| Titel: | Ueber Hartglasfabrikation; von Bourrée. | 
| Fundstelle: | Band 225, Jahrgang 1877, S. 361 | 
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                        Ueber Hartglasfabrikation; von Bourrée.
                        Bourrée, über Hartglasfabrikation.
                        
                     
                        
                           Der Verfasser der nachstehenden, dem Bulletin des Anciens Elèves de l'École centrale in Paris entnommenen Mittheilungen
                              									hatte bei einem mehrwöchigen Aufenthalte auf den bekannten Glashütten von
                              									Choisy-le-Roi Gelegenheit, den Proceß des Härtens (besser wohl
                              									Anlassens) von Glas nach de la Bastie's Verfahren näher
                              									zu untersuchen (vgl. 1875 215 186) 381. 216 75. 218 181). Da das
                              									Gelingen der Operation gänzlich durch die sorgfältigste Aufmerksamkeit bedingt wird,
                              									so gibt Bourrée Einzelheiten, welche von
                              									geringfügiger Bedeutung erscheinen könnten, für eine klare Beleuchtung des Processes
                              									jedoch unerläßlich sein dürften.
                           Härtung erfolgt durch Erhitzen und darauf folgendes plötzliches Abkühlen eines
                              									Körpers. Glas wird gehärtet durch Erhitzen bis zur Rothglut und Eintauchen in ein
                              									Bad von bestimmter Temperatur; mit andern Worten: nachdem das Glas seine bestimmte
                              									Form erhalten, wird es, anstatt behufs langsamen Erkaltens in den Kühlofen zu
                              									kommen, zum Rothglühen erhitzt und dann in Oel getaucht. Die ihm dadurch
                              									mitgetheilte Härte (Temperung) ist um so bedeutender, einer je intensivem Hitze es
                              									ausgesetzt war, und je rascher beim Kühlen verfahren wurde. Die Temperatur des Bades
                              									muß innerhalb gewisser Grenzen zu der des Glases im angemessenen Verhältnisse
                              									stehen. Man wird somit zu einer Feststellung der Minimaltemperatur des Bades, in
                              									welchem sich das bis beinahe zum Erweichen erhitzte Glas härten läßt, geführt. Diese
                              									Temperatur kann auf experimentellem Wege festgestellt werden; sie variirt 1) mit der
                              									chemischen Zusammensetzung des Glases, 2) mit der Form, der Stärke (Dicke) und der
                              									Größe des zu härtenden Stückes und 3) mit der Temperatur, auf welche das zu härtende
                              									Glas vor dem Eintauchen erhitzt wurde.
                           Was die chemische Zusammensetzung betrifft, so ist zu
                              									berücksichtigen, daß verschieden zusammengesetzte Glassorten bei verschiedenen
                              									Temperaturen verschiedene Grade der Erweichung und Dehnbarkeit annehmen. Wiederholte
                              									Versuche nach dieser Richtung hin sind noch auszuführen, und mittels derselben ist
                              									zunächst festzustellen, welche Temperatur und (chemische) Beschaffenheit des Bades
                              									zum Härten einer bestimmten Glassorte von genau bekannter Zusammensetzung am besten
                              									geeignet ist.
                           Verfasser stellte Versuche mit feinem, aus 300 Sand, 100 Kali und Natron und 50
                              									Mennige zusammengesetztem Krystallglase von Baccarat an. Dasselbe läßt sich ganz
                              									vortrefflich härten; auch kann man alles Krystallglas in reinem Fett bei
                              									Temperaturen, die zwischen 60 und 136° liegen, härten. Gewöhnliches Glas läßt
                              									sich in einem Gemische von Oel und Fett bei Temperaturen zwischen 150 und
                              									315° tempern, da es streng-flüssiger ist. Der Kalk- und
                              									Natrongehalt des Glases hat sonach einen deutlichen Einfluß auf die zum härten
                              									erforderliche Temperatur des Bades.
                           Die Temperatur, auf welche das zu härtende Glas vor dem
                              									Eintauchen erhitzt werden muß, ist nach der Form, der Größe und der Stärke der
                              									Gegenstände verschieden, so daß aus demselben Hafen geblasene Stücke mehr oder
                              									weniger stark dem Feuer ausgesetzt werden müssen; dem entsprechend hat man die
                              									Temperatur des Bades innerhalb gewisser Grenzen zu modificiren; dicke Stücke, welche
                              									ein stärkeres Aufwärmen nöthig machen, erfordern auch ein heißeres Bad. So werden in
                              									Choisy-le-Roi Lampenglocken, Cylinder u. dgl. in einem Bade von
                              									60°, Trinkgläser, Becher u. dgl. je nach ihrer Form und Stärke in Bädern von
                              									60, 65 oder 72°, Karaffen, Schalen u.s.w. in solchen von 76 bis 120°
                              									getempert.
                           Die chemische Zusammensetzung des Bades ist von
                              									wesentlichem Einflusse. Nicht alle Flüssigkeiten sind zum Härten des Glases
                              									geeignet; in Wasser z.B. zerspringt das Glas fast immer. Die besten Resultate erhält man mit völlig
                              									reinem Fett und Oel. Bei
                              									Krystallglas wendet man lieber ersteres an; beim Härten von Glas dagegen, welches
                              									ein Erhitzen von 150 bis 315° erfordert, läßt sich Fett allein nicht
                              									verwenden; man benutzt dazu vielmehr ein Gemisch von 3 Th. Leinöl und 1 Th. Fett.
                              									Reines Glycerin, sowie manche Gemische von Glycerin und Fett, werden gleichfalls mit
                              									Vortheil verwendet. Ein nicht homogenes, Verunreinigungen oder geringe Mengen Wasser
                              									enthaltendes Fettbad ist zum Härten untauglich; aus diesem Grunde darf ein frisches
                              									Oelbad auch nur erst dann dazu benutzt werden, nachdem es 4 bis 5 Tage hindurch auf
                              									150° erhitzt gehalten worden ist; es kann alsdann aber unbestimmt lange Zeit
                              									gebraucht werden, indem es mit dem Altern besser wird. In Hartglasfabriken muß stets
                              									ein größerer Behälter mit erhitztem Oele zum Füllen der verschiedenen Bäder
                              									vorräthig gehalten werden.
                           Nothwendige Bedingung für einen günstigen Erfolg ist ein gleichmäßiges Erhitzen des Glases in seiner ganzen Ausdehnung,
                              									widrigenfalls es im Bade zerspringt, indem in Folge einer ungleichmäßigen Härtung
                              									das Gleichgewicht der Massetheilchen aufgehoben wird. Trinkgläser und ähnliche
                              									Gegenstände sind, sowie sie aus der Hand des Formgebers kommen, niemals gleichmäßig
                              									heiß, sondern der zuletzt fertig gewordene Theil ist, da er aufgewärmt werden muß,
                              									stets am heißesten; in diesem Zustande können sie unmöglich gehärtet werden, zumal
                              									die Gegenstände zum Eintauchen in das Bad doch nicht heiß genug sind. Man muß sie
                              									daher in den Ofen zurückbringen und gleichmäßig aufwärmen – eine Operation,
                              									von deren richtiger Ausführung der Arbeiter sich zu überzeugen hat; glüht ein Theil
                              									der Oberfläche stärker als die übrigen, so berührt der Mann die Stelle mit einem
                              									angefeuchteten Papier oder bläst sie an und hält dann den Gegenstand vor dem Härten
                              									noch einige Secunden lang in den Ofen. Ein geübter Glasmacher wird weit heißere
                              									Stücke zu härten im Stande sein als ein weniger geschickter Arbeiter, in dessen
                              									Händen sie leicht ihre Form und somit jeden Werth verlieren. Der Ofen muß eine ganz
                              									gleichmäßige Temperatur haben und alle Zugluft muß in der Hütte sorgfältig vermieden
                              									werden, damit das Glas nicht unregelmäßig erkaltet.
                           Sehr wesentliche Bedingung für einen günstigen Erfolg ist eine vollständige Homogenität der Glasmasse, sonach eine sorgfältige
                              									Ueberwachung des Schmelzprocesses. Glas, welches bei sehr hoher Temperatur zu lange
                              									im Hafen bleibt, wird theilweise entglast und zerspringt dann im Bade; demnach muß
                              									der Schmelzproceß rasch und ununterbrochen geführt werden, wenn die ganze Charge
                              									eines Hafens auf Hartglas verarbeitet werden soll. Schlieriges und streifiges Glas läßt sich
                              									nicht härten.
                           Das heiße Fett ist in cylindrischen Eisenblechgefäßen von etwa 77mm Höhe und 62cm Durchmesser enthalten, welche dem
                              									Temperofen möglichst nahe auf der Hüttensohle und zur größern Bequemlichkeit für den
                              									Arbeiter so aufgestellt sind, daß ihre Höhe jener der Ofenmündung entspricht. Der
                              									Fassungsraum dieser Gefäße darf des leichten Transportes wegen nur mäßig, doch
                              									müssen sie geräumig genug sein, um das Härten von Gegenständen mittlerer Größe für
                              									die Dauer von 2 bis 3 Stunden nach einander zuzulassen. Ist die Hüttensohle mit
                              									einem Schienensysteme versehen, so können größere Gefäße benutzt und leicht und
                              									bequem transportirt werden. In jedes Gefäß wird ein aus grobem Eisendraht
                              									angefertigter und mit eisernen Bändern abgesteifter Korb von 51cm Höhe und 56cm Durchmesser eingesetzt, welcher zur
                              									Aufnahme der zu härtenden Gegenstände bestimmt ist. Nachdem das Stück gleichmäßig
                              									aufgewärmt worden, nimmt es der Arbeiter mittels des Hefteisens aus dem Ofen, taucht
                              									es rasch in das Fettbad, löst es durch einen leichten Schlag mit einem kleinen
                              									Holzschlägel vom Eisen ab und läßt es auf den Boden des Korbes hinabsinken. Dieser
                              									Theil der Operation erfordert von dem Arbeiter große Sorgfalt und Aufmerksamkeit und
                              									die Beobachtung zahlreicher Vorsichtsmaßregeln, um im Augenblicke des Eintauchens
                              									jede Formentstellung zu verhüten – Maßregeln, welche nach der Form des
                              									Stückes verschieden sind und ganz besondere Erfahrung erfordern.
                           Zum Härten starker und schwerer Stücke wird an der innern Wandung des Blechkübels ein
                              									gleichfalls aus Eisenblech angefertigtes Gefäß mit beweglichem Boden so befestigt,
                              									daß es etwa 32 bis 37cm tief in die
                              									Flüssigkeit eintaucht. Dasselbe ist zur Aufnahme von Stücken solcher Form oder
                              									Schwere bestimmt, durch deren zu plötzliches Hinabfallen in das Bad die bereits in
                              									dem Kübel vorhandenen Gegenstände zerbrochen werden könnten. Das Härten von Karaffen
                              									und andern mit einem Halse versehenen Stücken ist insofern schwierig, als es nöthig
                              									ist, daß die Härtflüssigkeit sofort in das Innere solcher Gefäße hineindringt. Dies
                              									wird durch Anwendung eines Hebers vermittelt; der Hals der Karaffe u.s.w. wird auf
                              									den etwa 5cm über die Oberfläche des Bades
                              									hervorragenden kurzen Heberschenkel gelegt, so daß in dem Augenblicke, in welchem
                              									der Arbeiter das Stück auf den Boden des Drahtkorbes fallen läßt, die Luft aus dem
                              									erstem entweichen kann. Beim Härten von Flaschen mit sehr engem Halse kann man zur
                              									Entfernung der Luft den Heber mit einer kleinen Saugpumpe verbinden.
                           Die gehärteten Stücke müssen vor dem Herausnehmen aus dem Bade langsam in demselben
                              									erkalten. Zu diesem Zwecke werden die auf dreirädrigen Gestellen stehenden
                              									Härtungskübel, nachdem sie gefüllt sind, vom Ofen hinweg in eine Kammer
                              									transportirt, welche auf einer dem Schmelzpunkte des Fettes entsprechenden
                              									Temperatur erhalten wird. Nach Verlauf von 4 bis 5 Stunden werden die Körbe aus den
                              									Kübeln genommen und die Gläser auf Regale in einem auf 70° erhitzten
                              									Trockenraum gestellt; nach 2stündigem Verweilen in demselben ist das an ihnen
                              									haftende Oel oder Fett abgetropft, worauf sie wiederum in Drahtnetzkörbe gepackt und
                              									zum Behufe ihrer Reinigung nach einander in drei verschiedene Bäder gebracht werden.
                              									Das erste derselben enthält eine 60° heiße Aetznatronlösung, das zweite
                              									Wasser von 45° und das dritte Wasser von gewöhnlicher Temperatur. Nach dem
                              									dritten Abwaschen werden die Gegenstände tüchtig abgespült und nach dem Trocknen an
                              									die Niederlagen abgegeben. Nebenbei bemerkt, läßt sich gehärtetes Glas ebenso leicht
                              									graviren als gewöhnliches Glas.
                           Bei Anwendung von Oel anstatt des Fettes müssen die Gegenstände vor dem Herausnehmen
                              									aus dem Bade noch länger gekühlt werden; auch ist in diesem Falle die Reinigung
                              									kostspieliger, da man Terpentinöl dazu anwenden muß. – Zum Härten in der
                              									vorstehend beschriebenen Weise ist für jeden dreiherdigen Ofen bei ununterbrochenem
                              									Betriebe ein Arbeiterpersonal von 2 Mann zum Härten selbst, von 2 Mann zum
                              									Transporte der Härtungskübel und von 3 Mann zum Reinigen der gehärteten Waare
                              									erforderlich. Das Material besteht in 4 Blechkübeln pro Herd, also 12 dergleichen
                              									für jeden Ofen, zu je 150 bis 180l Fett
                              									Inhalt, 3 Blechkufen zum Reinigen nebst einer Anzahl von Regalen und Drahtkörben.
                              									Ein Härtungskübel mit Zubehör kostet 80 bis 100 M., das Fett etwa 96 M. für 100k. Die Kosten für den Betrieb eines Ofens
                              									mit 3 Herden 6 Häfen und 4 Mann stellen sich für 1 Monat, zu 26 Arbeitstagen
                              									gerechnet, ungefähr in folgendem Betrage:
                           
                              
                                 6 Arbeiter zum Härten, zu 120 M. für den Monat
                                   720 M.
                                 
                              
                                 2 Arbeiter zur Bedienung der Härtungskübel
                                   200
                                 
                              
                                 3 Arbeiter zum Reinigen
                                   270
                                 
                              
                                 Verlust an Fett durch Verdampfung etc.
                                   160
                                 
                              
                                 Brennmaterialaufwand
                                     80
                                 
                              
                                 Aetznatron
                                   120
                                 
                              
                                 Unterhaltungskosten, Zinsen, Amortisirung
                                   200
                                 
                              
                                 
                                 ––––––
                                 
                              
                                 Summe
                                 1750 M.
                                 
                              
                           Der durch Bruch und Formentstellung verursachte Verlust ist, nach einiger Uebung,
                              									unbedeutend. Aus den vorstehenden Daten ist es, bei genauer Kenntniß der Anzahl
                              									Stücke von einer bestimmten Form, welche im Laufe eines Arbeitstages vollendet werden können,
                              									leicht, die Härtungskosten für jeden besondern Artikel zu berechnen. Bei Annahme von
                              									10 Proc. für Bruch und Formverlust stellen sich diese Kosten annäherungsweise
                           
                              
                                 für Trinkgläser aller Arten auf
                                 1,83 bis 2,8 Pf.
                                 
                              
                                   „  Lampencylinder          „
                                 2,54
                                 
                              
                                   „  Lampenkugeln            „
                                 4,17
                                 
                              
                           
                              H. H.