| Titel: | Zur Theorie der Eismaschinen; von Prof. A. Terquem in Lille. | 
| Fundstelle: | Band 225, Jahrgang 1877, S. 371 | 
| Download: | XML | 
                     
                        Zur Theorie der Eismaschinen; von Prof. A.
                              								Terquem in Lille.
                        Terquem, zur Theorie der Eismaschinen.
                        
                     
                        
                           Eismaschinen – wie diejenigen, bei welchen Aether, Schwefligsäureanhydrid,
                              									atmosphärische Luft als Kälteerzeugungsmittel in Anwendung kommen – worin
                              									Arbeit aufgewendet wird, um von einem kalten Körper Wärme auf einen andern wärmern Körper zu
                              									übertragen, sind im Grunde nichts anderes als umgekehrte Motoren. Wenn also die
                              									betreffende Substanz, sei es Luft oder eine flüchtige Flüssigkeit, dem abzukühlenden
                              									Körper eine Quantität Wärme = q entzieht, so muß es
                              									einem zweiten Körper ein Wärmequantum Q, gleich q, vermehrt um die der aufgewendeten Arbeit äquivalente
                              									Wärme Q – q
                              									abtreten.
                           Die theoretische Leistung wird daher q (Q – q) sein. Wie mag nun der Kreisproceß einer
                              									Luft-Eismaschine beschaffen sein, welcher diesem Ausdrucke seinen
                              									Maximalwerth verleiht? Professor Linde in München hat
                              									diesen Kreisproceß graphisch dargestellt, indem er von der Annahme ausging, 1) daß
                              									die Wärme Q bei der höhern Temperatur T vollständig beseitigt wird, während die Compression
                              									des Gases bei dieser Temperatur nach einer isothermischen Curve AB erfolgt; 2) daß hierauf das Gas sich ausdehnt,
                              									indem es von der Temperatur T₁ , einer Linie BC
                              									gemäß, zu einer niedrigern Temperatur T₀
                              									übergeht, wobei es einen mit ihm in Berührung befindlichen Körper unter steter
                              									Gleichhaltung der Temperatur abkühlt; 3) daß das Gas nach einer adiabatischen Curve
                              										CA, welche den Kreisproceß schließt,
                              									comprimirt wird und zur Anfangstemperatur T₁
                              									zurückkehrt. Unter diesen Bedingungen ist der Abstand der thermometrischen Niveaux,
                              									zwischen denen die Uebertragung der absorbirten Wärmemenge vor sich geht, ein
                              									Minimum. Die Linie BC, nach welcher die Expansion
                              									des Gases erfolgt, könnte man, als zwischen den isothermischen und adiabatischen
                              									Curven liegend, eine gemischte Linie nennen. Bezeichnet man mit M die Wärmecapacität des Körpers, welcher sich in der
                              									nämlichen Zeit wie das Gas abkühlt, d.h. das Product aus seinem Gewicht und der
                              									specifischen Wärme, so ist die Differentialgleichung dieser Curve:
                           dQ = – Mdt = (cTdp)/p + (CTdv)/v                    (1)
                           Das Zeichen – gehört vor M,
                              									weil das Gas bei seiner Abkühlung Wärme absorbirt, dT
                              									ist folglich negativ.
                           Die Gleichung dieser gemischten Linie ist:
                           pv(M + C)/(M +
                                 											c) =
                              									constant                               (2)
                           (wobei C und c die beiden specifischen Wärmen der Luft bezeichnen),
                              									eine Gleichung, die bereits Zeuner unter einer andern
                              									Form aufgestellt hat. Die durch das Gas während seines Ueberganges von T₁ zu T₀
                              									absorbirte Wärmemenge ist M (T₁ – T₀), und die äußere
                              									Arbeit (M + c) (T₁ – T₀). Als theoretische Leistung in diesem Kreisproceß ergibt sich:
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 225, S. 372
                              
                           Dies ist die von Linde gefundene
                              									Maximalleistung einer Luft-Eismaschine.
                           Es läßt sich aber auf einem Beweiswege, analog demjenigen, dessen man sich behufs der
                              									Verallgemeinerung des Carnot'schen Princips bedient, darthun, daß die Leistung für
                              									einen und denselben Kreisproceß sich gleich bleibt, welches auch das in Anwendung
                              									kommende Agens sein möge. Linde hat nur diesen einen
                              									Kreisproceß als die Maximalleistung verrichtend angegeben, während Armengaud noch einen andern von gleicher Leistung
                              									nachgewiesen hat, und es lassen sich deren noch mehrere auffinden; ja, es ist bei Eismaschinen eine unendliche Menge von
                                 										bestimmten Kreisprocessen nachweisbar, welche dieses Maximum liefern.
                           Ersetzt man die adiabatische Curve CA des
                              									Linde'schen Kreisprocesses durch irgend eine Linie, nach welcher das Gas von der
                              									Temperatur T₀ zur Temperatur T₁ übergeht, so erhält man als Leistung:
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 225, S. 372
                              
                           wobei die längs dieser Linie absorbirte Wärme gleich Σ dQ ist. Da dieser Betrag dem in der Gleichung
                              									(3) ausgedrückten gleich sein muß, so gelangt man nach einigen Transformationen zu
                              									der Relation
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 225, S. 372
                              
                           Dieser Relation ist Genüge geleistet, wenn man dQ = ± M'dt setzt. Da
                              									nun der Annahme gemäß das Gas längs dieser Linie sich wieder erwärmt, und da es
                              									Wärme nur bei der höchsten Temperatur T₁ abtreten
                              									kann, so muß es im Gegentheil Wärme absorbiren; deshalb ist M' mit dem Zeichen + zu nehmen. Der letztgenannten Linie entspricht daher
                              									die Gleichung:
                           
                           pv(– M' + C)/(– M' +c) =
                              									constant,                    (4)
                           welche sich von der Gleichung (2) nur durch das Zeichen von
                              										M unterscheidet.
                           Das Gas würde in diesem Falle einen mit ihm in Berührung befindlichen festen Körper
                              									nicht abkühlen können, weil es zwar Wärme absorbirt, dabei aber sich erwärmt.
                              									Dagegen würde es eine in entgegengesetzter Richtung circulirende Flüssigkeit, von
                              									welcher jeder Querschnitt die Temperatur der entsprechenden Gasschicht hätte,
                              									abkühlen können.
                           Der von Linde aufgestellte Kreisproceß ist also nicht der
                              									einzige, aus welchem die Maximalleistung in den Kälteerzeugungsmaschinen hervorgeht.
                              									Es ist nämlich, wie man sieht, ein wesentlicher Unterschied zwischen diesen
                              									Maschinen und den Motoren. Bei letzteren besteht nur ein einziger die
                              									Maximalleistung bedingender Kreisproceß, der Carnot'sche, während bei den
                              									Eismaschinen unendlich viele dem Maximaleffecte entsprechende Kreisprocesse
                              									vorhanden sind. Diese beständen aus drei Linien, welche die Gleichung (2) umfaßt,
                              									nämlich mit M = ∞ für die Isotherme AB von der Temperatur T₁ , mit positivem M für die gemischte Linie BC, nach welcher die Expansion vor sich geht, und mit negativem M für die gemischte Linie CA, nach welcher das Gas von der niedrigern Temperatur T₀ zur Anfangstemperatur T₁ zurückgeführt wird. Indessen muß man, um jenes Maximum erreichen
                              									zu können, die Wärmeabsorption, welche bei den durch die beiden gemischten Linien
                              									dargestellten Umwandlungen des Gases stattfindet, vollständig ausnutzen.
                           Ich habe oben gezeigt, daß bei den Luft-Eismaschinen eine unendliche Menge von
                              									Kreisprocessen das Maximum der Nutzleistung liefern, und zwar unter der Bedingung,
                              									daß sie bestehen 1) aus einer der höhern Temperatur T₁ entsprechenden Isotherme AB, nach
                              									welcher die Gascompression erfolgt; 2) aus einer gemischten durch die Gleichung
                           pv(M + C)/(M + c) =
                              									constant
                           dargestellten Linie, indem das Gas, von der Temperatur T₁ zu der Temperatur T₀ übergehend, sich ausdehnt und einen Körper von der
                              									Wärmecapacität M abkühlt; 3) aus einer andern durch die
                              									Gleichung
                           pv(– M' + C)/(– M' + c) = constant
                           dargestellten gemischten Linie, indem das Gas von T₀ auf T₁
                              									erwärmt wird und dabei eine Wärmemenge = M' (T₁ – T₀) absorbirt.
                           
                           Der Kreisproceß der ersten Maschinen von Windhausen und
                              									derjenigen von Paul Giffard, obgleich unvollständig, ist
                              									ein besonderer Fall des eben erwähnten Processes, wenn man in diesem M = 0 und M' = C setzt. Die
                              									atmosphärische Luft wird in einem Pumpencylinder unter constanter Temperatur, die
                              									man durch Einspritzen von kaltem Wasser erzielt, comprimirt; sie gelangt alsdann in
                              									einen Behälter, von da in den Expansionscylinder, worin sie sich ausdehnt, und tritt
                              									aus der Maschine, um ihre kühlende Wirkung auszuüben.
                           Aber es ist einleuchtend, daß man im Allgemeinen unter diesen Bedingungen das
                              									Leistungsmaximum nicht erzielen kann. Die Theorie setzt in der That voraus, daß der
                              									zu kühlende Körper von der höheren Temperatur T₁
                              									auf die niedrigere T₀ gebracht werden muß. Nun
                              									findet die Wärmeentziehung meistens zwischen der niedrigsten Temperatur T₀ und einer um ein Beträchtliches unter T₁ liegenden Temperatur T₂ statt. In diesem Falle zeigt die Theorie an, daß für die
                              									Bedingung der Maximalleistung der Kreisproceß bestehen muß aus 1) einer der Periode
                              									der Gascompression entsprechenden isothermischen Curve von der höheren Temperatur
                              										T₁; 2) einer von T₁ bis T₂ sich erstreckenden
                              									adiabatischen Curve; 3) einer von T₂ bis T₀ gehenden gemischten Linie, längs welcher das
                              									sich expandirende Gas, gleichzeitig mit seiner eigenen Abkühlung, einen Körper von
                              									der Wärmecapacität M kühlt; endlich 4) einer
                              									adiabatischen Curve, längs welcher das Gas von T₀
                              									nach T₁ zurückgelangt. Die Leistung in einem
                              									solchen Kreisproceß ist:
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 225, S. 374
                              
                           also geringer als die oben erwähnte Leistung, weil man, um das
                              									Maximum zu erhalten, T₂ an die Stelle von T₁ vor den Logarithmus setzen müßte.
                           Bei den Maschinen von Windhausen und Giffard mit unvollständigem Kreisproceß wäre die Leistung unter den
                              									nämlichen Bedingungen:
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 225, S. 374
                              
                           welche, wie sich nachweisen läßt, geringer ist als die
                              									vorhergehende.
                           Nimmt man an, T₂ nähere sich unendlich dem T₀ , d.h. die
                              									Wärmeentziehung sei bei der Temperatur T₀ eine
                              									vollständige, so zeigt es sich, daß dieser Ausdruck den Quotienten T₀ / (T₁
                              									– T₀) zur Grenze hat, und zugleich eine Verschmelzung des
                              									in Rede stehenden Cyklus mit einem Carnot'schen Kreisproceß stattfindet.
                           Es kommt also bei den Luft-Eismaschinen darauf an, 1) das Gas bei constanter
                              									Temperatur zu comprimiren; 2) die niedrigere Temperatur T₀, welche zur Erzeugung des verlangten Kälteeffectes grade
                              									nothwendig ist, nicht zu überschreiten. Bedingung zur Erreichung dieses Zweckes ist:
                              									Einspritzung von Kühlwasser während der Compression und nach folgende Expansion der
                              									Luft in Berührung mit einer Salzlösung, welche zur Kühlung anderer Körper außerhalb
                              									der Maschine dient. Man hätte somit eine doppelte Circulation des Gases im Innern
                              									der Maschine und der kalten Flüssigkeit außerhalb derselben. Auf diese Weise ließe
                              									sich jenes bei den Luft-Eismaschinen beobachtete Ausstoßen kalter Luftmassen
                              									vermeiden, die sich mit der umgebenden Luft nicht so leicht mischen, die Temperatur
                              									ungleich vertheilen, unterwegs den Wasserdampf condensiren und sogar in Form von
                              									Schneeflocken ausscheiden.
                           Es hat nicht den Anschein, als ob die Luft-Eismaschinen selbst unter den
                              									günstigsten Bedingungen sich mit den Maschinen, die mit flüchtigen Flüssigkeiten
                              									arbeiten, messen können (vgl. 1877 224 175). Sie bieten
                              									in der That dieselben Unannehmlichkeiten wie die calorischen Maschinen dar, nämlich
                              									1) die großen Dimensionen, in welchen sie wegen der geringen Dichtigkeit und
                              									specifischen Wärme der Luft ausgeführt werden müssen, wenn es sich um die Erzielung
                              									ansehnlicher Effecte handelt; 2) die passiven Widerstände in Folge dieser großen
                              									Dimensionen und der Anwendung zweier Pumpencylinder, Widerstände, welche der Summe
                              									der Wirkungen proportional sind, während die aufzuwendende Arbeit der Differenz der
                              									Wirkungen proportional ist; 3) die Unfähigkeit dieser Maschinen, sich verschiedenen
                              									Abkühlungsstufen anzupassen, indem die Dimensionenverhältnisse der Pumpencylinder
                              									nach den Temperaturen T₁ und T₀, zwischen denen die Maschine arbeitet,
                              									berechnet werden müssen. – Als Vortheil der Luftmaschinen ist dagegen geltend
                              									zu machen, 1) daß sie die Herstellung niedrigerer Temperaturen gestatten als die
                              									Maschinen mit flüchtigen Flüssigkeiten, deren Energie mit der Temperaturerniedrigung
                              									abnimmt; 2) daß ihre Construction einfacher ist als diejenige anderer Maschinen,
                              									z.B. der Ammoniakmaschine; 3) daß sie auf ein Agens angewiesen sind, welches nichts
                              									kostet, völlig gefahrlos ist, und dessen Verlust bei einer etwaigen Beschädigung der
                              									Maschine gar nicht in Betracht kommt. (Nach einem vom Verfasser gef. eingeschickten
                              									Separatabdruck aus den Comptes rendus, 1877 t. 84.)
                           
                              P.