| Titel: | Ueber die Theorie der Anilinschwarzbildung; von A. Rosenstiehl. | 
| Fundstelle: | Band 223, Jahrgang 1877, S. 638 | 
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                        Ueber die Theorie der Anilinschwarzbildung; von
                           A. Rosenstiehl.
                        Rosenstiehl, über die Theorie der Anilinschwarzbildung.
                        
                     
                        
                           Von den drei hauptsächlichen Substanzen, welche für die Entwicklung des Anilinschwarz
                              auf Baumwolle erforderlich sind – bekanntlich einem Anilin-, einem
                              Chlorsäure- und einem Metallsalz – hat namentlich das letztere,
                              welches jetzt allgemein in Form eines Kupfersalzes gegeben wird, zu verschiedenen
                              Auslegungen seiner Rolle im Anilinschwarzproceß geführt, obgleich oder weil es nur
                              einer geringen Menge dieses Salzes zur Anilinschwarzbildung bedarf. Die geläufigste
                              Ansicht war die, daß das Kupferoxydsalz einen Theil seines Sauerstoffes an das
                              Anilin abgebe, zu Kupferoxydulsalz reducirt und durch das Chlorsäuresalz wieder zu
                              Oxydsalz regenerirt werde u.s.f., bis alles Anilin in Schwarz übergeführt oder bis
                              alles chlorsaure Salz aufgebraucht ist. Rosenstiehl hat
                              schon im J. 1865, freilich ohne Erfolg, gegen diese Annahme geltend gemacht, daß
                              Kupferoxydsalze bei der Temperatur unserer Hängelocale auf Anilinsalze gar keine
                              Einwirkung haben, wohl aber auf chlorsaure Salze, sofern sie deren Zersetzung
                              begünstigen. Nach seiner Ansicht bildet sich bei der Entwicklung des Anilinschwarz
                              chlorsaures Kupferoxyd, eine sehr leicht zersetzbare Verbindung, und die aus
                              letzterer sich ergebenden gasförmigen Zersetzungsproducte, niedrigere
                              Sauerstoffverbindungen des Chlors, wohl auch das Chlor selbst, sind hernach die
                              Motoren für die Entwicklung des Anilinschwarz auf der Baumwolle.
                           Zur Begründung dieser Theorie theilt Rosenstiehl im Bulletin de Mulhouse, 1876 S. 238 eine Reihe von
                              Versuchen mit, welche seine Ansicht vollkommen bestätigen. Auf dem Boden einer
                              Glasflasche wurden einige Gramm chlorsaures Ammoniak, das am leichtesten durch Wärme zerlegbare
                              chlorsaure Alkali, vertheilt, eine zweite enthielt in gleicher Weise ein Gemenge von
                              chlorsaurem Ammoniak und Kupfervitriol, eine dritte chlorsaures Kupfer und eine
                              vierte ein Gemenge von chlorsaurem Ammoniak und dem in letzterer Zeit öfters
                              besprochenen Vanadsalz (1876 222 390) 223 631). Alsdann wurde in jedem Ballon ein mit
                              Anilinsalz und etwas Anilinöl getränktes Stückchen Baumwolltuch frei eingehängt,
                              hernach alle 4 Ballons in ein Wasserbad gestellt, so daß eben nur der Boden
                              derselben in das Wasser eintauchte, und schließlich das Wasserbad erwärmt. Zuerst,
                              bei 30°, schwärzte sich der Fleck im letzten, das Vanadsalz enthaltenden
                              Ballon; dann, bei 35°, entwickelte sich das Schwarz im zweiten und dritten
                              Ballon mit den Kupfersalzen; der Fleck im ersten Ballon, in welchen nur chlorsaures
                              Ammoniak gegeben worden, blieb vollkommen unverändert. Ein anderes Mal (a. a. O. S.
                              285) wurde der Versuch in der Weise ausgeführt, daß in einem Glasballon zwei
                              Baumwollfleckchen, ohne sich zu berühren, aufgehängt wurden, wovon das eine mit
                              einer Lösung von chlorsaurem Ammoniak und wenig Kupfervitriol getränkt und an der
                              Luft abgetrocknet, das andere mit Anilinsalzlösung imprägnirt worden war. Der Ballon
                              wurde wieder im Wasserbad erwärmt, und bei 35° konnte man beobachten, wie der
                              mit Anilinsalz getränkte Fleck allmälig eine schwarze Farbe annahm.
                           Sämmtliche Versuche beweisen zur Genüge, daß eine unmittelbare Berührung des Stoffes
                              oder des Anilinsalzes mit der Kupferverbindung zur Anilinschwarzbildung nicht
                              erforderlich ist, daß dieselbe vielmehr einzig nur der Einwirkung der aus dem
                              Chlorsäuresalz unter Beihilfe der Kupfer- oder Vanadverbindungen sich
                              entwickelnden gasförmigen Producte zuzuschreiben ist. In der That, wenn man ein mit
                              Anilinsalz imprägnirtes Stückchen Wolle, Seide oder Baumwolle in dem Innern eines
                              Ballon aufhängt, dessen Boden mit einer wässerigen Lösung von Chlor, unterchloriger,
                              chloriger oder Unterchlor-Säure bedeckt ist, wo also nur die Gase wirken
                              können, welche sich im Innern des Ballon verbreiten, so kann man die bei
                              gewöhnlicher Temperatur rasch vor sich gehende Entwicklung des Schwarz auf dem
                              Gewebe von Stufe zu Stufe verfolgen. Zuerst färbt sich der Rand des Fleckes grün,
                              dann wird die Farbe dunkler und geht in ein Blauschwarz über. Unterbricht man jetzt
                              die Einwirkung des Gases nicht durch Herausnehmen des Fleckes, so erhält das Schwarz
                              einen violetten, dann immer mehr einen rothen Stich, zuletzt den bekannten fuchsigen
                              Ton eines in der Fabrikation verchlorten Anilinschwarz. Es sind also alle aus der
                              Reduction der Chlorsäure resultirenden gasförmigen Producte für sich allein zur
                              Anilinschwarzerzeugung geeignet. Das schönste Schwarz liefert die chlorige Säure und die Unterchlorsäure;
                              mit Chlor erhält man immer ein violettes Schwarz, weil die Entwicklung zu rasch vor
                              sich geht.
                           Jene in erster Linie auftretende grüne Farbe, bekannt unter dem Namen Emeraldin, kann
                              auch noch auf andere Weise in Blauschwarz übergeführt werden, nämlich durch kurzes
                              förmliches Eintauchen in eine schwache wässerige Lösung der oben genannten Gase,
                              oder in Chromsäurelösung, oder in eine Lösung von zweifach chromsaurem Kali, d.h. in
                              die Lösungen saurer, wasserstoffentziehender Ingredienzien – oder aber, wie
                              bekannt ist, durch Eintauchen in alkalische Flüssigkeiten. Neide Male geht das
                              Emeraldingrün in ein dem Aussehen nach gleiches Blauschwarz über; doch wird das aus
                              der alkalischen Flüssigkeit hervorgehende Schwarz durch Einwirkung sogar ganz
                              schwacher Säuren wieder grün, während das andere in saurem Bad aus dem Emeraldin
                              resultirende Schwarz durch schwache Säuren gar nicht, sondern nur durch ganz
                              concentrirte Säuren oder durch die reducirend wirkende schweflige Säure in Emeraldin
                              zurückgeführt wird, wie auch Zürcher auf Grund seiner
                              neuesten Versuche zu der Ansicht gelangt ist, daß das eigentliche Anilinschwarz
                              nichts anders ist als eine höhere Oxdyationsstufe des Emeraldins. Auf dieses
                              Vorkommen der zweierlei Anilinschwarz im gewöhnlichen Anilinschwarz der bedruckten
                              Waaren hat schon Brandt (1873 207 67) aufmerksam gemacht, indem er das eine für ein Chlorderivat des
                              Anilins, das andere, durch schwache Säuren leicht veränderliche, für ein
                              Oxydationsproduct des Anilinöles erklärte. Thatsache ist, daß das im Hängelocal
                              entwickelte Schwarz vor dem Sodabad nur ein tiefes Dunkelgrünblau vorstellt, während
                              das durch Dämpfen entwickelte Anilinschwarz viel dunkler und schwärzer aus dem
                              Dampfkasten herauskommt als jenes aus der Hänge. Man ist wohl berechtigt anzunehmen,
                              daß man es im ersten Fall mit einem Gemenge von eigentlichem Anilinschwarz mit
                              vorwiegendem Emeraldingrün zu thun hat, während das gedämpfte Schwarz, welches
                              erfahrungsgemäß auch dem sogen. „Nachgrünen“ viel weniger
                              ausgesetzt ist, ein ebensolches Gemenge, jedoch mit vorwiegendem fertigem
                              Anilinschwarz vorstellt.
                           
                              Kl.