| Titel: | Eine neue Handboussole von G. Ostoya. | 
| Fundstelle: | Band 223, Jahrgang 1877, S. 267 | 
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                        Eine neue Handboussole von G. Ostoya.
                        Mit einer Abbildung.
                        Ostoya's Handboussole.
                        
                     
                        
                           Einen interessanten Theil der praktischen Geometrie bilden die Aufnahmen des Terrains
                              mittels der Tascheninstrumente und nach dem Augenmaße. Die jedes Jahr häufiger
                              unternommenen Reisen ins Innere wenig bekannter Welttheile, dann die Entwürfe der
                              Eisenbahnen in Ländern, wo keine, oder wenigstens keine genauen Karten vorhanden
                              sind, haben wohl am meisten zur Pflege der Kunst beigetragen, größere topographische
                              Arbeiten mit Tascheninstrumenten und nach dem Augenmaße befriedigend genau
                              auszuführen. Die wichtigsten, fast unentbehrlichen Instrumente zur Ausführung der
                              Operationen dieser Art sind die Taschen- oder Handboussolen. Man findet
                              gegenwärtig im Gebrauche drei verschiedene Arten dieser Boussolen.
                           Die Schmalkalder'sche Boussole oder der englische
                              „Prismatic Compaß“ ist der Schiffsboussole nahe verwandt.
                              Die Nadel trägt eine leichte, gewöhnlich papierne Scheibe, die in 360°
                              eingetheilt ist. Vor dem Oculardiopter ist ein Glasprisma so angebracht, daß man
                              durch dasselbe die Theilstriche vergrößert und senkrecht unter dem Objectivdiopter
                              sehen, also mit dem Gegenstande zugleich beobachten kann.
                           Die Boussole Burnier unterscheidet sich von der ersten
                              hauptsächlich dadurch, daß die Nadel anstatt der Scheibe oder des Limbus einen
                              schmalen senkrechten Streifen der cylindrischen Mantelfläche trägt, die Theilstriche
                              sind senkrecht, und der Strich, welcher unter das Oculardiopter zu stehen kommt,
                              kann, vergrößert durch eine Loupe, zu gleicher Zeit mit dem anvisirten Gegenstande
                              gesehen werden.
                           Die dritte, von den zwei ersten Boussolen wesentlich verschiedene, ist die Hossard'sche Spiegelboussole, so genannt wegen des in die
                              innere Fläche des Deckels eingelassenen Spiegels. Bei der Schloßvorrichtung befindet
                              sich ein langer messingener Stift, welcher seitwärts umgeschlagen werden kann; wenn
                              dieser Stift aufgestellt wird, bildet er mit dem in die Spiegelebene eingerissenen
                              Strich die Visirlinie. Man hält das Instrument mit der Spiegelfläche gegen den zu
                              beobachtenden Gegenstand gewendet und, wenn das Bild des Gegenstandes mit dem Bilde
                              des Stiftes auf der eingerissenen Linie zusammenfällt, dann zeigt die Nordspitze der
                              Nadel den Azimuthalwinkel am fixen Limbus an.
                           Aus verschiedenen, hier nicht zu erörternden Gründen ist das Handhaben dieser
                              Instrumente schwer und unbequem. Die Genauigkeit der aufgenommenen Winkel läßt
                              manches zu wünschen übrig, denn selbst mit dem besten englischen „Prismatic
                                 Compaß“, der einen in halbe Grade getheilten Limbus hat, kann der
                              Fehler noch einen vollen Grad betragen.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 223, S. 268
                              
                           Ich habe bei E. Kraft u. Sohn
                              in Wien (IV. Theresianumgasse 27) eine neue Handboussole nach den von mir
                              entworfenen Zeichnungen construiren lassen, und die Praxis hat gezeigt, daß dieselbe
                              allen gerechten Forderungen, die man an eine Handboussole stellen kann, vollkommen
                              entspricht. Meine Handboussole besteht aus zwei cylindrischen Gehäusen, von denen
                              das obere bewegliche die Nadel und das untere fixe den Drehungsmechanismus
                              einschließt.
                           Die unbeschwerte Nadel kann nicht frei herumschwingen, denn ihre beiden Spitzen sind
                              innerhalb der zwei offenen Kästchen F so eingeschlossen,
                              daß die Schwingungen höchstens 20° betragen können. Wenn die Achse der zwei
                              Kästchen mit der magnetischen Meridianebene nicht übereinstimmt, dann werden die
                              Spitzen der Nadel sich an die rechts oder links liegenden Wände der Kästchen F anlehnen. Dadurch wird nun angedeutet, nach welcher
                              Richtung zu die Kästchen sammt dem obern Gehäuse gedreht werden müssen. Sobald die
                              Achse der zwei Kästchen mit dem magnetischen Meridiane zusammen zu stimmen anfängt,
                              wird die Nadel augenblicklich frei schwingen und sich sehr bald genau in den
                              magnetischen Meridian stellen.
                           Die Boussole hat keine senkrechten Diopter, die Visirlinie wird hier durch den Faden
                              C bestimmt, welcher von der Schloß- zu der
                              Charniervorrichtung über dem Glasdeckel gespannt ist, und durch eine in die
                              Spiegelfläche eingerissene, durch die Mitte der Oeffnung D geführte Achsenlinie.
                           In der untern Bodenfläche des Instrumentes ist ein Einschnitt, welcher der Form der
                              Handhabe P genau entspricht; wenn nun das Instrument auf
                              eine horizontale Unterlage gestellt oder aufbewahrt werden soll, wird die Handhabe
                              seitwärts umgeschlagen, und sie füllt dann den oben erwähnten Einschnitt aus.
                           Hält man das Instrument mittels der Handhabe P in einer
                              Entfernung von etwa 20 oder 30cm vor dem
                              rechten Auge und ist der Deckel geöffnet, so sieht man durch die Oeffnung D den zu beobachtenden Gegenstand. In dem auf der innern
                              Seite des Deckels eingefaßten Spiegel M sieht man zu
                              gleicher Zeit die zwei Kästchen F mit den
                              eingeschlossenen Nadelspitzen. Man dreht dann mit zwei Fingern der rechten Hand den
                              Kopf T des Getriebes, wodurch das obere Gehäuse auch
                              gedreht wird, bis die Spitzen der Nadel der Achse der Kästchen genau
                              entsprechen.
                           Wenn dann das Fadenbild mit der Achsenlinie des Spiegels und mit dem durch die
                              Oeffnung D gesehenen Gegenstande zusammenfällt, so ist
                              der Winkel, welcher auf der Mantelfläche des Gehäuses rechts beim Nonius abgelesen
                              wird, das Azimuth des beobachteten Gegenstandes.
                           Die Vorzüge dieser neuen Handboussole bestehen hauptsächlich in der Bequemlichkeit
                              der Handhabung und in der Möglichkeit, den mittlern Werth eines Winkels durch
                              wiederholte Bestimmung desselben zu erhalten.
                           Der Gebrauch der neuen Handboussole ist bequemer als der der andern Instrumente
                              dieser Art, und dies aus folgenden Gründen:
                           1. Das Instrument wird mittels der Handhabe P sicherer
                              mit einer Hand gehalten als die andern Boussolen mit zwei Händen.
                           2. Die Nadel wird leicht in den Meridian gebracht, weil ihre Schwingungen höchstens
                              20° betragen können.
                           
                           3. Man ist von der horizontalen Lage des Instrumentes versichert, wenn die
                              Achsenlinie des Spiegels senkrecht ist, und wenn die Nadelspitzen sich in der
                              Bodenebene der Kästchen befinden.
                           4. Die Ablesung des Winkels geschieht nicht während der Beobachtung, sondern nach
                              derselben, was jedenfalls sicherer und bequemer ist.
                           5. Gegenstände, welche höher oder tiefer als der Horizont des Beobachters liegen,
                              können ohne Schwierigkeit beobachtet werden.
                           Die Vortheile des Instrumentes sind durch die Praxis vollkommen bestätigt. Mit dieser
                              neuen Handboussole können die Azimuthalwinkel leicht auf 20 Minuten bestimmt werden.
                              (Zeitschrift des
                                    österreichischen Ingenieur- und Architectenvereins, 1876 S.
                                 94.)