| Titel: | Ueber Alkoholpräparate. | 
| Fundstelle: | Band 225, Jahrgang 1877, S. 299 | 
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                        Ueber Alkoholpräparate.
                        Bannow, über Alkoholpräparate.
                        
                     
                        
                           A. Bannow gibt im Amtlichen Bericht über die Wiener Weltausstellung im J. 1873 (Bd. 3 Abtheilung 1) eine Abhandlung über
                              									Alkoholpräparate, der wir Folgendes entnehmen.
                           Die organische Chemie hat den in den letzten Decennien vielfach mit dauerndem Nutzen
                              									betretenen Weg, die in ihren Bereich fallenden Nebenproducte der Industrie weiter zu
                              									verarbeiten, mit Erfolg fortgesetzt. Wie die Abfälle der Gasanstalten,
                              									Theerschwelereien, Seifensiedereien, Zuckerfabriken etc. schon lange selbstständigen
                              									Industriezweigen zur Grundlage dienen, so haben auch andere Nebenproducte
                              									organischer Natur das Streben nach weiterer Ausnutzung wach gerufen, und erst in
                              									jüngster Zeit ist es zumal die Spiritusfabrikation gewesen, welche die
                              									Aufmerksamkeit der technischen Chemiker auf sich gelenkt hat. Nachdem seitens der
                              									wissenschaftlichen Chemiker durch zahlreiche eingehende Untersuchungen das Terrain
                              									nach allen Seiten geebnet war, konnte man es unternehmen, auch die Nebenproducte der
                              									Spiritusfabrikation systematisch in größerm Maßstabe zu verwerthen. Der erste
                              									Versuch dieser Art ist von dem Spiritusfabrikanten Kahlbaum in Berlin ausgeführt worden, und trotz der kurzen Zeit seines
                              									Bestehens hat sich das Unternehmen als vollkommen lebensfähig erwiesen (vgl. 1876
                              										222 288).
                           Bei der Aufarbeitung des von den kleineren Brennereien gelieferten Rohspiritus werden
                              									namentlich zwei Producte erhalten: der beim Beginn der Rectification auftretende Vorlauf, welcher im Wesentlichen aus Aldehyd besteht, und
                              									der nach dem Abtreiben des Alkohols mit Wasser übergehende Nachlauf, der als ein wechselndes Gemisch von Propyl-,
                              									Isobutyl- und Amylalkohol nebst geringen Mengen sehr hochsiedender Körper,
                              									wahrscheinlich Glyceriden, anzusehen ist.
                           Im Rohspiritus findet man keinen Aldehyd, während bei der Destillation des durch
                              									Kohle entfuselten Alkohols anfangs große Mengen dieses Körpers auftreten. Beim
                              									Behandeln des auf 50 Proc. verdünnten Alkohols mit frisch geglühter Holzkohle
                              									erwärmt sich dieser schnell auf 30 bis 40°, da nicht nur das Fuselöl
                              									absorbirt wird, sondern auch der in der Kohle verdichtete Sauerstoff einen Theil des
                              									Alkohols zu Aldehyd verbrennt. Die im Nachlauf enthaltenen Alkohole sind dagegen
                              									Gährungsproducte. Der größte Theil des Propylalkohols findet sich in dem zwischen
                              									dem Alkohol und dem eigentlichen Nachlauf aufgefangenen sogen. Nachlaufspiritus.
                           Die Aufarbeitung des Vorlaufes geschieht in geeigneten Fractionsapparaten, ähnlich
                              									der Savalle'schen Colonne (* 1877 223 615). Der so durch
                              									mehrfache Fractionirung
                              									gewonnene Aldehyd ist von solcher Reinheit, daß es schwer sein würde, denselben auf
                              									einem andern Wege in dieser Menge und Concentration herzustellen. Er findet in
                              									verschiedenen Zweigen der chemischen Industrie Verwendung, so z.B. in den
                              									Färbereien, wo das Aldehydgrün noch immer nicht ganz durch das Methylgrün verdrängt
                              									worden ist. Das in jüngster Zeit für medicinische Zwecke sehr in Aufnahme gekommene
                              									sogenannte Crotonchloral, nach neueren Untersuchungen bekanntlich Butylchloral, ist
                              									das Product der Einwirkung von Chlor auf den Aldehyd, und grade hierzu würde man auf
                              									andere Weise diesen Körper kaum in genügender Menge und Reinheit schaffen
                              									können.
                           Die Trennung der einzelnen Bestandtheile des Nachlaufes gelang erst dann, als
                              									namentlich Krämer nachwies, daß die betreffenden Alkohole
                              									mit Wasser constant siedende Gemische bilden, welche erst durch Potasche oder
                              									gebrannten Kalk zerlegt werden müssen, um dann in passenden Colonnen ganz reine
                              									Körper zu geben. Auf diese Weise trennt sich der Nachlauf in
                           1) Aethylalkohol (C₂H₆O), welcher, da er nicht völlig frei von
                              									hochsiedenden Alkoholen ist, am zweckmäßigsten mittels des gewöhnlichen
                              									Schnellessigverfahrens auf Essigsäure und deren Derivate verarbeitet wird.
                           2) Propylalkohol (C₃H₈O).
                           3) Isobutylalkohol (C₄H₁₀O).
                           4) Amylalkohol (O₅H₁₂O).
                           Außer diesen vier Hauptproducten werden nicht unbeträchtliche Mengen von
                              									Zwischenproducten erhalten, welche nur annähernd getrennt je nach ihrem Siedepunkt
                              									als Brennmaterial, Lösungsmittel für Farben und Lacke u.s.w. Verwendung finden.
                           Das Anfangsglied dieser Alkoholreihe, der Methylalkohol (CH₄O), welcher bisher
                              									noch nicht unter den Gährungsproducten des Zuckers nachgewiesen ist, wird
                              									bekanntlich aus dem rohen Holzgeist gewonnen (1874 214
                              									62). Derselbe enthält außer Methylalkohol noch Aceton, Allylalkohol (1875 215 285), Methylacetat, Condensationsproducte des Acetons
                              									oder höhere Ketone, sowie beträchtliche Mengen hochsiedender übelriechender Oele.
                              									Die Trennung geschieht durch systematische Fractionirung mittels Colonnen, nachdem
                              									durch Alkalien das Methylacetat entfernt und ein Theil der übelriechenden Oele durch
                              									schwache Oxydationsmittel zerstört ist. Obgleich der Siedepunkt des Acetons von dem
                              									des Methylalkohols nur 10° entfernt ist, so gelingt es doch, diesen bis auf
                              									Spuren vom Aceton zu befreien. Besonders schwierig ist die Gewinnung des
                              									Allylalkohols.
                           Der Methylalkohol findet in der Anilinfarbenfabrikation namentlich für Grün und
                              									Violett als Methylanilin ausgedehnte Anwendung; neuerdings wird auch ein sehr
                              									schönes Blau aus methylirtem Diphenylamin hergestellt (vgl. 1876 221 192). Es ist hierbei wichtig, möglichst reinen
                              									Holzgeist anzuwenden, da nicht allein die Ausbeute, sondern auch die Reinheit und
                              									Nüance der Farben durch beigemengte Ketone beeinträchtigt wird. Da Siedepunkt,
                              									specifisches Gewicht u.s.w. keinen sichern Schluß auf den Gehalt des Holzgeistes an
                              									Methylalkohol gestatten, so ist die chemische Bestimmung desselben als Methyljodid
                              									unerläßlich (vgl. * 1875 215 82).
                           Der Aethylalkohol wird weiter verarbeitet auf absoluten Alkohol und Aether. Bei
                              									ersterm hat sich in der Technik ausschließlich die Entwässerungsmethode mit
                              									gebranntem Kalk wegen des niedrigen Preises desselben und der Reinheit des damit
                              									bereiteten Productes zu behaupten vermocht, da die große Zahl der sonst
                              									vorgeschlagenen Entwässerungsmittel, geglühter Kupfervitriol, wasserfreies
                              									Magnesiumsulfat, Potasche und andere mehr, theils nicht im Stande sind, das Wasser vollständig an
                              									sich zu nehmen, theils, wie das Chlorcalcium, nur mit Schwierigkeit den Alkohol
                              									wieder entlassen und die Destillationsgefäße nicht unerheblich angreifen. Mit
                              									Vortheil läßt sich auch beim Kalk nur möglichst hochgrädiger, durch die Colonne auf
                              									mindestens 96 Proc. gebrachter Sprit verarbeiten. Die leicht mechanisch mit
                              									übergerissenen Spuren von Kalk werden durch vorsichtige Rectification in
                              									geschlossenen Apparaten, um das Anziehen von Feuchtigkeit aus der Luft zu verhüten,
                              									leicht entfernt. Der gewonnene Alkohol, welcher im Handel unter dem Namen absoluter
                              									Alkohol geht, überschreitet indessen kaum die Stärke von 99,5 Proc. Dieser letzte
                              									Rest Wasser muß für den zu wissenschaftlichen Zwecken verwendeten Alkohol mit
                              									Natrium entfernt werden. Der benutzte Kalk hält nicht unbeträchtliche Mengen Alkohol
                              									mechanisch zurück, welche durch Destillation mit Wasser zu gewinnen sind und am
                              									besten zur Umwandlung in Essigsäure dienen.
                           Zur Darstellung des Aethers wird allein die bekannte Methode mit Schwefelsäure
                              									angewendet. Der erhaltene Aether wird durch Destillation möglichst von Alkohol und
                              									Wasser befreit, die letzten Spuren Alkohol durch Waschen mit Wasser, das Wasser
                              									durch Kalk und schließlich durch Rectification über Natrium entfernt. Die
                              									ätherhaltigen Waschwässer werden wieder aufgearbeitet.
                           Aethylalkohol wird ferner durch das sogen. Schnellessigverfahren zur Herstellung von
                              									Essigsäure, Isobutyl- und Amylalkohol durch Kaliumbichromat und Schwefelsäure
                              									zur Gewinnung der Buttersäure und Valeriansäure verwendet. Von den Nebenproducten
                              									dieser Oxydation findet das Butylbutyrat und Amylvalerat technische Verwendung,
                              									während die beiden entsprechenden Aldehyde bisher nicht gebraucht werden.
                           Ferner dienen die Alkohole zur Fabrikation der verschiedenen Aetherarten, welche in
                              									der Technik, der Parfümerie und Pharmacie vielfach Anwendung finden. Erwähnenswerth
                              									sind namentlich: Ameisensaures Methyl, Aethyl und Amyl, essigsaures Methyl, Aethyl,
                              									Butyl und Amyl, buttersaures Aethyl und Butyl, valeriansaures Aethyl und Amyl, sowie
                              									benzoesaures Aethyl und salicylsaures Methyl.
                           Die Darstellung dieser Aether geschieht durch Destillation des entsprechenden
                              									Natriumsalzes der Säure und einer Mischung des fraglichen Alkohols mit Schwefelsäure
                              									oder Salzsäure. Dem rohen Aether ist außer Wasser und freier Säure gewöhnlich noch
                              									etwas Alkohol, sowie Spuren von schwefliger Säure oder Salzsäure beigemengt, von
                              									welchen derselbe, je nach dem gewünschten Grade der Reinheit, mehr oder minder
                              									vollkommen befreit wird.
                           Von den Aethern anorganischer Säuren haben die salpetrigsauren Aether des Aethyls und
                              									Amyls, sowie das salpetersaure Methyl und Amyl Verwendung gefunden. Erstere werden
                              									durch Destillation der Alkohole mit Salpetersäure, zum Theil unter Zusatz von
                              									desoxydirenden Mitteln, wie Kupfer oder Stärke, gewonnen und hauptsächlich wohl zu
                              									medicinischen Zwecken verwendet. Das Methylnitrat war eine Zeit lang zur Darstellung
                              									des Methylgrüns in Gebrauch, ist jedoch wegen seiner stark explosiven Eigenschaften
                              									ziemlich wieder verlassen worden. Endlich gehören hierher noch das
                              									äthylschwefelsaure Kalium und Natrium, welche, wie die Nitrite, wohl hauptsächlich
                              									nur therapeutisch in Anwendung kommen. Ihre Bereitung wird auch im Großen auf die
                              									bekannte Weise durch Sättigen der Aetherschwefelsäure mit kohlensaurem Kalk und
                              									Zersetzen des Kalksalzes mit dem entsprechenden Carbonat oder Sulfat
                              									vorgenommen.
                           Die übrigen Alkoholpräparate, einschließlich der Abkömmlinge der aromatischen
                              									Kohlenwasserstoffe, dienen nur zu wissenschaftlichen Zwecken. Ihr Verbrauch in den
                              									Laboratorien ist ein ziemlich bedeutender geworden und wird voraussichtlich noch
                              									zunehmen, da es kaum
                              									möglich ist, diese Körper in geringeren Mengen so rein herzustellen, als dies in
                              									großem Maßstabe mittels Colonnen geschieht.
                           Von den hier in Betracht kommenden Alkoholderivaten sind neben den reinen Alkoholen
                              									besonders hervorzuheben die Chloride, Bromide und Jodide derselben; von nahezu
                              									gleicher Wichtigkeit als Ausgangspunkte sind die Hydroxylderivate, also Aldehyde,
                              									Säuren, Ketone und Aether. Demnächst sind die Ammoniakabkömmlinge als Aminbasen,
                              									Säure-Amide und -Nitrite von Belang, während bei den übrigen,
                              									selteneren Körpern sich das Interesse der Wissenschaft bald diesem, bald jenem mit
                              									Vorliebe zuwendet. Eine große Anzahl endlich der schwieriger zu gewinnenden
                              									Verbindungen werden vorzugsweise zur Completirung der Sammlungen gebraucht, so daß
                              									ihr Bedarf auf kleine Quantitäten beschränkt bleibt.
                           In der Fabrikation muß man in vielen Fällen sich von den in den Laboratorien
                              									gebräuchlichen Methoden freimachen und an Stelle der Glasgefäße Apparate von Thon,
                              									Porzellan, Silber oder Kupfer treten lassen, während die beliebten zugeschmolzenen
                              									Röhren großen Digestoren weichen müssen und das Heizgas vielfach durch gespannten
                              									oder überhitzten Wasserdampf ersetzt wird. Ueberhaupt liegt in der Wahl der Gefäße
                              									oft die Hauptschwierigkeit bei der Darstellung der bisher nur in geringen Mengen in
                              									den Laboratorien der Chemiker gewonnenen Verbindungen.