| Titel: | Wheeler und Wilson's Nähmaschine für dichte Stoffe. | 
| Fundstelle: | Band 222, Jahrgang 1876, S. 222 | 
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                        Wheeler und Wilson's Nähmaschine für dichte Stoffe.
                        Mit Abbildungen.
                        Wheeler und Wilson's Nähmaschine für dichte Stoffe.
                        
                     
                        
                           Die sogen. Greifer-Nähmaschine von Wheeler und Wilson, welche den untern Nähfaden nicht von einem
                              Schiffchen durch die Schleife des Oberfadens hindurch schiebt, sondern umgekehrt
                              diese Schleife durch einen rotirenden Haken oder Greifer über die fest liegende
                              Spule des untern Fadens hinweg zieht, eignete sich in ihrer ursprünglichen
                              Einrichtung deshalb nicht zum Nähen dichter Stoffe (zu sogen. schwerer Arbeit für
                              Schuhmacher, Sattler u.s.w.), weil ihre Nadel von einem schwingenden Hebel in einer
                              Kreisbahn bewegt wird und folglich auch selbst nach einer Kreislinie gebogen sein
                              muß. Diese gebogene Nadel kann nicht so sehr angestrengt und nicht mit solcher Kraft
                              durch den Stoff hindurch geschoben werden wie eine geradlinige Nadel. Ein weiterer
                              Uebelstand der Maschine in ihrer frühern Einrichtung war auch der, daß sie von einem
                              starken Nähfaden nur eine sehr geringe Länge auf ihre enge Zweiwirtel-Spule
                              aufnehmen konnte, die Arbeit also oft durch neues Aufspulen des Unterfadens
                              unterbrochen werden mußte. Dagegen bietet das Greifersystem gegenüber den
                              Schiffchen-Nähmaschinen offenbar den Vortheil der einfachen
                              Bewegungsübertragung auf den rotirenden Haken an Stelle der Bewegung eines hin und
                              her gehenden oder eines oscillirenden Schiffchens.
                           Unter Berücksichtigung dieser Umstände hat die Wheeler und
                              Wilson-Nähmaschinenfabrik schon zur Wiener Ausstellung 1873 und seit dieser
                              Zeit wiederholt Veränderungen ihrer Maschine an die Oeffentlichkeit gebracht, bei
                              denen zwar der vortheilhaft wirkende Greifer beibehalten ist, welche aber die Uebelstände
                              beseitigen, indem sie den Raum im Haken vergrößern, also auch den Fassungsraum der
                              Spule erweitern und von letzterer eine größere Fadenmenge führen lassen, und indem
                              sie weiter eine geradlinig vertical bewegliche Nadelstange anwenden, an welcher nun
                              auch eine gerade Nadel befestigt ist, die man mit größerer Kraft in den Stoff
                              eindrücken kann. Die neueste Einrichtung dieser Art rührt von J. A. House, einem Constructeur der genannten Gesellschaft,
                              her, und die Maschine wird unter der Bezeichnung „Modell Nr. 8“
                              in den Handel gebracht; sie ist in den beigegebenen Holzschnitten abgebildet.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 222, S. 222
                              
                           
                           Die Nadelstange wird durch den Hebel 4 gehoben und gesenkt und letzterer von der
                              Zugstange 5 und einem Excenter bewegt. Der obere Nähfaden läuft von der Spule durch
                              die bekannten Bremsscheiben 12, dann erst über das Ende 3 eines Spannhebels und
                              hierauf durch die Führungen 13 und 2 nach dem Nadelöhr. Den Spannhebel 3 bewegt eine
                              Hubscheibe 7 der Hauptwelle derart, daß er den obern Faden straff anzieht, wenn
                              dessen Schleife über die untere Spule geführt worden ist und nun der Stich vollendet
                              und angezogen werden soll; darauf schwingt Hebel 3 aber wieder zurück und gibt den
                              obern Faden wieder frei zur Bildung der neuen Schleife für den folgenden Stich. Es
                              ist also in dieser Maschine nicht mehr dem Greifer überlassen, den Stich fest zu
                              ziehen dadurch, daß er die neue Schleife für den folgenden Stich ausspannt.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 222, S. 223
                              
                           Weiter erhält der Greifer eine veränderliche Umdrehungsgeschwindigkeit, damit er den
                              obern Faden nur dann durch das Nadelöhr nachzieht, wenn letzteres außerhalb des
                              Stoffes steht. Dadurch wird der Faden geschont, auch wenn man mit feinen Nadeln in
                              dichten oder festen
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 222, S. 223
                              
                           Stoffen arbeitet, und man hat nicht nöthig, so starke Nadeln
                              zu nehmen, daß dadurch die Stichlöcher zu groß und die Nähte unschön werden. Zur
                              Erreichung dieser veränderlichen Umdrehung des Hakens ist dessen Achse 12 durch die
                              Scheiben 82, 81 und 15 mit der Verlängerung 18 der Triebwelle 6 gekuppelt, und die
                              geschlitzte Kupplungsscheibe 81, in deren Schlitzen die Zapfen 35 und 36 sich
                              verschieben können, dreht sich in einem fest gehaltenen Ringe 80 und liegt excentrisch
                              zur Achsenrichtung 12 und 18. Dadurch erhält der Greifer eine schnelle Bewegung auf
                              etwa 2/3 seiner Umdrehung, während das Nadelöhr unter dem Stoffe steht, wobei er die
                              Schleife des Oberfadens lang auszieht und um die untere Spule herumführt, und er
                              geht langsamer, während die Nadel mit ihrem Oehr aufwärts steigt bis über den Stoff,
                              worauf der Spannhebel 3 den überflüssigen Faden der Schleife hinweg nimmt und den
                              Stich anspannt.
                           Während der obere Faden angezogen wird, um den untern zur Hälfte in den Stoff mit
                              hinein zu ziehen, wird dieser untere Faden gebremst, also gleichmäßig mit dem obern
                              gespannt. Zu dem Zwecke ist der untere Faden von der Spule nach dem Stoffe hin
                              zunächst durch eine Oeffnung eines Hebels (Spannarmes) hindurch geführt, und gegen
                              diesen Spannarm drückt ein vorspringender Theil der Greiferscheibe derart an, daß er
                              den Faden zwischen sich und dem Arme festklemmt. Der Druck zwischen Spannhebel und
                              Greiferscheibe kann verändert werden, so daß man also den Unterfaden mehr oder
                              weniger bremsen und anspannen kann. Der Stoffrücker hat noch die alte vorzügliche
                              Einrichtung; er kann durch den Hebel 15 behufs Veränderung der Stichlänge verstellt
                              werden.
                           Die Maschine soll, durch Dampfkraft getrieben, erheblich mehr leisten als eine
                              Schiffchenmaschine, weil ihr eine so große Geschwindigkeit ertheilt werden kann
                              (angeblich 1200 Stiche in der Minute), daß dabei in Schiffchenmaschinen durch die
                              größern hin und her gehenden Massen unfehlbar Brüche herbei geführt würden.
                           
                              G.