| Titel: | Ueber eine Ursache des unregelmässigen Verlaufes pneumatischer Processe; von Dr. Ferdinand Hurter in Widnes (Lancashire). | 
| Autor: | Ferdinand Hurter | 
| Fundstelle: | Band 223, Jahrgang 1877, S. 201 | 
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                        Ueber eine Ursache des unregelmässigen Verlaufes
                           pneumatischer Processe; von Dr. Ferdinand
                              Hurter in Widnes (Lancashire).
                        Hurter, über pneumatischer Processe.
                        
                     
                        
                           Die in der Technik verwertheten chemischen Processe werden manchmal, je nach dem
                              Zustand der verwendeten Reagentien, als trockene, nasse und pneumatische Processe
                              unterschieden.
                           Man hat unter die pneumatischen Processe namentlich auch den Hargreaves'schen
                              Sulfatproceß und den Deacon'schen Chlorproceß gezählt, hat diesen beiden Processen
                              vorgeworfen, daß sie unregelmäßig arbeiten, hat diesen Vorwurf, welcher specieller
                              dem Hargraeves' Proceß gemacht worden, generalisirt und auf sämmtliche pneumatische
                              Processe übertragen (vgl. Lunge 1876 219 252). Dieser Vorwurf ist nicht unbegründet. Jedem
                              pneumatischen Processe, speciell wo man Gase auf feste Körper einwirken läßt, hängen
                              gewisse Unannehmlichkeiten an oft so groß, daß diese Processe wieder verworfen
                              werden.
                           Die erste Schwierigkeit ist gewöhnlich die, den festen Körper in regelmäßigen Stücken
                              von gleichmäßiger Größe dem Gase darzubieten. Bei manchen Substanzen ist dies fast
                              unmöglich. Wie lange schon hat Schinz empfohlen, beim
                              Verbrennungsproceß das Brennmaterial in möglichst gleich großen Stücken der Luft
                              auszusetzen, und an wie vielen Orten wird wohl diese Maßregel befolgt? – In
                              Deacon's Chlorproceß hat man diese Schwierigkeit
                              dadurch beseitigt, daß man den gebrannten Thon in Form kleiner Kugeln anwendete, und
                              nachdem gefunden wurde, daß diese Kugeln nur auf beschränkte Zeit arbeiten, wurden
                              sie durch kleinere Stücke ersetzt, welche durch sorgfältiges Sieben möglichst
                              gleichförmig gehalten wurden. In Hargreaves' Proceß hat
                              sich die Nothwendigkeit des gleichförmigen Materials auch als bedeutende
                              Schwierigkeit fühlbar gemacht, und wird jetzt immer mehr daran gedacht, das Salz
                              mittels Maschinen in kugelförmige oder cylindrische Klumpen zu pressen, damit der
                              Gang des Processes ein regelmäßiger werde.
                           Bei gewissen pneumatischen Processen ist die Unregelmäßigkeit der Stücke von keinem
                              andern Nachtheil begleitet als dem, daß größere Stücke des festen Körpers
                              längere Zeit zu ihrer Umwandlung bedürfen. So z.B. kann man bei der Darstellung von
                              doppeltkohlensaurem Natron ungestraft Stücke von ganz verschiedener Größe verwenden,
                              so lange man reine Kohlensäure zur Verfügung hat; nimmt man aber Kohlensäure, welche
                              mit viel Luft verdünnt ist, etwa Verbrennungsgase, so macht sich obige Schwierigkeit
                              sofort fühlbar. Der Grund dieser Erscheinung dürfte nicht schwer zu finden sein. Wo
                              die ganze Gasmasse während der Reaction verschwindet, wird innerhalb der Poren des
                              festen Körpers ein leerer Raum erzeugt, in welchen neue Gastheilchen sich stürzen;
                              da kommt es denn auf die Größe der Stücke und den verschiedenen Widerstand, welchen
                              verschiedene Canäle bieten, nur wenig an. Wo aber die Gasmasse theilweise active und
                              inactive Bestandtheile enthält, die activen also durch den in den Poren gelassenen
                              Rest der inactiven Gase diffundiren müssen, da hat die Größe der Stücke einen
                              bedeutenden Einfluß.
                           Hat man aber auch diese Schwierigkeit überwunden, so kommt gewöhnlich eine neue,
                              verursacht durch Temperaturverschiedenheiten innerhalb der Masse. Wie man diese
                              zweite Schwierigkeit zu überwinden hat, soll diese kleine Abhandlung näher
                              besprechen.
                           Bekanntlich wird in dem von Hargreaves und Robinson vorgeschlagenen Proceß zur Darstellung von
                              Sodasulfat großes Gewicht darauf gelegt, daß der auf die porösen Kochsalzstücke
                              einwirkende Strom von schwefliger Säure, Luft und Wasserdampf, von oben nach unten sich bewege
                              und nicht umgekehrt. Es wird sogar behauptet, daß ohne diese Vorsicht der Proceß
                              überhaupt nicht erfolgreich ausführbar sei.
                           Weniger bekannt ist es, daß auch in Deacon's Proceß zur
                              Darstellung von Chlor die Gase stets in abwärts gehender Richtung geleitet werden.
                              Obwohl nicht so ausgesprochen als bei Hargreaves' Proceß läßt sich doch sicher
                              behaupten, daß die Resultate entschieden besser ausfallen, wenn die Gase abwärts
                              geleitet werden, als wenn sie aufwärts durch die mit Kupfersalz getränkten Massen
                              von Thon streichen.
                           Es scheint, als ob bei diesen Processen die Richtung des Gasstromes einen bedeutenden
                              Einfluß auf den Erfolg ausübte. Was aber bei diesen beiden Processen beobachtet
                              worden, wird wohl auch bei andern stattfinden, und deshalb dürfte das Besprechen
                              dieses Umstandes von allgemeinerem Interesse sein. Es ist natürlich dieser Einfluß
                              der Richtung des Gasstromes rein physikalischer Natur; wenn also, wie bei
                              Hargreaves' Proceß, die Reactionen sich auch manchmal abändern, so sind dies
                              secundäre Wirkungen, welche an und für sich mit der Richtung des Stromes nichts zu
                              schaffen haben. Die Ursachen, welche diesen verschiedenen Erfolg der Processe je
                              nach der Richtung des Stromes bedingen, lassen sich auf Verschiedenheiten in der
                              Vertheilung der Wärme in den Apparaten zurückführen, und sind sehr einfacher
                              Natur.
                           Hargreaves, welcher meines Wissens zuerst diese
                              Verschiedenheit beobachtete, gibt selbst folgende Erklärung für die ausschließliche
                              Anwendung der abwärtsgehenden Richtung des Gasstromes: „In einem Apparat
                                 von großem Querschnitt kann es vorkommen, daß an einer Stelle die Temperatur
                                 zufällig höher ist als an den übrigen Stellen. Hierdurch wird die wärmere Stelle
                                 den kältern gegenüber zum Kamin. Bei aufwärts gehendem Gasstrom wird die
                                 Geschwindigkeit an dieser heißern Stelle dem Temperaturunterschiede entsprechend
                                 vergrößert, die chemische Action dadurch beschleunigt und die Temperatur (wenn
                                 bei der Reaction Wärme frei wird) erhöht. Eine anfänglich unbedeutende
                                 Unregelmäßigkeit in der Temperaturvertheilung führt bald zu gefährlichen
                                 Verschiedenheiten. Ganz anders ist es, wenn der Gasstrom abwärts geführt wird.
                                 In diesem Falle geht durch allfällig heißere Stellen weniger Gas als durch die
                                 kältern, weil die Geschwindigkeit abwärts um die der Temperaturverschiedenheit
                                 entsprechende Größe verringert wird. Anstatt die chemische Activität zu
                                 vergrößern, wird sie beruhigt, und der Apparat erhält die Tendenz, vorhandene
                                 Temperaturunterschiede auszugleichen.“
                              
                           So richtig auch diese Erklärung ist, so ist sie doch nicht erschöpfend und reicht
                              namentlich nicht dazu aus, Rechenschaft zu geben, unter welchen Bedingungen ein
                              Abwärtsführen der Gase unbedingt nothwendig ist. In einer engen Röhre z.B. würde man
                              bei lebhaftem Gasstrome gewiß keine großen Verschiedenheiten im Erfolg einer
                              Operation erwarten, ob man nun das Gas aufwärts, abwärts oder seitwärts führe. Bei
                              der Herstellung mancher Apparate ist es ohnedies nicht immer thunlich, die Gase in
                              abwärts gehender Richtung zu führen, und da ist es wünschenswerth zu wissen, unter
                              welchen Bedingungen man aufwärts leiten kann, ohne den Erfolg der auszuführenden
                              Operation zu gefährden.
                           Verhielte sich ein mit Stücken gefüllter Kasten (also beispielsweise ein
                              Hargreaves'scher Cylinder oder ein Deacon'scher Zersetzungsofen) einfach wie ein
                              Kamin, wie Hargreaves voraussetzt, so würde obige
                              Erklärung nur für Temperaturen unter 300° giltig sein. Ueber diese Temperatur
                              dürfte man ungestraft aufwärts führen, weil in einem Kamin die Zugkraft bei
                              300° ein Maximum ist. – Es läßt sich aber beweisen, daß ein solcher
                              Apparat in gewissen Beziehungen vom Kamin abweicht, und es ist ohne weitere
                              Untersuchung nicht erlaubt, die Gesetze, welche den Zug eines Schornsteins
                              reguliren, sofort auf diese Apparate zu übertragen.
                           Man muß zuerst die Gesetze studiren, nach welchen der Durchgang von Gasen durch Canäle, die mit
                              grobkörnigem Material gefüllt sind, stattfindet. Es würde zu weit führen, die
                              einschlagenden Versuche, welche ich an großen Apparaten in der Fabrik von Gaskell, Deacon und Comp.
                              unternahm, zu beschreiben, ich will hier nur die gefundenen Gesetze anführen.
                           Die Versuche sind mit Massen aller Art ausgeführt worden, z.B. mit Thonkugeln,
                              Thonscherben, Kokes, zerschlagenen Pyriten, Kieselsteinen u.s.w. Sind die
                              angewendeten Stücke von möglichst gleicher Größe und betragen ihre kleinsten
                              Dimensionen nicht unter 1cm, so gelten die
                              nachfolgenden, für diese Untersuchung wichtigen Beziehungen: Man denke sich einen
                              mit Stücken von gebranntem Thon gefüllten Kasten, durch welchen in irgend welcher
                              Richtung durch künstlich hervorgebrachten Druck ein Gas getrieben wird. Man findet
                              dann für einen und denselben Apparat folgende Beziehungen zwischen dem Ueberdruck
                              p und der erzeugten Geschwindigkeit v
                              
                           v²/p =
                              constant.          (1)
                           Werden die Dimensionen der Stücke kleiner als 1cm, so ändert sich das Gesetz, und je
                              kleiner die Stücke werden, um so mehr nähert sich das Gesetz folgender Form
                           v/p =
                              constant.          
                              (2)
                           Unter p verstehen wir den Ueberdruck am einen Ende des
                              Apparates verglichen mit dem andern Ende, d. i. die Druckdifferenz beider Enden. Nun
                              weiß man, daß ein solcher Ueberdruck p theoretisch
                              annähernd eine Geschwindigkeit v erzeugen sollte, welche
                              mittels der Formel
                           v = √(2gps/d)      (3)
                           berechnet werden kann. In dieser Formel bedeutet p der Ueberdruck, gemessen mit einem Hebermanometer,
                              welches mit einer Flüssigkeit vom specifischen Gewicht s
                              gefüllt ist; g ist der bekannte Coefficient der Schwere
                              und d die Dichte des Gases, verglichen mit Wasser als
                              Einheit.
                           Praktisch läßt sich aber die durch Formel (3) berechnete Geschwindigkeit mittels des
                              Druckes p so nicht erreichen. Um mit dieser Formel die
                              wirklich erhaltbare Geschwindigkeit berechnen zu können, braucht man nur den Druck
                              mit einer Constanten zu dividiren, welche vom Apparat und der zur Füllung
                              verwendeten Masse abhängt. Man schreibt also
                           v = √(2gsp/dR)      (4)
                           
                           Die Constante R ist eine Zahl immer größer als die
                              Einheit; wäre sie für einen bestimmten Apparat einmal der Einheit gleich, so würde
                              man sagen: dieser Apparat läßt die Gase ohne Reibung durchgehen, er bietet keinen
                              Widerstand. Man bezeichnet daher die Constante R als den
                              Reibungscoefficienten des Apparates.
                           Bei gleichem Querschnitt zweier mit gleichartigem Material gefüllten Apparate
                              verhalten sich deren Widerstände genau wie die Längen. Um dieselbe Quantität Gas
                              durch die doppelte Schichthöhe zu treiben, braucht man den doppelten Ueberdruck.
                              Dieses Gesetz gilt für alle Füllungsarten, auch die feinkörnigsten, bis zum
                              Grobsand. Um dasselbe der Formel (4) einzuverleiben, hat man der Constanten R nur den Sinn beizulegen, daß R jetzt den Widerstand der Längeneinheit des Apparates und RL, den Widerstand der Schichthöhe L bedeutet. Man hat dann
                           v = √(2gs/d p/LR)      (5)
                           Wie sich Apparate von verschiedenen Querschnitten zu einander verhalten, ist auch
                              ohne Versuche leicht einzusehen. Multiplicirt man in Formel (5) die Geschwindigkeit
                              v mit dem Querschnitte A
                              des Apparates, so erhält man offenbar das pro Secunde durchfließende Gasvolum Q, daher
                           Q = Av =
                              √(2gs/d
                                 pA²/LR)Hierbei wird mit der Große A am besten der
                                    wirkliche Querschnitt des leeren Apparates bezeichnet und nicht etwa die
                                    Summe der Querschnitte der Intersticien. Wenn bei Bestimmung der Konstanten
                                    k ein ähnliches Verfahren angewendet wurde,
                                    so begeht man hernach keinen Fehler.       (6)
                           Soll also in der Secunde die Quantität Gas Q durch einen
                              Apparat vom Querschnitt A und der Schichthöhe L, gefüllt mit Material mit dem Widerstandscoefficienten
                              R, getrieben werden, so bedarf man eines Druckes
                           p = Q² RL/A²
                              d/2gs      (7)
                           Im Falle das Füllungsmaterial feinkörnig wird, wobei R
                              ganz bedeutend groß wird, ist annähernd
                           p = Q
                                 RL/A d/2gs      (8)
                           Hat man zwei Apparate (oder zwei Stellen eines Apparates), welche von derselben
                              Quelle gespeist werden, und deren Widerstände ungleich sind, so vertheilt sich das
                              Gasquantum so auf beide Apparate, daß die zum Durchtriebe der betreffenden Theile
                              nöthigen Drücke gleich werden.
                           
                           Bezeichnet man die entsprechenden Größen mit Q₁,
                              Q₂ resp. A₁, A₂ u.s.w., so ist Q₁ + Q₂ = Q und
                           Q₁/Q₂ = A₁/A₂ √(R₂R₂/R₁L₁),    (9)
                           mit welcher Formel sich die Gasvertheilung berechnen läßt.
                           Soviel über diese Bewegungsgesetze. Ich füge nochmals hinzu, daß sie alle innerhalb
                              solcher Grenzen, welche in der Praxis vorkommen, experimentell sich bewährt haben.
                              Gehen wir nun an unsere Aufgabe. Wir beginnen damit, zu untersuchen, wie sich z.B.
                              ein mit faustgroßen Stücken Kochsalz gefüllter Hargreaves'scher Cylinder, oben und
                              unten offen, der Luft gegenüber verhält.
                           Sei der Widerstand solcher Kochsalzstücke bei der Lufttemperatur T₀ (vom absoluten Nullpunkt gerechnet) zu R bestimmt worden, so läßt sich mittels des Druckes p bei dieser Temperatur eine Quantität Gas durchtreiben
                              dem Volum nach
                           Q = √(2gs/d pA²/RL),    (10)
                           dem Gewichte nach, wenn Qd =
                              W gesetzt wird,
                           W = √(2gsd pA²/RL),    (10a)
                           Durch Erhöhung der Temperatur dieses Apparates verändern sich jedenfalls die
                              Dimensionen der Salzstücke etwas. Diese Veränderung ist aber nur unbedeutend. Die
                              Hauptveränderung ist die Abnahme der Dichte des Gases. Bei der höhern Temperatur T₁ ist die Dichte des Gases d T₀/T₁
                              geworden, wo T₀ die absolute Temperatur
                              273°, auf welche die Dichte des Gases und der Widerstand des Apparates
                              bezogen sind, bedeutet. Führt man diese neue Dichte in die Formel (10a) ein, so ergibt sich
                           W = √(2gsd pA²/RL
                              T₀/T₁),    (11)
                           Hieraus sieht man sofort, daß mit einem gegebenen Druck p
                              um so weniger Gas durch den Apparat getrieben werden kann, je höher dessen
                              Temperatur ist; man kann dies auch so auffassen, daß man sagt, der Widerstand des
                              Apparates wächst proportional mit der Temperatur; nur muß dabei immer vorausgesetzt
                              werden, daß es sich um Gasgewicht, nicht um Gasvolum handelt. Es läßt sich auch
                              leicht beweisen, daß, wenn ein Apparat in verschiedenen Schichten verschiedene
                              Temperatur hat, der Widerstand der Durchschnittstemperatur proportional ist.
                              Ueberläßt man nun einen
                              solchen Apparat sich selbst, so strömt eine gewisse Quantität Luft durch. Die dabei
                              thätige Triebkraft ist der Gewichtsunterschied zweier Luftsäulen, einer von der
                              Lufttemperatur T und einer andern von der Temperatur des
                              Apparates, welche um x höher ist als die Temperatur der
                              Luft, deren Temperatur also T + x beträgt; beide Luftsäulen sind so hoch zu rechnen, als der Apparat
                              selbst ist. Dieser Gewichtsunterschied ist gleich einem Ueberdruck p, so daß
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 223, S. 206
                              
                           Führt man diesen Ausdruck anstatt p in Formel (11) ein, so findet man, wenn man berücksichtigt, daß T₁ = T + x ist,
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 223, S. 206
                              
                           eine Formel, welche das Gewicht der durch den Apparat
                              strömenden Luft angibt, wenn die andern Verhältnisse des Apparates alle bekannt
                              sind.
                           Diese Formel spricht nun recht deutlich dafür, daß man einen solchen Apparat mit
                              einem Kamin nicht sofort vergleichen darf. Bei diesem hängt die Masse des evacuirten
                              Gases von der Höhe sowohl als von der Temperatur ab, bei jenem einzig und allein von
                              der Temperatur, die Länge hat hier keinen Einfluß mehr.
                           Differentirt man die Formal (13) nach x und setzt den
                              Differentialquotienten gleich Null, so findet man, daß die durchgehende Quantität
                              Gas ein Maximum sei, wenn der Temperaturüberschuß des Apparates, welcher mit x bezeichnet worden, gleich ist der absoluten Temperatur
                              T der Umgebung, d. i. also, wenn x = T. Unter gewöhnlichen
                              Umständen ist also die durch einen solchen Apparat strömende Luft ein Maximum, wenn
                              der Apparat eine Temperatur von 300° hat. Daraus folgt, daß überall, wo Luft
                              sich blos in Folge von Temperaturdifferenzen bewegt, an der heißern Stelle weniger
                              Gas durchgeht als an der kältern, wenn die Temperatur beider 300°
                              überschreitet. Man überzeugt sich also leicht, daß beim Aufwärtsleiten der Gase ganz
                              dieselbe Sicherheit zu erlangen ist als beim Abwärtsleiten, so lange die
                              Durchschnittstemperatur über 300° hinaus liegt und die Geschwindigkeit der
                              Gase gleich ist derjenigen, welche durch Temperaturdifferenz allein erzeugt worden
                              wäre.
                           Die letztere Bedingung ist nun aber wieder schwierig einzuhalten. Gewöhnlich kann man
                              eine solch große Geschwindigkeit nicht verwerthen. Bei Deacon's Proceß verwendet man höchstens 8chm Gase für die Stunde und 1chm Ofenraum. Bei Hargreaves' Proceß ist das Quantum Gas wahrscheinlich noch kleiner, obwohl die lineare
                              Geschwindigkeit etwas größer sein dürfte als beim erstern Proceß. Man muß also noch
                              untersuchen, wie sich die Sache verhält, wenn man irgend eine beliebige
                              Geschwindigkeit der Gase verwendet. Man denke sich nun den Apparat oben geschlossen
                              und auf geeignete Weise mit einem Aspirator verbunden, welcher die Gase wegschafft;
                              aber unten am Apparate stehe derselbe noch irgendwie mit der Luft in Verbindung. Es
                              können nun zwei Fälle eintreten: entweder der Aspirator zieht die Gase schneller weg
                              als der Apparat sie vermöge seiner hohen Temperatur liefern würde, oder aber
                              langsamer. Im ersten Falle unterstützt er, im zweiten widersetzt er sich dem
                              natürlichen Zuge des Apparates. Dies drücken wir algebraisch so aus, daß wir dem
                              natürlichen Zuge noch eine Größe zuaddiren, die wir positiv oder negativ wählen, je
                              nachdem wir den einen oder andern Fall darstellen wollen. Man addire z.B. zu dem
                              durch Formel (12) ausgedrückten natürlichen Druck die Größe p₁, so erhalten wir
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 223, S. 207
                              
                           Setzen wir dies in Formel (13) ein, so ergibt sich
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 223, S. 207
                              
                           Durch Differenzen dieser Formel nach x läßt sich dann bestimmen, daß W ein Maximum
                              wird, wenn
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 223, S. 207
                              
                           Da T die Lufttemperatur von T₀ derjenigen Temperatur, bei welcher die Widerstandsversuche gemacht
                              worden sind, und auf die sich die Dichte d der Gase
                              bezieht, nicht bedeutend abweicht, so kann man T₀/T = 1 setzen, wodurch die Gleichung
                              (16) sich vereinfacht:
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 223, S. 207
                              
                           In der Praxis stellt nun p annähernd den Druck vor,
                              welcher oben am Apparat vor der Ausflußöffnung stattfindet. Mit dieser Bezeichnung
                              sind dann folgende
                              Schlüsse leicht aus Formel (17) und früher Gesagtem zu rechtfertigen.
                           1. Nennt man diejenige Temperatur, bei welcher ein Maximum von Gas durch den Apparat
                              geht, die Sicherheitsgrenze der Temperatur, so liegt
                              diese Grenze bei Apparaten, welche ohne künstlichen Zug arbeiten, bei ungefähr
                              300°.
                           2. Ist der Zug künstlich bewirkt, so liegt die Sicherheitsgrenze um so niedriger, je
                              größer der angewendete Druck, und wenn dieser Druck gleichkommt dem Drucke einer
                              Gassäule von der Höhe des Apparates und der Temperatur der Umgebung, so ist die
                              Sicherheitsgrenze eben die Temperatur der Umgebung.
                           Wir haben hier von Sicherheit gesprochen. So lange nämlich die Geschwindigkeit der
                              Gase der Temperatur des Apparates nicht angepaßt ist, so kann man nicht mit
                              Zuverlässigkeit darauf rechnen, daß Ungleichförmigkeiten in der Temperatur sich
                              auszugleichen streben. Uebersteigt aber die Temperatur des Apparates die durch
                              Formel (17) angegebene Sicherheitsgrenze, so wird dies immer eintreten. Es ist also
                              gleichgiltig, ob man aufwärts oder abwärts leitet, so lange man nicht an eine
                              gewisse Geschwindigkeit gebunden ist; ist diese aber vorgeschrieben und sehr klein,
                              so muß man die Gase abwärts leiten, wenn man auf regelmäßigen Betrieb eines
                              Processes rechnen will.
                           Obwohl es nun als praktische Regel ausgesprochen werden darf, daß es immer sicherer
                              ist, abwärts zu leiten statt aufwärts (wenn nämlich die Reactionen Wärme entbinden),
                              so muß man doch keineswegs glauben, daß damit jede Veranlassung zu Störungen gehoben
                              sei, wenn man diese Regel befolgt. Bei großem Querschnitt der Apparate ist eine ganz
                              gleichmäßige Vertheilung der Gase über den ganzen Raum äußerst schwierig und läßt
                              sich nur dann annähernd erreichen, wenn der Widerstand verhältnißmäßig groß ist. Aus
                              Allem ergibt sich jedoch, daß die Hauptursachen des unregelmäßigen Verlaufes
                              pneumatischer Processe die in großen Apparaten kaum zu vermeidenden
                              Temperaturunterschiede sind. Das Bestreben der Techniker muß also darauf gerichtet
                              sein, solche Apparate möglichst gleichmäßig zu erwärmen. (Ueber gleichmäßige Füllung
                              haben wir schon früher gesprochen.) Um diese gleichmäßige Erwärmung zu erzielen,
                              wendet man die eben besprochenen Grundsätze auf die Heizung selbst an, d.h. man
                              führt die Feuergase oben in den Apparat ein, und zieht sie von unten hinweg.