| Titel: | Der Luftballon als Kraftmaschine; von Josef Popper. | 
| Autor: | Josef Popper | 
| Fundstelle: | Band 224, Jahrgang 1877, Nr. , S. 14 | 
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                        Der Luftballon als Kraftmaschine; von Josef Popper.
                        Popper, über den Luftballon als Kraftmaschine.
                        
                     
                        
                           Eine sehr interessante Frage beim Studium des Luftballon ist jene nach der
                              									Möglichkeit seiner Verwendung als Kraftmaschine im gewöhnlichen technischen Sinne
                              									des Wortes. Ganz absehend von der Frage der Luftschifffahrt handelt es sich demnach
                              									in diesem Falle um die genauere Betrachtung der Art seiner motorischen Wirksamkeit
                              									und sodann des hierbei zu erwartenden Nutzeffectes.
                           Schon Montgolfier war der Meinung, man werde Ballons zum
                              									Heben von Lasten verwenden können, und Guyton-Morveau übergab sogar bereits im J. 1783 der Akademie von
                              									Dyon ein ausgearbeitetes Project, nach welchem „ein Warmluftballon zur
                                 										Hebung von Grubenwässern dienen“ sollte. Nach seiner Idee würde ein
                              									Ballon durch Verbrennung von Stroh, dürren Blättern u. dgl. rasch erhitzt; bei
                              									ungefähr 20m
                              									Durchmesser soll hierdurch eine Steigkraft von 1800k entstehen; diese wird durch einen
                              									ungleicharmigen Balancier verdoppelt und auf einen Kolben einer Druckpumpe
                              									übertragen, resp. dazu benutzt, um ihn ungefähr auf eine Höhe von 4m zu heben;
                              										„man hört nun auf, das Feuer zu unterhalten, die Ballonluft kühlt sich
                                 										wieder ab (was durch einen Ventilator noch beschleunigt werden kann), der
                                 										Aerostat kann den Kolben nicht mehr äquilibriren, er fällt herab und drückt das
                                 										Wasser in die Steigröhre.“ (Vgl. Dupuis-Delcourt's
                              									Manuel complet d'Aérostation.)
                           Man kann nun durchaus nicht im vorhinein wissen, ob nicht hier ein technisch sehr
                              									wichtiger, ökonomischer Motor vorliegt, welcher bis jetzt unbenutzt geblieben ist,
                              									und der möglicherweise durch seine Einfachheit nicht minder beachtenswerth wäre; man
                              									kann also auch kein endgiltiges  Urtheil über das ganze Project fällen, so lange es nicht
                              									einer eingehenden mathematisch-physikalischen Betrachtung unterworfen worden
                              									ist. Die Resultate dieser Betrachtung, so weit sie rein technisches Interesse
                              									besitzen, will ich nun hier gedrängt zusammenstellen, und verweise behufs genauerer
                              									Kenntnißnahme dieser Untersuchung auf meine in den Sitzungsberichten der Wiener k.
                              									k. Akademie der Wissenschaften im J. 1875 erschienene Abhandlung „Ueber
                                 										die Quelle und den Betrag der durch Luftballons geleisteten
                                 									Arbeit.“
                           Bei der Berechnung der motorischen Wirksamkeit des Ballon spielt natürlich die
                              									Steighöhe und die Steigkraft die erste Rolle, und in dieser Beziehung ist zu
                              									bemerken, daß die bisherigen bekannten Formeln hierfür eine wesentliche Verbesserung
                              									erforderten, indem außer Acht gelassen wurde, daß die Ausdehnungsarbeit von Gasen,
                              									denen von außen keine Wärme zugeführt wird, und die eben blos auf ihre eigene
                              									angewiesen sind, nur auf Kosten dieser letztern geleistet wird. Was die Quelle der Arbeitsfähigkeit des Luftballon betrifft, so
                              									walten, wie ich manchmal in Zeitschriften fand, hierüber sehr unklare Vorstellungen
                              									ob; so fand sich z. B. auf die Frage: „Wie kommt es, daß der Ballon
                                 										Hebungsarbeit leistet, wenn man nichts anderes zu thun braucht, als etwas
                                 										Ballast auszuwerfen?“ an einem Orte die Antwort: „Die Kraft
                                 										hierzu liegt im Wasserstoff“ u. dgl. m.
                           Es sei daher vor Allem darauf hingewiesen, daß die ganze Hebungsarbeitsfähigkeit
                              									eines Ballon von der Füllungs- und Aufblähungsarbeit herrührt, welche erstere
                              									durch Gaseinleitung oder Lufterhitzung, letztere durch spontane Expansion des
                              									betreffenden Gases (auf Kosten seiner Wärme) geliefert wird; es wird dies sofort
                              									noch verständlicher, wenn man sich gegenwärtig hält, daß beim Füllen eines
                              									Ballonsackes, wie beim Aufblähen eines Ballon der äußere Luftdruck durch die
                              									Wandungen zurückgedrängt werden muß. Alles zusammengefaßt, repräsentirt ein Ballon
                              									einen Receptor für Aufnahme von Arbeit, ähnlich einem Dampfkessel, der durch eine
                              									gewisse Zeit (die Füllungszeit) hindurch geheizt (gefüllt) wurde; zugleich bildet
                              									dieser Receptor in Verbindung mit der ganzen Atmosphäre eine Maschine, welche die
                              									aufgenommene Arbeit ausgibt, genau so wie ein sich in einem mächtigen — der
                              									Steighöhe gleich hohen — Cylinder fortbewegender Kolben. Dieser Kolben
                              									schiebt sich bei Warmluftballons auf dem ganzen Wege unter abnehmendem Drucke, also
                              									permanenter Expansion vorwärts.
                           Offenbar wird die Ballonmaschine dann ökonomischer wirken, wenn sämmtliche innere
                              									Arbeit des Füllmaterials ausgenutzt wird, als wenn ein Theil derselben am Endpunkte
                              									der Bahn unbenutzt, gleichsam stecken  bleibt; letzteres gilt nun namentlich von der
                              									Verbrennungswärme der Gase, wie Leuchtgas oder Wasserstoffgas; einige Zahlen werden
                              									eine quantitative Vorstellung der hier auftretenden Factoren geben. Der Ballon, den
                              										Dupuy de Lôme im J. 1870
                              									baute, hatte ein Volum von 3500cbm; unter Annahme von 90g Gewicht pro 1cbm Wasserstoffgas erhalten wir: Unten
                              									aufgeblähtes Volum 3500cbm, Steigkraft 4200k, chemische innere Arbeit
                              									(Verbrennungswärme) des Wasserstoffgases nahe an 11 Millionen Wärmeeinheiten, also
                              									gleich 4664 Millionen Meterkilogramm, Füllungsarbeit gleich 36 Millionen
                              									Meterkilogramm; demnach das Verhältniß letzterer zur unbenutzten = 36/4664 + 36, d.
                              									h. der so gerechnete Nutzeffect gegen 0,00766.
                           Es sei noch hinzugefügt, daß, wenn die Füllungszeit, je nach der Anzahl der
                              									Gasentbindungstonnen verschieden, z. B. wie es im Mittel der Fall ist, 3 Stunden
                              									beträgt, diese chemische Maschine eine Anzahl von 5800e repräsentirt und die zur blos
                              									mechanischen Arbeit nöthige Zahl nur 44e,5 beträgt.
                           Zur Vergleichung mit Gasballons betrachten wir jetzt einen Warmluftballon, und zwar
                              									jenen berühmten, welchen Montgolfier im J. 1783 in
                              									Versailles steigen ließ. Dieser Aerostat wurde binnen 10 Minuten durch Verbrennung
                              									von 40k Stroh
                              									aufgeblasen; sein ungefähres Volum soll 1200cbm betragen haben. Zufolge der bekannten
                              									Zahl von Wärmeeinheiten bei Verbrennung von Stroh findet man gegen 20 Millionen
                              									Meterkilogramm, welche hier entwickelt wurden, und da die Erhitzung in 10 Minuten
                              									vollendet war, so repräsentirt dieser Ballon einen Receptor von gegen 400e.
                           Bedenken wir nun folgendes: Wenn so ein Warmluftballon in der Art aufstiege, daß er
                              									nichts an die Luft von seiner Wärme verliert, so brauchten wir blos die Hülle groß
                              									genug, also hinreichend aufblähungsfähig zu machen, um durch fortwährendes Steigen,
                              									also zugleich Abkühlen bei seiner Blähung, endlich die Endtemperatur bis zu jener
                              									allgemeinen der Atmosphäre (sie als überall gleich angenommen), demnach zu der
                              									ursprünglichen Temperatur vor der Erhitzung beim Füllen des Ballon herabzubringen.
                              									In diesem Falle bleibt, so zu sagen, keine latente Wärme unbenutzt zurück, und es
                              									ist die ganze in die Ballonluft hineingelegte Wärme motorisch, d. h. als Arbeit
                              									verwerthet worden, wobei aber — wie in der citirten Abhandlung eingehend
                              									dargethan ist — die Erhebung der Ballonluft vom Erdboden bis auf die
                              									Steighöhe als gelieferte Arbeit mit einbezogen werden muß. Vom Standpunkte der
                              									Verwendung des 
                              									Luftballon als Luftfahrzeug kann diese letztere Arbeit als eine nützliche angesehen werden, und in diesem Falle ergibt
                              									sich daher das interessante Resultat: daß der Warmlustballon
                                 										eine vollkommene thermodynamische Maschine repräsentire. Man kann dann
                              									fragen: „Wenn die Erhitzung der Ballonluft gegen 100° beträgt, wie
                                 										hoch muß der Aerostat steigen, um so eine vollkommene thermodynamische Maschine
                                 										zu repräsentiren?“ und findet als Steighöhe nicht weniger als 8780m, d. h. über eine
                              									geographische Meile!
                           Wenn man aber den Warmluftballon, wie es hier unsere eigentliche Absicht ist, als
                              									Kraftmaschine betrachtet, so ist die Hebung der Ballonluft verlorene Arbeit für die
                              									Maschine, welche durch den Aerostaten bewegt werden soll, und es kann als nützliche Arbeit nur die von der Steigkraft geleistete gerechnet werden; hiernach ist also der maschinelle
                              									Nutzeffect zu berechnen und in der Abhandlung (von S. 32 an) zu Grunde gelegt
                              									worden. Da gibt denn die Rechnung für das Project einer Ballonmaschine nach Guyton-Morveau nicht mehr als 1/74 Proc.; also war
                              									die damals noch gebräuchliche sogen. Newcomen'sche
                              									Feuerpumpe diesem Ballonmotor mehr als 100 Mal an Oekonomie überlegen!
                           Wenn uns nach Allem diesen, der geringen Steighöhen wegen, welche wir anwenden
                              									können, blos eine theilweise Ausnutzung der Wärme möglich
                              									wird, so könnte man hoffen, zur Erzielung eines großen Nutzeffectes brauche man nur
                              									eine möglichst niedrige Erhitzungstemperatur anzuwenden, anstatt der gebräuchlichen
                              									hohen, denn hierdurch würde die totale Steighöhe für eine vollkommene
                              									Wärmeausnutzung bedeutend reducirt. Nehmen wir nun als praktisch zulässige
                              									Steighöhe, als in einem gegen Winde geschützten Raum, 25m, was schon sehr viel ist, so findet
                              									sich die Erhitzungstemperatur der Ballonluft gleich ¼°! Das ist
                              									natürlich ein ganz unbrauchbares Resultat, denn von allem andern abgesehen würden
                              									ganz kolossale Dimensionen nöthig sein, um eine erkleckliche Steigkraft zu erzielen,
                              									da man doch nicht auf die Vermehrung durch Uebersetzung allein bauen kann; außerdem
                              									würde wegen der Steifigkeit der Hülle bei so niedriger Erwärmung gar kein Aufblähen
                              									stattfinden. Wenn uns also nichts anders als eine blos theilweise Ausnutzung
                              									unabänderlich vorgeschrieben ist, dennoch die Warmluftballons unsern jetzigen
                              									Maschinen gegenüber einen ökonomischen Vortheil bieten sollen, so müßte der
                              									höchsterreichbare Nutzeffect bei Ballons jenen unserer Maschinen um ein Merkliches
                              									übertreffen, oder wenn endlich auch dies nicht der Fall wäre, so müßte es speciell
                              									für jene möglich sein, eine relativ sehr ökonomische Heizmethode anzuwenden, welche
                              									sich mit andern Maschinen nicht so vortheilhaft
                              									combiniren ließe. Setzen wir also als Erhitzungstemperatur  10° und die Steighöhe
                              										25m, so finden wir
                              									den Nutzeffect nur gleich 2⅓ Proc., also gegen unsere Motoren gering
                              									genug.
                           Jene eben erwähnte billige Heizmethode aber existirt in der That, nämlich die Erwärmung durch die strahlende Sonnenwärme. Ballons
                              									besitzen in dieser Beziehung besondere Vorzüge andern Maschinen gegenüber; denn 1)
                              									kann man die strahlende Wärme direct benutzen, ohne Sammelapparate zu benöthigen,
                              									die ja immer nicht nur eine Complication der Maschine, sondern auch Wärmeverlust
                              									verursachen; 2) ist es durchaus nicht nöthig, die ganze Vorrichtung wie einen
                              									Heliostaten nach der Sonne zu drehen, da die Kugelform des Ballon nach allen Seiten
                              									den Sonnenstrahlen gleiche Fläche und Form darbietet. Denken wir uns nun die
                              									Oberfläche zur vollen Absorption geeignet hergestellt, sowie für die Permanenz der
                              									Darbietung und Abkühlung von Heizflächen z. B. durch eine Art Paternosterwerk von
                              									kleinen Ballons, die auf einer Seite der ganzen Maschine vor der Sonne geschützt
                              									sind, gesorgt, so müßte eine solche Sonnenmühle, die gleich einer mittlern Windmühle
                              									z. B. 5e soll
                              									entwickeln können, unter Voraussetzung von 12c pro Minute auf 1qm Oberfläche in heißen Gegenden,
                              									sowie unter Annahme eines Nutzeffectes, den wir oben zu 2 Proc. fanden, eine
                              									bestrahlte Oberfläche besitzen von gegen 400qm. Da wir also auch hier auf
                              									unpraktische Ergebnisse stoßen, so dürfte nach allem Vorangegangenen ausgesprochen
                              									werden können, daß eine Anwendung der Warmluftballons als Motoren an Stelle unserer
                              									heutigen Maschinen, welche ebenfalls die Wärme als Arbeitsquelle benutzen, nicht
                              									geeignet sei, Oekonomie mit mäßigen Raumansprüchen zu vereinigen. Daraus folgt aber
                              									keineswegs, daß eine motorische Anwendung des Warmluftballon nicht in anderer Art
                              									und zu besondern Zwecken sehr geignet und nützlich sein könne, z. B. zum Zwecke des
                              									Erhebens und Haltens von Gewichten in freier Luft.