geringen Anzahl von Schloßtheilen; doch steht diesem Vorzuge eine Menge Uebelstände
                              gegenüber. Zunächst ist ein großer Uebelstand, daß nicht die geringste Vorrichtung
                              vorhanden ist, um den Schlagbolzen zurückzuführen, dies vielmehr erst durch
                              Gegenstoßen gegen das im Patronenboden befindliche Zündhütchen bewirkt wird. Ist nun
                              der Schlagbolzen in Folge Platzens von Patronenhülsen oder aus andern, im Felde
                              leicht vorkommenden Ursachen verschmutzt und die Reibung an den Cylinderwänden in
                              Folge dessen so groß, daß eine erhebliche Kraft zu seinem Zurückdrücken erfordert
                              wird, so tritt leicht eine Entzündung der Patrone bei dem Vorschieben des Cylinders
                              vor vollständigem Schlusse der Waffe ein. Der Verschlußcylinder wird in diesem Falle
                              zurückgeschleudert, und der Schütze kann schwer beschädigt werden.
                           Die Extractionsvorrichtung ist sehr primitiver und durchaus ungenügender Art, das
                              Entfernen der Patronenhülse erfolgt nicht automatisch, sondern ist selbst mit den
                              Fingern schwierig, ganz besonders in liegender Stellung des Schützen, auszuführen;
                              der Extractor kann leicht bei der Herausnahme des Cylinders verloren gehen, da er
                              frei in der Hülse liegt, und erschwert außerdem das Zusammensetzen der Waffe.
                           
                           Die bei den neueren Modellen für durchaus nöthig befundene Einrichtung, den nach
                              hinten bei dem Platzen von Patronenhülsen ausströmenden Gasen einen Ausweg nach der
                              Seite zu verschaffen und jedes Hindurchströmen durch die Hülse nach hinten unmöglich
                              zu machen, ist bei dieser Waffe ganz außer Acht gelassen, und kann letzters sowohl
                              durch die Schlagbolzenbohrung des Cylinders als durch den Extractorgang der Hülse
                              stattfinden.
                           Was den Einfluß der atmosphärischen Einflüsse, Nässe, Temperaturwechsel, Staub etc.
                              betrifft, so soll das Schloß in seiner Function dadurch nicht die geringste
                              Beeinträchtigung erfahren; es liegt indessen nicht der geringste Grund vor, weshalb
                              sich das vorliegende System vor den andern Modellen mit Cylinderverschluß
                              auszeichnen sollte, und treten auch hier dieselben Uebelstände wie bei letztern
                              ein.
                           In Bezug auf Präcision, Handhabung und namentlich Schnelligkeit des Ladens und
                              Schusses soll diese Construction den andern Modellen mindestens ebenbürtig sein,
                              wenn sie letztere nicht sogar überragt. Was nun die Präcision betrifft, so ist die
                              Schloßconstruction bei Anwendung von Metallpatronen gänzlich einflußlos hierauf, und
                              gelangen hierbei ganz andere Factoren zur Geltung. Die Handhabung und Schnelligkeit
                              des Schusses muß indessen in Folge der mangelhaften Extractionsvorrichtung erheblich
                              hinter derjenigen der neuen Modelle dieser Gattung zurückstehen.
                           Die Construction dürfte somit nach obigem bei weitem nicht die Vollkommenheit der
                              neuen Waffen mit Cylinderverschluß und ganz besonders nicht des bis jetzt unerreicht
                              dastehenden neuen Dreyse'schen Rotationsgewehres besitzen, der einzige Vortheil der
                              geringen Zahl der Schloßtheile gegen die andern schwer wiegenden Nachtheile
                              verschwinden und ohne nachträgliche Hinzufügung einer genügenden Ruhstellung die
                              Waffe nicht als kriegsbrauchbar zu betrachten sein. Originell ist an ihr nur die
                              Vereinigung des Schlagstückes und der Schlagfeder in einem Stücke.
                           
                              (Fortsetzung folgt.). 
                              
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
