| Titel: | Ueber das Verhalten von Metallen bei dauernder Belastung; von Prof. R. H. Thurston. | 
| Fundstelle: | Band 225, Jahrgang 1877, S. 17 | 
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                        Ueber das Verhalten von Metallen bei dauernder
                           								Belastung; von Prof. R. H. Thurston.Im Auszug nach einem vom Verfasser in der American Society
                                    											of Civil Engineers am 6. December 1876 gehaltenen und im Separatabdruck
                                 										gef. eingesendeten Vortrage.
                           							
                        Mit Diagrammen auf Texttafel A.
                        Thurston, über die Elasticität der Metalle.
                        
                     
                        
                           Die Unterscheidung der Constructionsmetalle in eine Eisenclasse und Zinnclasse, welche in einer
                              									frühern Abhandlung (1877 223 337) begründet wurdeWir brauchen wohl nicht darauf hinzuweisen, daß sowohl Generalmajor Uchatius (1877 223
                                    											243), als auch Prof. Bauschinger (1877 224 2) sich beide gegen diese Eintheilung ausgesprochen haben und Experimente in dem
                                    											Sinne vorführen, welche denen Prof. Thurston's
                                    											entgegenzuhalten sind.Die Red., ist als bekannt vorausgesetzt und mag nur nochmals darauf hingewiesen
                              									werden, daß erstere bei Belastung über die Elasticitätsgrenze eine definitive
                              									Erhöhung der Elasticitätsgrenze erleidet, während Zinn und ähnliche
                              										geschmeidigeFür das englische Wort „viscous“ läßt sich im Deutschen kein vollkommen
                                    											identisches finden; am entsprechendsten wäre etwa die Zusammensetzung
                                    												„zählweich“.Der Ref. Metalle die Erscheinung des molecularen Flusses und einer Depression der
                              									Elasticitätsgrenze aufweisen. Gleichzeitig ergab sich, daß die Eisenclasse, wenn sie
                              									selbst bis nahe zur Bruchgrenze belastet wurde, rasch eine bestimmte Streckung
                              									erlitt und dann nahezu unveränderlich blieb, während die Zinnclasse, selbst bei
                              									verhältnißmäßig geringer Belastung, successive immer größere Streckungen und zuletzt
                              									den Bruch ergab, wenn selbst zum raschen Bruche bedeutend größere Belastung
                              									erforderlich war. Daraus folgt endlich die schon früher hervorgehobene
                              									eigenthümliche Erscheinung, daß die letztere Classe bei rascher Inanspruchnahme größern Widerstand
                              									bietet, während die Eisenclasse in demselben Falle Abnahme der Widerstandskraft
                              									zeigt. Die hierauf bezüglichen Experimente des Verfassers
                              									sind in einer frühern Abhandlung (* 1877 223 333)
                              									mitgetheilt; neuerdings wurden nun Versuche vorgenommen, um den Einfluß dauernder
                              									Belastung näher zu
                              									prüfen, wie er sich bei den zwei aufgestellten Kategorien der Metalle
                              									charakteristisch geltend macht. Diese Versuche sollen in nachstehendem kurz
                              									besprochen und durch die Figuren I und II erläutert
                              									werden.
                           Figur I stellt
                              									das Verhältniß der Abnahme der Widerstandskraft (als
                              									Ordinaten) zur Zeitdauer (als Abscissen) bei constant
                                 										bleibender Streckung dar und wurde aus Versuchsresultaten mit der früher
                              									beschriebenen Fairbank'schen Wage zusammengestellt.
                           Die Figur II
                              									verzeichnet das Verhältniß der zunehmenden Streckung (als Ordinaten) zur Zeitdauer
                              									der constant bleibenden Belastung, und wurde gleichfalls nach tabellarisch
                              									geordneten Versuchsresultaten zusammengestellt. Letztere vollkommen wiederzugeben,
                              									müssen wir uns aus Mangel an Raum versagen, und es mögen nur die prägnanten Punkte
                              									der verzeichneten Curven hervorgehoben werden.
                           Die Probestücke waren alle auf 1 Zoll (25mm,4) im Quadrat zugerichtet und wurden auf 22 Zoll (559mm) zwischen den Supports freitragend auf
                              									relative Festigkeit beansprucht.
                           Unter dieser Beanspruchung durchbog sich der Eisenstab Nr. 648 (Fig. I) bei 451k Belastung um 2mm,53 und zeigt nach Entfernung der Last
                              										0mm,12 bleibende Setzung. Neuerdings
                              									mit 451k belastet, wurde die Durchbiegung
                              										2mm,54, welche nun constant erhalten
                              									und die dabei abnehmende Belastung gemessen wurde. In der Curve Figur I ist die
                              									ursprüngliche Belastung von 451 als Ausgangspunkt genommen und sind die Abnahmen
                              									derselben vom Nullpunkt vertical aufgetragen. Nach 25 Minuten betrug die Belastung
                              										449k, nach 1 Stunde 40 Minuten 446k, nach 4 Stunden 35 Minuten endlich 444k und nach 5 Stunden 20 Minuten dieselbe
                              									Last. Nach Entlastung blieb als bleibende Setzung 0mm,18, nach neuerlicher Belastung mit
                              										451k war die gesammte Setzung nur um
                              										0mm,0077 größer als ursprünglich.
                           Ein zweiter Versuch mit demselben Eisenstab Nr. 648 ist gleichfalls in Figur I
                              									dargestellt. Diesmal betrug die ursprüngliche Belastung 721k, die entsprechende Durchbiegung 6mm,47, bleibende Setzung 2mm,56; nach 6 Stunden 3 Minuten hatte bei
                              									constant erhaltener Durchbiegung die Belastung von 721 auf 655k erniedrigt werden müssen; dabei ist aber
                              									aus der Curve ersichtlich, daß der größte Theil dieser Widerstandsverminderung in
                              									die erste Viertelstunde fällt.
                           Nr. 655, eine ebenso hergestellte und beanspruchte Stange von reinem
                              									Queensland-Zinn, wurde ursprünglich mit 45k belastet und davon um 5mm,35
                              									durchgebogen; nach 8 Minuten war die Belastung, die mit dieser Durchbiegung erhalten
                              									werden konnte, auf 25k,2 gesunken.
                           
                           
                              
                              Taf. A. Thursion: Ueber das Verhalten von Metallen bei dauernder Belastung. I.
                                 										Abnahme des Widerstandes bei constant bleibender Streckung. II. Zunahme der
                                 										Streckung bei constant bleibender Belastung. S. 18–19
                              
                           
                           
                           Nr. 599, Legirung aus 10 Th. Kupfer, 90 Th. Zink, bog sich ursprünglich unter 555k um 13mm,23 durch. Die rasche Abnahme der Widerstandskraft zeigt die Curve in
                              										Figur I;
                              									nach 1 Stunde 58 Minuten war die Widerstandskraft, welche dieser Durchbiegung
                              									entsprach, auf 410k gesunken, 3 Minuten
                              									später erfolgt bei stets constant erhaltener Durchbiegung
                              									der Bruch.
                           Nr. 561 (27,5 Kupfer und 72,5 Zinn) und Nr. 612 (47,5 Kupfer 52,5 Zink) verhielten
                              									sich ganz ähnlich wie der Eisenstab, indem auch hier die Abnahme der
                              									Widerstandskraft nach den ersten Stunden fast ganz unmerklich wurde, obwohl diese
                              									Legirungen der Zinnclasse zuzuzählen sind. Doch zeigen sie dieses Verhalten nur bei
                              									geringern Belastungen, indem Nr. 561 ursprünglich mit 72, zuletzt mit 45k, Nr. 612 ursprünglich mit 360, zuletzt
                              									mit 338k beansprucht war.
                           Dagegen zeigte Nr. 599 bei einer Belastung nahe der Bruchgrenze eine bis zum
                              									Eintreten des Bruches sinkende Widerstandskraft, während die Glieder der Eisenclasse
                              									jede einmal aufgenommene Last constant zu erhalten scheinen, so nahe dieselbe auch
                              									der Bruchgrenze kommen möge.
                           Figur II zeigt
                              									die Zunahme der Durchbiegung als Function der Zeit bei
                              										constant bleibender Belastung und dient als
                              									Gegenstück und Ergänzung der Figur I. Der
                              									charakteristische Unterschied zwischen der Zinn- und der Eisenciasse tritt
                              									hier sogar noch deutlicher hervor. Die Probestücke waren gleichfalls 25mm,4 im QuadratQudrat, in der Mitte belastet und die Auflager 558mm von einander entfernt.
                           Nr. 651 (Fig.
                                 										II) war Schmiedeisen vom selben Stück wie Nr. 648 der frühern
                              									Versuchsreihe und brach zuletzt unter 1164k
                              										(59k auf 1mm Zugspannung). Das Stück wurde mit 720k belastet und bog sich 12mm,42 durch, welcher Zustand im Nullpunkt
                              									der Figur II
                              									als Anfangszustand genommen ist. Nach 6 Minuten hatte die Durchbiegung um 4mm,09 zugenommen, in den weitern 10 Minuten
                              									nur mehr um 0mm,24 und blieb hierauf fast
                              									völlig unverändert 5 Stunden 44 Minuten lang. Es ist anzunehmen, daß das Probestück
                              									in diesem Zustande unbegrenzte Zeit aushalten konnte, ohne die geringste Tendenz zu
                              									einem Bruche.
                           Nr. 479 war eine Legirung von 96,27 Kupfer und 3,73 Zinn, und stellt das Verhalten
                              									der Zinnclasse unter schwerer Belastung ebenso charakteristisch dar wie Nr. 651 die
                              									Eisenclasse. Beim ersten Versuche betrug die Belastung 315k, die ursprüngliche Durchbiegung 11mm,20 die in der Figur verzeichnete Zunahme derselben nach 5 Minuten 2mm,99, nach 60 Minuten im ganzen 5mm,30. Bei Entfernung der Last zeigte sich
                              									die bleibende Setzung mit 13mm,31, und ein
                              									zweiter Versuch mit 450k Belastung wurde
                              									vorgenommen. Hierbei betrug die ursprüngliche Durchbiegung, sobald sie gemessen werden
                              									konnte, 79mm,19; nach 5 Minuten war sie um
                              										10mm,72 gewachsen, und die Durchbiegung
                              									verfolgt nun den in der Curve verzeichneten Weg, bis nach 75 Minuten das Probestück
                              									brach. Die gesammte Durchbiegung betrug zuletzt 193mm,90, die in der Figur vom Ausgangspunkte
                              									verzeichnete Zunahme 114mm,27.
                           Nr. 504 bestand aus 99,443 Zinn und 0,557 Kupfer und zeigte, ungeachtet der so sehr
                              									verschiedenen Zusammensetzung, ähnliches Verhalten wie Nr. 479, da beide der
                              									Zinnclasse angehören. Das interessante Diagramm, dessen Schlußcurve oberhalb der
                              									Anfangscurve in der Figur II eingezeichnet ist, erscheint im obern Theile derselben in
                              									reducirtem Maßstabe eingetragen.
                           Ebenso ist der Probestab Nr. 501 (90,3 Zinn und 9,7 Kupfer) verzeichnet, soweit sich
                              									die Versuchsdauer erstreckte. Nach 55 Stunden unausgesetzter Beobachtung wurde das
                              									Probestück sich selbst überlassen und brach in der Nacht, so daß die schließliche
                              									Durchbiegung unter der constanten Last von 72k nicht bekannt wurde.
                           In Zusammenfassung der hier dargestellten Versuchsreihen, schließt Prof. Thurston, ist wohl die Unterscheidung der Metalle in eine
                              									Zinn- und Eisenclasse definitiv erhärtet und nachgewiesen, wie die
                              									Eisenclasse unter allen einmal aufgenommenen Belastungen sicher, die Zinnclasse nur
                              									bei einem geringen Procentsatz der Bruchbelastung unbedingt verläßlich ist. Welche
                              									Coefficienten hier anzuwenden sind, muß spätern Versuchen vorbehalten bleiben.
                           
                              M.
                              
                           
                        
                     
                  
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