| Titel: | Der elektroharmonische Telegraph von Elisha Gray. | 
| Fundstelle: | Band 225, Jahrgang 1877, S. 46 | 
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                        Der elektroharmonische Telegraph von Elisha Gray.
                        Mit Abbildungen aus Taf.
                              									I [d/4].
                        Gray's elektroharmonischer Telegraph.
                        
                     
                        
                           Der für E. Gray patentirte elektroharmonische Telegraph,
                              									für welchen die „Western Electric Manufacturing Company of
                                 										Chicago“ auf der Centennialausstellung in Philadelphia eine
                              									Auszeichnung erhielt, verwerthet die Fortpflanzung musikalischer Töne durch die
                              									Elektricität für die Telegraphie.
                           Schon 1837 entdeckte Page, daß die Magnetisirung oder
                              									Entmagnetisirung des weichen Eisens von Tönen begleitet war. Um dieselbe Zeit fand
                              									Prof. Henry, daß die akustischen Wirkungen des
                              									galvanischen Stromes auf einen Elektromagnet von der Ausdehnung und Zusammenziehung
                              										des Eisens
                              									herrührten. Wertheim's Apparat zur Erzeugung eines
                              									einfachen Tones in einem Eisenstabe mittels eines automatischen Rheotoms und Reis'
                              									Fortpflanzung verschieden hoher Töne mittels einer in Schwingungen versetzter
                              									Membran blieben blose wissenschaftliche Versuche. Zu einer technischen Ausnützung
                              									dieser akustischen Wirkungen waren noch weitere Untersuchungen und Entdeckungen
                              									nöthig. Durch dieselben ist aber der Elektriker E. Gray
                              									in Chicago dahin gelangt, 8 Telegramme zugleich auf demselben Drahte. zu
                              									befördern.
                           Wird ein in eine Telegraphenleitung eingeschalteter Elektromagnet in geeigneter Weise
                              									auf einem Resonanzkasten befestigt, so hört man einen einzelnen deutlichen Laut beim
                              									Schließen des Stromes und beim Unterbrechen desselben, im erstern Falle in Folge der
                              									Verlängerung, im andern in Folge der Zusammenziehung der Kerne; eine Fortpflanzung
                              									des Tones im Drahte findet dabei nicht statt. Könnte man die Stromschließungen und
                              									Unterbrechungen sich rasch und gleichmäßig genug folgen lassen, so würde ein
                              									musikalischer Ton zu hören sein. Zu Anfang des Jahres 1874 construirte Gray verschiedene Sender zur Erzeugung von verschieden
                              									hohen Tönen. In der Skizze Fig. 46 ist a ein auf einen bestimmten (der Lage von a in der Scale entsprechender) Ton abgestimmter
                              									Stahlstab, dessen Ende in der Säule c befestigt ist. Die
                              									beiden Elektromagnete e und f liegen in dem Stromkreise der Localbatterie b; wenn aber der Stab a in Ruhe ist, so liegt
                              									er an dem Contact g, so daß der Elektromagnet f durch die Nebenschließung k g c
                                 										m p ausgeschlossen ist und beim Niederdrücken der Taste T der Localstrom blos durch e geführt wird. Der Stromschluß bei d hat also
                              									die Anziehung von a durch den Elektromagnet e (etwa mit der Kraft 4) zur Folge; die Bewegung
                              									von g. beseitigt die Nebenschließung, der Strom geht mit
                              									durch f; seine Stärke sinkt aber merklich herab, da der
                              									Widerstand von f etwa 30, jener von e etwa 4 Ohms beträgt; daher sinkt dann die Anziehung in
                              										e von 4 auf 1 herab, die in f aber steigt (wegen der größern Windungsanzahl) von 0 auf 5, und der Stab
                              										a wird mit dem Ueberschuß 4 nach g hin angezogen. Dieses Spiel wiederholt sich mit einer
                              									Geschwindigkeit, welche von der Dicke und der Länge des Stabes a abhängt, also von der Note, auf welche a gestimmt ist. Die vorstehend genannten Zahlen über
                              									Dicke und Widerstand der Elektromagnete sind nur annähernde; sie ergaben bei einer
                              									gewissen Batterie gleich kräftige Anziehung von a nach
                              									beiden Seiten hin. Bei der gewählten Anordnung fällt der Schwingungsmittelpunkt mit
                              									dem Mittelpunkt des ruhenden Stabes zusammen, so daß die Tonhöhe durch den gewöhnlichen Wechsel der
                              									Batterie nicht gestört wird, was der Fall wäre, wenn blos ein Elektromagnet
                              									angewendet würde, oder die Anziehung nicht nach beiden Seiten hin gleich wäre. Die
                              									Telegraphirbatterie B ist so eingeschaltet, daß sie beim
                              									Niederdrücken der Taste T ihren Strom über h, i, c, und m in die Linie
                              										L sendet, so oft a am
                              									Contacte i liegt.
                           Alle Taften eines Senders, eine oder mehrere Octaven umfassend, haben ähnliche, nur
                              									verschieden gestimmte Stäbe und Elektromagnete und gleiche Verbindungen, welche von
                              									den Klemmen m, p, v, und u
                              									auslaufen; für alle aber dient nur ein Local- und eine Linienbatterie. Wird
                              									eine Taste niedergedrückt, so hört man auf der gebenden Station den Grundton des zu
                              									ihr gehörigen Stabes a durch die Wirkung der
                              									Localbatterie b; nach der Empfangsstation dagegen sendet
                              									die Linienbatterie B bei guter Stellung des Contactes
                              										i in Folge elektrischer Wellen, deren Zahl in der
                              									Secunde der Schwingungszahl des Grundtones von a
                              									entspricht, und diese Wellen sind auf der Empfangsstation wieder in hörbare
                              									Schwingungen umzusetzen. Dazu kann ein Elektromagnet auf einem Resonanzkasten
                              									benutzt werden, wie schon angedeutet wurde. Der eine musikalische Empfänger Gray's ist ein parallelepipedischer hölzerner Kasten mit
                              									akustischen Löchern; auf ihm ist ein gewöhnlicher Elektromagnet mit auf den Polen
                              									befestigter schwerer Armatur fest aufgeschraubt. Ein anderer Empfänger besteht aus
                              									einer Reihe von neben einander liegenden, an einem Ende offenen Holzkasten von
                              									verschiedener Größe, je einer für jede Tafte des Senders und dem Stabe dieser Taste
                              									entsprechend gestimmt; die Kästen sind in Abständen von etwa 25mm fest auf einen querüber laufenden
                              									Holzstab festgeschraubt; auf diesem Stabe ist wieder ein ähnlicher Elektromagnet
                              									angebracht; dabei hat man zugleich eine Verstärkung der Töne durch Mittönen.
                           Am sonderbarsten erscheint die folgende Aufnahme musikalischer Töne: Wenn man sich
                              									selbst in den Stromkreis einschaltet, durch welchen ein Ton gesendet werden soll,
                              									und mit der trockenen Hand eine Metallplatte reibt, welche einen Theil des
                              									Schließungskreises bildet, so wird der am andern Ende der Linie erzeugte Ton auch an
                              									der Platte hervorgebracht. Diese Erscheinung beobachtete Gray zuerst zufällig am Zinkfutter einer Badewanne. Sehr zweckmäßig
                              									verwendet man dazu einen entsprechend schweren Metallständer, auf welchem eine
                              									horizontale Welle in zwei Lagern ruht und mittels einer Kurbel (mit isolirendem
                              									Handgriffe) an ihrem einen Ende in Umdrehung versetzt werden kann, während sie am
                              									andern Ende eine dünne, cylindrische hölzerne Schallbüchse trägt, welche an der
                              									einen Stirnfläche mit einer dünnen Metallkappe bedeckt ist; die Kappe ist convex
                              									gebogen, damit sie fester ist. Die Büchse hat in der Mitte ein Schallloch. Die Kappe
                              									ist durch einen Draht mit dem Metallständer leitend verbunden und dieser wird zur
                              									Erde abgeleitet; der Experimentirende aber faßt das Ende der Luftleitung mit der
                              									Hand, preßt deren Finger auf die Kappe und dreht die Kappe mittels der Kurbel mit
                              									der andern Hand. Je schneller die Drehung, desto lauter der Ton, je langsamer, desto
                              									leiser; beim Stillstehen hört der Ton auf. Es ist jedoch ein kräftiger Strom nöthig,
                              									mindestens eine Batterie von 50 Elementen. Zweckmäßig sendet man den Linienstrom
                              									durch die primären Windungen eines Inductors und schaltet den Empfänger in die
                              									secundären Windungen. Während des Tönens war die Reibung zwischen Finger und Platte
                              									größer.
                           Wenn Gray eine kleine Rhumkorff'sche Spule an eine
                              									Batterie schaltete und in den primären Stromkreis anstatt des automatischen
                              									Stromunterbrechers einen gewöhnlichen telegraphischen Taster legte, das eine Ende
                              									der secundären Windungen an die Metallplatte führte und mit der das andere Ende
                              									haltenden Hand die Platte kräftig rieb, auf dem Taster aber langsam Punkte geben
                              									ließ, so merkte er bei jeder Stromschließung einen leisen Ton und bei jeder
                              									Unterbrechung einen lauteren, da bekanntlich der Oeffnungsstrom merklich stärker ist
                              									als der Schließungsstrom. Beim Stillstehen der Hand fühlte er zwar unverändert den
                              									Schlag, ein Ton aber war nicht zu hören. Das Gefühl während des Tönens war so, als
                              									ob der Finger plötzlich an der Platte haftete und dann Plötzlich los gelassen würde,
                              									den Ton erzeugend.
                           Auch bei Verwendung einer Batterie von 100 Elementen (unter Einfügung eines dünnen
                              									Stückchens Papier zwischen Finger und Platte, zur Verhütung schmerzlicher Wirkungen
                              									des Stromes) war eine Vergrößerung der Reibung beim Stromschluß deutlich zu spüren,
                              									so daß der Finger auf der Platte vorwärts ging, während der Dauer des Stromes dort
                              									liegen blieb und bei der Unterbrechung wieder zurückrutschte.
                           Wenn nun der Sender eine Reihe von Tasten und verschieden gestimmte Stäbe enthält, so
                              									können mittels des in die Linie eingeschalteten Empfängers nicht nur einzelne Töne,
                              									sondern auch die Töne mehrerer Tasten zugleich wieder erzeugt werden. Beim
                              									Niederdrücken aller Tasten entsteht ein Tongewirr, kein bestimmter Ton. Gleiches
                              									geschieht bei Anwendung des erwähnten gemeinschaftlichen Resonators im Empfänger,
                              									denn dieser gibt den einen Ton so gut wieder wie den andern. Durch einen
                              									Helmholtz'schen Resonator dagegen wird nur derjenige Ton verstärkt, dessen Höhe dem
                              									eigenen Tone des Resonators entspricht, und dieser Ton tritt aus dem Gewirr heraus.
                              									Mit einer Reihe solcher Resonatoren kann das Gewirr in seine einzelnen Töne
                              									aufgelöst werden. Es müssen dann so viele Empfänger in die Linie eingeschaltet
                              									werden, wie viel Töne gleichzeitig befördert werden sollen, und jeder Empfänger muß
                              									einen dieser Töne wiedergeben. Dies hat Gray auf
                              									verschiedene Weisen ermöglicht. Die Empfänger müssen thunlichst von der Eigenschaft
                              									eines gewöhnlichen Resonanzbodens befreit werden, damit sie nicht gleichmäßig auf
                              									alle Töne ansprechen, sondern nur einen bestimmten Ton verstärken.
                           In der einfachsten Form enthält der Empfänger (analyzer)
                              									einen liegenden Elektromagnet von einem der Linie angemessenen Widerstande und vor
                              									den neben einander liegenden Schenkeln desselben einen horizontalen Stahlstab mit
                              									einer Stimmschraube an dem einen Ende, mittels deren er entsprechend gespannt wird.
                              									Die Länge und Dicke des Stabes richtet sich nach der Höhe des Tones; derselbe tönt
                              									blos, wenn der Ton allein oder mit andern zugleich durch die Linie befördert wird,
                              									welchen er gibt, wenn er mechanisch zum Tönen gebracht wird.
                           Bei einem andern Empfänger ist der gestimmte Stab mit einem an der einen Seite
                              									offenen Resonanzkasten B (Fig. 47) verbunden; auf
                              									letzterm ist der Elektromagnet M, M aufgeschraubt; an
                              									dem einen Pole desselben ist ein Stahlstab mit parallelen Seitenflächen befestigt
                              									und erstreckt sich bis über den zweiten Pol, ohne jedoch denselben zu berühren;
                              									dieser Pol wird zweckmäßig verstellbar gemacht. Die Stimmung wird blos an einem
                              									Punkte neben dem festen Ende des Stabes bewirkt, indem man da abfeilt, bis der Stab
                              									den gewünschten Ton gibt, wenn er mechanisch zum Tönen gebracht wird.
                           Ein dritter Empfänger besitzt auf einer gewöhnlichen Grundplatte einen stehenden
                              									Elektromagnet M (Fig. 48), dessen Anker
                              									ein gestimmter Stahlstab ist; dieser Stab trägt auf seinem freien Ende einen
                              									Platinstift d, welcher oben schwach concav ist, so daß
                              									er ein kleines Oelnäpfchen bildet. Auf diesem Näpfchen ruht eine Platinspitze an
                              									einem um sein anderes Ende drehbaren Hebel c. Dieser
                              									Hebel ist so eingerichtet, daß sein Gleichgewicht rasch verändert werden kann; er
                              									ist so ausgeglichen, daß er etwas langsamer als der Stahlstab schwingt. Wenn daher
                              									der Stab in Schwingungen versetzt wird, so kann der Hebel nicht folgen und rasselt
                              									und klappert in dem Näpfchen. Wird nun mit ihm ein Klopfer und eine Localbatterie
                              									verbunden, in deren Stromkreis Hebel und Stab liegen, so wird stets, wenn der Stab
                              									in Schwingungen versetzt wird, der Localstrom unterbrochen und der Klopferhebel
                              									fällt ab; hört dagegen der Stab zu schwingen auf, so wackelt die Spitze nicht mehr, und der Localstrom
                              									durch den Klopfer wird wieder geschlossen. Wenn nun auf der gebenden Station die
                              									Schwingungen durch einen Morsetaster unterbrochen werden, so ist es, wie wenn auf
                              									der Empfangsstation ein Relais anstatt eines Analyzers eingeschaltet wäre. Dies ist
                              									wahrscheinlich die zweckmäßigste Art des Betriebes, weil der Telegraphist nichts
                              									neues zu lernen hat. Auf der gebenden Station sind dann lange und kurze Töne zu
                              									hören, den Morsebuchstaben entsprechend.
                           Zum Gelingen sind die Constructionseinzelheiten und die Einschaltungen von besonderer
                              									Wichtigkeit. Die schwingenden Stäbe müssen (wenn nicht an beiden Enden befestigt)
                              									verhältnißmäßig dick (mindestens 6mm, 4)
                              									sein, und die ganze Stimmung muß an einer Stelle nahe am festen Ende vorgenommen
                              									werden. Ein dünner Stab mit einem freien Ende spricht mehr oder minder auf alle Töne
                              									an. Eine Schwierigkeit lag in der Einführung der elektrischen Wellen in die Linie
                              									ohne Unterbrechung der Linie oder wesentliche Aenderung ihres Widerstandes; auch
                              									mußte für jeden Ton eine besondere Batterie da sein. Der für sich montirte Sender
                              									wird durch eine Localbatterie in beständigen Schwingungen erhalten. Diese
                              									Localverbindungen sind in der Einschaltungsskizze Figur 49 weggelassen. a₁ und a₂ sind
                              									die beiden Sender an dem einen Ende, M₁ und M₂ die beiden Empfänger am andern Ende der Linie
                              										L. Jeder Sender liegt, zugleich mit einem
                              									gewöhnlichen Ruhestromtaster T, in einer Nebenschließung
                              									der halben Linienbatterie (B₁ + B₂). Es seien nun die beiden Stäbe a₁ und a₂ zum
                              									Tönen gebracht; a₁ mache 264, a₂ aber 320 Schwingungen in der Secunde, gerade 2
                              									Töne oder eine Terzmajor über a₁. So lange beide
                              									Taster offen bleiben, ist die ganze Batterie in der Linie; wird T₁ niedergedrückt, so wird die Batteriehälfte B₁ abwechselnd in die Linie L ein- und ausgeschaltet, 264mal in der Secunde;
                              									dies veranlaßt eine ebensolche Folge von elektrischen Wellen in der Linie, und der
                              									auf diese Zahl 264 gestimmte Analyzer M₁ spricht
                              									an und summt denselben Ton wie sein Sender. Wäre M₁ nicht genau gestimmt, so muß seine Stimmschraube auf- oder
                              									abgeschraubt werden, bis sein Stab laut und voll tönt. Wird mit T₁ zugleich auch T₂ niedergedrückt, so wird auch die zweite Batteriehälfte B₂, 320mal in der Secunde, abwechselnd in L ein- und ausgeschaltet; dies sendet eine zweite
                              									Folge von elektrischen Wellen durch die Linie, und ist M₂ mit seinem Grundtone a₂
                              									entsprechend gestimmt, so summt M₂ dessen Ton und
                              									bildet mit dem von M₁ einen Accord. Ebenso können
                              									auch eine größere Anzahl von verschiedenen Tönen zugleich von dem einen Ende einer
                              									Telegraphenlinie aus abgesendet und am andern Ende zugleich gehört werden, indem
                              									jeder Ton auf einem besondern Empfänger erscheint. So wurden acht Telegramme
                              									zugleich, je vier in jeder Richtung, auf einem Drahte
                              									zwischen New-York und Philadelphia abgesendet und empfangen, mehrere Tage
                              									hindurch. Beim Arbeiten in beiden Richtungen wird an jedem Ende der Linie eine
                              									Linienbatterie verwendet, und diese ist in so viele Theile getheilt, wie viel Töne
                              									zu senden sind. Der Empfänger kann dabei, wie sonst beim Gegensprechen, in die
                              									Diagonale einer Wheatstone'schen Brücke gelegt oder mit Differentialwindungen
                              									versehen werden.
                           Gray hat diese Telegraphirweise auch auf einen schnell
                              									und sicher arbeitenden Typendrucker angewendet. (Nach dem Telegrapher, 1876 S. 241 und
                                 										253.)
                           
                              E–e.
                              
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
