| Titel: | Zur technischen Verwendung des Ammonvanadates; von Rudolf v. Wagner. | 
| Autor: | Rudolph Wagner | 
| Fundstelle: | Band 223, Jahrgang 1877, S. 631 | 
| Download: | XML | 
                     
                        Zur technischen Verwendung des Ammonvanadates;
                           von Rudolf v.
                              Wagner.
                        v. Wagner, zur technischen Verwendung des
                           Ammonvanadates.
                        
                     
                        
                           Das im J. 1830 von dem schwedischen Metallurgen Sefström
                              entdeckte Metall Vanadium (sein wohltönender Name ist abgeleitet von Vanadis, ein
                              Beiname der nordischen Göttin Freia) wurde bekanntlich von Berzelius erst genau untersucht.
                           Obgleich es länger als 30 Jahre lang zu den seltenen Metallen gerechnet und daher von
                              der Technik vollständig ignorirt wurde, so verdanken wir doch Berzelius die Kenntniß einer Reaction der Vanadinoxydsalze und Vanadate,
                              die größere Beachtung verdient, als sie bisher gefunden hat, nämlich die, daß die
                              löslichen Vanadinverbindungen sich gegenüber der Galläpfelgerbsäure den Ferrisalzen
                              analog verhalten und tief blauschwarze Färbungen oder Suspensionen erzeugen.
                           In seiner im J. 1832 erschienenen Arbeit über das Vanadin hebt Berzelius (1835 56 237) hervor, daß die
                              Ammonverbindungen der Vanadsäure mit Galläpfelaufguß die vortrefflichste
                              Schreibtinte bilden; diese Tinte gäbe völlig schwarze Schrift, die von Alkalien
                              nicht verändert, von Säuren blau werde, und daß selbst durch die Einwirkung von
                              Chlor zwar die schwarze Farbe vergehe, die Schrift jedoch nicht verlösche.Berzelius: Lehrbuch der Chemie, 1845 Bd. 3 S.
                                    329.
                              
                           Diese Reaction auf Gerbsäure und vice versa blieb nicht
                              unbemerkt und fand in den analytischen Werken von H. Rose
                              u.a. Aufnahme; auch in der Metallurgie nahm man vorübergehend von ihr Notiz. In den
                              analytischen Laboratorien fand sich jedoch das Ammonvanadat als Reagens nur höchst
                              selten, wie denn auch seltsamer Weise die schöne und höchst empfindliche Reaction
                              auf Tannin selbst in den neuesten Lehrbüchern der organischen Chemie nicht erwähnt ist. Von technologischer
                              Seite wurde von mir (1861 160 455)Wagner's Jahresbericht, 1860 S. 291. im J. 1860 auf die Vanadintinte wieder aufmerksam gemacht und 1873 von R.
                              BöttgerPolytechnisches Notizblatt, 1873 S. 287. eine Vanadintinte, mit Pyrogallol und Ammonvanadat hergestellt,
                              empfohlen.
                           Nachdem Adolf Patera (1856 141
                              375)Journal für praktische Chemie, 1856 Bd. 69 S. 118. das Vorkommen größerer Mengen von Vanadin in den Joachimsthaler Uranerzen
                              nachgewiesen hatte, suchte Schafarik
                              Wiener Akademie Berichte, 1856 Bd. 20 S. 37 und Annales de Chimie, 1856 t. 109 p. 85. das Vanadin mit Galläpfelaufguß in Form eines dunkelbraunen voluminösen
                              Niederschlages von den übrigen Metallen zu trennen.
                           Das Auffinden von Vanadin in vielen Eisenerzen, Schlacken, Thonen u.s.w. durch J. Deck (1848 110 156), Bodemann (1851 121 76), H. Deville (1862 163 396) und Riley (1865 175 244)Ein zweckmäßiges Verfahren der Herstellung von Vanadsäure aus
                                    Brauneisensteinen (etwa 0,1 Proc. Vanadsäure enthaltend) gab C. Czudrowicz in Poggendorff's Annalen, 1864 Bd. 120
                                    S. 17 an. bewies, daß das Vanadin ein ziemlich verbreitetes Metall sei, und veranlaßte
                              die chemischen Fabriken, sich mit der Darstellung gewisser Vanadinpräparate,
                              namentlich des Ammonvanadates, zu befassen. Es sei hier beiläufig bemerkt, daß die
                              „Magnesium Works“, Patricoft (bei Manchester, unter der
                              Direction von Samuel Mellor) wohl die größten Mengen des
                              genannten Vanadates für tinctoriale Zwecke gegenwärtig herstellen.
                           Als es nach der Einführung der farbigen Anilinderivate gelungen war, auch das
                              AnilinschwarzJ. v. Fritzsche war wohl der Erste, welcher
                                    Anilinschwarz, und zwar bereits im J. 1843, dargestellt hat. Vgl. Journal
                                    für praktische Chemie, 1843 Bd. 28 S. 202 zu erzeugen, lag es außerordentlich nahe, die Berzelius'sche Reaction zur Herstellung des Anilinschwarz zu versuchen.
                              Das Resultat war ein überraschendes, da eine minimale Menge Vanadat genügte, bei
                              Vorhandensein von Kaliumchlorat und Salzsäure ein größeres Quantum Anilin in
                              Anilinschwarz überzuführen. John Lightfoot (in
                              Accrington) stellte 1871 zuerst Anilinschwarz mit Hilfe von Vanadinsäure dar (1876
                              222 392)Vgl. A. Rosenstiehl, Bulletin de la société chimique, 1876 t. 25 p. 291.. Einige Zeit nachher ließ sich R. Pinkney (in
                              London) ein Patent auf die Darstellung von Anilinschwarz mit Vanadin- und
                              Uransalzen ertheilen. Das Vanadin-Anilinschwarz ist, was seine Bildung und
                              Constitution betrifft, bekanntlich in neuester Zeit Gegenstand umfassender Arbeiten
                              von R. Kayser, Guyard (1876 222 390) u.a. gewesen.
                           
                           Das eigenthümliche Verhalten des Ammoniakvanadates gegen Gerbsäure und Anilin gab mir
                              nun die Veranlassung, eine Reihe verwandter organischer Körper in ähnlicher Weise
                              dem Versuche zu unterwerfen. Die erhaltenen Resultate sind folgende:
                           Tannin gibt mit vanadsaurem Ammoniak (10g,0
                              Tannin und 0g,2 Vanadat) die von Berzelius beschriebene Reaction. Der Niederschlag ist so
                              fein suspendirt in der Flüssigkeit, daß er sich auch nach mehrtägigem Stehenlassen
                              nicht absetzt, zumal wenn man die Konsistenz der Flüssigkeit durch Zusatz von etwas
                              Senegalgummi verstärkt. Die Flüssigkeit ist dem Ansehen nach von gewöhnlicher
                              Gallustinte kaum zu unterscheiden.
                           Gallussäure verhält sich dem Tannin ähnlich; doch ist hier ein entschiedener
                              Niederschlag vorhanden, der sich zum Theil absetzt. Das Filtrat ist schwarz gefärbt;
                              doch fehlt der Flüssigkeit der bläuliche Ton, welcher die Tanninflüssigkeit
                              charakterisirt.
                           Pyrogallol gibt eine tief schwarzblaue Flüssigkeit (und keinen Niederschlag), die,
                              wie bereits R. Böttger vor einigen Jahren bemerkte, zur
                              Schreibtinte (namentlich mit Stahlfedern) sich vortrefflich eignet.
                           Maclurin (oder Moringerbsäure) in wässeriger Lösung bildet mit Vanadat gleichfalls
                              eine tiefschwarze Flüssigkeit, jedoch mit grünlichem Tone.
                           Brenzcatechin verhält sich dem Maclurin analog.
                           Hämatoxylin gibt mit Vanadat genau dieselbe Reaction wie mit Kalium- oder
                              Ammonchromat. Die tief schwarzblau gefärbte Flüssigkeit dient mir als Tinte. Mit
                              Blauholzextractlösungen erhält man auf Wolle und Seide schöne schwarze Färbungen,
                              wenn man so verfährt, wie es die Färberei für Holz- oder Chromschwarz
                              vorschreibt und nur das Chromat durch das Vanadat ersetzt.
                           Roth- oder Brasilienholzextractlösung erzeugt mit dem Vanadat in der
                              Siedehitze eine schwarzbraune Farbenbrühe; reines Brasilin in wässeriger Lösung
                              nimmt, mit einigen Tropfen Vanadatlösung versetzt, nur eine dunkelviolette Färbung
                              ohne jede Beimengung eines in Schwarze gehenden Tones an.
                           Gelbholzabkochungen geben mit dem Vanadin schwarzgrüne Tinten, Fisetholzaufgüsse
                              ebenfalls.
                           Ohne alle Einwirkung ist die Vanadatlösung auf Phenol, Salicylsäure, Resorcin,
                              Hydrochinon, Caffeïn, Eosin und Fluoresceïn.
                           Zur Prüfung der Rothweine, ob fremde färbende Substanzen darin vorhanden, vielleicht
                              auch zur Prüfung auf zugesetztes Tannin, dürfte das Ammonvanadat sehr beachtenswerth
                              sein. Unzweifelhaft echte rothe Weine (Affenthaler, Tauberwein, Frankenweine, Saalweine,
                              Aßmanhäuser) geben mit dem genannten Reagens tief rothbraune Färbungen. Mit Tannin
                              versetzter Bordeaux bildete mit vanadinsaurem Ammott eine tintenähnliche
                              Flüssigkeit.
                           Würzburg, im März 1877.