| Titel: | Notizen aus der Soda-Industrie; von Professor Dr. G. Lunge in Zürich. | 
| Fundstelle: | Band 224, Jahrgang 1877, Nr. , S. 195 | 
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                        Notizen aus der Soda-Industrie; von
                           								Professor Dr. G. Lunge in
                           								Zürich.
                        Lunge, Notizen aus der Soda-Industrie.
                        
                     
                        
                           Unter dem Titel: „Geschichte, Producte und Processe der
                                 										Soda-Industrie“ hat ein auch in andern Gebieten (z. B. der
                              									physiologischen Chemie) wohlbekannter Chemiker, Charles T. Kingzett, eine längere Reihe von Artikeln in der Zeitschrift
                              											„Iron“ veröffentlicht,
                              									welche mir von der Redaction dieses Journals mit dem Auftrage zugeschickt worden
                              									sind, über dieselben hier zu referiren. Kingzett's Arbeit
                              									ist eine von entschiedener Sachkenntniß zeugende und bis auf die neueste Zeit
                              									reichende Compilation, und verdient von jedem an der Soda-Industrie
                              									Interessirten gelesen zu werden. Selbstredend enthalten sie meistens schon
                              									anderweitig bekannte Sachen, und würde schon der große Umfang der Arbeit es
                              									verbieten, dieselbe hier vollständig übersetzungsweise wiederzugeben. Ich werde mich
                              									daher damit begnügen, nur diejenigen (verhältnißmäßig wenigen) Stellen zu
                              									besprechen, welche für den deutschen Leser vielleicht etwas Neues bringen, und daran
                              									eigene kritische oder ergänzende Bemerkungen zu knüpfen, sowie auch auf einige von
                              										Kingzett gar nicht berührte Gegenstände
                              									einzugehen.
                           Am wenigsten Neues findet sich in der übrigens sehr interessanten und übersichtlichen
                              									Schilderung der Schwefelsäurefabrikation. Der Verfasser
                              									beschreibt u. a. auch die Verbrennung des Pyritschlieches und führt an, daß die auch
                              									von mir in diesem Journal (1874 214 471) beschriebene und
                              									besonders empfohlene Methode die allgemein übliche in England sei, nämlich den
                              									Schliech mit Wasser fein zu mahlen und in dünnen Schichten auf den Oefen zu
                              									trocknen, wobei durch Entstehung von etwas basischem Eisensulfat die Masse so sehr
                              									zusammenbäckt, daß man sie dann in gewöhnlichen Oefen (Kilns) brennen kann. Er hätte
                              									freilich anführen sollen, daß diese Methode nur dann zum Ziele führt, wenn man den
                              									Pyrit sehr fein mahlt, und zwar gleich mit dem Wasser  zusammen, wie Mörtel; ich habe
                              									dies a. a. O. mit Kostenberechnung angeführt. Auch nach den mir aus neuester Zeit
                              									vorliegenden Nachrichten wäre jetzt diese Methode in England noch allgemeiner üblich
                              									als zur Zeit, wo ich darüber berichtete; so ist sie z. B. auch in der großen Fabrik
                              									im Gange, welche damals drei Mac Dongall'sche Apparate aufgestellt hatte (vgl. 1874
                              										214 475) 1875 215 232).
                              									Ich kann nichts darüber hören, daß die jetzt auf dem Continent in verschiedenen
                              									Aufstellungen so vielfach üblichen Malétra'schen Oefen schon in England eingeführt
                              									werden. Kingzett führt sie nicht einmal mit Namen auf.
                              									Wohl aber führt er an, daß man bei Anwendung von Schliech 1 bis 2 Proc. Schwefel mehr in den Rückständen verliere als bei Stückkies;
                              									bekanntlich ist das Verhältniß bei Malétra'schen Oefen grade umgekehrt.
                           Die Ziffer, welche Kingzett für den Schwefelgehalt der
                              									Stückkiesabbrände gibt, nämlich 2 bis 4 Proc., wird übrigens nur in den allerbest
                              									geleiteten Fabriken erreicht und ist als eine solche zu bezeichnen, welche zwar bei
                              									rationellem Betrieb sicher nicht überschritten werden sollte, aber thatsächlich in
                              									den meisten englischen Fabriken weit überschritten wird.
                           Nach Kingzett wären in England die Platinretorten für
                              									Concentration der Schwefelsäure wieder fast allgemein durch Glasretorten ersetzt
                              									worden. Meine eigenen Beobachtungen widersprechen dem. Allerdings finden sich an
                              									vielen Orten Glasretorten, sogar bisweilen zu gleicher Zeit mit Platinretorten,
                              									aber, so weit mir bekannt, kann man wirkliche 66grädige Säure darin nicht mit
                              									Vortheil machen und bringt es nur auf 65° B., vermuthlich weil der Bruch mit
                              									den davon unzertrennlichen großen Uebelständen gar zu groß wird, wenn man in
                              									Glasretorten volle 66° B. erreichen will. Will man 66° B. haben, so
                              									nimmt man eben auch in England dazu Platinretorten. Uebrigens haben auch Faure und Keßler's
                              									Schalen-Concentrationsapparate in England schon festen Fuß gefaßt und würden
                              									vermuthlich noch viel mehr angewendet werden, wenn ihrer Verbreitung nicht eine sehr
                              									hohe Patentgebühr entgegenstände. Ich will diese Bemerkung übrigens nicht als
                              									Argument gegen Erfindungspatente ausgebeutet wissen; denn so viel steht fest, daß
                              									die Erfinder, wenn sie kein Patent erhalten hätten, ihren Apparat entweder in ihrer
                              									Fabrik im Herzen Frankreichs ganz geheim gehalten, oder denselben nur gegen noch
                              									viel größere Summen einem oder dem andern Fabrikanten mitgetheilt haben würden, und
                              									vermuthlich würde man viele Jahre davon gar nichts gehört haben, während, wie es
                              									jetzt steht, die Erfinder ihr Patent durch Broschüren, Circulare etc. so bekannt wie
                              									möglich gemacht haben, und nach einigen Jahren wird dasselbe doch Gemeingut.
                           Aus der weitern Beschreibung des Schwefelsäureprocesses von Kingzett
                              									 dürfte den deutschen
                              									Lesern nur noch das Down'sche Verfahren zur Reinigung des Kupfers (aus den Pyritabbränden) von Arsenik interessiren, welches meines Wissens noch nicht
                              									in die deutsche technische Literatur übergegangen ist. Bekanntlich enthalten die in
                              									der Schwefelsäurefabrikation angewendeten Erze oft Arsen in nicht unbeträchtlichen
                              									Mengen; ein erheblicher Theil davon geht in die Abbrände über (im Durchschnitt 0,5
                              									Proc.) und wird bei dem nassen Extractionsverfahren schließlich mit dem Kupfer
                              									niedergeschlagen. Nun macht aber die Anwesenheit selbst von Spuren Arsen das Kupfer
                              									schon spröde und schadet sehr seiner Verkäuflichkeit. Es ist daher von Wichtigkeit,
                              									diese störende Substanz aus dem Kupfer zu entfernen, und dies geschieht denn auch
                              									erfolgreich in den der Tharsis-Gesellschaft gehörenden Fabriken durch einen
                              									von Down 1870 patentirten Proceß. Das Verfahren besteht
                              									darin, daß die sauren Kupferlaugen, wie sie bei der Behandlung des chlorirten
                              									Röstgases nach dem bekannten Verfahren entstehen, mit so viel Kalk (ätzendem oder
                              									kohlensaurem) behandelt werden, daß der größte Theil der überschüssigen Säure
                              									neutralisirt wird. Nach der Patentbeschreibung soll man besser die Kupferlaugen in
                              									Berührung mit dem Kalk lassen, „bis die in der Lösung zugleich mit dem
                                 										Kupfer vorhandenen Eisensalze niederzufallen beginnen.“ Die Lösung
                              									wird dann in die Behälter abgelassen, wo die Fällung des Kupfers durch metallisches
                              									Eisen vor sich geht. Nach der Behauptung von Down würde
                              									durch sein Verfahren „der Ueberschuß von Säure neutralisirt und daher eine
                                 										Ersparniß in dem zur Fällung des Kupfers dienenden Eisen bewirkt, während doch
                                 										genug Säure in Lösung bleibt, um diese Fällung zu gestatten und zugleich das
                                 										Arsen und Antimon in Lösung zu halten.“ Nach Down würden ferner „ Arsen und Antimon nur dann zugleich mit dem
                                 										Kupfer niedergeschlagen, wenn die Flüssigkeiten stark sauer sind, und würde
                                 										daher nach seinem Verfahren das Kupfer frei von diesen Verunreinigungen
                                 										erhalten“. Während Kingzett nicht
                              									bezweifelt, daß das Verfahren in der Praxis gute Resultate gibt, erklärt er jedoch
                              									den Vorgang in einer von Down verschiedenen Weise. Daß
                              										Down wirklich sein Kupfer frei von Arsen bekommt,
                              									bezweifelt der Verfasser um so weniger, als er selbst mehrmals die Laugen nach der
                              									Behandlung mit Kalk untersucht und sie immer frei von Arsen gefunden hat. Aber er
                              									kann nicht mit Down's chemischer Erklärung des Processes
                              									sich einverstanden erklären und hierin muß ihm der Referent beistimmen. Down sagt, daß er die Laugen in Berührung mit dem Kalk
                              									lasse, bis die Eisensalze anfangen, gefällt zu werden; aber, obwohl nach Down dennoch sämmtliches oder das meiste Arsen und
                              									Antimon in Lösung bleiben, so ist es doch wahrscheinlicher,  daß sämmtliches Arsen und
                              									Antimon durch das in diesem Stadium niederfallende Eisenoxydhydrat ebenfalls mit
                              									niedergerissen werden.
                           Nach Kingzett's eigenen Experimenten wird aus solchen
                              									Kupferlaugen, sobald sie entweder mit hinreichend Kalk behandelt werden, um etwas
                              									Eisenoxyd zu fällen, oder auch direct mit frisch gefälltem Eisenoxyde stets sämmtliches vorhandene Arsen zugleich mit dem
                              									Niederschlage entfernt, und zwar in einer dem Scheele'schen Grün analogen
                              									Verbindung, nur daß in dem letztern Kupfer an die Stelle des Eisens tritt. Während
                              									die Formel von Scheele's Grün Cu H As O3 ist, soll nach Kingzett
                              									die Formel des hier entstehenden Niederschlages Fe H As
                                 										O3, oder noch wahrscheinlicher Fe2 (As O3)2Kingzett schreibt Fe As
                                       												O3; aber da das Eisen nur
                                    											zweiwerthig als Fe oder sechswerthig als Fe2 auftreten
                                    											kann, so muß man seine Formel verdoppeln. sein. Wenn diese
                              									Ansicht von dem Processe die richtige ist, dann ist es sicher vorzuziehen, die
                              									Behandlung mit Kalk nicht in denselben Behältern vorzunehmen, in denen man das
                              									Kupfer mit Eisen fällt, da sonst der Kupferniederschlag das arsenigsaure Eisen
                              									beigemischt enthalten würde. Dies ist nicht unwichtig zu bemerken, da nach Down
                              									„die Neutralisirung theilweise oder ganz in den Fällungsgefäßen geschehen
                                 										kann“ (vermuthlich aber nicht geschieht).
                              									Jedenfalls ist so viel sicher, daß das Verfahren, wenn in gewisser Weise ausgeführt,
                              									ausgezeichnete Resultate und arsenfreies Kupfer gibt.
                           Nach Kingzett soll auch die Verwerthung des Natriumsulfates, welches nach der Ausfällung des Kupfers
                              									in den Mutterlaugen bleibt, mit Sicherheit in Aussicht stehen. Ich habe über diesen
                              									Gegenstand öfter berichtet, und muß meinen Zweifel darüber aussprechen, ob das
                              									Resultat unter gewöhnlichen Umständen die Kosten lohnen wird, namentlich da, wo die
                              									empfindliche Concurrenz mit dem Sulfat der Sodafabriken zu bestehen ist. Die
                              									Schwierigkeiten der Verdampfung von Salzsäure haltenden Flüssigkeiten, und die
                              									Kosten für Brennmaterial, bei verhältnißmäßig geringem Werthe des erzielten
                              									Productes, scheinen dagegen zu sprechen.
                           Bemerkenswerth ist der Umstand, daß die allgemeine Verwendung der kupferhaltigen
                              									Pyrite den Preis des Schwefels für den Schwefelsäurefabrikanten außerordentlich
                              									vermindert hat. Nach Kingzett beträgt dieses Sinken des
                              									Preises 40 Proc. seit 1865; nach meinen eigenen Erfahrungen noch mehr (von 9 bis 10
                              									Pence per „Unit“, d. i. Procent pro Tonne, auf 4½ Pence
                              									im J. 1876, also über 50 Proc.)
                           Ehe ich das Kapitel von der Schwefelsäure verlasse, will ich noch eine Schätzung von
                              										Dr. Angus Smith, dem
                              									General-Inspector der brittischen Sodafabriken, anführen (nicht aus Kingzett's Aufsatz, sondern  aus einem bis jetzt nur für
                              									private Kreise gedruckten Verhör vor einer parlamentarischen Enquête-Commission), wonach in Großbritannien
                              									jährlich folgende Quantitäten von Schwefel verbraucht werden: In Sodafabriken 166
                              									000, in Düngerfabriken 100 000, zusammen 266 000t, entsprechend etwa 575 000t Pyrit. — Die
                              									Rubrik „Sodafabriken“ umfaßt jedenfalls auch die für Sulfat als
                              										Endproduct verbrauchte Säure.
                           Auch in der Beschreibung der Sulfat- und Sodadarstellung selbst bringt Kingzett nichts Neues; doch sagt er dabei einiges, über Mactear's Verbesserung in der Arbeit mit den rotirenden Sodaöfen, und da, als ich das letzte Mal (1875
                              										215 66) über diesen Gegenstand referirte, das
                              									betreffende Verfahren noch nicht bekannt (übrigens noch nicht einmal patentirt) war
                              									und auch sonst in Deutschland noch fast gar nichts darüber bekannt geworden zu sein
                              									scheint, so will ich diesen Anlaß nehmen, das erwähnte Verfahren zu beschreiben, und
                              									zwar nicht nach den kurzen Angaben von Kingzett, sondern
                              									nach denen von Mactear selbst in seiner
                              									Patentbeschreibung und nach den von berufenster Seite mir darüber gewordenen
                              									Privatmittheilungen. Man wird sich erinnern, daß die Arbeit in den rotirenden
                              									Sodaöfen anfangs nicht glücken wollte, wesentlich weil die dabei erhaltenen Brode
                              									der rohen Soda zu dicht ausfielen und ihre Auslaugung nur mit großen Verlusten an
                              									Soda und erheblicher Bildung von Schwefelnatrium zu bewerkstelligen war. Die
                              									durchschlagendste Verbesserung von Stevenson und Williamson, welche eben die Anwendung der rotirenden
                              									Sodaöfen erst ermöglichte, war diejenige, daß die Beschickung von Sulfat, Kreide und
                              									Kohle nicht auf einmal eingetragen wird, sondern zuerst die Kreide mit einem Theile
                              									der Kohle, und erst wenn die Kreide zum Theile in Aetzkali verwandelt ist (liming), wird das Sulfat mit dem Rest der Kohle
                              									nachgeworfen. Das Resultat davon ist, daß beim Auslaugen der Soda der Aetzkalk durch
                              									Wasseranziehung aufschwillt, die Brode zum Platzen bringt und dadurch ihre
                              									Durchdringung mit Wasser und Auslaugung erleichtert. Auf diese Weise hat man eine
                              									ganze Reihe von Jahren in allen Fabriken gearbeitet und arbeitete auch noch vor
                              									einem Jahre danach in den meisten Fabriken, trotz der Unannehmlichkeit, daß die
                              									Trennung der Chargen in zwei Theile viel mehr Zeit (und damit Brennmaterial,
                              									Kapitalaufwand und auch Arbeit) beanspruchte, und daß die Beobachtung des
                              									Zeitpunktes, wenn der richtige Grad des „liming“ erreicht sei, eine ziemlich schwierige und nur
                              									erfahrenen und zuverlässigen Leuten anzuvertrauende Aufgabe ist. Der nahe liegende
                              									Gedanke, der Beschickung gleich etwas Aetzkali zuzusetzen, ist selbstredend auch
                              									ausgeführt worden, hat aber zu keinem günstigen Resultate geführt. Etwa vor einem
                              									Jahre wurde es  aber in
                              									den Fachkreisen in England bekannt, daß die Bemühungen von James Mactear, dem Director der berühmten Tennant'schen Fabrik
                              									zu St. Rollox bei Glasgow, Erfolg gehabt hätten, und daß man in St. Rollox ohne
                              											„liming“ mit ganz
                              									außerordentlichem Vortheile gegenüber dem frühern Verfahren arbeite. Das bezügliche
                              									Patent datirt vom September 1874. Seitdem hat sich das Mactear'sche Verfahren auch
                              									in die beiden großen Sodafabrik-Districte (Lancashire und Tyne-Side)
                              									verbreitet, und dürfte vielleicht schon dort allgemein sein. Wieder ein Vortheil der
                              									Erfindungspatente! Nur mit enormen Kosten konnte Mactear
                              									sein Verfahren, das unzählige, höchst kostspielige Experimente im größten Styl
                              									erforderte, durchführen und hätte es ohne ein Patentgesetz sicher so geheim wie
                              									möglich gehalten. Mactear beschickt also den rotirenden
                              									Sodaofen sofort mit Sulfat, Kohle und Kreide (oder Kalkstein), und zwar nimmt er von
                              									letzterm nur so viel, als dem chemischen Aequivalente entspricht, oder ganz wenig
                              									mehr. Die Operation wird dann ohne Unterbrechung fortgesetzt, bis sie fast ganz zu
                              									Ende ist, was man an dem flüssigen Zustande der Masse und an andern leicht zu
                              									erkennenden Zeichen sieht. Jetzt wird der Cylinder einen Augenblick still gestellt,
                              									und eine kleine Menge grob gepulverten kaustischen Kalkes (Mactear sagt 10 Proc. vom Gewichte des Sulfats, thatsächlich soll man oft
                              									nur 5 Proc. nehmen) wird eingeworfen; man läßt nur wenige Umgänge des Cylinders
                              									machen, um den Kalk gleichmäßig in der schon fertigen Sodaschmelze zu vertheilen und
                              									läßt dann den Inhalt des Ofens auslaufen. Dies ist etwas ganz anderes, als der
                              									vorhin berührte Versuch, gleich von Anfang an kaustischen Kalk zuzumischen, und erst
                              									viele Versuche ergaben, daß der Zusatz desselben am Schlusse der Operation der
                              									Schmelze keinen Schaden bringt, sondern im Gegentheil ihr nur nutzt, indem sie, wie
                              									oben beschrieben, durch das Aufschwellen des sich löschenden Kaltes porös wird.
                              									Dabei hat man es in der Hand, durch stärkern oder schwächern Zusatz von Kalk die
                              									Soda mehr oder weniger kaustisch zu machen; das letztere ist z. B. für Krystallsoda
                              									höchst erwünscht. Mactear gibt als Vortheile seines
                              									Verfahrens folgende an, welche sich auch nach mir von anderer Seite gewordenen
                              									Mittheilungen in der That vollständig als solche bewährt
                              									haben: 1) Da man erheblich weniger kohlensauren Kalk anwendet, so kann man in einem
                              									Ofen von bestimmter Größe viel mehr Sulfat zusetzen. 2) Da das „liming“ fortfällt, so ist die Arbeitszeit
                              									eine viel geringere; man kann also in der gleichen Zeit bedeutend mehr Chargen (etwa
                              									½mal mehr) in demselben Ofen durchbringen. 3) Man erspart bedeutend an
                              									kohlensaurem Kalk und an Kohlen (namentlich durch die kürzere Dauer der Chargen). 4)
                              									Es bleibt viel weniger 
                              									Auslaugungsrückstand und wird in Folge dessen erheblich weniger Soda als
                              										„unlösliche“verloren. (Nach Privatnachrichten soll diese
                              									vielleicht nicht bedeutend erscheinende Ersparniß doch ganz merklich sein; man
                              									verliert im gewöhnlichen Proceß 5 bis 7 Proc. der Soda durch diese Quelle.) 5) Da
                              									man den Zusatz des Aetzkalkes ganz in der Hand hat, so findet man weniger Aetznatron
                              									und Schwefelnatrium in den Flüssigkeiten.
                           Dazu kann man entschieden noch einen Vortheil, vielleicht als einen der
                              									erheblichsten, setzen. Es ist schon längere Zeit bekannt gewesen und durch genaue
                              									Untersuchungen von Scheurer-Kestner entschieden
                              									bewiesen worden, daß der Verlust an unlöslichen und im Rückstand verbleibenden
                              									Natronsalzen proportional zu der Menge des kohlensauren Kalkes in der Mischung ist.
                              									Man sollte also aus diesem Grunde einen möglichst geringen Ueberschuß von Kreide
                              									oder Kalkstein nehmen, muß aber aus andern praktischen Gründen davon abweichen und
                              									bedeutend mehr als theoretisch nöthig anwenden, weil man sonst entweder ganz
                              									unvollständige Zersetzung des Sulfates oder sogar Rückbildung von solchem
                              										(„Verbrennung“ der rohen Soda) zu befürchten hat. Bei den
                              									rotirenden Oefen sind letztere Gründe viel weniger ins Gewicht fallend; dafür kam
                              									aber wieder das Bedürfniß des „liming“ ins Spiel und hielt den Kreidezusatz auf der alten
                              									Höhe. Dagegen bei Mactear's Verfahren ist der zuletzt
                              									zugesetzte Aetzkalk viel zu kurze Zeit in Berührung mit der Schmelze, als daß sich
                              									durch seine Schuld unlösliche Natronverbindungen bilden sollten, und man findet
                              									daher nicht nur darum weniger Verlust an Soda, weil man überhaupt weniger Rückstand
                              									hat, sondern der Rückstand enthält auch an sich weniger unlösliches Natron als der
                              									gewöhnliche.
                           Die Mischung Mactear's ist folgende (nicht von ihm
                              									publicirt, aber indirect von mir aus anderweitigen Angaben entnommen): 100 Sulfat,
                              									70 Kalkstein, 38 Kohle; dazu noch, wie erwähnt, grade beim Dechargiren noch 10
                              									Aetzkalk. Der letztere kann unter diesen Umständen keine chemische Rolle im
                              									Sodabildungsproceß spielen und eben nur als Auflockerungsmittel beim Auslaugen
                              									dienen. Wenn man nun Mactear's Mischung mit der seit Leblanc allgemein üblichen (100 Sulfat, 100 Kalkstein, 50
                              									bis 60 Kohle) vergleicht, so fällt das große Minderverhältniß von Kalkstein und
                              									Kohle sofort auf, und ich möchte darauf hinweisen, daß der praktische Erfolg von Mactear's Verfahren der alten
                              									Calciumoxysulfid-Theorie den letzten Boden unter den Füßen wegzieht.
                              									Bekanntlich war das stärkste Argument für diese Theorie dasjenige gewesen, daß sich
                              									eine vollständige Zersetzung des Sulfates im Sodaofen nur durch einen Ueberschuß von Kalkstein über  den zur Bildung von Ca S erforderlichen hinaus erreichen lasse, wie man ihn
                              									factisch immer anwendete, und selbst die Formeln von Kolb, Scheurer-Kestner u. A., welche kein
                              									Calciumoxysulfid annehmen, enthalten die Bildung von Ca
                                 										O als wesentliches Glied. Aber Mactear wendet
                              									auf 100 Sulfat nur 70 Kalkstein an, d. i. ganz genau gleiche Aequivalente (100
                              									reines Na2SO4 würde 70, 42 Ca C O3 entsprechen, und
                              									erreicht trotzdem so gute Zersetzung, wie die besten frühern Resultate es ergaben.
                              									Uebrigens hat Mactear auch die Construction der Drehöfen
                              									noch im Einzelnen verbessert und verarbeitet jetzt per Ofen die enorme Quantität von
                              										50t in 24
                              									Stunden.
                           Ich will an dieser Stelle auch gleich eine frühere Erfindung von Mactear beschreiben, die sich auf Verwerthung der
                              									„gelben Laugen“aus Sodarückstand bezieht. Das bezügliche Patent datirt vom 8. September
                              									1871; es ist zwar in der deutschen Literatur nicht ganz übersehen worden, aber doch
                              									nur in drei Zeilen in den Berichten der deutschen chemischen Gesellschaft, 1872 S.
                              									397 erwähnt, woraus dann die übrigen Referate (im Chemischen Centralblatt und in
                              									Wagner's Jahresbericht) erst wieder geschöpft haben. Man würde daraus wahrlich nicht
                              									abnehmen können, daß es sich auch hier nicht um einen ephemeren Vorschlag handelt,
                              									sondern um ein Verfahren, welches seit jener Zeit fortwährend in Anwendung geblieben
                              									ist, und wonach jetzt zu St. Rollox allein 30t Schwefel per Woche, also 1500t jährlich, fabricirt
                              									werden. Es handelte sich in der Tennant'schen Fabrik
                              									nicht sowohl um die Behandlung des frischen, alle Tage entstehenden
                              									Auslaugungsrückstandes, sondern um den ungeheuren, seit vielen Jahren bei der Fabrik
                              									angesammelten Haufen, Millionen von Tonnen enthaltend, von welchem aus ein
                              									gelbrother, stinkender Teich von „gelben Laugen“ gespeist
                              									wurde, der seinen abscheulichen Inhalt in die Cloaken oder Nächstliegenden
                              									Wasserläufe so oder so entleeren mußte und zu den dringendsten und nur zu
                              									begründeten Klagen Anlaß gab. Man versuchte darauf Mond's
                              									Verfahren anzuwenden — aber nicht mit Erfolg, weil man die Zusammensetzung
                              									der Lauge nicht, in der Hand hatte. Jetzt wird umgekehrt Mactear's Verfahren auch auf die durch absichtliche Oxydation des
                              									Rückstandes nach Mond erhaltenen gelben Laugen
                              									angewendet. Mactear's Patent enthält zwei Methoden.
                           Nach der ersten mischt er die „gelben Laugen“ mit Kalk und setzt
                              									sie der Wirkung von auf gewöhniichem Wege erzeugter schwefliger Säure aus. Dies kann
                              									in einem hölzernen, mit Rührwerk versehenen Gefäße, oder in einem Thurme geschehen,
                              									in welchem die Mischung herabfließt, während das Gas aufsteigt. Dabei wird
                              									schweflige Säure absorbirt und schon etwas Schwefel niedergeschlagen; hauptsächlich
                              									wird aber Calciumhyposulfit  gebildet; auch etwas Schwefelwasserstoff wird entwickelt.
                              									Die erhaltene Lösung wird dann in solchem Verhältnisse mit frischer Schwefellauge
                              									gemischt (oder aber die Behandlung mit schwefliger Säure schon bei dem betreffenden
                              									Punkte unterbrochen), daß die Analyse auf je 2 Aeq. Schwefelcalcium Ca S2 oder 1 Aeq.
                              									Calciumsulfhydrat Ca (SH))2 je 1 Aeq. Calciumhyposulfit Ca S2
                              									O3 nachweist.
                              									Augenscheinlich folgt hierin Mactear ganz und gar den
                              									Vorschriften von Mond, welcher kurz vorher sein Verfahren
                              									zu St. Rollox ausgeführt hatte. Ganz dasselbe bezieht sich auf die Zersetzung der so
                              									erhaltenen Mischung, welche man mit Salzsäure in mit Rührern versehenen Gefäßen
                              									versetzen soll, wobei sich Schwefel niederschlägt und Chlorcalcium in Lösung geht,
                              									— alles ganz nach Mond's Verfahren (welches Mactear übrigens nicht nennt).
                              									Den Schwefelwasserstoff soll man in Kalkmilch oder aber in mit SO2 gesättigte gelbe
                              									Lauge leiten und die erhaltenen Leistungen wie oben verwenden.
                           Die andere von Mactear vorgeschlagene Methode hat sich in
                              									der Praxis als besser und billiger herausgestellt und besteht darin, daß man den
                              									Kalk ganz wegläßt (wodurch ungemein viel Salzsäure erspart werden muß) und die
                              									schweflige Säure zunächst von Wasser absorbiren läßt. Die Lösung derselben wird dann
                              									in einen hölzernen, mit Rührwerk versehenen Bottich einlaufen gelassen, zugleich mit
                              									einem Strome von gelben Laugen und von Salzsäure, wobei die drei Ströme so regulirt
                              									sind, daß eben wesentlich nur wie oben (und bei Mond)
                              									Chlorcalciumlösung und Schwefelfällung entstehen. Eine Temperatur von 70° in
                              									dem Fällungsbottich ist der Reaction am günstigsten (auch dies hat Mond gefunden). Ob das Verhältniß der
                              									drei Ströme das richtige ist, merkt man schon an dem Gerüche; es soll höchst wenig
                              									Schwefelwasserstoff entstehen; man geht aber sicher durch folgende (auch von Mond angegebene)
                              									Probe: daß die Flüssigkeit, welche in dem Zersetzungsgefäß enthalten ist, mit
                              									einigen Tropfen gelber Lauge versetzt, nicht dunkel werden soll (von Schwefelsäure);
                              									sonst fehlt es an Säure.
                           Wie man sieht, sieht Mactear ganz auf Mond's Schultern, aber neu und sehr anerkennenswerth ist
                              									die Behandlung mit schwefliger Säure, um die gelben Lauge zu corrigiren; grade
                              									dadurch wird man erst in den Stand gesetzt, solche ältere (nicht willkürlich durch
                              									geregelte Oxydation erhaltene Laugen zu verarbeiten. Der Gedanke ist höchst
                              									wahrscheinlich aus Schaffner's Verfahren entnommen,
                              									welches freilich mit seinen beiden abwechselnd arbeitenden Kesseln für jene große
                              									Fabrik zu umständlich sein möchte.
                           
                              
                                 (Schluß folgt.)