| Titel: | Ueber Ultramarin; von J. Philipp in Berlin. | 
| Fundstelle: | Band 224, Jahrgang 1877, Nr. , S. 635 | 
| Download: | XML | 
                     
                        
                        Ueber Ultramarin; von J. Philipp in Berlin.
                        Philipp, über Ultramarin.
                        
                     
                        
                           Verfasser bespricht die Ansichten von Stölzel (1856 140 210), R. Hoffmann (1876
                              										220 53) und andern Chemikern über die Constitution
                              									des Ultramarins und berichtet dann über eigene Versuche (Berichte der deutschen
                                    									chemischen Gesellschaft, 1876 S. 1109), welche den Zweck hatten festzustellen, ob
                              									die Sauerstoffverbindungen des Schwefels, welche bei der Behandlung des blauen
                              									Ultramarins mit Säuren auftreten, wirklich als solche in demselben enthalten, ob sie
                              									wesentliche oder zufällige Bestandtheile sind, und das Verhältniß, in welchem grünes
                              									und blaues Ultramarin zu einander stehen, einer genauern Prüfung zu unterwerfen. Als
                              									Material zu derselben diente ein grünes und blaues Ultramarin der kieselarmen Reihe
                              									aus der Ultramarinfabrik Marienberg in Hessen; dieselben sind, abgesehen von kleinen
                              									Mengen Natriumsulfat, welche sich leicht durch Wasser auswaschen lassen, frei von
                              									den gewöhnlichen Verunreinigungen, Calcium und Eisen, und zeichnen sich vor andern
                              									Ultramarinsorten durch ihre große Reactionsfähigkeit aus.
                           Die Analysen wurden in gewöhnlicher Weise ausgeführt; nur zur Ermittlung der
                              									verschiedenen Formen, in welchen der Schwefel bei der Zersetzung mit Salzsäure
                              									auftritt, wurden, unter Benutzung der von R. Hoffmann
                              									gemachten Vorschläge, neue Methoden befolgt, welche den Zweck hatten, auf möglichst
                              									einfache Weise vergleichbare Zahlenwerthe zu erhalten. Zur Bestimmung des sich
                              									ausscheidenden Schwefels wurde Ultramarin mit Salzsäure zur Trockne abgedampft, aus
                              									dem ausgeschiedenen Gemenge von Kieselsäure und Schwefel die erstere mittels
                              									Flußsäure verflüchtigt und der Schwefel gewogen; im Filtrat wurde derjenige Schwefel
                              									bestimmt, welcher in Form von Schwefelsäure in Lösung gegangen ist. Mit einer andern
                              									Menge wurden dieselben Operationen bei Gegenwart von Jodlösung vorgenommen; der sich
                              									hierbei ausscheidende Schwefel enthält noch diejenige Menge Schwefel, welche sonst
                              									als Schwefelwasserstoff entweichen würde, während die gebildete Schwefelsäure auch
                              									der schwefligen und unterschwefligen Säure ihre Entstehung  verdankt. In einer dritten
                              									Probe endlich wurde der Schwefel aus dem Schwefelwasserstoff und der schwefligen
                              									Säure dadurch bestimmt, daß das Ultramarin bei Gegenwart von titrirter Jodlösung mit
                              									Salzsäure zersetzt und die rückständige Jodlösung mittels unterschwefligsauren
                              									Natriums und Jodlösung ermittelt wurde.
                           Die auf diese Weise erhaltenen Zahlen zeigen nun einige charakteristische
                              									Eigenthümlichkeiten; es geht aus ihnen hervor, daß man sie nicht ohne weiteres, wie
                              									man vermuthen sollte, zur directen Bestimmung der im Ultramarin enthaltenen Mengen
                              									von Sulfuret, Sulfit, Sulfat etc. benutzen kann. So folgt aus denselben, daß die
                              									Schwefelsäure, welche bei der Zersetzung durch Salzsäure auftritt, durchaus nicht
                              									als solche im Ultramarin enthalten sein kann, daß dieselbe wenigstens zum Theil erst
                              									während der Zersetzung, wahrscheinlich durch gegenseitige Einwirkung von schwefliger
                              									Säure und Schwefelwasserstoff und darauf folgende Zersetzung der gebildeten
                              									Pentathionsäure, entsteht.
                           Zur Entscheidung der Frage, ob die Sauerstoffverbindungen des Schwefels wesentlich
                              									zur Constitution des blauen Ultramarins gehören, wurden verschiedene Versuche
                              									ausgeführt. Zunächst wurde blaues Ultramarin bei Luftzutritt geglüht, so daß es
                              									theilweise weiß, also zerstört wurde. In dieser Masse wurde nach dem vollständigen
                              									Auswaschen mit Wasser eine ziemliche Menge von Schwefelsäure gefunden; noch größer
                              									war die Menge dieser Schwefelsäure in einer Probe von Ultramarin, welches sich in
                              									dem Mauerwerk eines Sulfatofens gebildet hatte. Es scheint demnach die bei der
                              									Zersetzung des Ultramarins durch Säuren auftretende Schwefelsäure, welche im innigen
                              									Verhältniß zu den übrigen Sauerstoffverbindungen des Schwefels steht, zum Theil
                              									wenigstens ihre Entstehung einer zu weit getriebenen Oxydation, durch welche ein
                              									kleiner Theil des Ultramarins zerstört worden, zu verdanken; der Gedanke liegt nahe,
                              									daß das Ultramarin nach dem Glühen kleine Mengen von schwefelsaurem,
                              									unterschwefligsaurem und schwefligsaurem Natrium festhalten kann, so daß sich
                              									dieselben nicht durch Wasser auswaschen lassen, ähnlich wie durch Kaliumhydroxyd
                              									gefälltes Eisenhydroxyd einen Theil des Fällungsmittels zurückbehält. Eine ähnliche
                              									Beobachtung hat R. Hoffmann am Thon, der mit
                              									Natriumsulfat geglüht war, gemacht.
                           Eine Probe des Ultramarius wurde mit Wasser im zugeschmolzenen Rohr auf 180°
                              										erhitztErhitzt man kieselreiches Ultramarin mit Wasser auf 200°, so resultirt
                                    											eine Lösung, welche stark alkalisch reagirt, stark nach Schwefelwasserstoff
                                    											riecht und, mit Salzsäure abgedampft, relativ viel Natriumsalz hinterläßt.
                                    											Aus dem rückständigen Ultramarin wurde durch Kali ziemlich viel freier
                                    											Schwefel und freie Thonerde ausgezogen., in der Hoffnung, daß
                              									hierdurch die 
                              									mechanisch zurückgehaltenen Natriumsalze aufgelöst werden können. In der That zeigte
                              									die wässerige Lösung Reactionen, welche einem Gehalte an schwefligsaurem und
                              									unterschwefligsaurem Natrium zuzuschreiben sind; bei mehrmaliger Wiederholung der
                              									Operation mit dem Rückstände wurde der Gehalt der Lösung an diesen Salzen immer
                              									schwächer. Es gelang jedoch nicht, wie die Bestimmung der verschiedenen
                              									Schwefelmengen zeigte, selbst durch Erhitzen mit Wasser auf 200° die
                              									Sauerstoffverbindungen des Schwefels vollständig aus dem Ultramarin zu entfernen.
                              									Daß diese Sauerstoffverbindungen jedoch nicht wesentlich für die Constitution des
                              									blauen Ultramarins sind, geht unzweifelhaft aus dem Umstande hervor, daß sich aus
                              									dem grünen Ultramarin blaues erhalten läßt, ohne daß sich die Vertheilung des
                              									Schwefels irgendwie ändert, und daß sich ferner durch Zersetzung des grünen sowohl,
                              									wie des blauen Ultramarins Producte bilden, welche nicht mehr als Ultramarin
                              									betrachtet werden können, jedoch bei der Zersetzung mit Salzsäure dieselbe
                              									Vertheilung des Schwefels wie das angewendete Grün und Blau zeigen.
                           Bisher waren folgende Methoden bekannt, grünes Ultramarin in blaues überzuführen:
                           1) Oxydation durch den Sauerstoff der Luft beim Erhitzen oder durch Schmelzen mit
                              									chlorsaurem Kalium. 2) Ueberleiten von schwefliger Säure (Erhitzen mit Schwefel bei
                              									Luftzutritt). 3) Ueberleiten von Chlor. 4) Abdampfen mit Salmiaklösung. Außerdem
                              									bemerkt Gmelin, daß grünes Ultramarin, längere Zeit in
                              									Papier eingewickelt, sich von selbst im Laboratorium in blaues verwandelt hatte.
                           Es läßt sich diese Umwandlung noch durch folgende Mittel bewerkstelligen:
                           1) Durch wiederholtes Erhitzen mit Jod bei Luftzutritt.
                           2) Durch Erhitzen mit Jodlösung auf 140 bis 160°. (Bei höherer Temperatur und
                              									fortgesetztem Erhitzen wird das Ultramarin vollständigzersetzt.)
                           3) Durch Schmelzen mit Borsäure oder wiederholtes Abdampfen mit Borsäurelösung.
                           4) Durch Erhitzen mit Wasser auf 160°.
                           5) Durch Erhitzen mit concentrirten Lösungen einiger Metallsalze.
                           Alle diese durch die verschiedenartigsten Mittel erzeugten Umwandlungen finden ihre
                              									gemeinsame einfachste Erklärung in der Annahme, daß dem grünen Ultramarin
                              									Schwefelsäure entzogen wird.
                           R. Hoffmann hatte, wie schon erwähnt, gezeigt, daß bei der
                              									durch Oxydation bewerkstelligten Umwandlung des grünen Ultramarins in blaues die
                              									Menge des austretenden Natriums nur äußerst gering  ist, daß die empirische
                              									Zusammensetzung des gebildeten blauen Ultramarins sich nur unwesentlich von der der
                              									Muttersubstanz unterscheidet, daß dagegen eine innere Umlagerung des Schwefels durch
                              									Oxydation stattgefunden hat. Da jedoch diese Versuche nur auf trockenem Wege bei
                              									höherer Temperatur ausgeführt worden sind, so daß complicirtere Nebenreactionen das
                              									Resultat trüben konnten, schien es von Interesse, einen Proceß quantitativ zu
                              									verfolgen, bei welchem die Bildung des blauen Ultramarins auf nassem Wege und bei
                              									niederer Temperatur erfolgte. Es eignete sich hierzu besonders die durch Behandlung
                              									mit Wasser im zugeschmolzenen Rohr und durch Kochen mit Metallsalzlösungen
                              									(insbesondere Zinkvitriol) stattfindende Umwandlung. In der That wurden bei diesen
                              									Versuchen Resultate erhalten, welche für das Verhältniß des grünen zum blauen
                              									Ultramarin eine andere Deutung erfordern.
                           Erhitzt man grünes Ultramarin mit Wasser im zugeschmolzenen Rohr auf 160°, so
                              									nimmt es eine schön hellblaue Farbe an; das Gewicht bleibt fast unverändert und das
                              									Wasser nimmt nur geringe Mengen von Natriumverbindungen auf. Die absolute
                              									Zusammensetzung war demnach dieselbe geblieben. Aber auch die Bestimmung des
                              									Schwefels in den verschiedenen Verbindungsformen, in denen derselbe bei der
                              									Zersetzung durch Salzsäure auftritt, ergab das Resultat, daß die Vertheilung des
                              									Schwefels in dem auf nassem Wege erhaltenen blauen Ultramarin vollständig identisch
                              									ist mit der Vertheilung im ursprünglichen grünen Ultramarin. Es folgt hieraus, daß
                              									die Oxydationsproducte, welche im Blau der gewöhnlichen Fabrikation auftreten,
                              									durchaus nicht zur Constitution des Ultramarins gehören; dieselben verdanken ihre
                              									Entstehung vielmehr secundären Processen bei der Fabrikation. Zur Erklärung des
                              									Unterschiedes des grünen vom blauen Ultramarin bleibt die einzige mit allen
                              									Erscheinungen im Einklange stehende Annahme übrig, daß das grüne Ultramarin einer
                              									kleinen Menge von Einfach-Schwefelnatrium, welche entweder mechanisch oder
                              									auch chemisch gebunden ist, seine Farbe verdeckt, und daß nach deren Entfernung die
                              									blaue Farbe des Ultramarins zum Vorschein gelangt. Es lag die Vermuthung nahe, daß
                              									man durch Schmelzen des blauen Ultramarins mit Schwefelnatrium grünes Ultramarin
                              									erhalten würde. In der That entsteht dasselbe, wenn blaues Ultramarin mit einem
                              									Gemenge von Natriumsulfat und wenig Kohle geschmolzen wird.
                           Kocht man grünes Ultramarin längere Zeit mit einer Lösung von Zinkvitriol, so
                              									verwandelt sich dasselbe unter beträchtlicher Volumzunahme in eine schön hellblaue
                              									Masse; die Lösung enthält größere Mengen von Natrium, während das Ultramarin
                              									entsprechende Mengen von Zink aufgenommen  hat. Es finden hier also gleichzeitig zwei Processe
                              									statt; das grüne Ultramarin wird, wie auch durch andere Metallsalze, durch
                              									Entziehung von Schwefelnatrium in blaues verwandelt, und das gebildete blaue
                              									Ultramarin wird durch das Zinksalz in eine zinkhaltige Masse übergeführt; in der
                              									That nimmt auch blaues Ultramarin, mit einer Lösung von Zinkvitriol gekocht, ohne
                              									daß sich die Farbe wesentlich ändert, bedeutende Mengen von Zink auf. Die genauere
                              									Untersuchung dieses Vorganges zeigte, daß es sich hier nicht um einen einfachen
                              									Austausch von Natrium gegen Zink handelt, sondern daß eine tiefergehende Zersetzung
                              									stattgefunden hat der Art, daß sich dem Ultramarin freie Kieselsäure,
                              									Aluminium- und Zinkhydroxyd beigemischt haben, welche sich durch Kali
                              									ausziehen lassen. Nichtsdestoweniger ist in dieser Masse, welche unzweifelhaft als
                              									Zersetzungsproduct des Ultramarins anzusehen ist, die Vertheilung des Schwefels
                              									dieselbe geblieben wie im ursprünglichen grünen Ultramarin. Aehnliche Erscheinungen
                              									zeigen sich bei der Behandlung des blauen Ultramarins mit Zinklösung. Es beweist
                              									diese Thatsache wiederum, daß die verschiedene Bindungsweise des Schwefels, wie sie
                              									sich bei der Behandlung mit Säuren darstellt, nicht wesentlich für die Constitution
                              									des Ultramarins ist.