| Titel: | Zum Studium der Metamorphosen des Anilinschwarz; von Friedrich Goppelsröder. | 
| Autor: | Friedrich Goppelsröder | 
| Fundstelle: | Band 224, Jahrgang 1877, Nr. , S. 439 | 
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                        Zum Studium der Metamorphosen des Anilinschwarz;
                           								von Friedrich
                              								Goppelsröder.
                        Goppelsröder, zum Studium der Metamorphosen des
                           								Anilinschwarz.
                        
                     
                        
                           Seit meinen frühern Mittheilungen (1876 221 75) 1877 223 317. 634. 224 92. 209)
                              									über meine elektro-chemischen Studien der Benzolderivate habe ich diese
                              									Arbeit fortgesetzt und u. a. meine Aufmerksamkeit auch den Metamorphosen des von mir
                              									auf elektrolytischem Wege bereiteten Anilinschwarz zugewendet, welches, wie
                              									überhaupt das auf verschiedenen Wegen bereitete Anilinschwarz, ein ganz besonderes
                              									Interesse darbietet — nicht nur vom praktischen, sondern auch vom
                              									theoretischen Standpunkte aus betrachtet.
                           Schon früher habe ich davon gesprochen, wie sich das elektrolytisch bereitete
                              									Anilinschwarz verhält, wenn es für sich allein oder mit Natronkalk oder auch mit
                              									Anilin, Methyldiphenylamin, Pseudotoluidin, Methylanilin, Nitrobenzol, Alkohol oder
                              									Jodäthyl erhitzt wird. Ich habe diese Untersuchungen fortgesetzt, begnüge mich aber
                              									für dieses Mal von zwei andern Metamorphosen des Anilinschwarz Mittheilung zu
                              									machen.
                           
                           1. Ueber Anilinschwarzküpe. Die Base des elektrolytischen
                              									Anilinschwarz, welche man erhält, indem man das am positiven Pol erhaltene Schwarz
                              									nach Reinigung mit kochendem Wasser und Alkohol mit Kali- oder Natronlösung
                              									behandelt, löst sich, wie ich schon seiner Zeit mitgetheilt habe, in rauchender
                              									Schwefelsäure auf. Man muß fleißig umrühren. Es entwickelt sich Wärme. Je nach der
                              									Säuremenge und je nach der Einwirkung wird die Lösung blauviolett oder dunkelgrün.
                              									Die Behandlung muß so lange dauern, bis die Flüssigkeit vollständig homogen ist;
                              									dann wird die Lösung in Wasser gegossen. War die Einwirkung der rauchenden
                              									Schwefelsäure genügend, so muß sich nun ein rein grüner Niederschlag bilden, während
                              									die Flüssigkeit farblos oder leicht rothviolettlich ist. Der Niederschlag wird mit
                              									Wasser gewaschen, bis dieses keine saure Reaction mehr zeigt. Wenn man fortfährt,
                              									den Niederschlag mit Wasser zu behandeln, löst er sich mit grüner Farbe auf, beim
                              									Erwärmen noch leichter. Diese grüne Lösung färbt weder gebeizte noch ungebeizte
                              									Baumwolle, aber die Wolle. Sie färbt sich blau durch Zusatz von Ammoniak, beim
                              									Erwärmen damit blauviolett. Diese gibt an Aether so wenig als die blaue Lösung etwas
                              									ab. Aetzkali- oder Aetznatronlösung verändern das Grüne in Blau, dann beim
                              									Erwärmen in Violett; Zusatz von Salzsäure macht das Grün wieder erscheinen.
                           Ebendieselbe grüne Lösung wird durch Hydrosulfit, ebenso durch Zinkpulver allein oder
                              									mit Säure entfärbt. Die entfärbte Flüssigkeit wird durch rauchende Salpetersäure
                              									wieder grün. Mit Natriumamalgam wird die grüne Flüssigkeit blauviolett, dann sehr
                              									langsam entfärbt. Mit Eisensulfat, selbst in der Wärme, findet keine Reduction
                              									statt. Schweflige Säure wirkt nicht, ebenfalls nicht Natriumhyposulfit unter Zusatz
                              									einiger Tropfen verdünnter Schwefelsäure. Fügt man aber Zinkhydrosulfit oder
                              									Calciumhydrosulfit zu, so geht die Farbe der Lösung sofort ins Gelbe über. Durch
                              									Natriumhypochlorid in der Kälte wird sie rothviolett, dann immer röther, beim
                              									Erwärmen orange, durch Zusatz von schwefliger Säure gelb. Mit Kaliumbichromat
                              									erwärmt, bleibt sie grün, wird aber durch Permanganat unter Zusatz von Schwefelsäure
                              									entfärbt. Chlorwasser macht das Grün anfänglich intensiver, dann blauviolett, blau,
                              									violett und endlich weinroth; durch Ammoniak wird die Flüssigkeit braun.
                           Durch Kaliumferricyanür und Natronlauge entsteht beim Erwärmen braune Färbung der
                              									Flüssigkeit. Mit Kupfersulfat entsteht ein grüner Niederschlag, der nach dem Waschen
                              									und nach Suspension in Wasser mit Schwefelwasserstoff eine nach Abfiltriren vom
                              									Schwefelkupferniederschlage fast farblose Flüssigkeit gibt, die durch Chlorwasser
                              									grün, dann violett wird.
                           
                           Die mit Barytwasser übersättigte Flüssigkeit gibt einen grünen Niederschlag, während
                              									die filtrirte Flüssigkeit violett bleibt.
                           Die mit Schwefelwasserstoff behandelte grüne Lösung bleibt grün und wird durch
                              									Chlorwasser violett. Mit Bleiacetat gibt sie einen grünen Niederschlag, mit
                              									Zinntetrachlorür auch einen dunkelgrünen Niederschlag, welcher durch Chlorwasser
                              									zuerst blau, dann violett wird und sich endlich in Natronlauge blauviolett löst.
                              									Zinnchlorür gibt auch einen grünen Niederschlag, welcher sich gelbgrünlich in der
                              									heißen Natronlauge löst. Die grüne Lösung gibt mit Kaliumbichromat in der Wärme
                              									einen schwarzen Niederschlag. Die grüne Lösung wird blauviolett durch
                              									Kaliumhypochlorid, dann rothviolett. Diese rothviolette Flüssigkeit wird wieder grün
                              									durch schweflige Säure und geht durch Kaliumhypochlorid wieder in Violett über.
                              									Durch einen Ueberschuß von Kaliumhypochlorid wird die Lösung rothgelb, beim Erwärmen
                              									gelb; sie wird durch schweflige Säure nicht wieder grün, geht aber in Blauviolett
                              									über durch Natriumhyposulfit, endlich ins Bräunliche und wird hernach durch
                              									Kaliumhypochlorid wieder violett. Dieselbe rothviolette Flüssigkeit wird durch
                              									Schwefelwasserstoff gelbbraun, und gelborange, wenn man Natriumhypochlorid zufügt
                              									und erwärmt. Die rothviolette Flüssigkeit wird gelbbraun durch Natriumamalgam, durch
                              									Natriumhypochlorid wieder violett.
                           Wenn aber die zur Behandlung der Basis des Anilinschwarz angewendete Schwefelsäure
                              									nicht concentrirt genug war, so gibt die saure Flüssigkeit, in Wasser gegossen,
                              									einen grünen Niederschlag, welcher in Wasser unlöslich ist. Weder der eine, noch der
                              									andere grüne Niederschlag lassen sich durch Ozon oder durch eines der bekannten
                              									Agentien zu Schwarz umwandeln. Der grüne Niederschlag oder seine grüne wässerige
                              									Lösung geben nach Neutralisation mit Alkalilösung eine blaue Flüssigkeit mit
                              									violettlichem Stich. Diese blaue alkalische Lösung gibt folgende Reactionen: Durch
                              									Salzsäure wird sie wieder grün; es bildet sich ein grüner Absatz, und die
                              									Flüssigkeit entfärbt sich nach einiger Zeit. Aether zieht daraus nichts aus,
                              									ebensowenig Chloroform. Natriumhypochlorid in der Kälte macht sie immer mehr
                              									rothviolett, in der Wärme dunkel rothorange, und ein Ueberschuß entfärbt sie bis zum
                              									Gelb. Durch Ferricyanür wird sie in der Wärme gelbbraun; durch Essigsäure, Salzsäure
                              									etc. wieder grün. Brom macht sie zuerst blauviolett, dann rothviolett, ein
                              									Ueberschuß entfärbt sie. Durch Chlorwasser wird sie zuerst blauviolett, dann
                              									rothviolett; endlich wird sie dadurch entfärbt. Durch rauchende Salpetersäure wird
                              									sie zuerst grün, dann beim Erwärmen entfärbt.
                           Unter den Eigenschaften dieser blauen Lösung hebe ich besonders die hervor, durch
                              									Glycose reducirt zu werden, oder auch durch andere  reducirende Mittel. Behandelt
                              									man die alkalische Flüssigkeit unter leichtem Erwärmen mit Glycose, so wird sie
                              									gelblich oder gelbbraun, hernach aber wird sie wieder rasch blau durch die
                              									Einwirkung der Luft. Durch Hypochloride und durch Chlorwasser färbt sich die
                              									Flüssigkeit blauviolett, durch Permanganat rothviolett.
                           Wenn man in eine solche ziemlich concentrirte Küpe des Anilinschwarz vegetabilische
                              									oder animalische Fasern taucht, so färben sie sich an der Luft rasch violett,
                              									schneller noch in Ozon, dann blauviolett und blau, welche Färbungen durch verdünnte
                              									Säuren grün werden, durch Kochen mit Alkohol sich nicht ändern und auch nichts an
                              									denselben abgeben, auch nicht nach Zusatz von Essigsäure, durch welche das Zeug blos
                              									grün wird und von neuem wieder blau durch Ammoniak. Die Alkalien aber lösen alles
                              									Blau mit violettlichem Stich auf. Behandelt man die blaue Faser mit einem
                              									oxydirenden Bade, so entwickelt sich das durch Säuren nicht grün werdende Schwarz.
                              									War das Blau hell, so erhält man ein Grau, war es dunkel, so erhält man ein
                              									Schwarz.
                           Ich brauche wohl nicht daran zu erinnern, daß, wenn man die Glycose mit einer
                              									Aetzlösung selbst während 5 Minuten in der Kochhitze behandelt, die Flüssigkeit
                              									braungelb wird und Baumwolle darin sich nur bräunlich gelb färbt. Je nach der
                              									Concentration der Küpe kann man die verschiedensten Nüancen vom sehr hellen Grau bis
                              									zum satten Schwarz erhalten. Man kann also Anilinschwarz auf den Fasern in analoger
                              									Weise wie das Indigblau fixiren. Man imprägnirt die Faser mit dem Chromogen, welches
                              									an der Luft sich schnell oxydirt und sich in Farbstoff umwandelt, welcher auf der
                              									Faser fixirt bleibt.
                           Man kann die Schwarzküpe, mit Glycose oder Hydrosulfit bereitet, auch zur Indigküpe
                              									setzen und dadurch die blaue Indignüance dunkler machen. In einem vergleichenden
                              									Versuche mit der Indigküpe und mit einer Indig- und Schwarzküpe zugleich wird
                              									letztere viel dunkleres Blau liefern. Man kann nach dem Färben die in der
                              									gemeinschaftlichen Küpe gefärbten Stücke wie die in der Indigküpe gefärbten
                              									behandeln und überdies das Schwarz noch durch das Mittel von Jeanmaire, nämlich eine mit Schwefelsäure angesäuerte Eisenchloridlösung
                              									überoxydiren. Man kann die Stücke auch zuerst mit Schwarzküpe grundiren und dann mit
                              									der Indigküpe blau ausfärben. Man kann auch die Schwarzküpe, wie man es für die
                              									Indigküpe macht, aufdrucken. Mit einer weniger concentrirten Farbe erhält man ein
                              									sehr schönes Grau.
                           Die alkalische blauviolette Lösung kann ebenso gut mit Calciumhydrosulfit und mit
                              									metallischem Zink als mit Glycose reducirt werden. Die Küpe mit Calciumhydrosulfit
                              									in alkalischer Flüssigkeit gelingt sehr  gut. Die Flüssigkeit wird gelb, und Baumwolle, welche in
                              									dieser Flüssigkeit getränkt wird, nimmt an der Luft rasch eine blaue Färbung an.
                              									Fügt man der alkalischen Flüssigkeit eine saure Lösung von Zinkhydrosulfit zu, so
                              									entsteht grüne Färbung, und durch einen Ueberschuß des Reagens bildet sich ein
                              									grüner Niederschlag, während sich die Flüssigkeit entfärbt.
                           Es gelang mir noch nicht, eine Schwarzküpe zu bereiten, wie man es für Indigo thut
                              									— nämlich mit Eisenvitriol und Aetzkalk. Ich erhielt nur einen schwarzen
                              									Absatz (auf welchem sich ein blauvioletter Niederschlag befindet), gebildet aus
                              									einem schwarzen Lack mit Kalk- und Eisengehalt, wie es die Zersetzung mit
                              									Salzsäure beweist, welche daraus Kalk und Eisen auflöst, während das Schwarz sich
                              									ohne Veränderung niederschlägt. Die klare Flüssigkeit war rothviolettlich und
                              									entfärbte sich durch Natriumhypochlorid.
                           Man kann, um durch die Küpe zu einem dunkeln Schwarz zu gelangen, auf folgende Weise
                              									verfahren: Man tränkt das Zeug abwechselnd in der Küpe und setzt es der Luft aus,
                              									bis man zu einem sehr dunkeln Blau angelangt ist; dann überoxydirt man nach Jeanmaire's Verfahren mit angesäuerter Eisenchloridlösung
                              									und gelangt zu einem durch Säuren nicht mehr grün werdenden Schwarz. Nachher fängt
                              									man wieder an, abwechselnd in der Küpe zu tränken und dem Sauerstoff der Luft
                              									auszusetzen, überoxydirt von neuem und sofort, bis man zum gewünschten Schwarz
                              									angelangt ist.
                           Eine alkoholische Lösung von Kaliumnitrit entfärbt die blaue Lösung selbst in der
                              									Wärme nicht, während die Entfärbung sofort eintritt, wenn man eine Lösung von
                              									Glycose oder Hydrosulfit beifügt; nach dem Entfärben erscheint die grüne Färbung
                              									wieder durch Zusatz von rauchender Salpetersäure. Die blaue Lösung wird auch durch
                              									ein Gemisch von Glycerin, Zinnstannit und Soda entfärbt, nach dem Verfahren von Prudhomme für Indigo.
                           Bedient man sich der Küpe für Tinte, so sieht man die Buchstaben zuerst schwach
                              									gefärbt, dann blau bis dunkel schwarz werdend. Man kann also das reducirte
                              									Anilinschwarz als Tinte verwenden; dies hat auch Wichtigkeit für eine Zeichentinte
                              									für die Zeuge in den Bleichereien, Färbereien, Druckereien und Haushaltungen. Malt
                              									man z. B. mit der einen Ueberschuß von Glycose enthaltenden Schwarzküpe auf Papier,
                              									so erhält man je nach der Zahl der Anstriche Nüancen, welche vom Hellgrau bis sehr
                              									dunklem Schwarz variiren; das so erhaltene Schwarz ist glänzend. Die damit erhaltene
                              									Schrift wird braungelb durch Hydrosulfit, geht dann aber wieder in Blau und alsdann
                              									in Schwarz durch  die
                              									Oxydation an der Luft über. Sie wird rothviolett durch Calciumhypochlorid und dann
                              									dadurch entfärbt, grün durch eine Säure und wieder schwarz durch Ammoniak, violett
                              									durch ein Alkali.
                           Zeug, welches mit der Schwarzküpe bis zu violettlichem Blau gefärbt ist und dann mit
                              									einer Lösung von Aetzkali unter Zusatz von Glycose behandelt wird, entfärbt sich;
                              									die Flüssigkeit wird gelb, wie wenn die Glycose allein in der alkalischen
                              									Flüssigkeit aufgelöst wäre. Zeug, das stärker blau gefärbt ist, verhält sich in
                              									analoger Weise. Mit nicht überoxydirtem Anilinschwarz gefärbtes Zeug entfärbte sich
                              									gleichfalls durch die alkalische Glycoselösung. Das auf Zeug befindliche
                              									überoxydirte Schwarz gibt an Aetzkalilösung nur sehr wenig violetten Farbstoff ab,
                              									welcher durch Zusatz von Glycose entfärbt wird. Dasselbe Zeug entfärbt sich, wenn
                              									man es mit einer alkalischen Glycoselösung behandelt, wird graublau und durch eine
                              									Säure hernach grün.
                           Diese beschriebene Reduction durch Glycose in Gegenwart eines Alkalis kann ebenso gut
                              									mit dem Derivate der Basis des Anilinschwarz des Handels als mit dem der Basis des
                              									elektrolytischen Schwarz ausgeführt werden. Es ist aber nöthig, daß die Basis des
                              									Schwarz zuerst mit einem Alkali freigemacht werde, ehe man die weitere Behandlung
                              									vornimmt. Ich habe bis dahin mit einem ausgezeichneten Schwarz von d'Andiran und Wegelin in
                              									Mülhausen außer mit meinem elektrolytischen Producte operirt. Die Schwarz des
                              									Handels müssen zuerst mit kochendem Wasser und dann mit Alkohol gereinigt werden.
                              									Dann wird das so gereinigte Anilinschwarz mit Kali- oder Natronlösung in der
                              									Wärme behandelt; die frei gewordene Basis wird mit Wasser gewaschen und dann
                              									getrocknet. Der alkalische Auszug hat eine rothviolette Farbe. Hierauf wird die
                              									Basis in rauchender Schwefelsäure aufgelöst und diese Lösung in Wasser gegossen,
                              									wobei ein grüner Niederschlag entsteht, den man von der Flüssigkeit trennt. Dieser
                              									grüne Niederschlag wird gewaschen. In dicker Masse sieht er schwarz aus, in dünner
                              									Schicht, auf die Fensterscheibe gestrichen, muß er rein grün aussehen. Er löst sich
                              									in Kali- oder Natronlösung mit blauer Farbe auf, und diese Lösung wird durch
                              									Glycose oder Calciumhydrosulfit oder die erwähnten andern hydrogenirenden Agentien
                              									entfärbt.
                           Hinsichtlich einer Erklärung der mitgetheilten Thatsachen und einer Theorie über die
                              									Beziehungen des Anilinschwarz zu den verschiedenen damit im Zusammenhang stehenden
                              									Körpern, ist es vor allem nöthig, die Elementaranalysen der verschiedenen Körper
                              									auszuführen und ihre Metamorphosen noch einläßlicher zu studiren. Ich bin mit dieser
                              									Arbeit eben schon beschäftigt. Dennoch erlaube ich mir heute schon, die Art und  Weise aus einander zu
                              									setzen, wie ich mir die bis jetzt bekannten Thatsachen erkläre.
                           Ich habe für die Basis des elektrolytischen Anilinschwarz die Formel C24H20N4 in Folge der damit
                              									angestellten Elementaranalyse gefunden. Ich schwankte zwischen den beiden
                              									rationellen Formeln:
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 224, S. 445
                              
                           Die neuen Thatsachen lassen sich besser mit Annahme der
                              									erstern Formel erklären. Ich erkläre mir dieselben auf folgende Weise: Die Base des
                              									Anilinschwarz, eine Tetrazoverbindung, ändert sich durch rauchende Schwefelsäure in
                              									Sulfosäure; diese gibt ein farbloses hydrogenirtes Derivat und mit Alkalien in
                              									Wasser mit blauviolettlicher Farbe lösliche Salze. Diese blauen Lösungen entfärben
                              									sich durch hydrogenirende Mittel; sie werden nachher an der Luft durch
                              									Deshydrogenation von neuem blau und geben dann das durch Säuren grün werdende
                              									Schwarz, welches durch Ueberoxydation sich in Schwarz umändert, das durch Säuren
                              									nicht mehr grün wird. Ich habe zur Ueberführung des durch Säuren grün werdenden
                              									Schwarz in oxydirtes echtes Anilinschwarz verschiedene der dazu empfohlenen
                              									oxydirenden Agentien angewendet, so eine wässerige Lösung von chlorsaurem Kali,
                              									welche noch mit Kupfervitriol und Salmiak versetzt wurde, oder eine wässerige Lösung
                              									von chlorsaurem Kali mit Kupferchlorid, oder eine wässerige Lösung von
                              									doppeltchromsaurem Kali, namentlich aber das ausgezeichnete Jeanmaire'sche Mittel, eine wässerige, mit etwas Schwefelsäure versetzte
                              									Lösung von Eisenchlorid.
                           Bei der Entwicklung des Anilinschwarz in saurer Lösung der Anilinsalze bildet sich
                              									zuerst das Emeraldin, ein grüner Körper, welcher nicht mit jenem grünen Körper
                              									verwechselt werden darf, der sich bildet, wenn die Lösung des Anilinschwarz in
                              									rauchender Schwefelsäure in Wasser gegossen wird. Das Emeraldin wird durch Alkalien
                              									blau, ändert sich durch Oxydation an der Luft in Schwarz, das durch Säuren grün wird
                              									und durch Oxydation mit einem der obigen Mittel in echtes, nicht mehr durch Säuren
                              									veränderliches Schwarz übergeht.
                           Es müssen also durch Analyse und Metamorphosen folgende Körper genau untersucht
                              									werden: 1) Emeraldin, das Zwischenglied zwischen dem  unechten Schwarz und den
                              									Anilinsalzen; 2) das durch Säuren grün werdende Schwarz; 3) das oxydirte echte
                              									Schwarz, 4) das grüne Product der Einwirkung der rauchenden Schwefelsäure aus das
                              									grün werdende (und auf das echte) Schwarz; 5) das farblose Product der Hydrogenation
                              									dieses grünen Körpers Nr. 4, welches man einstweilen die Sulfosäure des reducirten
                              									Anilinschwarz oder Anilinweiß nennen könnte. Diese verschiedenen Körper folgen sich,
                              									wenn man von den Anilinsalzen ausgeht, in der folgenden Reihe: Anilinsalze,
                              									Emeraldin, Schwarz, Sulfosäure des Schwarz, Sulfosäure des hydrogenirten Schwarz,
                              									durch Oxydation von neuem das Schwarz.
                           Folgende, zum Theil nur hypothetische Formeln dienen mir einstweilen zur Erklärung
                              									der Entwicklung des Anilinschwarz aus den Anilinsalzen und des Zusammenhanges der
                              									verschiedenen bis jetzt beobachteten Körper.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 224, S. 446
                              4 Mol. Anilin.; 2 Mol.
                                 										Hydrazobenzol.; Hydrogenirtes oder reducirtes Anilinschwarz (Anilinweiß).;
                                 										Emeraldin.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 224, S. 446
                              Anilinschwarz, durch Säuren; grün
                                 										werdend Oder 2 Mol.; Oxydirtes Anilinschwarz, durch Säure nicht grün
                                 										werdend.
                              
                           2. Aenderung der Base des Anilinschwarz in einen rosarothen
                                 										fluorescirenden Farbstoff. Ich behandelte die Base des elektrolytischen
                              									Anilinschwarz mit geschmolzenem doppeltschwefelsaurem Kali. Es entwickelten sich
                              									Schwefligsäure und Stickstoffgas. Die geschmolzene Masse enthielt weder Sulfit noch
                              									Hyposulfit, noch Sulfür. Die mit Wasser gekochte Masse färbte dasselbe nur leicht
                              									gelblich. Der in Wasser unlösliche Rückstand wurde in der Wärme des Wasserbades mit
                              									concentrirter Schwefelsäure behandelt. Die saure Lösung wurde in Wasser gegossen. Es
                              									bildete sich ein reichlicher schwarzer Niederschlag.  Die Flüssigkeit war rothviolett
                              									gefärbt und wurde durch Zusatz von Ammoniak fluorescirend. Aus dem Niederschlage zog
                              									Alkohol einen rosarothen Farbstoff aus, welcher dieselbe Fluorescenz und dieselben
                              									spectralanalytischen und chemischen Reactionen wie das Naphtalinrosa gab. Neben dem
                              									Rosafarbstoff bildet sich sehr wenig violetter Farbstoff.
                           Ich betrachte die Umänderung des Schwarz in den Rosafarbstoff als einen Act der
                              									Deshydrogenation. Die Elementaranalyse und das Studium der Metamorphosen werden die
                              									Formel dieses Rosafarbstoffes bestimmen. Wenn es wirklich Naphtalinrosa ist, so wäre
                              									seine Bildung durch folgende Gleichung zu erklären:
                           5 (C24H20N4) - 16H - 8N = 4 (C30H21N3).
                           Die Reaction zwischen dem Schwarz und dem Bisulfat wäre:
                           5 (C24H20N4) + 16 (HKSO4) = 8 N + 16H2O + 8SO2 + 8K2SO4 + 4[C30H21N3].
                           Das Bisulfat zersetzt sich in folgender Weise:
                           2KHSO4 = K2SO4 + H2O + O + SO2.
                           Ich bin damit beschäftigt, die Wirkung der Bisulfate und gewisser Sulfate auf
                              									verschiedene organische Körper zu studiren, überzeugt, daß sie eine viel größere
                              									Anwendung als bis dahin zum Oxydiren oder Deshydrogeniren finden können.
                           Wenn man nach dem Behandeln der Base des Anilinschwarz mit doppeltschwefelsaurem Kali
                              									die Masse mit kochendem Wasser behandelt und dann mit Alkohol, der mit verdünnter
                              									Schwefelsäure angesäuert ist, so färbt sich dieser hell violett. Behandelt man
                              									nachher den Rückstand mit kaustischer Kalilösung, so wird diese violettrosa, und der
                              									Rückstand gibt an Alkohol einen blauen Farbstoff ab.
                           Ich erhielt diese Resultate nicht nur mit der Base des auf elektrolytischem Wege
                              									gewonnenen Anilinschwarz, sondern auch mit der Base des auf gewöhnlichem chemischem
                              									Wege dargestellten. So arbeitete ich zum Beispiele auch mit dem ausgezeichneten
                              									Producte von d'Andiran und Wegelin in Mülhausen. Wenn man aber, anstatt die Base des Schwarz auf
                              									beschriebene Weise zu behandeln, das Salz anwendet, d. h. den Absatz, wie er sich am
                              									positiven Pole bildet, oder das Anilinschwarz des Handels, so bläht sich die Masse
                              									auf und es bildet sich neben schwefliger Säure ein Gas, welches mit blauer Flamme
                              									brennt. Ich erhielt mit dem Salz nicht das gleiche Resultat wie mit der Base. Man
                              									muß also das aus Anilinsalzen durch ein deshydrogenirendes Mittel erhaltene Schwarz,
                              									ein Salz der Tetrazoverbindung, der ich die Formel C24H20
                              									N4 gebe, nach Reinigung
                              									mit kochendem Wasser und kochendem Alkohol, z. B. mit Aetzkalilösung, in die freie
                              									Base umwandeln. Diese 
                              									wird nach vollständigem Auswaschen und nach dem Trocknen der einen oder andern
                              									Metamorphose unterworfen.
                           Ich danke schließlich Hrn. Barrelet, Assistent in der
                              									hiesigen Schule für Chemie, für den Eifer und die Gewissenhaftigkeit, mit welcher er
                              									bei den von mir angestellten Versuchen mit gearbeitet hat.
                           Mülhausen, März 1877.