| Titel: | Der Dampfcylinder Papin's. | 
| Fundstelle: | Band 222, Jahrgang 1876, S. 293 | 
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                        Der Dampfcylinder Papin's.
                        Mit einer Abbildung auf Taf. VIII [c/3].
                        Papin's Dampfcylinder.
                        
                     
                        
                           Die Sammlung älterer physikalischer, astronomischer und geodätischer Instrumente,
                              welche sich im Museum in Cassel befindet, war mit einer Anzahl ihrer merkwürdigsten
                              Apparate auf der internationalen Ausstellung wissenschaftlicher Instrumente in
                              London vertreten; einer Beschreibung der wichtigsten Apparate dieser Sammlung von E.
                                 Gerland (Repertorium für Experimentalphysik, 1876 S.
                                 362) entnehmen wir folgende Besprechung des Papin'schen Dampfcylinders.
                           Der ausgestellte gußeiserne Cylinder sollte ein Theil einer großen Pumpmaschine
                              werden, die aber nie zur Ausführung gekommen ist. Dieselbe war bestimmt, einen Canal
                              auf der Höhe von Hofgeismar mit Wasser zu versehen, mit Hilfe dessen der Landgraf
                              Carl die Weserschifffahrt, die durch ihr Stapelrecht
                              seiner Hauptstadt so lästige Stadt Münden umgehend, nach Cassel ziehen wollte. Der
                              Canal, welcher bei Stammen in die Diemel, einem bei Carlshafen, damals Sieburg,
                              mündenden Nebenflusse der Weser, auslief, war von genanntem Ort bis gegen Hofgeismar
                              hin fast vollendet und ist noch stundenweit zu verfolgen, als eine in Papin's Laboratorium stattfindende Explosion, gerade als
                              der Landgraf daselbst einen Besuch abzustatten gedachte, den kühnen Forscher zwang,
                              dem Einfluß seiner Feinde sich so rasch wie möglich zu entziehen, in einer Weise,
                              die einer Flucht nur allzu ähnlich sah. Auf einem mit Ruderrädern versehenen Schiff,
                              zu vorbereitenden Versuchen, die keinen geringern Zweck als die Erbauung eines
                              Dampfschiffes erstrebtenVgl. Gerland: Zur Erfindungsgeschichte des
                                    Dampfschiffes. Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure, 1876 S.
                                    461., hergestellt, wollte er 1707 die Weser abwärts sich an Münden vorbei über
                              Bremen nach England begeben. Die Mündener Schiffer, die wohl ihn und seine Arbeiten
                              nur zu genau kannten, zerschlugen aber trotz des Geleitbriefes sein SchiffEinfeld: Acten des Magistrats zu Münden und des
                                    kurfürstlichen Amtes zu Münden. Zeitschrift des historischen Vereins für
                                    Niedersachsen, 1850 S. 301., und er mußte nun auf dem Landwege sich nach England begeben, wo er indessen
                              mit seinen Plänen reussirte. Es ist noch nicht sicher, ob er dort oder nach seiner
                              Rückkehr in Deutschland gestorben istL.de la Saussayeet A.Péan: La vie et les ouvrages de
                                       DenisPapin. Paris et
                                       Blois 1869., gestorben in Noth und wer weiß wie elend durch seine so nahe der Erfüllung
                              getäuschten Hoffnungen. Denn wie mußte der Mann seine Mittellosigkeit und gänzliche
                              Ohnmacht empfinden, der bereits vor 1695 an den kaiserlichen Kammerherrn, den Grafen von Sintzendorff, über seine Ideen über die Verwendung der
                              Dampfkraft schrieb und da nur Gedanken, die er schon 1688 über die von ihm
                              verbesserte Pulvermaschine von Huygens
                              Huygens: Opera varia. Lugduni Batavorum
                                    1724. 1, p. 280. auf die durch Wasserdampf zu treibende übertrugActa Eruditorum, anna 1688 publicata. Lipsiae 1688, p. 501.
                              „Il seroit
                                 Papin: Recuil des diverses Pièces
                                          touchant quelques nouvelles Machines. A Cassell 1695, p. 57. 60.
                                 trop long de rapporter icy de quelle manière cette
                                    invention se pourroit appliquer à tirer l'eau des mines, jetter des
                                    bombes, ramer contre le vent, et à plusieurs autres usages de cette
                                    sorte; mais il faut que chacun selon les besoings qu'il en aura
                                    imaginé les constructions les plus propres pour ses desseings; Je ne
                                    puis pourtant m'empescher de remarquer icy en passant combien cette force
                                    seroit préférable à celle des galeriens pour aller
                                    viste en mer.“ Und weiter: „puisque elle (cette nouvelle machine) fait voir, plus manifestement que jamais, que ces sortes
                                    de gros tuyaux (Dampfcylinder) pourroient
                                    semploier fort commodement à plusieurs usages de très grande
                                    importance.“
                              
                           Die von Papin veröffentlichte Skizze (Fig. 3) der von ihm
                              erdachten Pumpmaschine ist dem ausgestellten Cylinder beigegeben.Nach Leupold's
                                    Theatrum machinarum generale. Leipzig 1724. Sie war eine höchst eigenthümliche Combination der Savery'schen Maschine und der von Papin für
                              andere Zwecke empfohlenen Kolbenmaschine, die er als wesentliche Verbesserung der
                              Huygens'schen Pulvermaschine entworfen hatte. In dem
                              mit einem (gleichfalls von Papin erfundenen)
                              Sicherheitsventile geschlossenen Kessel A sollte der
                              Dampf erzeugt werden, der dann durch das Rohr B nach
                              Oeffnung des dieses abschließenden Hahnes C in den
                              Cylinder D strömen sollte. Hier mußte derselbe sich
                              ausdehnend den D fast genau abschließenden Schwimmer E herabpressen und das in D
                              befindliche Wasser dadurch in den Windkasten F getrieben
                              werden, aus welchem es die darin enthaltene Luft wie in der Druckpumpe zu jeder
                              beliebigen Höhe durch das Rohr G zu heben im Stande war.
                              Bei H und I waren zwei sich
                              nach oben und unten öffnende Ventile angebracht. Damit nun aber der gegen E strömende Dampf expandirte und nicht etwa sich
                              niederschlug, sollte durch die verschließbare Oeffnung im Deckel von D vor jedem Hube ein stark erhitztes Stück Eisen nach
                              D gebracht werden. Durch den Trichter K wurde für neue Wasserzufuhr gesorgt. Es wird schwer
                              festzustellen sein, welcher der beiden Cylinder der noch vorhandene werden sollte;
                              den Verhältnissen nach möchte man vermuthen, den Dampfcylinder D vor sich zu haben.
                           
                           Als jene Katastrophe, die Papin zur Flucht zwang, sich
                              ereignete, war bereits ein Modell der Maschine fertig und auf seine
                              Wirkungsfähigkeit geprüft, außerdem der Cylinder und mehrere andere Maschinentheile
                              auf der herrschaftlichen Eisenhütte in Veckerhagen an der Weser gegossen.Henschel: Erfindung der Dampfmaschine.
                                    Zeitschrift des Vereins für hessische Geschichte und Landeskunde, 5. Bd.
                                    (Cassel 1850) S. 44. Das Modell kam nachher in das Zeughaus zu Cassel, wo es bis zum J. 1806
                              aufbewahrt wurde, dann aber bei der französischen Invasion verschwunden ist. Es ist
                              später auch kein Theil desselben wieder zum Vorschein gekommen.
                           Der Cylinder kam in das herrschaftliche Gießhaus zu Cassel und diente dort Jahre
                              lang, unter einer Bohrmaschine für Spritzen- und Pumpenstiefel in die Erde
                              gegraben, als Fangkorb für die Bohrspäne. Als dieses Etablissement 1836, unter der
                              Leitung des Oberbergrathes Henschel stehend, abbrannte,
                              wurde der Cylinder erhalten und von der von dem Genannten nach jenem Brande
                              gegründeten Maschinenfabrik von Henschel und Sohn angekauft, in der er anfangs zu demselben Zweck
                              diente, dann aber seit etwa 1837 mit der Aufschrift „Papin's
                                 Dampfcylinder“ versehen, dem Haupteingang der Fabrik gegenüber
                              aufgestellt. Hinter ihm lagen zum Einschmelzen bestimmte Vorräthe von altem Eisen,
                              Formkasten etc. Wer ihn hier während langer Jahre stehen gesehen hat, dem muß
                              folgende Stelle in dem Werke der neuesten Biographen Papin's einigermaßen befremdend erscheinen. Sie berichten von dem
                              CylinderL.de la Saussayeet A.Péan, a. a. O. S. 223 Note.: „Alors on le relégua dans un coin
                                    obscur, sur un tas de ferailles destinées au fourneau. C'est
                                    là que dans le mois d'avril de l'année 1863, l'un de nous, voyageant en Allemagne eut le bonheur de le
                                    retrouver.“ Wie wollte doch der Reisende, ohne es gesagt
                              erhalten oder die Aufschrift gelesen zu haben, dem unter altem Eisen befindlichen
                              Cylinder von altem Eisen seine einstmalige Bestimmung haben ansehen können! Man hat
                              auch nie im Entferntesten daran gedacht, das werthvolle Stück wie jenes für den Ofen
                              bestimmte Eisen zu behandeln. Als vielmehr die Fabrik seit 1866 einen gewaltigen
                              Aufschwung nahm und bei der Annahme so vieler neuen Arbeiter die Gefahr zu bestehen
                              schien, daß durch Unkenntniß derselben mit dem Werthe des Cylinders dieser zu
                              Schaden kommen könne, ließ ihn der jetzige Besitzer (Hr. Geheime Commerzienrath Henschel, der Enkel des verstorbenen Oberbergrathes) in
                              einen sichern Winkel zurückstellen. Nun fahren die Biographen Papin's fort: „A son retour il (l'un de nous) s'empressa
                                    d'instruire le général
                                 Morin, directeur de
                                    notre conservatoire
                                 
                                 des arts et métiers de la destruction imminente de
                                    ce monument des travaux de
                                 Papin. Le
                                    général se hâta d'écrire au successeur de
                                    M.
                                 Henschel (eben dessen Enkel), pour lui en proposer l'acquisition ou l'échange.
                                    Une negociation suivit: malheureusement les prétentions
                                    exagérées du détenteur l'empêchèrent
                                    d'aboutir. L'oeuvre de notre compatriote existe-t-elle
                                    encore? Hélas! Nous ne saurions le dire.“ Die
                              aufgeworfene Frage des unterdessen verstorbenen De la
                                 Saussaye mag der ausgestellte Cylinder selbst beantworten, der Umstand, daß
                              er sich im Besitze des Museums in Cassel befindet, jene „prétentions
                                    exagérées“ ins richtige Licht setzen. Hr. Henschel wollte den Cylinder eben nicht verkaufen, er
                              wollte ihn seiner Vaterstadt erhalten. In der That hat er ihn 1869 dem Museum in
                              Cassel zum Geschenk gemacht, für welches derselbe noch insofern besonders werthvoll
                              ist, als er beweist, bis zu welcher Stufe sich bereits im Anfange des vorigen
                              Jahrhunderts die Kunst der Eisengießerei in Hessen erhoben hatte.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
