| Titel: | Zur Entstehung und Entwicklung der Röhrenkessel in Deutschland und Oesterreich; von A. Kux in Berlin. | 
| Fundstelle: | Band 224, Jahrgang 1877, Nr. , S. 145 | 
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                        Zur Entstehung und Entwicklung der Röhrenkessel
                           								in Deutschland und Oesterreich; von A.
                              									Kux in Berlin.
                        Mit Abbildungen auf Taf.
                              									IV [c. d/1]
                        Kux, zur Entstehung und Entwicklung der Röhrenkessel
                           								etc.
                        
                     
                        
                           Die kürzlich in den Mittheilungen des Magdeburger Vereins für Dampfkesselbetrieb
                              									angeregte Frage „Ueber Ursprung von Röhrenkesseln“ gab
                              									Veranlassung zu nachstehenden Aufzeichnungen; sie haben den Zweck, der Sache näher
                              									zu treten und zu fernern Beiträgen aufzufordern.
                           Die ersten Dampfentwickler waren bekanntlich große voluminöse Kessel im eigentlichen Sinne des Wortes. Sie gewannen erst durch Watt's Kofferkessel mit und ohne durchgehendes Feuerrohr
                              									eine constructive Form. Diese Dampferzeuger producirten Dämpfe niedriger Spannung,
                              									kaum 1at Ueberdruck,
                              									dem damaligen Condensationsdampfmaschinensystem entsprechend. Mit dem Bekanntwerden
                              									der höher gespannten Dämpfe trat die Nothwendigkeit auf, andere Formen für
                              									Dampfheizungen zu suchen, welche denselben Widerstand leisteten. Man ging zur
                              									cylindrischen Form über. Verfolgt man die Herstellung dieser Cylinderkessel, die
                              									anfangs mit großem Durchmesser bis über 3m gemacht wurden, so findet man, daß
                              									dieser Durchmesser successive kleiner wurde; gleichzeitig wird man aber bemerken,
                              									daß der zur Anwendung kommende Dampfdruck immer größer wurde. Die hochgespannten
                              									Dämpfe 8 bis 10 und 12at konnten nur in Henschel's schräg
                              									liegenden Cylindern von ca 470mm Durchmesser oder in Dr. Alban's Röhrenkesseln
                              									erzeugt werden. Das war der Ursprung der Röhrenkessel.
                           Die Alban'schen Röhrenkessel hatten das Wasser in den
                              									kupfernen gelötheten Röhren, und sah ich eine erste derartige Ausführung auf dem
                              									Mitte der 40er Jahre die Oberelbe befahrenden Dampfer
                              										„Constitution“ dessen Lebensdauer allerdings nur kurz war,
                              									da die nur etwa 50mm
                              									weiten Röhren sich verstopften und fortwährend explodirten. Aber  auch der von Penn and Son in Greenwich für
                              									die Unterelbe anfangs der 40er Jahre gelieferte Dampfer
                              										„Courier“ hatte ursprünglich einen für Niederdruck (1at,5) bestimmten
                              									Kessel (Spiller's Patent) mit Kokesfeuerung, wo das
                              									Wasser sich in den Röhren befand.
                           Nachdem die Hochdruck-Dämpfe nun Eingang gefunden,
                              										Dr. Alban mit seinen
                              									Röhrenkesseln den Weg gezeigt, die dazu erforderlichen Dampferzeuger zu bauen,
                              									bemächtigten sich amerikanische und englische Constructeure dieses Gegenstandes, und
                              									es erschienen mancherlei derartige Kesselformen, welche zu beschreiben hier nicht
                              									der Platz ist, die aber alle das Wasser in den Röhren hatten. Es ist wohl leicht
                              									erklärlich, daß sich die Vortheile des Röhrenkesselsystems sehr bald und zunächst
                              									zur Anwendung bei Dampfschiffen empfahlen. Geringe Raumeinnahme, bedeutend weniger
                              									Gewicht, vermehrte Dampfentwicklung bei schwächerm Kohlenverbrauch waren die Vorzüge
                              									dieser Kessel, cylindrischen und andern Kesseln gegenüber.
                           Auch die von Penn and Son für
                              									den die Oberelbe befahrenden Dampfer „Bohemia“ im J. 1840
                              									gelieferte Maschine hatte einen solchen Kessel, welcher im J. 1842 in der Buckauer
                              									Maschinenfabrik durch einen Kessel für 1at,5, Feuer durch die Röhren, ersetzt wurde. Dagegen befanden sich auf den für Elbe
                              									und Rhein von dem Etablissement zu Fineord bei Rotterdam gelieferten Woolf'schen
                              									Maschinen Hochdruck-Kessel, die aus cylindrischen
                              									Körpern combinirt waren.
                           Inzwischen waren nun auch die englischen Locomotiven Ende der 30er Jahre nach
                              									Deutschland gekommen und, diese zum Vorbild nehmend, wurden die schweren und viel
                              									Raum einnehmenden cylindrischen Schiffskessel durch Locomotivkessel in vergrößertem
                              									Format ersetzt. Hierbei kamen schmiedeiserne hartgelöthete Röhren von 50mm Durchmesser zur
                              									Anwendung.
                           Der niedrige enge eiserne Schornstein auf den Schiffen war natürlich nicht im Stande,
                              									so viel Zug zu machen, um die Kotes, welche als Brennstoff verwendet wurden, auf dem
                              									verhältnißmäßig kleinen Rost zu verbrennen und damit Dämpfe von 6at zu erzeugen. Ein im
                              									Rauchkasten angebrachter Exhaustor, von der Schiffsmaschine mittels Riemen in
                              									Bewegung gesetzt, mußte diese Function besorgen. Welche Calamitäten mit einer
                              									solchen Vorrichtung verbunden, glühend heiße Lager der im abziehenden Feuerzuge
                              									arbeitenden Exhaustorwelle, Instandhaltung der aufs äußerste angespannten
                              									Treibriemen etc., kann sich jeder Fachmann vorstellen, und mancher ältere Leser wird
                              									sich wohl noch der schlaflosen Nächte auf der Fahrt nach Hamburg erinnern, welche
                              									diese Brummer verursachten.
                           
                           Es entstand nun die Aufgabe, Schiffskessel zu construiren, die für Hochdruck
                              									geeignet, mit Kohlen anstatt Kokes zu heizen waren und keines künstlichen Gebläses
                              									bedurften. Dieses Bedürfniß brachte den von mir im J. 1852 entworfenen und in Fig. 15 und
                              										16
                              									dargestellten Kessel zu Wege. Da inzwischen auch die geschweißten eisernen Röhren
                              									aus England zu beziehen waren, so erfüllte dieser Kessel alle damals an ihn
                              									gestellten Anforderungen. Es war ein Röhrenkessel für Hochdruck, mit Feuer durch die Röhren und mit
                              									natürlichem Zuge geschaffen.
                           Während dies vorging und auf diese Weise die Dampferzeugung auf den Dampfschiffen,
                              									namentlich auf denen, die mit Hochdruck arbeiteten, geregelt und der theure
                              									Brennstoff, Koke, durch den bei weitem billigern, Kohle, ersetzt wurde, waren auch
                              									andere Industrien entstanden und begannen namentlich die Zuckerfabriken
                              									hervorragende Objecte für Kessel- und Maschinenanlagen zu werden. Es kamen
                              									damals, Ende der 30er, anfangs der 40er Jahre, für diese Zwecke cylindrische Kessel
                              									mit zwei Bouilleurs zur Anwendung. Der enorme Dampfverbrauch bei den unvollkommenen
                              									Dampfmaschinen, aber noch mehr bei den mangelhaften Einrichtungen beim Kochvacuum
                              									und den Verdampfpfannen und in Folge dessen der ungeheure Kohlenconsum (man rechnete
                              									für 1 Ctr. Rüben 1 Ctr. beste englische Stückkohle) ließ auf Mittel sinnen, Abhilfe
                              									zu treffen, und lenkte die Aufmerksamkeit auf die Erfolge, welche mit den
                              									Röhrenkesseln auf den Dampfschiffen erzielt worden.
                           A. Tischbein, als Dirigent der Buckauer
                              									Maschinen-Fabrik, wohl die erste Fabrik, die sich hervorragend mit
                              									Zuckerfabrik-Einrichtungen befaßte, kam auf die geniale Idee, Röhrenkessel
                              									für diesen Zweck anzuwenden; er entwarf dazu die in Fig. 17 und 18
                              									dargestellte Construction, deren erste Ausführung mir als Werkstätteningenieur
                              									anvertraut und deren weitere Verbreitung ich als Tischbein's Nachfolger übernahm Tischbein ließ damals in seiner Eigenschaft als
                                    											Civilingenieur zur Einrichtung der Zuckerfabriken zu Groß-Ammensleben
                                    											und Gerwisch solche Röhrenkessel aufstellen. Der Erfolg der
                              									Wirkungen dieser Röhrenkessel in den Zuckerfabriken war kein günstiger. Es wurde
                              									ihnen nachgesagt, sie gäben zwar viel Dampf, aber sie führten auch und zwar momentan
                              									viel Wasser aus dem Kessel mit sich. Daß ein solcher Kessel zum Ueberkochen neigt,
                              									kann nicht in Abrede gestellt werden, daß aber diese besagten Kessel so stark
                              									überkochten, lag allein an den damaligen Koch- und Verdampfeinrichtungen.
                              										Der erste Rillieux'sche Verdampfapparat, à triple
                                       												êffet, der Vater der jetzt allgemein eingeführten Verdampfapparate,
                                    											wurde von mir nach den Zeichnungen, die Brami
                                    											Andreä aus Amerika an Tischbein als Civilingenieur sandte, für die Freise'sche
                                    											Zuckerfabrik 1850 erbaut.
                              									 Die Verdampfung geschah
                              									in offenen, mit Schlangen versehenen Gefäßen, und da man automatische Wassersammler
                              									noch nicht kannte, so wurden die sämmtlichen Retourdämpfe in ein sogen,
                              									geschlossenes „Retour d'eau“
                              									geführt, auf dem ein mächtiges Dampfabzugsrohr stand, welches dem Retourdampf
                              									beliebigen Abzug gestattete. Dazu kam, daß die Hamburger Zuckersiedemeister
                              									glaubten, nur dann koche ihr Vacuum, wenn der Retourdampf armdick aus dem
                              									Retourrohre ins Freie brüllte. Wenn bei gewöhnlichen Dampfkesseln die Dampfentnahme
                              									stärker ist als die Entwicklung, so wird einfach der Dampf im Kessel aufgebraucht.
                              									Bei diesen Röhrenkesseln ist es aber anders. Bemerkt der Heizer, daß seine
                              									Dampfspannung zurückgeht, so feuert er stärker, der Zuckermeister wieder dreht sein
                              									Ventil so lange auf, als Dampf kommt; dies führt denn endlich dazu, daß dem
                              									Röhrenkessel bei seiner großen Verdampfungsfähigkeit zuletzt ein Gemisch von
                              									Dampfwasser entströmt.
                           Ich mußte mich bei diesem Punkte ausführlich aufhalten, um einerseits zu motiviren,
                              									warum damals der Bau dieser Röhrenkessel nicht fortgesetzt wurde, anderseits
                              									nachzuweisen, worin es liegt, daß neuerer Zeit dieselben
                              									Kessel so viel Aufnahme finden. Es liegt eben in den jetzigen vollkommenern
                              									Einrichtungen der Ausnutzung der Dämpfe. Ich bekenne nun, daß ich damals diesen
                              									Doppelröhrenkesseln (Fig. 17 und 18) den Fehler
                              									des Ueberkochens, wie er factisch besteht, höher anrechnete und deshalb dieselben
                              									aufgab. Dazu kam noch, daß durch die damaligen hohen Preise für Bleche und Röhren
                              									diese Kessel in der Anschaffung sehr theuer kamen. Durchdrungen jedoch von den
                              									Vortheilen des Röhrenkesselsystems, wollte ich dasselbe weiter verfolgen.
                           Die Bestellung einer Wasserhaltungsmaschinenanlage für ein Braunkohlenwerk gab
                              									Veranlassung, einfache Cylinderröhrenkessel wie Fig. 19 und 20 zu
                              									construiren und auszuführen. Dies geschah im J. 1850. Zur Verwendung als Brennstoff
                              									stand nur sehr schlechte Braunkohle zur Verfügung, es war also ein sehr großer Rost
                              									erforderlich, der bei den Doppelröhrenkesseln mit innerer Feuerung auch nicht
                              									angebracht werden konnte.
                           Zwei Jahre später gab mir die Aufstellung einer neuen Betriebsmaschine (nach dem
                              									Brande 1852) für die Buckauer Maschinenfabrik Veranlassung, den Röhrenkessel Fig. 21 und
                              										22 zu
                              									bauen. Dieser Kessel wurde durch eine dampfdichte Scheidewand in zwei Theile
                              									getheilt; in dem vordern wurde Dampf von 4at, in dem hintern Röhrenkesseltheil
                              									solcher von Oat,5
                              									erzeugt. Eine Woolf'sche Balanciermaschine, parallel und in unmittelbarer Nähe
                              									aufgestellt, nahm den Hochdruckdampf in dem  kleinen Dampfcylinder auf, der als Retourdampf in den
                              									Röhrenkessel zurück ging; der große Cylinder empfing dann seinen Dampf aus
                              									demselben.
                           Später folgte dann die aus Figur 21 hergeleitete
                              									Construction Figur
                                 										23
                           Während auf diese Weise anfangs der 50er Jahre das System der stabilen Röhrenkessel
                              									in drei verschiedenen Formen nämlich:
                           Doppelkessel mit innerer Feuerung (Fig. 17 und 18),
                           einfache Cylinderkessel mit Unterfeuerung (Fig. 19 und 20),
                           innere Feuerung mit dahinter liegendem Rohrsystem (Fig. 21 bis 23) eingeführt
                              									wurde und der Bau der letztern beiden Gattungen seinen Fortgang nahm, begannen auch
                              									andere Etablissements sich an dem Bau von Röhrenkesseln, mit Feuer durch die Röhren, zu machen. Fairbairn trat mit seinem „multitubular
                                    											boiler“ auf, der dann in Deutschland nachgebaut wurde.
                           So standen die Sachen 1854, als ich mit meiner Uebersiedlung nach Prag (Ruston und Comp.) den Bau der
                              									Röhrenkessel daselbst weiter fortsetzte. Der enorm hohe Kohlenpreis damals in
                              									Oesterreich und die sehr günstigen Erfolge der ersten gelieferten Kessel kamen
                              									diesem Unternehmen sehr zu statten. Die Versuche und Beobachtungen jedoch beim
                              									Betrieb der cylindrischen Kessel mit Unterfeuerung zeigten auch hier, daß dieselben
                              									überkochten. Um den Fehler zu beseitigen, und um den Dampf möglichst zu erwärmen,
                              									resp. zu überhitzen, entstanden, anstatt der gewöhnlichen Dampfdome, Kesselformen
                              									wie Fig. 24
                              									und 25, und
                              									als sich Besserung des Uebels herausstellte, machte ich die Dampfbehälter so wie
                              										Fig. 26
                              									und 27
                           War auf diese Weise ein möglichst trockner Dampf geschaffen und trat das Ueberkochen
                              									nur bei sehr unreinem oder dazu neigendem Wasser und bei sehr forcirtem Heizen auf,
                              									so stellte sich nun häufig ein anderer Uebelstand durch die Unterfeuerung ein. Die
                              									Nietnäthe über dem Rost wurden undicht, die Bleche beulten sich und rissen auf. Es
                              									wurden zur Beseitigung der doppelten Bleche bei den Nietungen innere Nieten mit nach
                              									innen aufgeflanschten Borden gemacht. Aber trotzdem und trotz des besten
                              									angewendeten Materials kamen Ausbauchungen und Undichtigkeiten vor und verursachten
                              									kostspieliege und höchst unangenehme Reparaturen.
                           Um diese Unannehmlichkeiten zu umgehen, wurden dann eine Zeit lang Kessel nach Fig. 28 und
                              										29 gebaut
                              									und, um die damals moderne Dampfüberhitzung zu erreichen, wurden 160mm weite
                              									schmiedeiserne Röhren um den Dampfdom geführt. Zwei solcher größerer Anlagen, im J.
                              									1864 geliefert, sind noch heute in Betrieb, und zwar 3 Kessel zu 70e und  5 Kessel zu 70e in den
                              									Flachsspinnereien zu Hohenelbe und Nachod in Böhmen; diese Kessel im Verein mit
                              									Corliß-Woolf-Maschinen geben denn auch in Bezug auf geringen
                              									Brennstoffconsum höchst günstige Resultate.
                           Nun kam 1868 die Pariser Ausstellung heran; bot dieselbe schon eine reichhaltige
                              									Collection von Dampferzeugern, so übertraf in dieser Beziehung 1873 die Wiener
                              									Ausstellung ihre Vorgängerin. Man fand daselbst unter gediegenen Constructionen
                              									schon extravagante Formen. Seitdem scheint eine Manie die Mechaniker ergriffen zu
                              									haben, neue Dampferzeuger erfinden zu wollen. Die Philadelphia-Ausstellung
                              									bietet darin Ungeheuerliches, und fand man dort seltsame Ausgeburten.
                           Und dennoch tritt an denjenigen, der sich mit einem einfachen Lancashire- oder
                              									Bouilleur-Kessel nicht begnügen will, oft auch wegen zu theuren Brennstoffes
                              									nicht begnügen kann, die Frage heran, „welchen Kessel zu
                                 										wählen?“ Man entscheidet sich für einen Röhrenkessel. Sehr kühne
                              									Gemüther greifen natürlich nach dem „Neuen“ und lassen zunächst
                              									die Howard, Belleville, Root, Sinclair u. A. Revue passiren. Diese Conglomerate von
                              									Röhren- und Röhrchenverbindungen, Wasser- und Dampfrecipienten,
                              									Mann- und Putzlöchern, wo die Verschraubungen und Verdichtungen nur nach
                              									Hunderten gezählt werden können und die unter dem Namen der „inexplosibles“ beim Uneingeweihten sich
                              									einschleichen sollen 3, Engineering führt bis jetzt 7 namhafte Fälle an,
                                    											wo Howard'sche Kessel in dem kurzen Zeitraume ihres Bestehens
                                    											explodirten. werden bei genauer Besichtigung und Prüfung bald zur
                              									Seite gelegt. Wer einen so geregelten Dampfmaschinenbetrieb hat, daß der Dampfconsum
                              									tagsüber nur ein Minimum variirt, wer destillirtes Wasser zum Speisen und einen
                              									Heizer besitzt, welcher, nachdem er Prima einer Schule verlassen, zur praktischen
                              									Ausbildung noch eine Heizerschule besuchte, mag mit einem derartigen Kessel einen
                              									Versuch machen; er wird eine bittere Enttäuschung theuer erkaufen.
                           Aber ein Röhrenkessel soll es doch sein. Man möchte also einen Cylinderröhrenkessel
                              									wie Fig. 24
                              									bis 29
                              									nehmen, die sollen ja gut sein, weil viele Fabrikanten schon weit über 1000 Stück
                              									davon gebaut haben. Sie sind unter günstigen Umständen auch gut; aber wie häufig
                              									kommt es vor, daß die Feuerplatten über dem Rost durchbrennen, daß die Rohrnietungen
                              									undicht werden, und hat man einen Heizer, der zu bequem ist, um täglich die 5 bis
                              										6m langen Röhren
                              									zu reinigen — eine allerdings nicht angenehme Arbeit — so gibt der
                              									Kessel wenig Dampf und braucht viel Kohlen. Denn der lebhafteste Zug mit reinen
                              									Röhren ist Lebensbedingung. Mechanisch gereinigt von Kesselstein kann der innere
                              									Kessel nur mühsam, die Röhren gar nicht werden. — Nun so nehme man  Kessel, wie sie in Fig. 30 bis
                              										33
                              									skizzirt sind. Da leiden die Feuerplatten über dem Rost allerdings nicht und kommt
                              									hier selten etwas vor. Dagegen sind die Uebelstände mit dem Undichtwerden der
                              									Rohrnietungen eher noch größer, da die Rohrplatte durch die sich bildende
                              									Stichflamme leidet. Der innere Theil des Kessels, besonders der Röhren, kann auch
                              									nicht gereinigt werden; der anfängliche gute Effect läßt bald nach, und solche
                              									Kessel gehen ungewöhnlich schnell zu Grunde. Zu dem Versetzen der Röhren mit Asche
                              									kommt hier noch der nachtheilige Umstand, daß sich hinter der Feuerbrücke viel
                              									Flugasche sammelt, die nur mühsam zu entfernen und dem Zuge sehr hinderlich ist.
                           Wie hier geschildert, habe ich mich während eines Zeitraumes von 25 Jahren mit dem
                              									Bau von vielen Hunderten von Röhrenkesseln verschiedenster Form beschäftigt, neben
                              									ihren vorzüglichen Eigenschaften aber auch ihre Mängel und Fehler kennen gelernt.
                              									Ich betrachtete es nun als meine Aufgabe, nach einer Kesselform zu suchen, welche
                              									die großen Vorzüge, die einem Röhrenkessel eigen sind, mit der Einfachheit und
                              									Solidität eines gewöhnlichen Kessels vereinigen sollte. Ich glaube dies durch die in
                              										Fig. 34
                              									bis 37
                              									dargestellten Constructionen in folgender Weise erreicht zu haben. In beiden Fällen
                              									kommt ein stehendes Röhrensystem, Wasser in den Röhren, zur Anwendung. Der Kessel in
                              										Fig. 34,
                              									und 35 ist
                              									für schlechten Brennstoff mit unbeschränkt großem Rost und Vorfeuerung; jener in
                              										Fig. 36
                              									und 37 für
                              									bessere Kohlen.
                           In dem kurzen, vorliegenden Lancashire-Kessel, welchem doch vor allen
                              									gewöhnlichen Kesselformen der erste Rang eingeräumt werden muß, nehme ich mir, so zu
                              									sagen, vorn weg dessen beide Cardinaltugenden: beste Ausnutzung der Wirkung des
                              									Feuers über dem Rost, größte Dauerhaftigkeit der dem ersten Feuer ausgesetzten
                              									Kesselwandungen. In dem hinter dem Lancashire-Kessel befindlichen stehenden
                              									Röhrensystem fange ich einen großen Theil der Flamme auf, welche theils in den
                              									längern Feuerröhren bei gewöhnlichen derartigen Kesseln geringern Verdampfungseffect
                              									erzielt, theils beim Verlassen derselben durch Aufschlagen an die hintere Steinmauer
                              									ganz verloren gehen würde.
                           Der Effect des Feuers in dem Rohrsystem ist ein ganz eminenter, da die Flamme die
                              									Rohrwandungen rechtwinklig trifft und sich förmlich durcharbeiten muß, und nicht,
                              									wie bei allen andern Kesseln, die Flächen in paralleler Bewegung nur bestreicht.
                              									Wenn v. Reiche in seinem neuesten Werk über Anlage und
                              									Betrieb der Dampfkessel (S. 149) die günstigen Resultate der von ihm nach diesem
                              									Princip eingemauerten Kessel dieser Feuerströmung zuschreibt, so kann ich ihm hierin
                              									nur beipflichten und stelle ich die ungewöhnlich günstigen Erfolge dieser meiner  Kessel ebenfalls auf
                              									Rechnung dieser allerdings bisher außer Acht gelassenen Eigenthümlichkeit der besten
                              									Wärmemittheilung.
                           Dadurch, daß, wie erwähnt, die Rohrdichtungen im Wasser liegen, können sie vom Feuer
                              									nicht leiden und ist ein Undichtwerden eine Unmöglichkeit. Durch Oeffnen der das
                              									Rohrsystem umschließenden eisernen Thüren kann dasselbe jederzeit, selbst wenn der
                              									Kessel im Feuer ist, von Flugasche und Ruß mit Leichtigkeit gereinigt werden, und
                              									wenn dies alle Woche einmal geschieht, so ist es hinreichend. Daß die Feuerluft,
                              									nachdem sie die lebhafteste Verdampfung in dem Feuerröhren- und Rohrsystem
                              									hervorgebracht, ihre Dienste, sei es Verdampfung oder hohe Wassererwärmung an den
                              									äußern Kesselflächen und an dem Vorwärmer (Bouilleur), noch leistet, daß das Innere
                              									sämmtlicher Kesseltheile, besonders des Rohrsystems, aufs bequemste zu reinigen ist
                              									und daher, da sich überhaupt bei der lebhaften Verdampfung und Wasserbewegung im
                              									Rohrsystem sehr wenig Rückstände ansetzen, hieraus resultirende Nachtheile nicht
                              									vorkommen können, daß die ganze Herstellung eines solchen Kessels eine höchst
                              									einfache und sichere ist, braucht wohl nur angedeutet, um von jedem Fachmann
                              									gewürdigt zu werden.
                           Der wichtigste, wenn auch zuletzt angeführte Punkt ist aber der der vollkommensten
                              									Dampfbildung. Da die der stärksten Einwirkung des Feuers ausgesetzten, also zur
                              									größten Verdampfung benutzten Flächen das geringste Wasser über sich haben, so
                              									producirt ein solcher Kessel trocknen Dampf, und da der Dampfraum besonders in dem
                              									Körper über dem Rohrsystem ungewöhnlich groß ist, so beeinträchtigt selbst eine
                              									momentane große Dampfentnahme den normalen Zustand nicht. Nicht minder erhöht auch
                              									die durch die lebhafte Verdampfung im Röhrensystem hervorgerufene Wassercirculation
                              									im ganzen Kessel den guten Effect eines solchen Dampferzeugers.
                           Habe ich somit einen beinahe 30jährigen Verlauf der
                              									Röhrenkessel-Entwicklungsgeschichte nach eigenen Erlebnissen und Erfahrungen
                              									beschrieben und zum Schluß das Resultat derselben angeführt, überlasse ich es
                              									Andern, mögliche Lücken auszufüllen oder aus noch frühern Zeiten zu erzählen.
                              									—
                           Zu diesem interessanten geschichtlichen Rückblick auf die Entwicklung des Baues von
                              									Röhrenkesseln in Deutschland und Oesterreich, welcher den oben genannten
                              									Mittheilungen (1876 S. 148 ff.) entnommen ist, hat Referent nachstehende Bemerkungen
                              									zu machen.
                           Die Idee Tischbein's, Röhrenkessel in der
                              									Zuckerfabrikation einzuführen, mag bei dem damaligen Stande der Dampfkesseltechnik
                              										 (1848) zwar
                              									begreiflich erscheinen, doch war dieselbe jedenfalls eine verfehlte. Eine
                              									Zuckerfabrik braucht Kessel mit thunlichst großem
                                 										Wasserraum, und diesen bieten Röhrenkessel nicht.
                           Der Wasserraum, oder vielmehr die Wassermasse, welche diesen Raum erfüllt, ist von
                              									großem Einfluß auf den Betrieb des Kessels. Ist das Wasser bis zu der erforderlichen
                              									Temperatur erwärmt und wird dem sich erzeugenden Dampf der gehörige Abfluß
                              									gestattet, so dauert die Dampfbildung bei weiterm Wasser- und Wärmezufluß so
                              									lange fort, bis der Dampfabfluß wieder unterbrochen wird. Geschieht dies, so hört
                              									die Dampfbildung auf und die eindringende Wärme bringt vorerst nur ein Steigen der
                              									Temperatur hervor, welches um so langsamer erfolgt, je größer der Wasservorrath ist.
                              									Wenn mit der Unterbrechung des Dampfabflusses zugleich die Feuerung eingestellt
                              									wird, so nimmt die Temperatur allmälig ab — aber in um so geringerm Maße, je
                              									größer der Wasservorrath ist. Das Kesselwasser ist also gewissermaßen ein
                              									Wärmereservoir. Sonach ist bei solchen Kesseln, wo mit kurzen Unterbrechungen
                              									gearbeitet wird und die Dampfentnahme sehr variabel ist, wie bei Zuckerfabriken,
                              									großer Wasserraum als Regulator nöthigVgl. Bernoulli's Dampfmaschinenlehre, besonders
                                    											aber V. Reiche (Anlage und Betrieb der
                                    											Dampfkessel, 2. Aufl. S. 4 und 96), welcher den Einfluß des Wasserraumes
                                    											scharf präcisirt und zur Folgerung gelangt: „Die Wassermasse eines
                                       												Kessels erfüllt genau denselben Zweck wie die Schwungmasse im Schwungrad
                                       												einer Maschine.“
                           Der Größe des Dampfraumes in Hinblick einer momentan großen Dampfentnahme Werth
                              									beizulegen, scheint uns auf einer irrigen Voraussetzung zu beruhen. Nehmen wir z. B.
                              									einen Kessel von 70qm
                              									Heizfläche an, welcher — etwa durch Anbringung eines eigenen Dampfsammlers
                              									— einen schon ungewöhnlichen großen Dampfraum von ca. 7cbm habe, so enthält derselbe bei
                              										5at ungefähr 18k Dampf. Diese können
                              									jedoch bei einer Leistungsfähigkeit von nur 18k Dampf pro Stunde und 1qm Heizfläche in viel
                              									weniger als 1 Minute erzeugt werden. Der Dampfraum enthält also trotz seiner
                              									ungewöhnlichen Größe nur die Dampferzeugung einer Minute! Es kann demnach bei
                              									variabler Dampfentnahme von einer Regelung durch die Größe des Dampfraumes keine
                              									Rede sein.
                           Bei Kesseln mit relativ kleinem Wasserraum wird durch das starke Wallen der kleinen
                              									Wassermasse leicht Wasser mit dem abziehenden Dampf fortgerissen, der Kessel
                              									überkocht. Es geschieht dies besonders dann, wenn die Verdampffläche, d. h. die
                              									Wasserspiegelfläche im Verhältniß zur Heizfläche, klein ist (vgl. Radinger 1874 212 10), wie
                              									dies bei Röhrenkesseln fast immer eintritt.
                           Die Bemerkung, daß man sich mit einfachen Bouilleurkesseln — worunter wohl im
                              									allgemeinen überhaupt Systeme mit Unterkesseln verstanden  sind — bei theurem
                              									Brennmaterials „nicht begnügen kann“, scheint uns nicht
                              									begründet. Wiederholte und sehr sorgfältige Versuche zeigten, daß gut construirte
                              									und rationell eingemauerte Kessel dieses Systems gleich gute ökonomische Resultate
                              									aufweisen, wie andere Kesselanordnungen. Ja für gewisse Verhältnisse, so speciell
                              									für Zuckerfabriken, empfehlen sich solche Kessel ihres großen Wasserraumes wegen
                              									ganz besonders.
                           Kux erzielt nun durch seine Combination trotz des Röhrenkessels großen Wasserraum,
                              									und ist in dieser Beziehung sein System dem Depuis-Kessel (*1874 213 13) ähnlich, bei welch letzterm jedoch das Wasser um
                              									die Rohre geht.
                           Es wäre interessant, die Anlagekosten für 1k erzeugten Dampf des Kux'schen Systems mit denen anderer bewährten
                              									Kesselsysteme zu vergleichen.
                           Nach den Skizzen Fig. 32 bis 35 sieht es übrigens so
                              									aus, als würde das Auswechseln der Rohre Schwierigkeiten machen — ein
                              									Uebelstand, der besonders in Fig. 32 und 33 auffällt.
                              									Es dürfte dies, ebenso wie das Fehlen des Mannloches, um die Rohre putzen zu können,
                              									nur ein Zeichnungsfehler sein, da ein so wohlbekannter praktischer Ingenieur, wie
                              										Kux, solche Ausführungsdetails gewiß nicht
                              									übersieht.
                           Die von Tischbein schon 1848 construirten Kessel (Fig. 17 und
                              										18)
                              									scheinen übrigens den in neuester Zeit mehrfach beschriebenen sogen. Piedboeuf'schen Kesseln (*1876 222 298) Auch Horton und Sohn in
                                    											London bauen solche Kessel. zum Vorbild gedient zu haben.
                           
                              C. L.
                              
                           
                        
                     
                  
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