| Titel: | Mittheilungen über neue Handfeuerwaffen; von F. Hentsch Hauptmann a. D. in Berlin. | 
| Fundstelle: | Band 225, Jahrgang 1877, S. 255 | 
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                        Mittheilungen über neue Handfeuerwaffen; von
                           									F. Hentsch Hauptmann a. D. in Berlin.
                        Mit Abbildungen auf Taf.
                              									III [a/4].
                        (Fortsetzung von S. 61 dieses Bandes.)
                        Hentsch, über neue Handfeuerwaffen.
                        
                     
                        
                           Gewehrsystem Heinlein.
                           In jüngster Zeit ist ein von dem Büchsenmacher C. V. Heinlein in Bamberg construirtes Hinterladegewehr patentirt worden. Es ist
                              									dies derselbe Erfinder, welcher schon vor über 20 Jahren sich einen Namen auf dem
                              									Gebiete der Handfeuerwaffentechnik gemacht hat, in London bei der ersten großen
                              									Weltausstellung 1851 bereits lobend erwähnt wurde, und mit dessen
                              									Percussions-Hinterladegewehr von dem bayerischen Kriegsministerium s. Z. in
                              									München Versuche angestellt worden sind. Sein neuestes Hinterlademodell gehört zur
                              									Classe der Blockverschlüsse, indessen dreht sich bei ihm der Verschlußblock nicht um
                              									eine durch sein hinteres Ende hindurchgehende, horizontale Achse, sondern bewegt
                              									sich in senkrechter Richtung auf und nieder. Figur 36 zeigt den
                              									Verticallängenschnitt bei geschlossenem und abgeschossenem Gewehre.
                           Auf das hintere Ende des Laufes ist der Systemkasten, Hülse A genannt, wie bei allen Blocksystemen aufgeschraubt. Derselbe dient zur
                              									Aufnahme des Verschlußstückes, Schlagstückes, Abzuges, Bügels, Extractors, dessen
                              									Schlepper und der Schlagfeder, ist oben und unten geöffnet und endigt in seinem
                              									hinten geschlossenen obern Theile in dem Schweiftheile, unten in einer als
                              									Abzugblech dienenden Schiene. Unmittelbar hinter der hintern Lauffläche befinden
                              									sich in den beiden Seitenwänden der Hülse an der innern Seite senkrechte Falze, in
                              									welchen das Verschlußstück G auf und nieder gleitet;
                              									letzteres besteht aus einem massiven, viereckigen etwa 20mm dicken Eisenstücke, welches der Höhe und
                              									Breite nach die ganze Hülse A ausfüllt. Die vier
                              									Seitenflächen stehen senkrecht zur Horizontalebene der Seelenachse und liegt die
                              									vordere Fläche an der hintern Lauffläche. Im obern Theile besitzt das Verschlußstück
                              										G eine horizontale, cylindrische Bohrung, deren
                              									Achse bei geschlossenem Gewehre die Fortsetzung der Seelenachse bildet. Diese
                              									Bohrung dient zur Aufnahme des cylindrischen Schlagbolzens M, welcher in einer hinten eingeschraubten Scheibe N Führung hat, und verengt sich absatzartig nach vorn, wodurch dem
                              									Vorschnellen des Schlagbolzens begegnet wird. Im untern Theile an der linken und
                              									hintern Seite ist eine senkrechte Auslassung a
                              									angebracht, in welche eine Verlängerung der Schlagfeder E
                              									tritt; wird das
                              									Verschlußstück G niedergezogen, so muß auch die
                              									Schlagfeder diese Bewegung mitmachen und wird gespannt. In der vordern Fläche und im
                              									untern Theile des Verschlußstückes ist in der Mitte eine andere Auslassung b zur Aufnahme eines die Bewegung des Verschlußcylinders
                              									bewirkenden Bügelansatzes e angebracht. Durch die
                              									Seitenwände dieser Auslassung b geht eine horizontale
                              									Schraube c quer hindurch, auf welche der Bügelansatz bei
                              									dem Oeffnen des Gewehres von oben einwirkt. Die vordere Fläche des Verschlußstückes
                              									endlich ist oben abgerundet, um ein etwa nicht genügend weit in den Lauf geschobene
                              									und nach hinten etwas hervorstehende Patrone gänzlich einzuschieben und dadurch
                              									Ladehemmungen zu vermeiden.
                           Der das Verschlußstück bewegende Bügel H dient als Hebel
                              									und Abzugsbügel; derselbe ist an seinem vordern Theile mittels einer horizontalen,
                              									starken, quer durch die Seitenwände der Hülse hindurchgehenden Schraube unterhalb
                              									des hintern Laufendes in dem Systemkasten A befestigt
                              									und um dieselbe in senkrechter Richtung drehbar. Der vordere nasenartige Ansatz d, welcher beim Niederlegen des Bügels diese Bewegung
                              									durch Gegenlegen gegen Absätze der Hülse begrenzt, wirkt gegen den Schlepper J des Extractors L und
                              									versetzt diesen dadurch in Thätigkeit. Etwa 30mm hinter seiner Pivotschraube besitzt der Bügel auf der obern Fläche den
                              									schon erwähnten, nach hinten gerichteten Ansatz e,
                              									welcher in einem runden Kopfe endigt, in die oben erwähnte Auslassung b des Verschlußstückes tritt und die Bewegung des
                              									letztern veranlaßt. Mit seinem hintern Ende tritt der etwas federnde Bügel H bei geschlossenem Gewehr unter den in der untern
                              									Hülsenschiene eingeschraubten Knopf P, wodurch er in
                              									dieser Stellung erhalten wird.
                           Der Extractor L entspricht den Ejectoren der meisten
                              									Modelle dieses Verschlußsystemes; derselbe wirkt aber nicht wie letztere federnd, so
                              									daß die Patronenhülse nur bei gehobener Mündung des Gewehres nach hinten von selbst
                              									herausfällt, sonst aber mit den Fingern gänzlich herausgezogen werden muß. Derselbe
                              									ist in seinem untern Ende durch eine horizontale Schraube zwischen den Seitenwänden
                              									der Hülse befestigt, gabelt sich nach oben und tritt mit zwei seitwärtigen Ansätzen
                              									durch entsprechende Auslassungen in Höhe der Seelenachse in die Laufbohrung. In
                              									seiner vordern Fläche ist eine horizontale Auslassung unterhalb des Laufes
                              									angebracht, welche zur Aufnahme eines fest mit ihm verbundenen Schleppers J dient. Dieser ist mit seinem andern Ende nach unten
                              									und vorn gerichtet, und wirkt auf ihn, wie schon bemerkt, bei dem Oeffnen der Waffe
                              									der Ansatz d des Bügels H
                              									ein.
                           Das Schlagstück C entspricht dem Hahne der
                              									Percussionsgewehre, besteht aus einer senkrecht stehenden Platte und bewegt sich zwischen den
                              									Seitenwänden der Hülse A, zwischen denen es mittels
                              									einer durch sein unteres Ende hindurchgehenden Schraube gehalten wird, in
                              									senkrechter Richtung. In der untern Fläche befinden sich zwei Einschnitte, welche
                              									als Spann- bezieh. Ruhrast und zur Aufnahme des Abzugsschnabels in den
                              									entsprechenden Stellungen dienen. In der hintern Fläche und zwar im untern Theile
                              									ist eine Auslassung f angebracht, in welche die
                              									Schlagfeder E tritt. Zwischen der linken Seite des
                              									Schlagstückes endlich und der linken Hülsenwand ist so viel Spielraum, daß der
                              									vordere Ansatz der Schlagfeder Platz findet und in das Verschlußstück treten kann.
                              									Die zweiarmige, zugleich als Abzugsfeder dienende Schlagfeder ist nicht allein dazu
                              									bestimmt, dem Schlagstücke C die erforderliche
                              									Percussionskraft zu ertheilen, sondern letzteres auch zu spannen. Der obere,
                              									speciell als Schlagfeder dienende Arm E besitzt ebenso
                              									wie der untere, als Abzugsfeder wirkende Arm F die
                              									Breite der Hülsenauslassung. Derselbe tritt mit seinem vordern Ende in die
                              									Auslassung f des Schlagstückes C und besitzt vorn eine schmälere Verlängerung, welche links seitwärts an
                              									letzterm vorbeigeht, in die Auslassung a des
                              									Verschlußstückes G tritt und sich gegen die obere
                              									Begrenzungsfläche der letztern legt. Der untere Arm der Schlagfeder F drückt auf einen Absatz des Abzuges D.
                           Der Abzug D dient zugleich als Stange, tritt mit seinem
                              									nach vorn gerichteten Schnabel in die Rasten des Schlagstückes und hält es in den
                              									betreffenden Stellungen fest. Derselbe wird durch eine horizontale, quer durch die
                              									Seitenwände der Hülse hindurchgehende Schraube so befestigt, daß er sich in
                              									senkrechter Richtung bewegen kann. Durch den Druck des Federarmes wird der Schnabel
                              									hochgedrückt und in den Rasten festgehalten.
                           Als Patrone dient eine solche mit Metallhülse und Centralzündung.
                           Was nun das Zusammenwirken der Schloß- und Verschlußtheile betrifft, so nehmen
                              									dieselben bei geschlossenem und abgeschossenem Gewehre folgende Stellung zu einander
                              									ein. Das Verschlußstück G ist hoch geschoben,
                              									verschließt den Lauf nach hinten und stützt sich mit seiner untern Fläche auf die
                              									obere Fläche des Bügels H, wodurch es unverrückbar in
                              									seiner Lage erhalten wird. Der Schlagbolzen M tritt
                              									etwas über die vordere Fläche des Verschlußstückes G
                              									hervor, liegt in der Verlängerung der Seelenachse und drückt gegen seine hintere
                              									Fläche das vorgeschnellte Schlagstück C; der Abzug D hat die Rasten verlassen, die Schlagfeder ist
                              									abgespannt. Der Extractor L befindet sich mit seinen
                              									Ansätzen in den entsprechenden Laufauslassungen und vor dem Patronenbodenwulste,
                              									sein Schlepper J ist nach unten vorgetreten, der Bügel
                              										H gehoben und an der untern Hülsenfläche durch den
                              									Knopf P festgehalten.
                           
                           Behufs Ladens des Gewehres wird der Bügel H so weit
                              									niedergelegt, als es sein Ansatz d gestattet. Hierbei
                              									drückt der Bügelansatz e auf die Schraube c des Verschlußstückes G und
                              									zieht letzteres so weit nieder, daß die hintere Lauföffnung frei gelegt ist. Dieser
                              									Bewegung folgt der obere Arm E der Schlagfeder, und da
                              									derselbe in der Auslassung f des Schlagstückes C sich befindet, so muß auch dieses ausweichen und sich
                              									so weit drehen, bis der Abzugsschnabel in seine Spannrast tritt, das Schlagstück
                              									somit gespannt ist. In dem Momente, in welchem die hintere Lauföffnung freigelegt
                              									ist, trifft der Ansatz d des Bügels H den Schlepper J; dieser
                              									dreht den Extractor, welcher mit seinen obern Ansätzen aus den Auslassungen des
                              									Laufes heraustritt und die Patrone aus dem Laufe herausschiebt. Ist die Mündung des
                              									Laufes gehoben, so gleitet in Folge der eignen Schwere die Patronenhülse nach hinten
                              									über das Verschluß- und Schlagstück fort und fällt aus der Hülse heraus. Im
                              									andern Falle wird die Patronenhülse mit den Fingern gänzlich entfernt. Bei dem
                              									Niedergehen des Verschlußstückes endlich ist der Schlagbolzen M in Folge der runden Form seines vordern Endes durch den Patronenboden
                              									zurückgedrückt und sein hinteres Ende aus der Verschlußscheibe N nach rückwärts hervorgetreten.
                           Bei dem nun erfolgenden Einbringen der Patrone, welche nicht weit nach hinten
                              									hervorstehen darf, wenn nicht das Schließen unmöglich gemacht werden soll, wird
                              									durch deren Bodenrand der Extractor wieder nach vorn, sein Schlepper nach unten
                              									gedrückt. Alsdann hebt man den Bügel H, wobei sein
                              									Ansatz e gegen die obere Fläche der Auslassung b des Verschlußstückes drückt und dieses hebt. Dasselbe
                              									schiebt sich an der hintern Fläche des Laufes entlang hoch, verschließt letztern und
                              									legt sich bei vollendeter Bewegung mit seiner untern Fläche auf die obere Seite des
                              									Bügels. Letzterer springt hierbei mit seinem hintern Ende über den Knopf P und wird dadurch festgestellt. Das Gewehr ist nunmehr
                              									zum Abfeuern bereit; mittels eines Druckes gegen den Abzug wird dessen Nase aus der
                              									Spannrast des Schlagstückes entfernt, die Schlagfeder tritt in Thätigkeit,
                              									schleudert das Schlagstück gegen den Schlagbolzen, treibt diesen vor, und wird
                              									dadurch die Entzündung der Patrone herbeigeführt. Die Ruhestellung entspricht
                              									derjenigen eines gewöhnlichen Percussionsschlosses. Die Waffe erfordert zur
                              									Handhabung somit 2 Griffe, nämlich 1) Niederlegen des Bügels H, 2) Heben des Bügels, wozu unter Umständen noch das gänzliche Entfernen
                              									der Patronenhülse aus dem Laufe mittels der Finger tritt.
                           Was nun die Beurtheilung der Waffe betrifft, so zeichnet sich letztere zunächst durch
                              									die geringe Zahl (10) und die Solidität ihrer Schloß- und Verschlußtheile aus. Ein
                              									ganz besonderer Vortheil besteht ferner darin, daß das Schloß nur eine Feder
                              									erfordert. Ferner ist der Verschluß sicher und ein Aufspringen des Gewehres bei dem
                              									Schusse nicht möglich, da die Gase senkrecht gegen die Bewegungsebene des
                              									Verschlußstückes wirken und letzteres nur noch fester gegen die Flächen der
                              									Hülsenfalze drücken. Endlich ist als Vorzug die gänzlich sichere Ruhestellung und
                              									die Unmöglichkeit des Gewehres, vor vollständig hergestelltem Verschlusse
                              									loszugehen, zu bezeichnen, da in dem andern Falle der Schlagbolzen tiefer als die
                              									Zündvorrichtung liegt und letztere nicht treffen kann. Als Uebelstand der
                              									Construction ist zu bezeichnen, daß zum Auseinandernehmen des Mechanismus das Lösen
                              									einer Anzahl von Schrauben, somit die Anwendung eines besondern Instrumentes
                              									erforderlich ist, daß ferner der Extractor nicht federnd wirkt, daher nicht
                              									automatisch die Patronenhülse auswirft, sondern nur etwas zurückschiebt.
                           Die Art der Bewegung des Verschlußstückes ist nicht neu und finden wir sie bereits
                              									bei dem Systeme Sharps, Henry u.a.; als gänzlich
                              									originell und neu muß dagegen die Art des Spannens des Schlagstückes durch die
                              									Schlagfeder bei dem Niedergehen des Verschlußstückes und die Art, wie der Extractor
                              									in Thätigkeit versetzt wird, bezeichnet werden. Im Allgemeinen ist daher die
                              									Construction einfach und sinnreich und nach Hebung obiger Mängel, deren Beseitigung
                              									nicht schwer fallen dürfte, den besten Hinterladewaffen an die Seite zu stellen.
                           
                              
                                 (Fortsetzung folgt.)
                                 
                              
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
