| Titel: | Ueber die Einsenkung ruhender Treibseile; nach Professor Grove in Hannover. | 
| Autor: | Grove | 
| Fundstelle: | Band 225, Jahrgang 1877, S. 409 | 
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                        Ueber die Einsenkung ruhender Treibseile; nach
                           								Professor Grove in Hannover.
                        Mit einer Abbildung.
                        Grove, über die Einsenkung ruhender Treibseile.
                        
                     
                        
                           Die bei einem Drahtseiltrieb auftretenden Spannungen sind von der Einsenkung des
                              									Seiles im Ruhezustande abhängig. Damit diese Spannungen der zu übertragenden
                              									Umfangskraft gegenüber weder zu klein noch zu groß ausfallen (ein Fehler nach der
                              									einen oder andern Richtung hätte ein Schleifen oder eine Ueberspannung des Seiles,
                              									jedenfalls also seine rasche Zerstörung zur Folge), muß das Seil mit der
                              									entsprechenden Einsenkung auf die Scheiben aufgelegt werden; die Kenntniß der
                              									Einsenkungsgröße des ruhenden Seiles ist somit von hoher praktischer Bedeutung.
                           Bisher ging man bei Bestimmung derselben von dem Poncelet'schen Satz aus, daß die
                              									Spannung im Ruhezustande das arithmetische Mittel aus den Arbeitsspannungen ist.
                              									Professor Grove macht nun in den Mittheilungen des
                              									Gewerbevereines für Hannover, 1876 S. 202 darauf aufmerksam, daß der Poncelet'sche
                              									Satz nur dann Geltung hätte, wenn das Seil geradlinig, also ohne Einsenkung zwischen
                              									den Scheiben, laufen würde, der Einfluß seines Eigengewichtes auf die Anspannung
                              									somit vernachlässigt werden könnte. Da dies aber in Wirklichkeit nicht der Fall ist,
                              									die Spannungen in dem lose auf die Scheiben gelegten Seil vielmehr lediglich eine
                              									Folge der durch sein Eigengewicht hervorgebrachten Einsenkung sind, ist die
                              									gebräuchliche Voraussetzung unzulässig. Der Verfasser bestimmt die wirkliche
                              									Spannung und die Pfeilhöhe der Seilcurve für den Ruhezustand unter der ganz
                              									gerechtfertigten Voraussetzung, daß die Spannung an jeder Stelle der Seilcurve und
                              									das Gewicht jedes laufenden Meter eines Seiles zwischen zwei Scheiben constant
                              									seien, und unter Hinweis auf die Thatsache, daß man auf dieselbe Länge desselben
                              									spannungslosen Seiles kommen muß, wenn man sich einmal das arbeitende Seil, welches
                              									im führenden und geführten Theil verschiedene Spannungen hat, von den Scheiben
                              									abgenommen denkt, oder wenn man das andere Mal das ruhende Seil mit gleichen Spannungen in den beiden
                              									Seilstücken vornimmt.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 225, S. 410
                              
                           Bezeichnet in vorstehendem Holzschnitt:
                           2 a die Achsenentfernung eines horizontalen Seiltriebes
                              									in Meter,
                           f die Einsenkung eines Seilstückes in Meter,
                           S die Spannung auf 1qc Drahtquerschnitt in
                              									Kilogramm,
                           T die Gesammtspannung im Seilstück in Kilogramm,
                           P die zu übertragende Umfangskraft der Scheiben,
                           q das Seilgewicht pro Meter in Kilogramm,
                           E den Elasticitätsmodul des Seiles in Kilogramm auf 1qc,
                           i die Anzahl der Drähte des Seiles,
                           δ der Drahtdurchmesser in Centimeter,
                           und beziehen wir die Größen f, S und T durch Beifügung der Indices 0, 1 und 2 der Reihe nach auf das ruhende,
                              									führende und geführte Seil, so läßt sich zunächst die durch das Auflegen des Seiles
                              									mit der Pfeilhöhe f entstehende Spannung ausdrücken durch
                           T = (q a²)/2f = Si (δ²π)/4,                    
                              									(1)
                           wobei zur Verhütung des Seilgleitens auf den Scheiben fast
                              									genau
                           T₁ = 2 P, T₂ =
                              										P                                  (2)
                           sein muß. Nach aus gefühlten Seilen kann q = 0,7 i δ²,
                              									somit
                           S = 0,446 a²/f                                      (3)
                           gesetzt werden. Da aus (1) folgt, das Sf constant ist, so
                              									ergibt sich S₀f₀ = S₁f₁ = S₂f₂, und
                           
                              
                                 f₁ = (S₂/S₁) f₂ = (1/2)
                                    											f₂f₀ = (S₁/S₀) f₁ =
                                    											(S₂/S₀) f₂
                                 
                                    
                                    
                                 (4)
                                 
                              
                           Die Seillänge s zwischen zwei Aufhängepunkten ist nach
                              									der bekannten Rectificationsformel für flache Bögen hinreichend genau
                           s = 2a [1 + 2/3 (f/a)²]                        (5)
                           
                           Die Verlängerung λ, welche das durch sein Gewicht
                              									gespannte Seilstück über seine ursprüngliche Länge l
                              									erfährt, ist nach dem bekannten Elasticitätsgesetz λ = l (S/E), folglich die Gesammtlänge des gespannten Seilstückes l + λ = s = l (1 + S/E) und die Länge des spannungslosen Seilstückes
                           l = s/(1 + S/E)                                  
                              									(6)
                           Der oben angeführte Grundsatz ergibt mithin nach (5) und (6) die Gleichung:
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 225, S. 411
                              
                           Da die verschiedenen Werthe S/E gegen 1 sehr kleine
                              									Größen sind, so darf überall 1/(1 + S/E) = 1 –
                              										S/E gesetzt werden; ebenso sind bei der
                              									Multiplication mit Rücksicht des gegen 1 geringen Werthes von (f/a)² dessen Producte mit S/E gegen die Größen selbst zu vernachlässigen, und man erhält
                           4/3 (f₀/a)² – 2
                              										(S₀/E) = 2/3 (f₁² +
                              										f₂²)/a² – (S₁ +
                              										S₂)/E          (7)
                           Werden in diese Gleichung die nach (3) gebildeten Werthe von S₀, S₁ und
                              									S₂ und aus (4) der Werth f₂ = 2 f₁ eingesetzt, so erhält man
                              									für die gesuchte Einsenkung des ruhenden Seiles die cubische Gleichung
                           f₀³ – (2,5 f₁² – 0,502
                              										(a⁴/f₁E))
                              									f₀ – 0,669 a⁴/E =
                              									0                
                              									(8)
                           von der Form x₃ –
                              										Ax – B = 0. Sie
                              									kann deshalb nach der Cardanischen Formel
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 225, S. 411
                              
                           gelöst werden, wenn man A = 2,5
                              									f₁² – 0,502 a⁴/f₁ E und B = 0,669 a⁴/E setzt. Die Umständlichkeit dieser Rechnung empfiehlt
                              									jedoch zur Ermittlung des genauen Werthes von f₀ die Anwendung der
                              									Newton'schen Näherungsmethode, für welche sich der nöthige Näherungswerth von
                              									f₀ leicht bestimmen läßt.
                           Nach dem Poncelet'schen Satz wäre 2 S₀ = S₁ + S₂. Wegen (2) ist
                              									S₁ = 2 S₂, somit wird
                           S₀ = 3/2 S₂ = 3/4
                              									S₁                        (10)
                           Die Einsetzung dieses Werthes in (4) gibt den
                              									Näherungswerth
                           f₀ = 4/3 f₁ = 2/3
                              									f₂                          
                              									(11)
                           Würde dagegen der Einfluß der Spannungen vernachlässigt und in
                              									(7) S₀/E = S₁/E = S₂/E = 0 gesetzt werden, so wäre
                              									f₀ = √(f₁² + f₂²)/2,Vgl. Reuleaux: Der Constructeur, 3. Aufl. S.
                                    											383. oder mit Beziehung auf (4), wonach f₂ = 2 f₁, ist,
                              									einfacher
                           f₀ = √(5/2 f₁²) = 1,58 f₁ =
                              									0,79 f₂     (12)
                           Diese Gleichung liefert bessere Werthe als (11); doch weichen dieselben von den
                              									genauen Werthen von f₀, um so mehr ab, je stärker das Seil gespannt ist, also
                              									namentlich dann, wenn man zur Verhütung großer Einsenkungen bei Kraftübertragungen
                              									auf große Entfernung dem Seil eine verschärfte Anspannung gibt. Meist sind (f/a) und S/E nahezu gleich
                              									groß, die Vernachlässigung des einen Werthes gegen den andern ist dann natürlich
                              									unzulässig. Der genaue Werth von f₀ liegt
                              									zwischen den Werthen (11) und (12), und man kann mit mehr Berechtigung
                           f₀ = 1,5 f₁ = 0,75
                              									f₂                        
                              									(13)
                           setzen. Bezeichnet man diesen Näherungswerth mit x und
                              									schreibt man in x³ – A x – B = F(x) = 0 den genauen Werth
                              										x = x + ∆, worin
                              										∆ die Correction des Näherungswerthes
                              									bedeutet, so ist nach dem Taylor'schen Satze F(x + ∆) = F(x) + ∆ F'(x) + ∆²/(1 × 2)  F''(x) +  . = 0
                              									und, wenn ∆ klein genug genommen wird, mit
                              									ausreichender Genauigkeit F(x) + ∆F'(x) = 0, woraus sich die Correction des Näherungswerthes ∆ = – F(x)/F'(x) findet. Die Einführung von ∆ in x = x + ∆ ergibt
                           x = x – (x³ – Ax – B)/(3x²
                              									– A)          
                              									(14)
                           
                           als genauem Werth von f₀. Zur Prüfung der erzielten
                              									Genauigkeit kann dieser Werth x wiederum als
                              									Näherungswerth x betrachtet und nach (14) abermals mit ihm gerechnet werden.