| Titel: | Ueber die Anforderungen, welche an ein zu häuslichen Zwecken bestimmtes Wasser zu stellen sind; von Ferd. Fischer. | 
| Fundstelle: | Band 223, Jahrgang 1877, S. 517 | 
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                        Ueber die Anforderungen, welche an ein zu
                           häuslichen Zwecken bestimmtes Wasser zu stellen sind; von Ferd. Fischer.
                        Fischer, über die Anforderungen an Trink- und
                           Brauchwasser.
                        
                     
                        
                           Die vierte Versammlung des deutschen Vereins für öffentliche Gesundheitspflege zu
                                 Düsseldorf am 29. Juni bis 1. Juli 1876 nahm folgende Thesen an:
                           
                              
                                 „ 1. Die zwiefache Aufgabe der öffentlichen
                                    Gesundheitspflege, Reinhaltung der menschlichen Wohnplätze und Versorgung
                                    derselben mit gesundem Trinkwasser ist namentlich für Städte nur mittels
                                    allgemeiner Wasserleitungen zu lösen.
                                 
                              
                                 2. Eine einheitliche Zuführung von Brauch- und
                                    Trinkwasser ist einer Trennung beider vorzuziehen.
                                 
                              
                                 3. Was die Qualität anbetrifft, so können Grenzwerthe für die
                                    erlaubte und unschädliche Menge fremder Bestandtheile im Wasser zur Zeit
                                    nicht aufgestellt werden. Die Hauptsache ist, daß durch die Art der Anlage
                                    eine Verunreinigung namentlich durch animalische und excrementielle Stoffe,
                                    sowie durch häusliche Abfallstoffe ausgeschlossen ist. Der Härtegrad
                                    soll ein solcher sein, daß das Wasser ohne wirthschaftlichen Nachtheil zu
                                    allen häuslichen und gewerblichen Zwecken verwendet werden kann.
                                 
                              
                                 4. Die disponible Quantität soll, unter Berücksichtigung der
                                    voraussichtlichen Bevölkerungszunahme und des wachsenden Consums des
                                    Einzelnen, eine solche sein, daß entweder durch Vergrößerung des Werkes oder
                                    durch Eröffnung neuer Bezugsquellen zu jeder Jahreszeit und auf Jahre hinaus
                                    allen Ansprüchen mit größter Sicherheit genügt werden kann.
                                 
                              
                                 5. Quellwasser, Grundwasser, filtrirtes Flußwasser vermögen
                                    die gestellte Aufgabe zu erfüllen; welche Art von Wasserversorgung im
                                    einzelnen Falle den Vorzug verdient, hängt von den örtlichen Verhältnissen
                                    ab. Unter sonst gleichen Qualitä'ts- und
                                    Quantitäts-Verhältnissen ist dem Wasser der Vorzug zu geben,
                                    welches
                                 
                                    
                                       a) durch die Sicherheit und
                                          Einfachheit der Anlage die größte Garantie für den ungestörten Bezug
                                          bietet,
                                       
                                    
                                       b) den geringsten Aufwand an
                                          Anlage- und kapitalisirten Betriebskosten erheischt.
                                       
                                    
                                 
                              
                                 6. Das Wasser ist unter solchem Druck zur Abgabe zu bringen,
                                    daß es in sämmtlichen Wohnräumen des Orts aus Rohrleitungen entnommen werden
                                    kann, wobei auf künftige Stadterweiterung die nöthige Rücksicht genommen
                                    werden muß.
                                 
                              
                                 7. Die Abgabe des Wassers soll eine constante, nicht auf
                                    einzelne Tageszeiten beschränkte sein.
                                 
                              
                                 8. Da erfahrungsgemäß die Qualität des Wassers einem Wechsel
                                    unterworfen sein kann, so ist es dringend erwünscht, daß regelmäßige, etwa
                                    monatliche Wasseruntersuchungen vorgenommen werden. Vom Verein ist eine
                                    Commission niederzusetzen, welche anzugeben hat, auf welche Stoffe diese
                                    Untersuchungen auszudehnen und welche einheitlichen Untersuchungsmethoden
                                    zur Anwendung zu bringen sind; diese Commission wird auch mit der
                                    Aufstellung von Grenzwerthen sich zu befassen haben.“
                                 
                              
                           Hier wird also filtrirtes Flußwasser auf gleiche Stufe mit dem Quellwasser gestellt
                              und bei Anlage einer Wasserversorgung namentlich der Kostenpunkt berücksichtigt. Die
                              geringe Majorität (42 gegen 40), mit welcher diese principielle Gleichstellung des
                              Fluß- und Quellwassers ausgesprochen wurde, der Widerspruch, den dieser
                              Beschluß bereits gefunden hat, wird eine Besprechung der Anforderungen, welche an
                              ein Trink- und Brauchwasser zu stellen sind, rechtfertigen.
                           Bekanntlich enthält der Körper eines erwachsenen, 70k schweren Menschen etwa 41k Wasser (1874 214 384), von dem durch den Stoffwechsel täglich erhebliche Mengen als
                              Harn, bei der Stuhlentleerung, als Schweiß oder Ausdünstung und beim Athmen
                              ausgeschieden werden und somit wieder ersetzt werden müssen. Dieser Ersatz geschieht
                              theils als Trinkwasser, theils als künstlich zubereitete Getränke, theils aber auch
                              durch die verschiedenen Speisen, welche sämmtlich wasserhaltig sind. Es liegt daher
                              in der Natur der Sache, daß die Beschaffenheit des Genußwassers auf das Wohlbefinden
                              des Menschen von großem Einfluß sein muß.
                           Schon im Alterthum legte man großen Werth auf die Beschaffung eines guten
                              Trinkwassers. Hippokrates meint, der Genuß des
                              Sumpfwassers habe
                              Milzanschwellung und Abmagerung zur Folge, Flußwasser bewirke Stein und
                              Nierenkrankheiten. Plinius fordert von einem Trinkwasser,
                              daß es wie die Luft geruchlos und ohne Geschmack sei; es soll nicht lehmig sein,
                              keinen Absatz machen und nicht schwer im Magen liegen. Stagnirendes Wasser wird
                              verworfen, lebhaft fließendes Wasser vorgezogen, da es im Laufe besser werde. Auch
                              die Indier, Perser und Aegypter schrieben den verschiedenen Wässern gute oder
                              schlechte Eigenschaften zu.Lersch: Das Trinkwasser S. 8 und 10. –
                           Fortgesetzte Beobachtungen haben bei den Aerzten die Ueberzeugung begründet, daß
                              gewisse epidemische Krankheiten, wie Cholera und Typhus, durch das Trinkwasser
                              verbreitet werden. Dies ist namentlich bestimmt ausgesprochen in dem sechsten
                              Bericht der englischen Rivers Pollution Commission (p.
                              427):Rivers Pollution Commission (1868). Sixth report of the Commissioners appointed in
                                    1868 to inquire into the best means of preventing the
                                       pollution of rivers. (London 1874.)
                              
                           
                              1. Daß Wasser, welches durch die Entleerungen der an Cholera und
                                 Typhus Leidenden verunreinigt ist, diese Krankheiten fortpflanzt, unterliegt
                                 jetzt keinem Zweifel mehr.
                              2. Selbst Wasser, welches nur sehr wenig inficirt ist, verbreitet
                                 diese Epidemien.
                              3. Die beste künstliche Filtration verhindert die Ansteckung
                                 nicht. Ein halbstündiges Kochen ist wahrscheinlich ein Mittel, um einer
                                 Verbreitung dieser Krankheiten vorzubeugen.
                              4. Andere Epidemien, wie Ruhr und Diarrhöe, werden wahrscheinlich
                                 auch durch Trinkwasser fortgepflanzt; doch ist dies noch nicht ganz sicher
                                 festgestellt. 
                              
                           Gestützt ist dieser Ausspruch auf die Erfahrungen der
                              bedeutendsten Aerzte aus London, Manchester, Glasgow, Bristol, Southampton und
                              zwanzig andern großen englischen Städten, sowie aus Calcutta bezüglich der Cholera,
                              und aus zwölf der bedeutendsten Städte Englands über Typhus. Es ist hier nicht der
                              Ort, auch nur einen Auszug dieses auf 44 Folioseiten niedergelegten, ungemein
                              reichen Materials zu geben, und kann lediglich auf den Bericht (p. 140 bis 184) selbst verwiesen werden.
                           Die Verbreitung der Cholera durch das Genußwasser hat unter den deutschen Aerzten
                              namentlich Prof. Förster
                              Förster: Die Verbreitung der Cholera durch die
                                    Brunnen (Breslau 1973). eingehend behandelt. Nach ihm wird das Choleracontagium in den
                              Abtrittsgruben, in welche die Choleraabgänge hineingerathen, oder in dem Boden ihrer
                              Umgebung gereift, vermehrt sich vielleicht daselbst, dringt durch die Erdschichten
                              in unsere Brunnen und wird durch deren Wasser dem menschlichen Körper zugeführt.
                              Dies ist der häufigste – obschon nicht der einzige Weg, welchen das
                              Choleragift nimmt, vielleicht aber der einzige, der die Entstehung größerer Epidemien bedingt. Förster stützt diese Trinkwasser-Theorie durch den
                              Nachweis, daß Orte, welche nicht aus dergleichen von den Abtritten inficirten
                              Brunnen ihr Wasserbedürfniß befriedigen, sondern auf einem Wege, welcher die
                              Infection des Wassers ausschließt, cholerafrei bleiben; sowie daß alle unsere
                              gewöhnlichen, in die Erde gegrabenen Brunnen unter dem Einflusse der Abtritte
                              stehen. Den Zusammenhang der Cholerafrequenz mit dem Schwanken des Grundwassers
                              erklärt Förster dahin, daß bei hohem Grundwasserstand, wo
                              das den Brunnen umgebene Erdreich vollgesogen ist, aus den Abtrittsgruben nur wenig
                              austreten wird, daß aber beim Sinken des Grundwassers die Abtrittsjauche nicht nur
                              reichlich in den Boden, sondern auch, namentlich bei raschem Sinken, schneller den
                              Brunnen zugeführt wird. Lang dauernder niedriger Grundwasserstand ist der
                              Verbreitung der Cholera ebenfalls hinderlich, da die Jauche von dem Boden
                              zurückgehalten wird; steigt dann aber in Folge von Regen das Grundwasser wieder, so
                              werden die inficirten obern Bodenschichten von neuem ausgelaugt, die Cholera nimmt
                              wieder zu. Daß ein durchlässiger, poröser Boden dieses Fortwandern der das
                              Choleracontagium enthaltenden Abtrittsflüssigkeiten begünstigen, ein undurchlässiger
                              Felsen- oder fetter Thonboden hindern, ja unmöglich machen muß, ist
                              selbstverständlich. –
                           Förster führt hier und in einer spätern ArbeitZeitschrift für Epidemiologie, 1874 S. 81. (Abgekürzt: Z. E.) eine größere Anzahl Orte an, welche entweder durch Leitungswasser von außen
                              versorgt werden, oder aber sorgfältig gesammeltes Regenwasser verwenden und von der
                              Cholera verschont geblieben sind, selbst wenn diese Krankheit eingeschleppt wurde.
                              Nach ihm ist zur Ausbildung einer Ortsepidemie nothwendig:
                           
                              1. Eine Person, die an Cholera oder Choleradiarrhöe
                                 leidet.
                              2. Daß die Dejectionen derselben in den Boden gelangen.
                              3. Daß der Boden gewisse Eigenschaften habe in Bezug auf
                                 Durchlässigkeit, Feuchtigkeit u.s.w. Nur unter den aus diesen Eigenschaften
                                 resultirenden Verhältnissen entwickelt sich das Choleragift, das nur ein organisches sein kann.
                              4. Der Boden muß Wasser enthalten, welches in Brunnen, Pfützen,
                                 Gruben u.s.w. sich sammelt. Statt der Punkte 2 bis 4 genügt es auch, daß
                                 die Dejectionen direct in Wasserläufe gelangen.
                              5.Dieses inficirte Wasser muß zu Haushaltungszwecken benutzt
                                    werden.
                              6. Es muß eine individuelle Disposition vorhanden sein. 
                              
                           SanderCorrespondenzblatt des niederrheinischen Vereins für Gesundheitspflege, 1872
                                    S. 141. legt in einer längern kritischen Arbeit die Gründe dar, welche für die Verbreitung der
                              Cholera durch die Brunnen sprechen, und nach denen nur falsch ist, das Wasser als
                              den einzigen Träger des Cholerastoffes anzusehen. Wolf
                              Wolf: Der Untergrund und das Trinkwasser der
                                    Städte (Erfurt 1873). theilt eine große Anzahl Fälle mit, aus denen bestimmt hervorgeht, daß
                              schlechtes Trinkwasser Diarrhöe hervorruft und zum Verbreiter von Cholera,
                              Marschfieber, Ruhr und Typhus werden kann. Besonders wird hervorgehoben, daß solches
                              Wasser oft vollkommen klar, frisch, wohlschmeckend und daher sehr beliebt ist, daß
                              aber die Untersuchung eine Verunreinigung desselben durch Grubeninhalt nachwies.
                           Nach dem Bericht über die Choleraepidemie des J. 1873 im Regierungsbezirk Gumbinnen
                              wurde in 8 Orten das Wasser als Träger des specifischen Ansteckungsstoffes
                              bezeichnet. (Z. E. 1874 S. 247 u. 267.) A. Hirsch hat in
                              seinem an das Reichskanzleramt erstatteten Reisebericht über die Cholera in Posen
                              und Preußen im J. 1873 (S. 18) eine Anzahl Thatsachen über die Verbreitung der
                              Cholera durch (inficirtes, resp. durch Choleradejectionen verunreinigtes) Wasser
                              festzustellen vermocht, läßt aber unentschieden, ob die Wirkung des durch
                              excrementielle Stoffe verunreinigten Wassers eine specifische gewesen ist, oder ob
                              der Genuß desselben nur einen allgemein schädlichen Einfluß auf den Organismus und
                              speciell auf die Darmschleimhaut geäußert, also nur prädisponirend gewirkt hat. Auch
                              die Choleraberichte von Breslau (Z. E. 1874 S. 463), MagdeburgDeutsche Vierteljahrsschrift für öffentliche Gesundheitspflege, 1875 S. 185.
                                    (Abgekürzt: V. G.) und aus den Niederlanden (Z. E. 1874 S. 213) schreiben dem Wasser einen
                              Einfluß auf die Verbreitung der Cholera zu.Vgl. Küchenmeister: Verbreitung der Cholera
                                    (Erlangen 1872) S. 72. Verhandlungen der Choleraconferenz in Weimar am 28.
                                    und 29. April 1867 S. 13 bis 68; V. G. 1872 S. 174 n. 183. 1874 S. 48. 1875
                                    S. 283. –
                           Wie bereits erwähnt, wird von den englischen Aerzten die Verbreitung des Typhus durch
                              Trinkwasser für bewiesen erachtet; auch die deutschen Aerzte sehen das Wasser theils
                              als Hauptträger des Typhuskeimes an, theils schreiben sie der inficirten Luft (1873
                              210 126) einen mehr oder minder großen Einfluß auf
                              die Verbreitung dieser Krankheit zu.
                           Prof. Lindwurm, Arzt am Allgemeinen Krankenhause in
                              München, hält den Abdominaltyphus für eine specifische Infectionskrankheit
                              parasitärer Natur, ähnlich dem Milzbrande. Die Keimstätte des Giftes (wahrscheinlich
                              Bakterien) liegt außerhalb des Organismus an Orten, an denen der pflanzliche Parasit
                              unter den ihm nöthigen Bedingungen keimt, sich weiter entwickelt, reift. Eine für
                              Lindwurm zweifellose Verbreitungsweise des Typhus ist
                              die durch das Trinkwasser, und grade in ihr liegt für ihn ein Argument für die Natur
                              des Typhus als Bodenkrankheit. (V. G. 1873 S. 498.) Nach Biermer
                              Entstehung und Verbreitung des Abdominaltyphus: Sammlung klinischer Vorträge
                                    Nr. 53. wird die Entstehung von kleinern und größern Erkrankungsgruppen durch
                              infectiöses Trinkwasser durch so zahlreiche Erfahrungen unterstützt, welche auf
                              keine andere Weise befriedigend erklärt werden können, daß sie für den Typhus als
                              gesichert anzusehen ist. Lersch (Trinkwasser S. 46)
                              stellt eine große Anzahl Fälle zusammen, in denen besonders fauliges Wasser, welches
                              organische, in Zersetzung befindliche Stoffe enthielt, zum Erzeuger oder Verbreiter
                              von Typhus und anderer Krankheiten wurde. Küchenmeister
                              (Z. E. 1874 S. 1) führt eine Typhusepidemie auf einen stark verunreinigten Brunnen
                              zurück. Aehnliche Mittheilungen liegen vor von Hägler (V.
                              G. 1874 S. 154), Köstlin (V. G. 1874 S. 157), Liebermeister
                              Deutsches Archiv für klinische Medicin 1870., F. Schulze (1868 188
                              199), G. Varrentrapp
                              G. Varrentrapp: Entwässerung der Städte (Berlin
                                    1868) S. 101., Wiehn
                              Wiehn: Ueber Trinkwasser (Hildesheim 1874) S.
                                    9., Wolfsteiner (V. G. 1872 S. 570. 1873 S. 95), Zuckschwerdt (V. G. 1873 S. 585), dem ärztlichen Vereine
                              in Hannover (1874 212 78) und Andern.Z. E. 1874 S. 25, 473 u. 476. 1875 S. 300. V. G. 1870 S. 94. 1872 S. 274,
                                    336, 342 u. 511. 1873 S. 393. 1874 S. 159. 1876 S. 148.
                              
                           Daß man übrigens auch schlechtes Wasser trinken kann, ohne gerade Typhus und Cholera
                              zu bekommen, ist wohl selbstverständlich. Schlechte Luft, verdorbenes Wasser (wenn
                              dieselben nicht etwa den Ansteckungsstoff selbst aufgenommen haben) wirken nach Ackermann
                              Ackermann: Ueber die Ursachen epidemischer
                                    Krankheiten (Berlin 1873). an sich nur prädisponirend, sie schwächen die Widerstandsfähigkeit unseres
                              Körpers gegen Ansteckung. Pettenkofer, welcher die
                              directe Uebertragbarkeit des Typhus durch Trinkwasser bezweifelt (V. G. 1874 S.
                              233)Medicinalrath Köllner theilt mit, daß in den Annales d'hygiène publique, Januar 1877
                                    S. 23 angegeben sei, Pettenkofer habe, in
                                    Rücksicht auf die Erfurter Verhältnisse im J. 1866 um Rath gefragt, sich
                                    dahin ausgesprochen, daß unter gewissen Bedingungen das Trinkwasser
                                    unbestreitbar zur Verbreitung der Cholera beitrage., spricht sich an einer andern StellePettenkofer: Was man gegen die Cholera thun kann.
                                    (München 1873.) Verhandlungen der Choleraconferenz in Weimar 1867 S. 56.Prof. v. Pettenkofer bemerkt zu dieser
                                    Zusammenstellung brieflich (11. Februar 1877): So sehr ich mit dem
                                    chemischen und technischen Theile des vorliegenden Berichtes über
                                    Trinkwasser einverstanden bin, so wenig ist es der Fall mit den hier
                                    vorgetragenen Ansichten über den Einfluß von Trinkwasser auf das Entstehen
                                    von Typhus- und Choleraepidemien. Man glaubt nur, man müsse Typhus
                                    und Cholera herbeirufen, um die Menschen zu bewegen, kein schmutziges Wasser
                                    zu trinken,
                                    ihre Wohnungen überhaupt mit reinem Wasser zu versorgen; aber dies ist ganz
                                    überflüssig und bringt hintennach nur gesundheitswirthschaftlichen Schaden,
                                    da die Leute glauben, wenn sie nur ein gewisses Wasser trinken, dann
                                    brauchen sie weiter nichts; und wenn diese Epidemien doch wieder kommen,
                                    dann erfolgt eine große Entmuthigung, ein Widerwille gegen alle sanitäre
                                    Reformen. Da nach Canalisirung und Wasserversorgung Croydon, Cambridge und
                                    andere englische Orte wieder Typhoidepidemien erhalten haben, so sagt man
                                    dort jetzt die sewers und die sewer-Luft hätten diese Epidemien
                                    gemacht, man habe damit ein größeres Unheil angerichtet, als zuvor da war.
                                    Die Leute halten sich betrogen, weil man ihnen gesagt hat, sie brauchen
                                    weiters nichts zu thun, als die excrementiellen Stoffe fortzuspülen, um vor
                                    Typhoid sicher wohnen zu können. – v. Pettenkofer verweist dann auf die von ihm im nächsten (2.) Hefte
                                    der Vierteljahrsschrift für öffentliche Gesundheitspflege erscheinende
                                    Arbeit über Trinkwasser und Cholera, und auf die „Vorlesungen über
                                       allgemeine und experimentelle Pathologie“ von Prof. Stricker (S. 128) und schließt: „Gute
                                       Canalisirung, reines Wasser haben so viele Gründe für sich, daß man auch
                                       ohne so doctrinäre zweifelhafte Behauptungen dafür wirken
                                       kann.“ – In der soeben als Separatabdruck aus der
                                    Vierteljahresschrift für öffentliche Gesundheitspflege (bei Fr. Bieweg und Sohn in
                                    Braunschweig) erschienenen, oben erwähnten Abhandlung Pettenkofer's sagt Verfasser S. 40: „Ich stelle im
                                       Gegentheil diesen Werth (des reinen Trinkwassers) viel höher als die
                                       Trinkwasser-Theoretiker, denn ich behaupte, daß reines Trinkwasser nicht nur zur Cholerazeit, sondern zu jeder
                                          Zeit ein Erforderniß für unsere Gesundheit ist.“
                                     dahin aus, daß wenn der Genuß eines reinen Trinkwassers schon zu gewöhnlichen Zeiten für
                              die Gesundheit nothwendig sei, so sei das bei jeder Art von Epidemie noch mehr der
                              Fall. Man brauche nicht einmal der Ansicht zu sein, daß dieselben geradezu aus den
                              Brunnen geschöpft werden, um den Werth eines reinen Trinkwassers gehörig und richtig
                              zu schätzenNach Farr würde man in England und Wales die Zahl
                                    der jährlichen Todesfälle um 30000 verringern können, wenn man für reine
                                    Luft und gesundes Trinkwasser sorgte. (V. G. 1870 S. 95.); „es ist mit dem unreinen Trinkwasser wie mit dem Schmutz im
                                 Hause: beide sind schädlich, auch wenn keine Epidemie herrscht. Man würde den
                                 Werth von reinem Boden, reinem Wasser und reiner Luft viel zu gering schätzen,
                                 über Gebühr herunterwürdigen, wenn man annehme, daß diese Dinge nur bei
                                 einzelnen, zeitweise auftretenden specifischen Krankheiten von Werth und Einfluß
                                 wären; sie sind es immer, denn sie ersparen unserm Organismus fortwährend viele
                                 unnütze Reibung und Abnutzung und damit auch Kraft, sie machen uns dadurch
                                 überhaupt gesunder und stärker und widerstandsfähiger gegen alle Krankheiten und
                                 damit selbstverständlich auch gegen Cholera und Typhus.“
                              Auch auf die Verbreitung von Ruhr und Wechselfieber ist schlechtes
                                    Trinkwasser von Einfluß (Correspondenzblatt des niederrheinischen Vereins
                                    für Gesundheitspflege, 1876 S. 45. V. G. 1871 S. 463. 1875 S. 637. Lersch: Trinkwasser S. 49).
                              
                           Wenn somit auch über die Größe des Einflusses, welchen das
                              Wasser auf die Verbreitung von Krankheiten hat, die Ansichten der Aerzte noch aus einander gehen, so stimmen doch
                              sämmtliche darin überein, daß ein zu Genußzwecken bestimmtes
                                 Wasser vor allen Dingen nicht verunreinigt sein darf durch menschliche
                                 Excremente
                              oder sonstige thierische Abfallstoffe. (Daß ein derartig
                              verunreinigtes Wasser jedenfalls im höchsten Grade unappetitlich ist, bedarf wohl
                              kaum der Erwähnung). Sache des Chemikers ist es nun, im
                              gegebenen Falle festzustellen, ob ein Wasser verunreinigt ist oder nicht, während
                              der Ingenieur die Aufgabe hat, das für rein befundene
                              Wasser in geeigneter Weise den Wohnungen zuzuführen.
                           In dem Bericht über die Erhebungen der Wasserversorgungscommission des Gemeinderathes
                              der Stadt Wien (Wien 1864) sind auch die Erfordernisse festgestellt, denen ein
                              gesundes Wasser genügen muß:
                           
                              1. Ein in allen Beziehungen tadelloses Wasser muß klar, hell und
                                 geruchlos sein.
                              2. Es soll nur wenig feste Bestandtheile enthalten und durchaus
                                 keine organisirten.
                              3. Die alkalischen Erden in Summe dürfen höchstens 18 Th. Kalk in
                                 100000 Th. Wasser entsprechen (0g,18 im
                                 Liter).
                              4. Die für sich im Wasser löslichen Körper dürfen nur einen
                                 kleinen Bruchtheil der gesammten Salzmenge betragen; besonders dürfen keine
                                 größern Mengen von Nitraten und Sulfaten vorkommen.
                              5. Der chemische Bestand, sowie die Temperatur soll in den
                                 verschiedenen Jahreszeiten nur innerhalb enger Grenzen schwanken.
                              6. Verunreinigende Zuflüsse jeder Art sollen fern gehalten
                                 werden.
                              7. Den gestellten Anforderungen genügt nur ein weiches
                                 Quellwasser; dieses ist allein zur Trinkwasserversorgung geeignet.
                              8. Die Industrie bedarf für ihre Zwecke ein Wasser von nahezu
                                 derselben Beschaffenheit.
                              9. Filtrirtes Flußwasser, wenn es jederzeit frei von Trübungen
                                 erhalten werden kann, ist zu den Gewerbebetrieben geeignet, aber wegen der nicht
                                 erfüllten Bedingungen in 5 und 6 als Trinkwasser nicht anwendbar.
                              10. Zur Bespritzung und Reinigung der Straßen taugt jedes Wasser,
                                 das geruchlos ist und keine erheblichen Mengen von faulenden Substanzen
                                 enthält.
                              
                           WeltzienDie Brunnenwasser der Stadt Carlsruhe. Nach den Vorträgen von Weltzien, bearbeitet von C. Birnbaum (Carlsruhe 1866) S. 10. und Reichardt
                              Reichardt: Grundlagen zur Beurtheilung des
                                    Trinkwassers (Jena 1875) S. 4. schließen sich diesen Anforderungen an, während der Verfasser (1873 210 287) sie etwas anders faßte. Wiebel
                              Wiebel: Die Fluß, und Bodenwässer Hamburgs
                                    (Hamburg 1876) S. 101. fordert von einem zur rationellen Versorgung einer Stadt bestimmten Wasser
                              in gesundheitlicher Beziehung:
                           
                              1. Das Wasser muß klar, farb- und geruchlos sein und ist
                                 um so besser, je reicher es an Kohlensäure und Sauerstoff, und je gleichmäßiger
                                 seine Temperatur ist.
                              2. Das Wasser darf keine gröbern, schwimmenden Organismen
                                 enthalten.
                              3. Das Wasser darf in keiner erkennbaren Weise inficirt, d.h. mit
                                 menschlichen und thierischen Abfallstoffen und Fäulnißproducten verunreinigt
                                 sein.
                              4. Deshalb darf dasselbe zunächst bei mikroskopischer Prüfung
                                 keine irgendwie reichlichere Entwicklung niederer Fäulnißorganismen
                                 offenbaren.
                              5. Aus demselben Grunde darf dasselbe in seiner chemischen
                                 Constitution die sogenannten Grenzzahlen nicht gleichzeitig in mehreren Werthen
                                 übersteigen.
                              
                           
                           Von besonders hohem Werthe ist es natürlich, die verunreinigenden thierischen
                              AbfallstoffeDie menschlichen Fäces bestehen aus etwa 75 Proc. Wasser, Speiseresten,
                                    geringen Mengen von Cholestearin, Excretin, Taurin, Cholsäure, Buttersäure,
                                    Milchsäure, enthalten bei Typhus und Dysenterie Albumin, bei Cholera auch
                                    Leucin und Tyrosin; an unorganischen Stoffen: phosphorsauresphoshporsaures Magnesium und Ammonmagnesium, phosphorsaures Calcium, Eisen,
                                    Kieselsäure, dagegen wenig Alkalien. Cholerastühle sind reich an Kochsalz;
                                    auch Typhusstühle enthalten Chloralkalien. 1l Harn enthält im Durchschnitt
                                    23g Harnstoff, 11g Chlornatrium, 1g,3 Schwefelsäure, Harnsäure
                                    u.s.w. im Wasser selbst nachzuweisen. Dieselben zerfallen jedoch unter dem Einfluß
                              niederer Organismen (1876 221 285) sehr rasch in noch
                              wenig gekannte Zwischenproducte und bilden unter Absorption des atmosphärischen
                              Sauerstoffes Kohlensäure, sowie Ammoniak, dann salpetrige Säure und Salpetersäure.
                              Diese Oxydation geht in Wasserläufen nur langsam vor sich, rasch dagegen im porösen
                              Boden.
                           Die Phosphate, die stickstoffhaltigen organischen Stoffe und das Ammoniak werden vom
                              nicht verunreinigten Boden zurückgehalten, so daß selbst unreines Wasser, wenn es
                              durch eine dicke Erdschicht hindurch gesickert ist, verhältnißmäßig rein abläuft.
                              Die Chloride und Nitrate, sowie auch die Sulfate werden dagegen von dem Wasser
                              aufgenommen und den Brunnen oder Quellen zugeführt. Haben sich jedoch die
                              Verunreinigungen so stark angehäuft, daß sie nicht mehr völlig oxydirt werden
                              können, so wird die Absorptionskraft des Bodens erschöpft, und es treten in dem
                              abfließenden Wasser salpetrige Säure und Ammoniak, sowie auch die in Zersetzung
                              begriffenen organischen Stoffe auf.
                           Die aus den organischen Stoffen gebildete Kohlensäure wird ebenfalls vom Wasser
                              aufgenommen, ertheilt demselben den bekannten angenehmen Geschmack und veranlaßt die
                              Lösung von kohlensaurem Kalk und kohlensaurer Magnesia als Bicarbonate, so daß auch
                              die Härte des Brunnenwassers meist in mehr oder weniger hervortretender Beziehung zu
                              den übrigen Verunreinigungen steht.
                           Bei Beurtheilung eines Genußwassers sind also namentlich
                              die Stoffe ins Auge zu fassen, welche eine Verunreinigung mit thierischen Substanzen
                              beweisen, folglich außer den organischen Stoffen selbst
                              Ammoniak, salpetrige Säure, Salpetersäure und Chlor; minder wichtig ist die Bestimmung der
                              Schwefelsäure, des Kalkes, der Magnesia und der übrigen Bestandtheile.
                           
                              
                                 (Schluß folgt.)