| Titel: | Die Zahnflächen und ihre automatische Erzeugung. Eine kinematisch-technologische Stucke von Prof. Gustav Hermann in Aachen. | 
| Autor: | Gustav Hermann | 
| Fundstelle: | Band 225, Jahrgang 1877, S. 396 | 
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                        Die Zahnflächen und ihre automatische Erzeugung.
                           								Eine kinematisch-technologische Stucke von Prof. Gustav Hermann in Aachen.
                        Hermann, über die Zahnflächen und ihre automatische
                           								Erzeugung.
                        
                     
                        
                           Von der Anschauung ausgehend, daß die Bestimmung der richtigen Zahnbegrenzungen bei
                              									Zahnrädern ihrem innersten Wesen nach eine Aufgabe der Kinematik sei, sofern die letztere sich mit der Ursache der gegenseitigen Abhängigkeit
                              									der Ortsveränderungen in der
                                 										Maschine beschäftigt, diese Ursache aber bei den Zahnrädern in der Zahnform
                              									besteht, hat Prof. Gustav Hermann in Aachen die Frage der
                              									richtigen Formgebung für Räderzähne geprüft und die Ergebnisse dieser Prüfung als
                              									Abhandlung unter oben genanntem Titel in den Verhandlungen des Vereins zur
                              									Beförderung des Gewerbfleißes, 1877 S. 61 bis 110 (mit 6 Tafeln Abbildungen)
                              									veröffentlicht. Indem wir hiermit auf diese werthvolle Arbeit verweisen, welche sich
                              									durch umfassende, klare und streng wissenschaftliche Behandlung des Stoffes
                              									auszeichnet und mit correct ausgeführten Zeichnungen der auf Grund der Ergebnisse
                              									dieser Untersuchung construirten Apparate zur automatischen Herstellung der
                              									richtigen Zahnformen für Stirnräder mit Cycloïdenzähnen, für Stirnräder mit
                              									Evolventenzähnen, für conische und hyperboloidische Räder mit
                              									Cycloïdenzähnen, für conische Räder mit Evolventenzähnen und endlich für
                              									Schraubenräder ausgestattet ist, wollen wir im Folgenden den Inhalt derselben nur
                              									kurz in flüchtigen Umrissen skizziren.
                           In den ersten 9 Paragraphen werden des Zusammenhanges wegen die Grundgesetze der
                              									elementaren Bewegungen: Verschiebungen, Drehbewegungen und Schraubenbewegungen
                              									vorgeführt und mit Hilfe derselben die Momentanachsen und
                              										Momentanachsenflächen (Axoide) für den in der Praxis am häufigsten vorkommenden Fall der
                              									Anwendung von Rädern ermittelt, welche zwei Achsen in der Art mit einander verbinden
                              									sollen, daß eine gleichmäßige Umdrehung der einen treibenden Achse eine ebenfalls
                              									gleichmäßige Bewegung der andern getriebenen Achse zur Folge haben soll, wobei neben
                              									der gegenseitigen Lage der Achsen zu einander im Raume das constante Verhältniß der
                              									Winkelbewegungen, d.h. der Umdrehungszahlen in bestimmter Zeit gegeben ist. Da die
                              									Momentanachsenflächen den beiden Frictionsrädern entsprechen, welche man zur
                              									Hervorbringung des verlangten Bewegungszustandes der Achsen auf diesen anordnen muß,
                              									oder bei Stirnrädern den sogen. Theilkreiscylindern, d.h. denjenigen berührenden
                              									Cylinderflächen, auf welchen allein die Umfangsgeschwindigkeiten von gleicher Größe
                              									sind, so werden diese hier schlechtweg mit dem Namen der Radflächen bezeichnet. Hierbei werden nach einander parallele Achsen, sich
                              									schneidende Achsen und endlich windschiefe Achsen in Betracht gezogen und hierfür
                              									die Radflächen bestimmt, welche bei parallelen Achsen zwei sich je nach dem
                              									Drehungssinne außen oder innen berührende Cylinderflächen, bei sich schneidenden
                              									Achsen zwei Kegelmäntel mit Kegelrollung des einen Kegels auf oder in dem andern,
                              									mit dem speciellen Falle des Planrades, und endlich bei windschiefen Achsen zwei
                              									einschalige Umdrehungshyperboloide ergeben, deren mathematische Beziehungen
                              									ebenfalls in höchst einfacher, eleganter Weise auf kinematischem Wege zu Stande
                              									kommen. Bei den windschiefen Achsen werden noch specielle Eigenschaften der
                              									Radflächen hervorgehoben, so die, daß dasselbe Axoidenpaar ebenso wohl für den
                              									Vorwärtsgang seine Geltung hat, wie für den Rückwärtsgang der Achsen, daß man bei
                              									derselben Achsenlage und demselben Uebersetzungsverhältnisse für die beiden Fälle,
                              									da die Momentanachse in die beiden Nebenwinkel fällt, auch zwei Paare von
                              									Hyperboloiden als Radflächen erhält, von denen jedes einzelne Paar sowohl für den
                              									Vorwärtsgang wie für den Rückwärtsgang giltig ist, daß endlich bei rechtwinkligen
                              									Achsen die zugehörigen Axoidenpaare in ein einziges Paar zusammen fallen. Im
                              									Allgemeinen berühren sich wieder die Hyperboloide von außen oder von innen, je
                              									nachdem die beiden Drehungsachsen auf entgegengesetzten Seiten oder auf derselben
                              									Seite der Momentanachse liegen; zwischen diesen beiden Fällen liegt wieder als
                              									Grenzfall ähnlich wie bei den conischen Rädern derjenige, bei welchem der eine
                              									Achsenwinkel aus einem spitzen in einen stumpfen durch 90° übergeht; hierbei schrumpft das
                              									eine Axoid auf eine Gerade, nämlich die Momentanachse zusammen. Die Verkörperung
                              									dieses Falles in der Praxis führt zu einer Zahnstange, in welche ein Getriebe mit
                              									geneigt gegen seine Achse gestellten Zähnen eingreift, während die Zähne der
                              									Zahnstange normal zu deren Länge stehen. Es wird bei Betrachtung dieses speciellen
                              									Falles noch hervorgehoben, daß diese Zahnstange für die Verzahnung der
                              									Hyperboloidenräder eine ähnliche Rolle spielt wie die gewöhnliche Zahnstange bei den
                              									cylindrischen und das Planrad bei den conischen Rädern. Nach Aufstellung der
                              									Gleichung für die Drehachsenfläche, d. i. für diejenige
                              									Fläche, welche die Achsen aller derjenigen Hyperboloide oder Radflächen in sich
                              									enthält, die überhaupt mit einem zu Grunde gelegten bestimmten Hyperboloide in
                              									richtigem Eingriffe stehen können, wird aus derselben erwiesen, daß sich Achsen für
                              									eine Schar von Hyperboloiden finden lassen, welche
                              									sämmtlich mit dem zu Grunde gelegten Hyperboloide in richtigem Eingriffe stehen,
                              									d.h. zu diesem letztern richtige Radflächen bilden, und daß ferner die
                              									Drehachsenfläche gleichzeitig die Eigenschaft besitzt, der
                                 										geometrische Ort zu sein für die Normalen aller
                                 										Hyperboloide der betrachteten Schar, welche in Punkten der gemeinsamen
                              									Berührungslinie oder der Momentanachse errichtet wurden. Hierauf wird endlich der
                              									wichtige Lehrsatz vom dritten Axoid in seiner
                              									Allgemeinheit ausgesprochen, dahin lautend: Irgend zwei
                                 										Radflächen, welche mit einer dritten im richtigen
                                 										Eingriffe, entsprechend den Umsetzungsverhältnissen
                              									n₁ = ω₁/ω₃ und
                              									n₂ = ω₂/ω₃ stehen, sind auch richtige Radflächen zu einander für das
                                 										Umsetzungsverhältniß
                              									n₁/n₂ = ω₁/ω₃. Die drei Radflächen können sich in
                                 										einer und derselben Momentanachse berühren. Dieser Lehrsatz bildet, wie in
                              									der Abhandlung weiter ausführlich erwiesen wird, die Grundlage aller
                              									Verzahnungsmethoden, und wird daraus das allgemeine Bildungsgesetz der Zahnflächen
                              									in §. 10 abgeleitet, wobei die Untersuchung, welche in den genannten 9 ersten
                              									Paragraphen, insofern es sich um die Darstellung von Frictionsrädern handelt, als
                              									geschlossen zu betrachten ist, nach denselben Grundsätzen noch weiter geführt wird,
                              									soweit auch die Begrenzungsflächen der Zähne derartig zu bestimmen sind, daß sie den
                              									Achsen in jedem Augenblicke die ihrem geforderten Bewegungszustande entsprechende
                              									Momentanbewegung unter Ausschluß jeder andern gestatten. Dieses allgemein giltige
                              									Bildungsgesetz der Zahnflächen lautet: Man erhält für irgend
                                 										zwei Radflächen mit beliebigem Umsetzungsverhältnisse richtige Zahnbegrenzungen
                                 										in denjenigen beiden Flächen, welche eine beliebige gerade oder krumme Linie
                                 										relativ gegen diese Achsen erzeugen, sobald diese Linie mit einer dritten
                                 										Radfläche fest verbunden ist, welche den beiden ersten zugehört und durch deren
                                 										Drehung jene beiden bewegt werden.
                           In den weiteren Paragraphen 11 bis 27, mit welch letzterm die Abhandlung schließt,
                              									wird nun dieses Gesetz auf die verschiedenen Verzahnungen der Stirnräder, conischen
                              									und hyperboloidischen Räder und endlich der Räder mit schrägen Zähnen angewendet.
                              									Hiernach bietet die Verzahnung der conischen und hyperboloidischen Räder für
                              									windschiefe Achsen ebenso wenig Schwierigkeiten dar wie die der cylindrischen Räder
                              									paralleler Achsen; ebenso ergaben sich die Regeln für die schrägen und
                              									schraubenförmigen Räder sehr einfach. Außerdem bewies sich hierbei die erwähnte
                              									Betrachtungsweise noch in der Art als höchst fruchtbar, daß
                                 										dieselbe ohne weiters die mechanischen Mittel an die Hand gab, welche eine
                                 										einfache
                              									automatische Herstellung der genauen Zahnformen ermöglichen. Diese
                              									einfachen, jedoch sehr sinnreichen Vorrichtungen, durch deren Anwendung jede
                              									gewöhnliche Shapingmaschine zur selbstthätigen Erzeugung genau richtiger Zähne für
                              									die verschiedenen Arten von Rädern befähigt wird, deren eine noch speciell zur
                              									Anbringung an einer Nuthstoßmaschine construirt ist, sind dann gleichzeitig
                              									behandelt und faßlich beschrieben. Es würde zu weit führen, hier näher darauf
                              									einzugehen. Wir verweisen diesbezüglich auf die citirte Quelle selbst und führen
                              									hier nur noch einen Punkt des §. 27 an, welcher die schrägen Zähne betrifft.
                              									Man wendet dieselben hauptsächlich wegen des gleichmäßigen Ganges bei exacten
                              									Maschinen an, und es ergibt sich aus der Darstellung der Abhandlung auch sogleich
                              									der Grund dieses gleichmäßigen Ganges. Die Erzeugungslinie, welche als
                              									Berührungslinie zweier Zähne auftritt, schneidet nämlich bei schrägen Zähnen sowohl
                              									bei cylindrischen Profilen wie auch bei Evolventenformen die Momentanachse in jeder
                              									Stellung. Zwei schräge Zähne werden daher sich stets in einem Punkte der
                              									Momentanachse berühren, woraus eine sehr gleichmäßige Bewegung ähnlich wie bei
                              									Frictionsrädern folgt. Hiermit verbindet man nun häufig die Meinung, daß dann die
                              									Reibung zwischen den Zähnen vermieden werde, und grade aus diesem Grunde hegte man
                              									von den schrägen Zähnen bei dem ersten Bekanntwerden derselben große Erwartungen,
                              									welche die Erfahrung aber nicht verwirklichte. Es ist ein Irrthum, wenn man glaubt,
                              									die Reibung sei nicht vorhanden, sobald die Zähne sich in der Momentanachse
                              									berühren; sondern sie tritt nur dann nicht auf, wenn sich die Zähne nur in der Momentanachse berühren, wenn also alle
                              									Berührungspunkte in die Momentanachse fallen, wie dies in der That bei den geraden
                              									Zähnen der Stirnräder und conischen Räder in demjenigen Augenblicke der Fall ist, wo
                              									die gerade Berührungslinie durch die Momentanachse hindurch geht. In jeder andern
                              									Stellung, wo die Berührung der Zähne außerhalb der Momentanachse stattfindet, tritt
                              									auch Reibung ein zwischen den Zähnen.
                           J. P.