| Titel: | Das umgekehrte Bremsdynamometer; von Ingenieur Georg Wellner, Professor in Brünn. | 
| Autor: | Georg Wellner | 
| Fundstelle: | Band 223, Jahrgang 1877, S. 130 | 
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                        Das umgekehrte Bremsdynamometer; von Ingenieur
                           Georg Wellner, Professor in
                           Brünn.
                        Mit einer Abbildung.
                        Wellner's umgekehrtes Bremsdynamometer.
                        
                     
                        
                           Zur Ermittlung der Leistungsfähigkeit und Oekonomie einer vorliegenden Maschine,
                              sowie zur vergleichenden Beurtheilung verschiedener Systeme von Dampfmaschinen oder
                              andern Motoren empfiehlt sich vorzüglich das Dynamometer, mit welchem wir die
                              effective Arbeitsleistung durch directes Abbremsen der Kraft in unmittelbarster
                              Weise zu messen vermögen. Die relativ bequemen Aufnahmen von Indicatordiagrammen für
                              Voll- und Leergang bei Dampfmaschinen geben zwar vollen Aufschluß über die
                              Functionirung der Steuerung, ermöglichen jedoch keine verlässige Bestimmung der
                              Reibungsverluste in der Maschine selbst, indem das Diagramm für den Leergang unter
                              ganz andern Dampfdruckverhältnissen verzeichnet wird, als für den Vollgang, und die
                              üblichen Zuschläge – eben aus Mangel an Bremsversuchen – ungenau sind.
                              Nachdem nun grade jener Theil der Maschinenleistung, welcher vom Betriebe der
                              Maschine selbst aufgezehrt wird, für die Vorzüglichkeit einer Construction im
                              Vergleich mit einer andern maßgebend ist, gebührt dem Bremsdynamometer als dem
                              einzig verlässigen Mittel für ein klares Bild der wirklichen Maschinenleistung
                              erhöhte Bedeutung.
                           Die gewöhnlichen dynamometrischen Messungen werden bekanntlich in der Art ausgeführt,
                              daß man Bremsklötze oder Bremsbänder mittels Schrauben gegen eine an der
                              Maschinenwelle befestigte Bremsscheibe anpreßt und die entstehende Reibung durch
                              Gewichte ausgleicht, welche auf einem langen, mit der Bremse verbundenen Hebel
                              aufgehängt werden. Die rotirende Kraft der Maschinenwelle trachtet diesen Hebel
                              sammt den Gewichten in die Höhe zu heben, und das eintretende Gleichgewicht liefert
                              ein Maß für das wirksame Kraftmoment.
                           
                              
                                 Heißt
                                 
                                    n
                                    
                                 die Anzahl der Umdrehungen pro Minute,
                                 
                              
                                 
                                 
                                    L
                                    
                                 die Länge des Hebelarmes in Meter und
                                 
                              
                                 
                                 
                                    G
                                    
                                 das auf das Hebelende reducirte Gesammtgewicht
                                 
                              
                           in Kilogramm, so ist der ideelle Weg der durch das Gewicht
                              bezwungenen Reibung: 2πL n/60, und die
                              Effectivleistung der Maschine in Pferdestärken demnach: N = 2πL n/60 G/75.
                           Wie aus der Gleichung ersichtlich, kommt der Durchmesser der Bremsscheibe sowie der
                              Reibungscoefficient nicht in Rechnung, und entspricht bei gegebener Tourenzahl n und Hebellänge L für die
                              gesuchte Effectivleistung N nur eine einzige ganz
                              bestimmte Gewichtsgröße G, folglich auch ein ganz
                              bestimmter Anzug der Bremsschrauben.
                           Ein solcher Bremsversuch ist jedoch mit großen Schwierigkeiten verbunden;
                              ober- und unterhalb des lebhaft auf und ab springenden Bremshebels müssen
                              Balken oder Seile angebracht werden, und während man die Schrauben an der Bremse
                              bald anzieht, bald wieder lockert, ebenso Gewichte zulegt oder abnimmt, soll man
                              gleichzeitig die Tourenzahl controliren; man muß also, stets unsicher tappend, weil
                              drei Momente gemeinsam in Einklang zu bringen sind, lange Zeit hin und her
                              versuchen, bis endlich Reibung und Gewicht grade für die gewünschte Tourenzahl
                              zufällig ins Gleichgewicht kommen, wobei noch der hin und her stoßende Hebel die
                              Messung stört.
                           Nachstehend erlaubt sich Verfasser eine gute Methode der Verwendung des Dynamometers
                              zu veröffentlichen, bei welcher die Manipulation des Bremsversuches sich einfacher
                              gestaltet, ein Stück nach dem andern ordnungsgemäß regulirt werden kann, und das
                              Hin- und Herschwanken des Hebels vermieden ist, so daß die Ausführung und
                              Bestimmung bequemer und präciser wird. Es handelt sich, wie nachstehende Skizze
                              zeigt, um eine einfache Umkehrung des Dynamometers, indem man sowohl den Hebel als
                              die drehend reibende Bremskraft in demselben Sinne – statt nach oben –
                              nach unten drücken läßt, und zwar am besten auf eine darunter geschobene
                              Decimalwage.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 223, S. 131
                              
                           Man verfährt in folgender Weise: Bei stillstehender Maschine und vollständig gelösten
                              Bremsschrauben wird vorerst das Hebelgewicht durch aufgelegte Gewichte ausgeglichen,
                              dann die Maschine langsam angelassen und gleichzeitig die Bremse durch allmäliges
                              Zuziehen der Schrauben festgezogen, wobei die nach unten gedrückte Wage aufsitzt.
                              Wenn endlich bei ganz offenem Dampfeinlaßventil die Maschine zu rasch oder zu
                              langsam umläuft, kann
                              man ohne Schwierigkeit ihre Geschwindigkeit durch weiteres Anziehen oder Lockern der
                              Schrauben so reguliren, daß genau die gewünschte Anzahl von Umdrehungen auf eine
                              Minute entfällt. Um diesen Gleichgewichtszustand, für welchen die ganze
                              Maschinenkraft von der Reibung der Bremse aufgezehrt wird, empfindlich einstellen zu
                              können, ist es zweckmäßig, die Schrauben möglichst entfernt von einander anzuordnen,
                              sowie behufs gleichmäßiger Reibung für ein continuirliches Zufließen von kühlendem
                              Seifenwasser Vorsorge zu treffen. Wenn schließlich die richtige Umgangszahl der
                              Maschine eingetreten und fixirt ist, erübrigt nur, den Druck des Hebels gegen die
                              Wage zu bestimmen, d.h. so viel Gewichte auf die Wagschale aufzulegen, bis die
                              Zeiger der Decimalwage gegenüberstehen.
                           Die Effectivleistung der Maschine in Pferdestärken findet man hierauf aus der
                              Formel:
                           N = 10G/75 2πLn/60,
                           
                              
                                 worin
                                 
                                    G
                                    
                                 die aufgelegten Gewichte in Kilogramm,
                                 
                              
                                 
                                 
                                    L
                                    
                                 die Hebellänge in Meter und
                                 
                              
                                 
                                 
                                    n
                                    
                                 die Tourenzahl pro Minute bedeutet.
                                 
                              
                           Es liegt wohl in allgemein technischem Interesse, wenn dieses bequemere Verfahren zu
                              häufiger Durchführung der so wichtigen dynamometrischen Messungen Anlaß geben
                              würde.