| Titel: | Collmann's Steuerung. | 
| Autor: | Müller-Melchiors | 
| Fundstelle: | Band 225, Jahrgang 1877, S. 316 | 
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                        Collmann's Steuerung.
                        Mit Abbildungen auf Taf.
                              									IV [a/1].
                        Collmann's Steuerung.
                        
                     
                        
                           Es wäre ein vergeblicher Versuch, diese neue, von A. Collmann, Civilingenieur in Wien, in allen Industriestaaten patentirte
                              									Steuerung irgend einer Classe bereits bestehender Constructionen einzureihen; so
                              									sehr sie auf den ersten Anblick der Sulzer-Steuerung ähnelt, so grundverschieden ist sie von derselben; und
                              									ebenso wenig schließt sie sich einer andern Steuerung an. Das entscheidende Merkmal
                              									der Collmann-Steuerung ist das Eingreifen des
                                 										Regulators als continuirlich wirkendes Steuerorgan und das Entfallen des
                              									Auslösemechanismus, welchem nicht mit Unrecht von Collmann vorgeworfen wird, daß der beliebte
                              										„momentane“ Schluß des Dampfeintrittes nicht herbeigeführt
                              									werden darf, wenn nicht Ventile und Schieber rasch
                              									zerstört werden sollen. Mit Rücksicht hierauf behauptet Collmann bei seiner Steuerung ebenso raschen Schluß erzielen zu können,
                              									als bei einer rationell regulirten Corliß- oder Sulzersteuerung zulässig ist
                              									– eine Ansicht, welcher wir im Hinblick auf die Erhebungsdiagramme der
                              									Ventile, wie sie sich aus dem geometrischen Zusammenhange der Steuerung ergeben,
                              									zwar nicht zustimmen können, die aber anderseits durch die scharfen Ecken uns
                              									vorliegender Originaldiagramme der Collmann'schen Maschinen insoweit bekräftigt
                              									wird, daß sich die Raschheit des Schlusses als vollkommen genügend erweist. Hiermit
                              									aber wird die Steuerung durch den Wegfall der stets empfindlichen Buffervorrichtung,
                              									sowie der abschnappenden Kanten verhältnißmäßig einfach und auch für höhere
                              									Tourenzahlen anwendbar.
                           Die Skizzen Fig.
                                 										1 bis 3 zeigen die wesentlichen Bestandtheile der neuen Steuerung, welche wir
                              									uns zunächst ohne Eingriff des Regulators, mit fester Expansion denken wollen. Aus
                              										Figur 1,
                              									Querschnitt durch den Cylinder, ist Eintritt- und Austrittventil für das eine
                              									Cylinderende, ersteres oberhalb, letzteres unterhalb des Dampfcylinders ersichtlich.
                              									Die Steuerwelle w, welche längs des Cylinders läuft,
                              									wird von der Schwungradwelle durch Kegelräder angetrieben und erhält die gleiche
                              									Tourenzahl wie diese. An den beiden Cylinderenden ist sie ausgekröpft – oder
                              									auch mit einem Excenter versehen – und trägt hier die Excenterstange Ee, welche mittels des einarmigen Hebels h direct das Austrittventil bewegt und mittels des
                              									zweiarmigen Hebels H die Bewegung des Eintrittventiles
                              									einleitet. Die Steuerung ist für den Beginn der Dampfadmission, kurz vor dem todten
                              									Punkte gezeichnet, die Welle w rotirt in der Richtung
                              									des Pfeiles.
                           Wäre nun das kurze Ende c des zweiarmigen Hebels H
                              									fest und direct mit der Spindel des Eintrittventiles
                              									verbunden, so hätten wir volle Füllung während des ganzen Hubes; findet die
                              									Verbindung durch einen Auslösemechanismus statt, so
                              									erhalten wir Expansionssteuerungen wie die Hartmann'sche
                              									(* 1874 214 267), Hartung'sche
                              									(* 1876 222 205) u.a. Die Collmann-Steuerung dagegen hat (während der Arbeitsperiode) die
                              									Verbindung zwischen dem Hebel H und dem Eintrittventil
                              									zwar fest, aber nicht direct,
                              									sondern mittels eines Kniehebels bewerkstelligt, welcher
                              									das charakteristische Kennzeichen der neuen Steuerung repräsentirt. Derselbe ist in
                              									seinem obern Scharnier a mit der rahmenartig erweiterten
                              									Ventilspindel, am untern Scharnier c mit dem Hebel H fest verbunden; der mittlere Bolzen b
                              									dagegen trägt eine Lenkerstange L, deren anderes Ende
                              									wir vorläufig mit der verlängerten Excenterstange E fest
                              									verbunden und die Regulatorhebel R und r weggelassen denken wollen. Dann wird beim Beginn der
                              									Bewegung in der Richtung der Pfeile in Figur 1 sowohl der Hebel
                              										H den Punkt c heben, als
                              										L den Punkt d nach
                              									rechts drücken und das Kniehebelgelenk strecken; beide Bewegungen addiren sich und
                              									geben ein rasches Anheben des Punktes a sowie des mit
                              									ihm fest verbundenen Eintrittventiles. Bei weiterer Drehung der Welle w behält c seine
                              									aufsteigende Bewegung fort, ebenso bewegt sich der Punkt b dauernd nach rechts, da wir die Excenterstange E um den Angriffspunkt des Hebels H als
                              									Fixpunkt schwingend annehmen können. Dabei aber kommt der Kniehebel, nach rechts
                              									ausgebogen, alsbald aus seiner gestreckten Stellung und vermindert den Abstand der
                              									Punkte a und c fortwährend,
                              									bis endlich, gegenüber der Anfangsstellung, a ebenso
                              									tief gesunken ist, als c vom Hebel H gehoben worden war, d.h. das Ventil ist wieder auf
                              									seinen Sitz gesunken und die Expansion beginnt.
                           Die Bewegung der Hebel H und L dauert selbstverständlich im selben Sinne fort, bis der Excenterzapfen,
                              									beiläufig bei halbem Kolbenhub, seine tiefste Stellung erreicht hat, worauf auch der
                              									Punkt c nach abwärts geht, während b noch fortwährend von L
                              									nach rechts geschoben wird. Beide Bewegungen, welche sich früher subtrahirt hatten,
                              									würden sich nun addiren, um den Punkt a herabzuziehen,
                              									was jedoch unmöglich ist, da derselbe fest mit dem aufsitzenden Ventile verbunden
                              									ist. Deshalb wird Punkt b mit a nicht durch eine feste Stange, sondern durch die teleskopartige
                              									Construction verbunden, welche in Fig. 2 und 3 dargestellt ist. Man
                              									ersieht, daß der Punkt a dem Punkte b bei der Aufwärtsbewegung unter allen Umständen folgen
                              									muß, sobald sich die beiden Tellerflächen des mit a
                              									verbundenen Rohres und der mit b verbundenen Stange
                              									getroffen haben; beim Rückgange von b folgt dagegen a durch das Eigengewicht von Ventil und Spindel, sowie
                              									unter dem Druck einer schwachen Feder, welche über der Ventilspindel angebracht ist;
                              									sobald das Ventil aufsitzt und d weiter sinkt, verlassen
                              									sich die Tellerflächen und berühren sich erst wieder, wenn der Excenterzapfen seine
                              									volle Umdrehung durchlaufend wieder in die Anfangsstellung der Figur 1 gelangt ist.
                           Nach dem Vorausgeschickten ist klar, wie sich durch den combinirten Einfluß der
                              									beiden „Hauptbewegungen“, wie sie Collmann nennt, der Schluß des Ventiles bedingt. In der ersten Hubhälfte
                              									wirkt der Lenker L durch Verkürzung des Kniehebels dem
                              									aufsteigenden Hebel c
                              									entgegen, in der zweiten
                              									Hubhälfte vereinigen sich beide Bewegungen zum Niederlassen des Ventiles; unter
                              									allen Umständen erfolgt der Schluß des Ventiles um so rascher, je mehr die
                              									Kniehebelwirkung zur Geltung kommt, denn bei dem extremen Falle der Figur 1 findet fast sofort
                              									nach dem Eröffnen auch wieder der Schluß des Ventiles statt, während beim Wegfallen
                              									des Lenkers L und der starren Verbindung zwischen den
                              									Punkten c und a die Füllung
                              									während des ganzen Hubes dauern müßte. Letzterer Fall, d.h. die Eliminirung des
                              									Kniehebeleinflusses wird nahezu erreicht, wenn die Lenkerstange L, statt im höchsten Punkte der Excenterstange E zu stehen, in die tiefste Stellung zum Angriffspunkte
                              									des Hebels H gelangt, da wir denselben, wie oben
                              									bemerkt, für die Bewegung des Lenkers gewissermaßen als Fixpunkt ansehen können; in
                              									den Zwischenstellungen finden dann selbstverständlich die mittlern Füllungsgrade
                              									statt.
                           Wenn wir daher die Lenkerstange L nicht fest mit der
                              									Excenterstange E verbinden, sondern durch eine Führung
                              									auf E verschiebbar machen, so können wir alle
                              									Füllungsgrade von 0 bis 90 Proc. erreichen. Dies geschieht bei der
                              									Collmann-Steuerung direct durch den Regulator, welcher mittels der Welle x und der Hebel r, R, mit
                              									der Lenkerstange L in Verbindung steht. Die Functionen
                              									der Steuerung werden somit vollkommen verständlich und die eingangs gemachten
                              									Bemerkungen gerechtfertigt sein; hervorzuheben ist noch, daß der Regulator, um die
                              									Lenkerstange stets in ihrer Stellung zu erhalten, jedenfalls einen größern
                              									Kraftaufwand ausüben muß, als bei einer Auslössteuerung; daß aber diese Bedingung
                              									ohne Schwierigkeit zu erfüllen ist, zeigt sich an den verschiedenen nach Collmann's Patent ausgeführten Maschinen, wo der
                              									Regulator überall vortrefflich functionirt.
                           In der hier betriebenen Weise bringt Collmann seine
                              									Steuerung bei den normalen, neu zu bauenden Umtriebsmaschinen an; zum Umbau
                              									bestehender Maschinen und für Reversirmaschinen überhaupt wäre dagegen die längs des
                              									Cylinders laufende Steuerwelle schwer verwendbar. Da sich aber die zwei Hauptbewegungen der Steuerorgane einfach zerlegen lassen,
                              									und zwar in eine bis zum halben Hub aufgehende und dann zurückgehende Bewegung des
                              									untern Kniehebelpunktes, sowie eine zweite Bewegung, welche das
                              									Kniehebel-Mittelscharnier während des ganzen Hubes nach einer Seite
                              									hindurchbiegt, so erhellt sofort, daß sich das gewünschte Resultat auch einfach mit
                              									zwei Excentern erreichen läßt, von denen das eine um 90° (mehr dem Voreilen)
                              										vor der Kurbel aufgekeilt ist und das zweite mit der
                              									Kurbelrichtung zusammenfällt. Von diesen beiden Excentern treibt dann das erstere
                              									durch den Hebel P eine Rohrwelle p (Fig.
                                 										4), von welcher sich nach jedem Cylinderende ein Hebel H erstreckt, der mit dem untern Kniehebelpunkte c verbunden ist. Der an das Mittelscharnier gehängte Lenker L dagegen vereinigt sich im Cylindermittel mit dem
                              									Lenker der andern Cylinderseite zu einem gemeinsamen Gleitstück, welches auf der
                              									Stange E durch die Hebel R,
                                 										r und die Welle x wie früher von dem Regulator
                              									oder vom Maschinenführer verschoben wird, um die Füllung zu wechseln. Es ist nun
                              									leicht erklärlich, wie die Stange E auf der durch p hindurchgehenden Welle q
                              									aufsitzt und von dieser mittels des Hebels Q und des
                              									zweiten mit der Kurbel coïncidirend aufgekeilten Excenters während des ganzen
                              									Hubes nach rechts gedreht wird. Die Austrittventile werden von zwei weitern, auf der
                              									Welle p sitzenden Hebeln angetrieben und sind gewöhnlich
                              									neben den Eintrittventilen angeordnet; übrigens ist selbstverständlich, daß in
                              									dieser Richtung die verschiedensten Modificationen zulässig sind.
                           Die Anwendung auf Reversirmaschinen ist in Figur 5 dargestellt. Die
                              									oben beschriebene Anordnung der Ventile und Excenter bleibt im allgemeinen
                              									beibehalten, die Maschinenkurbel bewegt sich in der Richtung des Pfeiles, das
                              									Excenter der ersten Hauptbewegung, welches die Welle p
                              									treibt, ist in der Richtung V aufgekeilt, gegen die
                              									Normalstellung eines Vorwärtsexcenters um 180° verdreht, da die Bewegung
                              									durch die Welle p umgekehrt wird. Das Excenter W der zweiten Hauptbewegung, welches nach dem oben
                              									gesagten beiläufig mit der Kurbel coïncidiren sollte, ist um ebenso viel vor der Kurbel aufgekeilt, wie V
                              									hinter der Kurbel zurücksteht. Dadurch werden die
                              									höchsten Füllungsgrade, vielleicht von 70 Proc. an, allerdings unmöglich gemacht;
                              									dagegen ergibt sich eine äußerst einfache Reversirung. Die Excenterstangen von V und W greifen nämlich an
                              									den beiden Enden einer Coulisse M an, welche von einem
                              									unten liegenden Drehpunkt mittels Hängeeisen getragen wird und aus zwei getrennten,
                              									geraden Gleitbahnen besteht. In der einen derselben ist die Stange des Hebels P, in der andern die Antriebsstange von Q geführt, beide durch Führungsstangen derart mit einem
                              									doppelarmigen Hebel d verbunden, so daß sie immer die
                              									entgegengesetzten Enden der Coulisse einnehmen. Wenn daher in Figur 5 die Stange von P oben, von Q unten in die
                              									Coulisse eingreift, so wird die Steuerwelle p von V, q von W aus, wie in Figur 4,
                              									gesteuert und die Maschine rotirt in der Richtung des Pfeiles. Wird dagegen der
                              									doppelarmige Hebel d in seine andere Endstellung
                              									gebracht, so kommt nun p unter den Einfluß von W, q unter die Führung von V, und die Maschine ist umgesteuert. Die Zwischenstellungen der Coulisse
                              									werden selbstverständlich nicht verwendet, da die Expansion unabhängig hiervon durch
                              									den Hebel r von Hand gestellt wird.
                           
                           In dieser Gestalt läßt sich die Collmann-Steuerung leicht zum Umbau
                              									bestehender Fördermaschinen mit Ventilsteuerung verwenden, ohne daß in der Anordnung
                              									der Ventile die geringste Aenderung erforderlich wäre. Aber nicht allein den hier
                              									beschriebenen Fällen, sondern allen überhaupt denkbaren Maschinen- und
                              									Steuerungsdispositionen hat Collmann seine Steuerung
                              									angepaßt – in einer Weise, welche ebenso das Genie des Erfinders, als die
                              									allgemeine Anwendbarkeit seiner Steuerung bewährt. Hervorragende Maschinenfabriken
                              									in DeutschlandDieselbe wird von der „Görlitzer Maschinenbau-Anstalt und
                                       												Eisengießerei“ in Görlitz und von L. A. Riedinger in Augsburg u.a. ausgeführt. haben die Ausübung des Collmann'schen Patentes
                              									übernommen, und, obwohl die Erfindung ihr erstes Jahr noch nicht vollendet hat, ist
                              									schon eine Reihe von Maschinen mit Collmann-Steuerung versehen in dauerndem
                              									Betriebe.
                           Müller-Melchiors.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
