| Titel: | Ueber die giftigen Eigenschaften des Fuchsins; von Bergeron und Cloüet. | 
| Fundstelle: | Band 223, Jahrgang 1877, S. 105 | 
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                        Ueber die giftigen Eigenschaften des Fuchsins;
                           von Bergeron und Cloüet.
                        Bergeron und Cloüet, über die giftigen Eigenschaften des
                           Fuchsins.
                        
                     
                        
                           Die Frage, ob die Anilinfarbstoffe als Färbemittel für gewisse Nahrungsstoffe und
                              Getränke zulässig sind oder nicht, hat schon die verschiedensten Beantwortungen
                              gefunden. Die Pariser Polizeipräfectur, obgleich sie den gefärbten Nahrungsmitteln
                              einen besondern, sehr detailirten Erlaß gewidmet hat, läßt diese Frage offen, sofern
                              sie die Anilinfarben weder unter den verbotenen, noch unter den erlaubten
                              Farbstoffen aufführt. A. Husemann hat im American Journal of Pharmacy, 1875 S. 210 einen Fall
                              veröffentlicht, wonach mehrere Kinder durch den Genuß von mit Fuchsin gefärbten
                              Bonbons sich den Tod zugezogen haben sollen. Das zur Verwendung gekommene Fuchsin
                              zeigte freilich bei der Untersuchung, daß es die Hauptbedingung, arsenfrei zu sein,
                              nicht vollkommen erfüllte, trotzdem daß der heutige Stand der Fuchsinfabrikation die
                              Darstellung eines arsenfreien Productes ermöglicht. Aber der Arsengehalt war so
                              gering, daß die tödtliche Wirkung demselben nicht zugeschrieben werden konnte;
                              vielmehr wurde Husemann durch die Analyse in seiner
                              Ansicht bestärkt, daß das Fuchsin selbst, um so mehr aber, wenn es mit arseniger
                              Säure auch in geringer Menge verbunden in den menschlichen Körper gelangt, ein sehr
                              gefährliches Gift sei. Auf der andern Seite haben Eulenburg und Vohl auf Grund ihrer Studien die Ansicht
                              ausgesprochen, daß Anilinfarben an und für sich nicht giftig sind, daß sie nur
                              schädlich wirken, wenn sie mit gewissen Salzen oder mit Anilinöl verunreinigt sind,
                              oder wenn sie eine gefährliche Säure enthalten. Sonnenkalb hat sogar Anilinfarbstoffe mit 1 Proc. Arsengehalt, in
                              Anbetracht ihrer ungemeinen Ausgiebigkeit, zum Färben von Zuckerwaaren u. dgl. für
                              zulässig erklärt.
                           Prof. G. Bergeron und Prof. J. Cloüet haben für die Lösung dieser Frage weiteres (im Bulletin de Rouen, 1876 S.
                                 138 veröffentlichtes) Material gesammelt, indem sie directe Versuche
                              anstellten, wie der am häufigsten in Conditorwaaren und Getränken vorkommende
                              Anilinfarbstoff, das Fuchsin, innerlich eingegeben auf den Organismus von Menschen
                              und Thieren wirkt, nachdem schon Charvet nachgewiesen
                              hatte, daß subcutane Fuchsin-Injectionen in der Stärke von 2g (aufgelöst in 20g Weingeist und 120g Wasser) keinerlei
                              Vergiftungserscheinungen hervorzurufen im Stande sind. Es zeigte sich wiederholt,
                              daß ein Mensch innerhalb 8 Tagen ohne alle Gefahr allmälig 3g,2 Fuchsin einnehmen kann; nur in den
                              letzten beiden Versuchstagen, an welchen die Dosis jedes Mal bis zu 1g gesteigert wurde, trat ein leichtes,
                              jedoch vorübergehendes allgemeines Uebelbefinden ein. Selbstverständlich war das
                              verwendete Fuchsin zuvor genau untersucht und als arsenfrei, überhaupt frei von
                              metallischen Beimengungen gefunden worden. Nimmt man nun 1l einer Caramellösung, welche 1g,5 Fuchsin enthält, so kann man damit
                              224l Wein färben, so daß 1l Wem nur 0g,006 Fuchsin enthält, eine Quantität,
                              welche somit nach den angestellten Versuchen auch bei stärkerer Consumtion eines
                              Trinkers keine schädliche Wirkung ausüben kann. Bei Hunden wurde die Dosis je nach
                              der Größe derselben von 5g bis zu 20g, die auf einmal eingegeben wurden,
                              gesteigert. Es trat zwar Erbrechen, Zittern, Abnahme des Herzschlages und der
                              Respiration ein, aber immer den darauffolgenden Tag waren alle Krankheitssymptome
                              verschwunden. Macht man hievon wieder die Nutzanwendung auf den Menschen, so würden
                              diese 20g Fuchsin genügen, um 2987l Wein roth zu färben, und es läßt sich
                              auch nach diesen Versuchen an Thieren kaum annehmen, daß 1l so gefärbten Weines auf den menschlichen
                              Organismus eine schädliche Wirkung ausüben könnte, vorausgesetzt immer, daß das
                              angewendete Fuchsin selbst frei von Arsenik und sonstigen Verunreinigungen ist, eine BedingungBedinguug, deren Erfüllung jedenfalls durch das Gesetz gesichert sein sollte.
                           Eine merkwürdige Beobachtung wurde bei einem Menschen gemacht, dessen Urin seit
                              längerer Zeit einen reichlichen Albumingehalt zeigte. Sogleich nach dem Einnehmen
                              der ersten 0g,05 Fuchsin verschwand der Albumingehalt vollkommen
                              aus dem Urin; die Dosis wurde, wie oben erwähnt, durch eine Woche jeden Tag
                              wiederholt und verstärkt, der Harn täglich untersucht und noch 3 Monate nach der
                              Versuchszeit die völlige Abwesenheit des Albumins in demselben constatirt, ein
                              Resultat, welches in den Verfassern eine andere therapeutische Reminisscenz
                              wachgerufen hat, bei der ebenfalls ein Anilinderivat eine Rolls spielte, nämlich die
                              erfolgreichen Versuche Turnbull's und Filiberti's, das schwefelsaure Anilin gegen Veitstanz und
                              epileptische Anfälle innerlich anzuwenden.
                           
                              Kl.