| Titel: | Ueber Anthracen-Analysen. | 
| Fundstelle: | Band 225, Jahrgang 1877, S. 92 | 
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                        Ueber Anthracen-Analysen.
                        Bersmann, über Anthracenanalysen.
                        
                     
                        
                           Wenn das Anthracen auch schon im J. 1832 von Dumas und Laurent entdeckt wurde und in den folgenden Jahren die
                              									glänzendsten Untersuchungen von Fritsche, Anderson, Limpricht,
                                 										Berthelot, Strecker u.a. über diesen
                              									interessanten Körper folgten, so ist doch erst nach den Arbeiten von Gräbe und Liebermann (1867/69)
                              										„Ueber die Umwandlung des Anthracens in Alizarin“ ein
                              									Auftreten desselben als Handelsproduct bemerkbar, und wurden selbstredend auch von
                              									diesem Augenblick erst die Werthbestimmungen der Handelswaare von einiger
                              									Wichtigkeit. Zuerst wurde hierbei der in der organischen Chemie allgemein übliche
                              									Weg, welchen man bei der Reinigung organischer krystallinischer Körper zu gehen
                              									pflegt – die Behandlung mit geeigneten Lösungsmitteln und Umkrystallisiren
                              									– auch hier eingeschlagen.
                           J. Gessert (1870 196 544) macht
                              									die ersten Angaben über diesen Gegenstand: 5 bis 10g des künstlichen Productes werden in
                              									Filtrirpapier verpackt und zwischen zwei vorher erwärmten Platten einer guten Presse
                              									gebracht. Nachdem genügend gepreßt ist, wiegt man das zwischen den Filtern
                              									zurückgebliebene Anthracen. Dann kocht man es mit einer bestimmten (immer gleichen)
                              									Menge Alkohol aus, läßt es erkalten und filtrirt nach dem Erkalten, wäscht den
                              									Rückstand mit kaltem Alkohol nach, trocknet ihn und bestimmt ihn als reines
                              									Anthracen. Zur Controle macht man noch eine Schmelzpunktbestimmung des so
                              									gereinigten Productes und wird bei derselben gewöhnlich 210° finden.
                           Diese Methode wurde im Handel mit dem Namen „englische Methode“
                              									bezeichnet und gleichzeitig die anzuwendende Menge Anthracen und Alkohol auf 20g und 400cc festgestellt; außerdem waren aber
                              									Waschungen mit Steinkohlenbenzin (1 : 2), mit Petroleumbenzin (1 : 5) sowie mit
                              									Schwefelkohlenstoff üblich, und hatte jede Fabrik ihre besondern Bedingungen, nach
                              									welchen gekauft, resp. verkauft wurde. Im J. 1872 jedoch war man schon von diesen
                              									Waschungen als Bestimmungsmethode für Beurtheilung des Anthracenwerthes sehr
                              									zurückgekommen, und es wurde unter einer großen Zahl deutscher Anthracen- und
                              									Alizarin-Fabriken folgende bis jetzt nirgends veröffentlichte Methode
                              									vereinbart.
                           
                           Angewendet werden 10g Anthracen, 100g Kaliumbichromat und 150g englische Schwefelsäure. Die
                              									Schwefelsäure wird in wenig Wasser (ungefähr gleiches Volum) eingerührt und damit
                              									das Anthracen in der zur Oxydation dienenden Schale äußerst fein abgerieben, die
                              									ganze Schwefelsäuremenge zugesetzt, mit der 3 fachen Menge Wasser verdünnt, erhitzt
                              									und das Kaliumbichromat portionenweise eingetragen. Zu starkes Schäumen wird durch
                              									Aufspritzen von kaltem Wasser verhindert. Nachdem die erste starke Einwirkung vorbei
                              									ist, wird etwa 3 Stunden lang auf freiem Feuer gut gekocht unter theilweisem
                              									Ersetzen des verdunstenden Wassers. Nun wird stark verdünnt und erkalten gelassen,
                              									durch ein großes Filter filtrirt, gut mit heißem Wasser ausgewaschen, dann mit
                              									verdünnter heißer Sodalösung auf dem Filter nachgewaschen, bis dieselbe klar und
                              									farblos abläuft, die Soda mit warmem Wasser nachgewaschen, das Filter durchstoßen,
                              									das Anthrachinon mit möglichst wenig Wasser in eine Schale heruntergespritzt und auf
                              									dem Wasserbade getrocknet. Wenn das Anthrachinon gut trocken ist, wird es mit 50g englischer Schwefelsäure behandelt, auf
                              									dem Wasserbad eine Stunde lang erhitzt und einige Tage lang an einem feuchten Ort
                              									zur Krystallisation hingestellt. Die Krystalle werden auf einem Doppelfilter
                              									gesammelt mit wässerigem Ammoniak und zuletzt mit Wasser gut ausgewaschen und nach
                              									Abzug der im Anthracen vorgefundenen Asche als Anthrachinon in Rechnung
                              									gebracht.
                           Man sieht, daß diese Methode sich im Ganzen an die damalige Fabrikation des
                              									Anthrachinons anschließt, und ist dieselbe auch in den meisten Fällen geeignet,
                              									brauchbare Resultate zu erzielen, namentlich wenn man durch Behandlung mit Alkohol
                              									einen großen Theil der Unreinheiten vorher abscheidet. Allein auch dieser Weg ist
                              									bald verlassen, nachdem im J. 1873 Luck (1874 211 76) gefunden hatte, daß reines Anthracen die
                              									theoretische Menge Anthrachinon liefert, wenn es, in Eisessig gelöst, kochend mit 3
                              									bis 4facher Menge Chromsäure behandelt wird, während reines Anthrachinon bei
                              									derselben Behandlung sich nicht verändert. Alle Verunreinigungen endlich, welche bei
                              									Anthracen vorkommen, sollten bei dieser Behandlung entweder vollkommen zerstört,
                              									oder in solche Körper übergeführt werden, welche in verdünnter Kalilauge löslich
                              									sind und sich hierdurch vom Chinon trennen lassen.
                           Diese Erfahrung ihres Analytikers veranlaßte die Firma Meister,
                                 										Lucius und Brüning eine hierauf gegründete
                              									Methode zu vereinbaren und folgende Quantitäten festzusetzen: 1g Anthracen, 45cc Eisessig, 10g Chromsäure in 10cc 50 proc. Essigsäure gelöst. Verdünnt
                              									wurde mit 150cc Wasser. Zu der gefundenen
                              									Menge Chinon wurde 0,01 hinzuaddirt, weil nach Luck in
                              										50cc Eisessig und 150cc Wasser genau 10mg Chinon gelöst bleiben sollen. Als
                              									Nachtrag erschien bald darauf noch die Erweiterung, daß es nöthig sei, das erhaltene
                              									Chinon vor der Behandlung mit Kalilauge mit Permanganatlösung zu behandeln.
                           Der große Vortheil dieser Methode gegenüber den frühern lag in der bedeutenden
                              									Zeitersparniß und in dem Umstande, daß man – wenigstens bei einigermaßen
                              									guten Anthracenen – einen schön krystallinischen Körper als Endproduct
                              									erhielt, der einige Gewähr dafür bot, daß man nicht alle möglichen andern Körper
                              									sondern wirklich Chinon unter den Händen hatte; die schwachen Seiten der Methode
                              									lagen in dem geringen Quantum anzuwendender Substanz (1g gegen 20g bei der frühern Methode) und der
                              									Correctur.
                           Gegen diese letztere wandte sich denn auch bald der durch seine Verbesserungen in der
                              									Anthracengewinnung bekannte Engländer Dr. Fr. Versmann (American Chemist,
                              									Mai 1874) indem er bezweifelte, daß bei dieser Behandlung wirklich das in Alizarin
                              									umwandelbare Chinon erhalten werde, und zugleich nachwies, daß die in dem Filtrat
                              									befindlichen Körper kein Chinon enthielten.
                           Ob diese Arbeit von Versmann oder andere eigene
                              									Erfahrungen die Veranlassung zu einer Modification der Luck'schen Methode gewesen
                              									ist, mag zweifelhaft bleiben; jedenfalls erschien im October 1876 ein Circular der
                              									Firma Meister, Lucius und Brüning, welches folgenden GangVgl. 1877 224 559. vorschreibt: „1g des zu
                                 										untersuchenden Anthracens wird in einem 500cc fassenden Kölbchen mit Rückfluß mit 45cc Eisessig übergossen und zum Kochen
                                 										erhitzt. Dieser in stetem Kochen zu erhaltenden Anthracenlösung wird allmälig
                                 										tropfenweise eine Auflösung von 15g
                                 										Chromsäure in 10cc Eisessig und 10cc Wasser zugesetzt. Der Zusatz der
                                 										Chromsäurelösung soll 2 Stunden in Anspruch nehmen und nach Beendigung desselben
                                 										soll die Oxydationsflüssigkeit noch 2 Stunden weiter kochen, so daß für die
                                 										Oxydation im Ganzen 4 Stunden erforderlich sind. Den Kolbeninhalt läßt man 12
                                 										Stunden stehen und versetzt alsdann denselben mit 400cc kaltem Wasser und läßt wiederum 3
                                 										Stunden stehen. Das ausgeschiedene Anthrachinon wird alsdann auf einem Filter
                                 										gesammelt, zunächst mit reinem Wasser, dann mit kochendem schwach alkalischem
                                 										Wasser und zuletzt mit reinem heißem Wasser ausgewaschen. Der Filterinhalt wird
                                 										in eine kleine Porzellanschale gespritzt und in derselben bei 100°
                                 										getrocknet. Das getrocknete Anthrachinon wird in derselben Schale mit der 10
                                 										fachen Menge rauchender Schwefelsäure von 68° B. übergossen und 10
                                 										Minuten mit dieser Säure im Wasserbad auf 100° erhitzt. Die erhaltene
                                 										Anthrachinonlösung gießt man in eine flache Schale und läßt zum Wasseranziehen 12 Stunden an
                                 										feuchtem Ort stehen. Nach dieser Zeit setzt man 200cc kaltes Wasser zu dem Schaleninhalt,
                                 										sammelt das ausgeschiedene Anthrachinon auf einem Filter und wäscht wie oben
                                 										zuerst mit reinem, dann mit kochendem alkalischem und zuletzt wieder mit reinem
                                 										heißem Wasser aus. Das ausgewaschene Anthracen wird in eine Schale gespritzt,
                                 										bei 100° gut getrocknet und gewogen. Alsdann wird durch Erhitzen der
                                 										Schale das Anthrachinon vollständig verflüchtigt und die Schale mit der
                                 										verbleibenden Asche und wenig Kohle zurückgewogen.“ – Alles
                              									mit 1g Substanz!
                           Die wesentlichen Unterschiede zwischen dieser „neuen Methode“
                              									und der vorhin erwähnten bestehen in der größern Menge Chromsäure, Essigsäure und
                              									Wasser, der Behandlung mit Nordhäuser Schwefelsäure statt Permanganatlösung und der
                              									schießlichen Verflüchtigung, welche so geleitet werden soll, daß nur Anthrachinon
                              									verbrennt und doch natürlich vollständig, ohne daß die Kohle mitverbrennt.
                           Im Januarheft des American Chemist, 1877 S. 269 erscheint
                              									nun wieder von Dr. Versmann
                              									eine längere Ausführung gegen diese „neue Methode“, aus welcher
                              									wir die wichtigsten Thatsachen nachstehend hervorheben wollen.
                           Kocht man irgend ein im Handel vorkommendes Anthracenmuster mit Chromsäurelösung und
                              									läßt einige Stunden stehen, so scheiden sich wohl charakterisirte Krystalle aus der
                              									Lösung ab; setzt man jetzt Wasser zu, so findet eine zweite Abscheidung statt,
                              									jedoch nicht in krystallinischer Form, sondern als amorphes Pulver. Das auf dem
                              									Filter gesammelte Product ist stets eine Mischung von Krystallen und Pulver; von dem
                              									letztern läßt sich ein Theil durch übermangansaures Kalium und Kalilauge entfernen.
                              									Diese Beobachtung veranlaßte Versmann die Krystalle und
                              									das Pulver gesondert zu sammeln und gesondert zu untersuchen. Bei dieser letztern
                              									legt er auf die Bestimmung des Schmelzpunktes und des Erstarrungspunktes ein
                              									besonderes Gewicht, und gibt die Analysen von 30 verschiedenen Anthracenen, wobei er
                              									die Schmelz- und Erstarrungspunkte sowohl des Gemisches von Krystallen und
                              									Pulver, als auch der Krystalle für sich, als auch des Pulvers für sich anführt und
                              									in einer besondern Spalte die Anzahl der Tropfen von Permanganatlösung für jeden der
                              									drei Fälle angibt, welche zur deutlichen Rothfärbung erforderlich waren. Aus dieser
                              									Zusammenstellung ergibt sich folgendes:
                           1) Die Summe von Krystallen und Pulver ist in allen Fällen fast genau so groß wie die
                              									Mischung, so daß kein Verlust durch die Trennung verursacht wird.
                           
                           2) Der Schmelz- und Erstarrungspunkt der Mischung (dem Product wie es bei der
                              									gewöhnlichen Luck'schen Methode erhalten wird) ist meistens verdächtig, in vielen
                              									Fällen geradezu ein Anzeichen unzweifelhafter Unreinheit des Chinons.
                           3) Nur die Krystalle schmelzen und erstarren in viel größerer Uebereinstimmung; sie
                              									sind reines Chinon.
                           4) Das Pulver ist in fast allen Fällen gar kein Chinon; in 11 von 30 Fällen schmilzt
                              									es noch nicht bei 300°, sondern wird schwarz und bleibt fest; in 11 andern
                              									Fällen ist das Mittel der beiden Punkte unter 270° und in verschiedenen
                              									andern Fällen waren die Schmelz- und Erstarrungspunkte nur theilweise oder
                              									undeutlich in der angegebenen Höhe zu erkennen.
                           5) Die Einwirkung von Permanganatlösung ist übereinstimmend unwesentlich auf die
                              									Krystalle, sehr wesentlich auf das Pulver; ganz ebenso verhält sich Kalilauge.
                           6) Während die Krystalle ohne Bedenken als reines Chinon betrachtet werden können,
                              									entsteht die Frage, ob das Pulver nicht immer aus lauter Unreinigkeiten bestehe,
                              									oder ob es noch etwas Chinon zurückhält, wie in einigen Fällen der Schmelzpunkt
                              									anzudeuten scheint.
                           Dr. Versmann hält es nach
                              									diesen Erfahrungen für richtiger, Krystalle und Pulver gesondert zu bestimmen, das
                              									letztere aber nur dann als Chinon mit in Rechnung zu bringen, wenn der Schmelzpunkt
                              									zwischen 270 und 280° liegt, und schlägt kurz folgenden Analysengang vor:
                              										1g Substanz wird 4 Stunden mit einer
                              									Lösung von 15g Chromsäure in 10cc Eisessig und 10cc Wasser gekocht und 12 Stunden stehen
                              									gelassen. Die Krystalle werden dann auf einem kleinen Filter gesammelt und die
                              									Flüssigkeit bis zum letzten Tropfen abfließen gelassen; sodann werden die Krystalle
                              									mit heißem Wasser vollkommen ausgewaschen und das Filtrat auf 600cc gebracht. Das nach 2 Stunden aus dem
                              									letztern abgeschiedene Pulver wird ebenfalls gesammelt und gut ausgewaschen. Nun
                              									behandelt man Krystalle wie Pulver – jedes für sich mit 5 proc.
                              									Permanganatlösung und Kalilauge wie bisher, sammelt auf doppeltem Filter, trocknet
                              									und wiegt, ohne die Correctur zuzuaddiren; hierauf nimmt man Schmelz- und
                              									Erstarrungspunkt von beiden und verfährt bei der Berechnung nach den oben
                              									erläuterten Grundsätzen.
                           Hierauf bespricht Versmann seine Erfahrungen über die
                              									Einwirkung von rauchender Schwefelsäure auf Krystalle und Pulver: Die
                              									Oxydationsproducte wurden in einer kleinen Porzellanschale oder einem großen Uhrglas
                              									10 Minuten lang mit dem 10 fachen Gewicht Säure bei einer 110° nicht
                              									übersteigenden Temperatur erhitzt, 12 Stunden stehen gelassen, stark verdünnt, auf ein Filter gebracht,
                              									gewaschen, getrocknet und gewogen. Der Erfolg ist bei den verschiedensten
                              									Anthracenen genau derselbe. Die Mischung von Krystallen und Pulver wird in allen
                              									Fällen durch abgeschiedene Kohle dunkel, der Gehaltsverlust ist meistens
                              									beträchtlich. Die Krystalle allein dagegen werden ganz unbedeutend verändert, sowohl
                              									im Gehalt als Schmelzpunkt; sie behalten ihre ursprüngliche reine Farbe; Kohlenstoff
                              									wird nicht abgeschieden und sie sind unzweifelhaft reines Chinon, vor wie nach der
                              									Behandlung mit Säure. Das Pulver jedoch zeigt ein durchaus verschiedenes Verhalten.
                              									Meistentheils wird der Procentgehalt erheblich reducirt, während der Schmelzpunkt,
                              									welcher vorher nur in 9 von 15 Fällen bezeichnet werden konnte, überhaupt aufgehört
                              									hatte, d.h. die Masse wird bei 300° weich und verkohlt. Gewöhnlich war der
                              									Rückstand bei dieser Behandlung mit Säure einfach Kohle, und Krystalle konnten
                              									selbst unter dem Mikroskop nicht entdeckt werden. In einigen wenigen Fällen waren
                              									deutliche Krystalle zu bemerken; dieselben konnten jedoch in Folge ihrer relativ
                              									unbedeutenden Menge keinen Einfluß auf den Schmelzpunkt ausüben. Aus diesen
                              									Thatsachen ergebe sich die Unhaltbarkeit der Ansicht von Meister, Lucius und Brüning, daß rauchende
                              									Schwefelsäure alles außer Chinon zerstöre, und glaube er, daß die Berücksichtigung
                              									seiner Versuche, die Feststellung des reellen Werthes einer Handelswaare zu
                              									erleichtern, geeignet sei.
                           
                              S–t.