| Titel: | Ueber die denitrirende Function des Gloverthurmes; von Prof. Dr. G. Lunge in Zürich. | 
| Autor: | Georg Lunge [GND] | 
| Fundstelle: | Band 225, Jahrgang 1877, S. 474 | 
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                        Ueber die denitrirende Function des
                           								Gloverthurmes; von Prof. Dr. G.
                              									Lunge in Zürich.
                        Lunge, über die denitrirende Function des
                           								Gloverthurmes.
                        
                     
                        
                           Der Gloverthurm, dessen erste öffentliche Beschreibung von dem Verfasser herrührt
                              									(1871 * 201 341. 202 448 und
                              									532) hat sich seitdem nicht nur in seinem Ursprungslande, sondern auch in
                              									Deutschland ganz allgemein, wenigstens in allen neuern und bessern Fabriken
                              									eingeführt und wird auch schon von den Lehrbüchern, z.B. in Wagner's chemischer Technologie, in Roscoe und
                              										Schorlemmer's ausführlichem Lehrbuche der Chemie u.a.
                              									als regelmäßiges Glied in der Kette der Schwefelsäure-Fabrikationsapparate
                              									aufgeführt. Die ausführlichste Behandlung hat er von Bode
                              									in seiner von dem Verein für Beförderung des Gewerbfleißes in Preußen preisgekrönten
                              									Abhandlung „über den Gloverthurm“ (* 1877 223 90. 185. 290. 393. 504. 621. 225 376. 491)
                              									erfahren. Bode behandelt jedoch nur die Construction,
                              									sowie die concentrirende Function des Gloverthurmes mit
                              									erschöpfender Ausführlichkeit und widmet der denitrirenden Function desselben nur sehr wenig Raum. Er erwähnt nur
                              									einmal, daß nach seiner Beobachtung die Denitrirung eine vollkommene war, so daß mit
                              									Eisenvitriol keine Reaction zu erhalten war und die aus dem Thurm ablaufende Säure
                              									energisch den Geruch nach schwefliger Säure zeigte (vgl. Bd. 223 S. 628), und
                              									anderseits (vgl. S. 498 d. Bd.) sagt er bei Beschreibung der Gloverthürme einer
                              									belgischen Fabrik: „Auch gehört die Fabrik zu denjenigen, welche die
                                 										Salpetersäure flüssig mit in den Gloverthurm geben, der nitrosen Schwefelsäure
                                 										beigemengt. Auf ganz besondere Anfrage meinerseits und mit Hinsicht auf die
                                 										Versuche Vorster's
                                 										wurde mir bemerkt,
                                 										daß der Salpetersäureverbrauch nicht höher sei, als man es sonsther ohne Thurm
                                 										gewöhnt ist. Ich habe übrigens über diesen Punkt, den etwaigen Mehrbedarf an
                                 										Salpeter, eine Reihe von gut beobachtenden und denkenden Fachgenossen
                                 										interpellirt und es hat sich – nach den Resultaten des Betriebes –
                                 										Keiner für Mehrbedarf ausgesprochen, wohl aber die Mehrzahl eher für eine
                                 										Ermäßigung des Bedarfes“. Auch früher (1875 217 305) machte Bode die Angabe, daß nach
                              									genauen Ermittlungen an den 15 Bleikammersystemen zu Oker am Harz sich nach
                              									Einführung der Gloverthürme der Salpeteraufwand eher besser, als schlechter, denn
                              									vorher gestaltet habe. Die Salpeterzersetzung findet daselbst in den Kilns statt,
                              									und die Salpetergase passiren mit den Röstgasen insgesammt den Gloverthurm. Dies ist
                              									also (wie auch bei der flüssigen Salpetersäure in der oben angeführten belgischen
                              									Fabrik) derjenige Fall, wo man die größten Salpeterverluste erleiden sollte, wenn
                              									die Behauptungen von Kuhlmann und von Vorster begründet wären, wonach in dem Gloverthurme durch
                              									Einwirkung der überschüssigen schwefligen Säure eine erhebliche Reduction von
                              									Stickstoffoxyden bis zu Stickoxydul oder gar zu Stickstoff stattfände.
                           Nach den Behauptungen von Kuhlmann (bei Hasenclever in Hofmann's
                              									Bericht über die Entwicklung der chemischen Industrie, 1875, I, 174) und von Vorster (1874 213 411 und 506)
                              									dürfte man den Gloverthurm durchaus nicht zur Denitrirung, sondern nur zur
                              									Concentration der Kammersäure anwenden und etwa nur mit einer von salpetriger Säure
                              									möglichst freien Schwefelsäure speisen. Freilich gibt Kuhlmann gar keine Einzelnheiten, und von den Resultaten von Vorster habe ich schon (1875 215 56) 216 179) nachgewiesen, daß sie eine
                              									mathematische Unmöglichkeit in sich tragen. Wenn man nach Vorster durch Anwendung des Gloverthurmes 40 bis 70 Proc. des angewendeten
                              									Salpeters zu Stickstoff reducirt und somit völlig verliert, so steht diese
                              									Behauptung im schroffsten Widerspruche mit Vorster's
                              									eigenen Resultaten (wie ich ihm nachgewiesen habe), mit Bode's oben angezogenen Resultaten der Erfahrung (von meinen eigenen nicht
                              									zu reden) und schließlich mit der einfachen, feststehenden und gar nicht weg zu
                              									läugnenden Thatsache, daß eben der Gloverthurm sich ganz allgemein, nicht nur als Concentrations-, sondern auch als
                              									Denitrirungsapparat bewährt und eingeführt hat; er hat sogar schon lange die
                              									Kinderschuhe ausgezogen und das Stadium überwunden, wo das Mißlingen einzelner
                              									Anlagen wegen ihrer unzweckmäßigen Construction dem Ansehen des sonst so vielfach
                              									bewährten Apparates schaden kann, und man scheut sich auch durchaus nicht mehr
                              									selbst die frische Zufuhr von salpetrigen Gasen durch den Thurm passiren zu lassen, statt sie besonders in
                              									die Kammern einzuführen.
                           Wenn es also auch vollständig durch die Praxis entschieden
                              									ist, daß mit dem Gloverthurm nicht mehr Salpeter verbraucht wird, als bei der
                              									Denitrirung mit heißem Wasser oder Dampf (abweichende Angaben darüber aus der Praxis
                              									sind mir nie vorgekommen, und würde auch das ungünstige Resultat eines einzelnen
                              									Beobachters gegenüber dem Consensus omnium nicht gegen
                              									den Apparat im allgemeinen, sondern nur gegen seine Construction oder Behandlung in
                              									diesem speciellen Falle sprechen), so ist doch, so viel mir bekannt, der Punkt noch
                              									nicht wissenschaftlich untersucht worden, woher die Abweichung in dem Resultate der
                              									Versuche von Kühlmann und Vorster einerseits, und demjenigen der Praxis anderseits stammt, und ich
                              									habe es mir daher zur Aufgabe gesetzt, diese Untersuchung anzustellen, d.h. zu
                              									ermitteln, ob unter ähnlichen Verhältnissen, wie sie im Gloverthurme vorkommen, ein
                              									Verlust an Stickstoffoxyden durch zu weit gehende Reduction derselben
                              									stattfindet.
                           Es hat nun zwar Hasenbach aus Heufeld sich die Einwirkung
                              									von schwefliger Säure auf Nitrose zur weitern Untersuchung vorbehalten (Berichte der
                              									deutschen chemischen Gesellschaft, 1874 S. 681); aber abgesehen davon, daß derselbe
                              									in den mehr als drei dazwischen liegenden Jahren nichts mehr darüber veröffentlicht
                              									hat, konnte (und wollte wohl auch) er sicherlich nicht beanspruchen, daß Niemand
                              									außer ihm sich mit der Untersuchung einer Reaction beschäftige, welche von einer
                              									ganzen Reihe bedeutender Chemiker vor ihm untersucht worden ist, und welche in
                              									Hunderten von Fabriken jeden Tag im größten Maßstabe ausgeführt wird.
                           Ueber Kuhlmann's Versuche kann ich nur aus dem Berichte
                              									urtheilen, welcher in der oben angegebenen Quelle und fast gleichlautend in Beilstein's chemische Großindustrie auf der
                              									Weltausstellung zu Wien S. 41 (vgl. 1874 211 24) darüber
                              									gegeben ist. Danach ist es aber ganz unbegreiflich, wie man das allergeringste
                              									Gewicht auf seine Versuche und die darauf gebauten Schlüsse legen kann; die Versuche
                              									widersprechen den Bedingungen der Praxis in solchem Maße, daß sie für diesen Zweck
                              									überhaupt gar nicht hätten angestellt zu werden brauchen, und daß es völlig
                              									unzulässig erscheint, irgend welche Folgerung für die Praxis daraus abzuleiten.
                              									Grade der Umstand, daß Kuhlmann zwei Verfahren
                              										„absolut verdammt“, welche von allen englischen und vielen
                              									der besten continentalen Fabriken fortwährend ausgeführt werden (die Zersetzung des
                              									Salpeters in oder gleich hinter den Kiesöfen und die Anwendung des Gloverthurmes zur
                              									Denitrirung) muß zur Vorsicht in der Schätzung seiner Versuche und Behauptungen
                              									ermahnen. Kuhlmann hatte sich folgende zwei Fragen zur
                              									Beantwortung vorgelegt:
                           1) Unter welchen Umständen wird Stickoxyd bei der Schwefelsäurefabrikation in
                              									Stickoxydul überführt und
                           2) ist dieses Stickoxydul das einzige Product, welches bei der Desoxydation des
                              									Stickoxydes durch schweflige Säure entstehen kann?
                           Zur Lösung dieser Fragen schien es ihm zweckmäßig (aber warum?), nicht die Reactionen in der Bleikammer zu studiren, sondern
                              									direct die Einwirkung von schwefliger Säure auf Stickoxyd bei Abschluß der Luft
                              									einer genaueren Prüfung zu unterwerfen. Er fand, daß schon bei gewöhnlicher
                              									Temperatur, mehr aber noch bei erhöhter Temperatur eine Reaction eintritt, wodurch
                              									Stickstoff frei wird, und daß bei Gegenwart von Platinschwamm das Stickoxyd
                              									vollständig zu Stickstoff reducirt werden kann. Möglich sei es auch, daß als
                              									Zwischenstadium sich StickoxydulStickoxyd bilde. Nun ist aber gar nicht abzusehen, warum
                                 										Kuhlmann es für zweckmäßig hielt, unter Bedingungen zu arbeiten, wie sie,
                              									vom Platinschwamm gar nicht zu reden, in der Praxis nur einmal stellenweise durch
                              									die gröbsten Fehler oder Unglücksfälle vorkommen können, und wobei man dann von
                              									vornherein weiß, daß man sehr viel Salpeter verliert, nämlich mit Stickoxyd und
                              									schwefliger Säure bei Abschluß der Luft. Daß hierbei die
                              									schweflige Säure sich auf Kosten des Stickoxyd-Sauerstoffes oxydirt, kann man
                              									ihm gern glauben; er hätte sich aber ganz ersparen können, seine Versuche überhaupt
                              									anzustellen; denn schon lange vorher hatte R. Weber (1866
                              										184 246) es völlig klar gelegt, daß in den
                              									Bleikammern ein Sauerstoffüberschuß vorhanden sein müsse, weil Stickoxyd durch
                              									schweflige Säure bei Gegenwart von Wasser zu StickoxydulStickoxyd reducirt werde und somit für den Proceß verloren gehe, obwohl nicht in dem
                              									Maße, wie Pelouze (Annales de
                                 										Chimie et de Physique, 1860 t. 60 p. 162) behauptet hatte; selbst salpetrige Säure werde
                              									bei Ueberschuß von Wasser
                              									durch schweflige Säure bis zu Stickoxydul reducirt, dagegen vorwiegend zu Stickoxyd,
                              									wenn man statt des Wassers verdünnte Schwefelsäure nimmt; auch entsteht nur
                              									Stickoxyd, wenn das Wasser, welches der schwefligen Säure und den salpetrigen
                              									Dämpfen beigemengt ist, der Quantität nach zu den letztern in demselben Verhältnisse
                              									steht, das bei dem normalen Gange in der Bleikammer vorhanden ist. Selbst
                              									Salpetersäure wurde, obgleich schwieriger, beim Kochen mit wässeriger schwefliger
                              									Säure theilweise zu Stickoxydul reducirt. Genau zu demselben Resultate kam auch Frémy (Comptes rendus,
                              									1870 t. 70 p. 61). In dieser
                              									Beziehung sind namentlich auch die Versuche von Cl. A. Winkler (Untersuchungen über die chemischen Vorgänge in den
                              									Gay-Lussac'schen Condensationsapparaten der Schwefelsäurefabriken. Freiberg
                              									1867) zu beachten. Nach diesen geben zwar Dämpfe von salpetriger Säure mit
                              									schwefliger Säure und Wasser bei Ausschluß von Sauerstoffgas durchaus keine
                              									Kammerkrystalle, sondern entfärben sich unter Bildung von Stickoxyd und
                              									Schwefelsäure; bei Zutritt von Sauerstoff oder Luft entstehen aber augenblicklich
                              									die Kammerkrystalle – ebenso, wenn Untersalpetersäure bei Gegenwart von
                              									Wasser mit schwefliger Säure zusammenkommt. Winkler
                              									gründet grade hierauf ein Unterscheidungsmittel zwischen N₂O₃ und
                              									NO₂.
                           Aus allem geht hervor, und die tägliche Praxis bestätigt es vollkommen, daß Stickoxyd
                              									verhältnißmäßig leicht, salpetrige Säure schwerer und Salpetersäure noch schwerer
                              									durch einen Ueberschuß von schwefliger Säure zu Stickoxydul oder selbst Stickstoff
                              									reducirt werden, aber nur unter Bedingungen, welche in der normalen Praxis gar nicht
                              									vorkommen sollen, nämlich bei sehr großem Ueberschuß von
                              									Wasser und bei Mangel an Sauerstoff, welcher das
                              									Stickoxyd immer wieder sofort zu N₂O₃ und NO₂ oxydirt. Ob in
                              									dem ersten Falle mehr N₂O oder Stickstoff entsteht, ist für die Praxis ganz
                              									gleichgiltig, da in einem oder dem andern Fall doch der entsprechende Salpeter
                              									verloren geht. Man versteht also nicht, wie Kuhlmann aus
                              									einer Wiederholung von früher schon angestellten Versuchen von Pelouze und Weber, mit schwefliger Säure und
                              									Stickoxyd bei Abschluß der Luft, das Recht herleiten
                              									konnte, irgend welche Schlüsse für den regelmäßigen Betrieb der
                              									Schwefelsäurefabrikation herzuleiten, bei welchem in den in die Kammer eintretenden
                              									Gasen eher mehr Sauerstoff dem Volum nach enthalten ist als schweflige Säure (z.B.
                              									nach Gerstenhöfer bei Pyrit 8,80 SO₂ auf 9,60
                              									Sauerstoff; siehe Hasenclever a. a. O. S. 170), während,
                              									berechnet für den ziemlich großen Salpeterconsum von 5 Proc. auf den verbrannten
                              									Schwefel, noch nicht ein Fünfzigstel davon an salpetrigen Dämpfen vorhanden ist.
                           Bei dem Ansehen, welches Kuhlmann's Namen als derjenige
                              									eines tüchtigen Praktikers genießt, ist es oft übersehen worden, daß derselbe, wie
                              									es scheint, mit dem Gloverthurm eben gar keine praktischen Erfahrungen gemacht und nur aus seinen eben als ungiltig
                              									erwiesenen theoretischen Voranschauungen darüber geurtheilt hat. Es wird seiner
                              									Ansicht öfters in der neuen Literatur Erwähnung gethan, als ob sie wirklich für die
                              									Beurtheilung der Vorgänge im Gloverthurm maßgebend und dadurch bewiesen sei, daß in dem letztern
                              									Verluste an Salpeter stattfänden. Kuhlmann's
                              									Untersuchungen, oder richtiger gesagt, Behauptungen, haben auch Fr. Vorster angeregt, seine oben erwähnte Arbeit über die
                              									Wirkung der schwefligen Säure auf die Nitrose, d.h. die Lösung von Kammerkrystallen
                              									(Nitrosulfonsäure) in starker Schwefelsäure, welche aus dem Gay-Lussac'schen
                              									Absorptionsthurme ausfließt, auszuführen.
                           Die Arbeit von Vorster ist insofern viel beachtenswerther
                              									als diejenige von Kuhlmann, als sie unter Bedingungen
                              									angestellt ist, welche von der Praxis nicht in solcher Weise wie Kuhlmann's Versuche abweichen, und namentlich auch
                              									dadurch, daß Vorster seine Versuche mit
                              									anerkennenswerther Gründlichkeit beschreibt und dadurch den sachverständigen Leser
                              									in den Stand setzt, an der Hand von Vorster's
                              									Versuchsresultaten selbstständige Schlüsse zu ziehen, statt sich mit des Autors
                              									Folgerungen begnügen zu müssen. Vorster's eigener Schluß
                              									aus seinen sechs Versuchen war der, daß eine beträchtliche
                                 										Menge der Stickstoffverbindungen des Sauerstoffes (soll Wohl heißen:
                              									Sauerstoffverbindungen des Stickstoffes) zu Stickstoff
                                 										reducirt werde, und die Größe dieser Reduction, zwischen 40 und 70 Proc., mit
                                 										der zunehmenden Temperatur der nitrosen Schwefelsäure, resp. der
                                 										Schwefligsäuregase zunehme (a. a. O. S. 511). Daher solle der Gloverthurm
                              									nicht mehr zum Denitriren, sondern nur zur Concentration der Kammersäure benutzt
                              									werden, und es schien ihm der von den deutschen Fabrikanten (damals) befolgte Weg der richtigere, nämlich die directe Einführung der
                              									nitrosen Säure in die Kammer nach vorheriger Mischung mit Wasser.
                           Die Arbeit Vorster's erfuhr zwar anfangs von einigen
                              									Seiten eine günstige Beurtheilung; es gelang mir aber ihre mich durch ihre offenbare
                              									Nichtübereinstimmung mit der Erfahrung frappirenden Schlüsse dadurch zu entkräften,
                              									daß ich nachwies, wie sie den in Vorster's Aufsatz
                              									ebenfalls enthaltenen oder aus ihm zu berechnenden Zahlen über den Salpeterverbrauch
                              									der Muspratt'schen Fabrik, in deren Laboratorium er
                              									arbeitete, direct widersprachen (vgl. 1875 215 56) und
                              									meine Beweisführung gegen Vorster's Einrede vollständig
                              									aufrecht zu erhalten (vgl. 1875 216 179). Gern hätte ich
                              									das von mir ausgesprochene Urtheil, daß Vorster's
                              									Resultate ganz falsche seien, nicht nur auf dem negativen Wege der Berechnungen,
                              									sondern auch auf dem positiven Wege der Versuche widerlegt, mußte aber in meiner
                              									damaligen Stellung aus Mangel an Zeit davon absehen. Nachdem nun neuerdings mein Urtheil durch die
                              									tägliche Praxis auch so vieler deutscher Fabrikanten widerlegt worden ist und Vorster's Versuche nicht mehr, wenigstens direct, als
                              									Autorität für die betreffenden Vorgänge angeführt werden, würde es ganz unnöthig
                              									sein, die Sache nur darum wieder aufzunehmen, um den von mir 1875 aus Zeitmangel
                              									nicht erbrachten experimentellen Gegenbeweis jetzt nachzutragen. Da aber immerhin
                              									eine wissenschaftlich genaue Untersuchung der Vorgänge bei der Denitrirung im
                              									Gloverthurm, oder unter solchen Umständen, welche sich diesem Apparate möglichst
                              									annähern, noch nicht ausgeführt wurde, so schien es mir im Interesse der
                              									Schwefelsäurefabrikation von hinreichendem positivem Werthe, diese Untersuchung
                              									meinerseits aufzunehmen. Daß dieselbe zum großen Theil einen kritischen Charakter
                              									hat und sich mit Widerlegung der von Vorster angestellten
                              									Versuche, resp. aufgestellten Behauptungen, beschäftigt, liegt in der Natur der
                              									Sache, da er der einzige ist, welcher durch Experimente
                              									einen Verlust von Salpeter im Gloverthurm nachgewiesen zu haben glaubt; wenn ich zu
                              									andern Resultaten gekommen bin, so mußte es mir auch obliegen, die abweichenden
                              									Resultate von Vorster zu berücksichtigen.Seit dem Niederschreiben des Obigen habe ich doch einen Autor gefunden,
                                    											welcher Vorster's Abhandlung citirt, als ob sie
                                    											nie widerlegt worden wäre, und welcher dadurch beweist, daß selbst in
                                    											negativer Hinsicht meine jetzige Arbeit noch nicht ganz überflüssig ist. In
                                    											dem Berichte der österreichischen Commission über die Weltausstellung in
                                    											Philadelphia, 7. Heft, von Dr. Guido Goldschmiedt, heißt es: „Die Functionen
                                       												des Gloverthurmes hat Vorster in einer
                                       												werthvollen Abhandlung besprochen; die Versuche hierzu hat er in der
                                       												Sodafabrik von James Muspratt and Sons in
                                       												Widnes (Lancashire) mit im Betriebe befindlichen Apparaten angeführt.
                                       												Hiernach wäre der Gloverthurm zur Concentration, aber nicht zur
                                       												Denitrirung der Kammersäure zu empfehlen, indem durch zu weit gehende
                                       												Reduction der Stickstoffverbindungen ein Verlust stattfindet, der einen
                                       												größern Salpeterverbrauch bedingt. Dieser Behauptung, deren
                                       												Stichhaltigkeit von Lunge angegriffen wurde,
                                       												schließen sich anderseits Kuhlmann und Bode an.“ Wenn Goldschmiedt die Abhandlungen von Vorster, auch nachdem derselbe meine Kriktik auch
                                    											nicht in dem kleinsten Punkte hat widerlegen können, noch für eine
                                    												„werthvolle“ hält, so ist dies Geschmacksache, und
                                    											will ich mit ihm nicht darüber rechten; vermuthlich hat übrigens Goldschmiedt das Epithel
                                    												„werthvoll“ nur aus der ersten Erwähnung der
                                    											betreffenden Abhandlung in Wagner's Jahresbericht für 1874, für welchen
                                    											meine Kritik noch nicht vorlag, hinübergenommen. Aber positiv irrig sind
                                    											folgende Behauptungen Goldschmiedt's: 1) daß Vorster seine Versuche mit im Betriebe
                                    											befindlichen Apparaten ausgeführt habe. Diese Behauptung stellt zwar Vorster ganz unbegreiflicherweise im Eingange
                                    											seiner Abhandlung auf; es muß aber jedem Leser auffallen, daß sämmtliche
                                    											Versuche Vorster's über den Salpeterverlust
                                    											absolut gar nicht mit im Betrieb befindlichen Apparaten, sondern
                                    											ausschließlich im Laboratorium ausgeführt waren, wie ich es auch in meiner
                                    											damaligen Kritik hervorhob. 2) Der Behauptung von Vorster hat sich nicht Kuhlmann
                                    											angeschlossen, sondern umgekehrt Vorster hat, wie
                                    											er selbst ausdrücklich sagt, sich durch Kuhlmann's freilich von mir oben als ganz irrelevant erwiesene
                                    											Versuche zu seiner eigenen Arbeit anregen lassen. Dieser Lapsus möchte noch
                                    											hingehen, aber 3) Bode schließt sich nicht Vorster an, sondern hat von vornherein und in
                                    											seinen verschiedenen spätern Abhandlungen im graden Gegentheile mir in
                                    											dieser Angelegenheit beigepflichtet.
                              								
                           
                           Zunächst wird man sich, so weit möglich, Rechenschaft darüber geben müssen, warum Vorster zu so sehr von dem Thatbestande abweichenden
                              									Schlüssen gekommen ist; denn seine mühsamen Versuche ohne weiteres einfach als mit
                              									ungenügender Sorgfalt angestellt bei Seite zu schieben, weil sie der Erfahrung im
                              									Großen widersprechen, dazu hat man kein Recht. Ich schreibe seine Verluste erstens
                              									den Versuchsbedingungen, zweitens der von ihm angewendeten analytischen Methode zu.
                              										Vorster führte nur eine Analyse nach der Methode von
                              										Pelouze, sämmtliche übrigen nach derjenigen von Siewert aus, und zwar weil ihm die Methode von Pelouze mit reinem Kalisalpeter nicht vollkommen
                              									übereinstimmende Resultate gegeben habe. Ich habe in diesem Journale (S. 182 und 284
                              									d. Bd.) nachgewiesen, daß umgekehrt die Methode von Pelouze, unter den richtigen Cautelen ausgeführt, vollkommen genügende
                              									Resultate ergibt, während dies bei derjenigen von Siewert
                              									u.a. nicht der Fall ist. Ohne im mindesten bezweifeln zu
                              									wollen, daß unter gewissen Umständen die Reduction von Stickstoffsäuren in
                              									alkalischer Lösung durch Zink und Eisen zu Ammoniak quantitativ vor sich geht,
                              									glaube ich doch erwiesen zu haben, daß diese speciellen Umstände sich nicht unter
                              									der Controle des Experimentators befinden, und daß man mithin auf die Resultate
                              									dieser Methode sich nicht verlassen kann. Es ist also
                              									sehr wohl möglich, daß Vorster schon von vornherein durch
                              									seine analytische Methode irre geführt worden ist, zumal da es sich immer um
                              									Bestimmung einer verhältnißmäßig sehr kleinen Menge von Nitraten etc. in der
                              									vorgeschlagenen Natronlauge handelte. Die Methode mit übermangansaurem Kalium, von
                              									der ich a. a. O. nachgewiesen habe, daß sie mit Anwendung gewisser Cautelen grade
                              									vollständig genaue Resultate für die Bestimmung der salpetrigen Säure liefert, wird
                              									von Vorster gar nicht erwähnt; übrigens hatte er sich von
                              									Anwendung dieser oder ähnlicher Methoden durch das von ihm angewendete alkalische
                              									Absorptionsmittel factisch ausgeschlossen, da man eine Wiederausscheidung der
                              									salpetrigen Säure in solcher Form, wie sie für jene Methode nöthig ist, ohne Verlust
                              									nicht gut bewerkstelligen kann. Es kann also leicht sein, daß Vorster's Ergebnisse schon darum nicht giltig sind, weil die analytische
                              									Methode ihm andere Zahlen ergab als die Wirklichkeit.
                           Gesetzt aber auch, dies wäre der Fall gewesen, so geben doch die Versuchsbedingungen,
                              									unter welchen Vorster arbeitete, von vornherein gar kein
                              									Bild der Vorgänge im Gloverthurm ab. Sein erster Versuch wurde angestellt durch
                              									Einleiten von reiner schwefliger Säure in auf 120° erhitzte Nitrose, nach
                              									völliger Verdrängung der Luft durch Kohlensäure, und nachherige Oxydation des
                              									entstandenen Stickoxydes durch reinen Sauerstoff; dabei hatte er 55,1 Proc. Verlust an
                              									Salpeter; bei einem zweiten, im wesentlichen unter gleichen Bedingungen angestellten
                              									Versuche erhielt er einen Verlust von 32,5 Proc. an Salpeter. Bei einem dritten
                              									Versuche wurde die schweflige Säure vorher mit Luft gemengt (in welchem Verhältnisse
                              									ist nicht gesagt, und hätte sich dies auch in Vorster's
                              									Apparat kaum ausmitteln lassen); die Temperatur der Nitrose wurde auf 140°
                              									gehalten; der Verlust an Salpeter betrug 58,5 Proc. Bei einem vierten Versuche, in
                              									ganz ähnlicher Weise angestellt, ist das Mischungsverhältniß von Luft und
                              									schwefliger Säure wie 2 : 1 angegeben, was aber unmöglich irgendwie genau sein kann,
                              									da die schweflige Säure direct aus dem Entwicklungskolben eingeleitet wurde; wie die
                              									Messung stattfand, ist nicht gesagt. Der Verlust betrug 40,25 Proc. Bei einem
                              									fünften, sonst ganz ähnlich angestellten Versuche wurde die Temperatur der Nitrose
                              									auf 180° erhöht und der Verlust zu 67,9 Proc. gefunden. Dieser Versuch
                              										„konnte“, wie Vorster meint,
                              										„als vollständig maßgebend für die Verluste im Glover-Thurm
                                 										gelten“. Wie höchst unmotivirt diese Ansicht ist, werde ich sofort
                              									nachweisen.
                           Bei einem sechsten Versuche suchte Vorster zu bestimmen,
                              									ob der Verlust in Form von Stickoxydul oder von Stickstoff stattfand; er leitete
                              									dazu Sauerstoff durch den ganzen Apparat, um die Luft zu verdrängen, und fing 10
                              									Minuten nach Anfang der Entwicklung der SO₂ die Endgase in einer mit Wasser
                              									gefüllten Flasche auf, absorbirte in einer daraus entnommenen Probe den Sauerstoff
                              									durch eine Lösung von pyrogallussaurem Kalium und fand durch Verbrennung des Restes
                              									mit Wasserstoff im Eudiometer eine so geringe Volumverminderung, daß er sie auf
                              									Beobachtungsfehler zurückführt und mithin den ganzen Rest für Stickstoff
                              										anspricht.Vorster vergißt hierbei die sehr bedeutende
                                    											Löslichkeit des Stickoxydules in Wasser; er konnte in seiner 2l,5-Flasche möglicherweise
                                    											viel mehr N₂O als die schließlich gefundenen 361cc N haben. Indem er „annimmt“, er habe anfangs 0l,5 verloren, kommt er auf eine Berechnung
                              									von 361cc Stickstoff, und da sein
                              									anderweitig gefundener Verlust von 39,92 Proc. Salpeter in diesem Falle = 420cc Stickstoff gewesen wäre, so kommt ihm
                              									diese Differenz (zwischen 361 und 420cc) so
                              									klein vor, daß er sie auf Fehlerquellen der Analysen zurückführen zu können glaubt
                              									und sich vollkommen befriedigt damit erklärt, daß er in der That den Verlust an
                              									Salpeter direct in Form von Stickstoff nachgewiesen habe. Das Verhältniß zwischen
                              									SO₂ und Sauerstoff war wie 2 : 1 regulirt worden (auf welche Weise gibt Vorster nicht an), und die Temperatur der Nitrose war
                              									135°. Dieser letzte Versuch scheint bei dem oberflächlichen Durchlesen des
                              									Aufsatzes in der That
                              									völlig beweisend für Vorster's Behauptung, daß bei der
                              									Einwirkung von schwefliger Säure auf Nitrose ein großer Theil der Stickstoffsäuren
                              									bis zu Stickstoff reducirt werde; denn was kann überzeugender sein, als den auf
                              									diese Weise erzeugten Stickstoff direct nachzuweisen? Aber bei näherem Eingehen auf
                              									den Versuch erweist sich, wenigstens für denjenigen, welcher ähnliche Versuche
                              									angestellt hat, die völlige Werthlosigkeit desselben. Einmal begnügt sich Vorster bei seiner „Analyse“ mit
                              									einer äußerst rohen Annäherung, zieht aber doch daraus unbedenklich seine Schlüsse.
                              									Er „nimmt an“, daß sich, ehe er anfing, die Gase aufzufangen,
                              										0l,5 davon entwickelt habe; warum er
                              									überhaupt sich mit einer solchen Annahme begnügte, sagt er nicht. Dann erscheint ihm
                              									die Differenz zwischen der schon durch eine ganz willkürliche Annahme gewonnenen
                              									Zahl von 361cc und der berechneten von
                              										420cc so klein, daß man sie ganz
                              									vernachlässigen könne! Ferner ist es ungemein verdächtig, daß Vorster gar kein Stickoxyd gefunden hat. Alle frühern Beobachter, Pelouze, Weber, Frémy u.a., haben dies gefunden,
                              									wenn sie unter gewissen (freilich vom Gloverthurm sehr abweichenden) Umständen,
                              									nämlich bei Abwesenheit von überschüssigem Sauerstoff, Stickstoffoxyde durch
                              									schweflige Säure reducirten; auch ich habe unter ähnlichen Umständen immer
                              									Stickoxydul nachweisen können, und die einzige allenfalls anzuführende Ausnahme, wo
                              									die Bildung von Stickoxydul nur als möglich hingestellt
                              									ist, nämlich der Fall von Kühlmann, kann unmöglich
                              									zählen, da 1) dieser mit Stickoxyd und schwefliger Säure bei Sauerstoffabschluß,
                              									also unter für völlige Reduction zu Stickstoff außerordentlich viel günstigeren
                              									Umständen arbeitete als Vorster, welcher mit salpetriger
                              									Säure und freiem Sauerstoff operirte; 2) seine Angaben völlig vag sind; nur bei
                              									Einführung von Platinschwamm oder wenn schweflige Säure „bei erhöhter
                                 										Temperatur“ (was für einer?) mit Stickoxyd in Contact gebracht wird,
                              									finde völlige Reduction zu Stickstoff statt; 3) so lange von Kuhlmann nur ein von Beilstein und in Hofmann's Bericht veröffentlichter, kurzer Privatbrief
                              									vorliegt, welchem seit 1873 keine detaillirten Angaben über die Umstände und
                              									Einzelresultate der Versuche gefolgt sind, man solchen vagen, vorläufig nur als
                              									Behauptung dastehenden Angaben keinen Raum in einer exacten wissenschaftlichen
                              									Argumentation gewähren kann. Grade also, weil Vorster
                              									kein Stickoxydul fand, liegt die Vermuthung um so näher, welche mir Vorster's Resultat mit völlig ausreichender
                              									Wahrscheinlichkeit zu erklären scheint: daß nämlich, wie auch bei meinen später zu
                              									beschreibenden Versuchen, gar kein Verlust an Salpeter eingetreten, also auch gar
                              									keine Bildung von N₂O oder Stickstoff vor sich gegangen sei, und daß der von Vorster beobachtete Stickstoff nur aus einem Rückhalte
                              									von Luft in seinem Apparate und in seinem Sauerstoffgas
                              									stamme. Zwar gibt Vorster an, daß er vor Beginn der
                              									Versuches längere Zeit „reinen“ Sauerstoff durch den ganzen
                              									Apparat geleitet habe, um alle atmosphärische Luft zu verdrängen. Aber wenn man
                              									bedenkt, daß sein Apparat sehr complicirt war, nämlich aus 10 bis 12 Flaschen und
                              									Kolben von größern Dimensionen bestand, und daß Vorster
                              									(wie man beim Fehlen einer Angabe darüber in der sonst ganz minutiösen Beschreibung
                              									schließen darf) es unterließ, sich zu überzeugen, ob das
                              									aus dem Apparate vor Beginn des Versuches austretende Gas völlig von
                              									pyrogallussaurem Kalium absorbirt werde, so fühle ich mich um so mehr zu obigem
                              									Schlusse, daß er den atmosphärischen Stickstoff nicht völlig ausgeschlossen habe,
                              									berechtigt, als ich mich aus mehreren Versuchen davon überzeugt habe, wie schwer es
                              									ist, bei einem complicirten Apparate jener Bedingung zu genügen. Ich habe mehrmals
                              									in einem lange nicht so complicirten Apparate als Vorster's den Inhalt eines ganzen Gasometers (etwa 9l) Sauerstoff durchgeleitet, ohne mit
                              									Sicherheit allen Stickstoff verdrängen zu können, und deshalb eine betreffende
                              									Versuchsreihe nach vielen mühevollen Vorversuchen als nicht hinreichend exact
                              									bezeichnen müssen. Auch ist es mir von vornherein nie gelungen, bei Anwendung eines
                              									gewöhnlichen Gasometers mit Wasserabsperrung (an Quecksilber ist bei Gasmengen von
                              									vielen Litern doch nicht zu denken) ein Sauerstoffgas darzustellen, welches von
                              									pyrogallussaurem Kalium vollständig absorbirt worden wäre; schon der Luftgehalt des
                              									Sperrwassers, aus welchem immer etwas Stickstoff in den Gasraum des Gasometers
                              									abdunsten wird, und außerdem die von vielen Beobachtern gefundene Bildung von
                              									Kohlenoxyd kann dieses erklären, und Vorster würde es
                              									wohl nicht anders gegangen sein als mir, wenn er die von mir angestellte Controle
                              									ebenfalls geübt hätte.
                           Zur völligen Absurdität führt aber der letzte Vorster'sche
                              									Versuch, welcher durch seinen imposanten Apparat von Eudiometer etc. dem flüchtigen
                              									Leser einen gewaltigen Eindruck von exacter wissenschaftlicher Arbeit machen muß,
                              									wenn man sich sein Zahlenresultat ansieht. Es wäre danach während des Versuches von
                              									56,238 in der Nitrose enthaltenem N₂O₅ unzersetzt zurückgeblieben 3g,067, durch Absorption in der Natronlauge
                              									wiedergewonnen 0g,135 und als Stickstoff
                              									verloren 2g,036, d.h. von den überhaupt
                              									ausgetriebenen Stickstoffverbindungen wären nur 6,2 Proc. wiedergewonnen und 93,8
                              									Proc. zu Stickstoff reducirt, und das noch dazu bei einer niedrigeren Temperatur als
                              									die meisten übrigen Versuche, welche Vorster anführt (135°). Dann wäre
                              									freilich der Gloverthurm in der That ein nichtsnutziger Apparat, und das Wunder bliebe nur, daß man vor
                              										Vorster es nicht gemerkt habe, wie man 94 Proc.
                              									seines Salpeters bei jeder Operation in demselben
                              									verlöre, und daß man auch nach ihm denselben Apparat in immer steigendem Maße
                              									eingeführt hat. Denn wenn man dieselbe Berechnung hierauf anwendet, welche ich schon
                              									in diesem Journal Bd. 215 S. 57 gemacht
                              									habe, und an welcher Vorster nicht im mindesten zu
                              									rütteln auch nur versucht hat, so würde in der Muspratt'schen Fabrik der Verlust an
                              									Salpeter im Gloverthurm allein 1190k
                              									täglich, oder 27,9 Proc. von dem chargirten Schwefel, also mit Zurechnung von 3
                              									Proc. für anderweitige Verluste in den Kammern, dem Austrittsgase u.s.w. etwa 31
                              									Proc. betragen haben, während Vorster den wirklich
                              									erlittenen Verlust im Großen auf 5 Proc. angibt! Die Absurdität dieser Ziffer muß
                              										Vorster selbst eingeleuchtet haben, denn er berechnet
                              									den Verlust in diesem sechsten Versuche nicht auf die ausgetriebenen, sondern auf
                              									die sämmtlichen Stickstoffverbindungen mit Einschluß der unverändert
                              									zurückgebliebenen, was augenscheinlich völlig unzulässig ist.
                           Nachdem wir nun gesehen haben, daß der letzte, auf den ersten Blick so überzeugende
                              									Versuch von Vorster als unbedingt falsch und demnach als
                              									gar nichts beweisend bei Seite gelassen werden muß, wende ich mich zu einer
                              									Betrachtung darüber, ob denn wirklich, wie Vorster meint,
                              									seine Versuche als maßgebend für die Verluste im Gloverthurm anzusehen sind. Von den
                              									ersten beiden Versuchen können wir sofort ganz absehen, denn reines schwefligsaures
                              									Gas wirkt wahrlich im Gloverthurme nicht auf die Nitrose ein. Bei den Versuchen 3, 4
                              									und 5 war die schweflige Säure mit Luft gemischt, aber nur in dem Verhältnisse von 1
                              									schweflige Säure auf 2 Luft, also auf 0,4 Sauerstoff, während in den stärksten
                              									Röstgasen der Pyritöfen schon mehr Sauerstoff als schweflige Säure dem Volum nach
                              									enthalten ist. Im Versuch 6 war das Verhältniß 2SO₂ auf 1 Sauerstoff, also
                              									ebenfalls zu wenig des letztern. Es ist ganz möglich, daß schon diese viel zu
                              									geringe Sauerstoffmenge im Verhältniß zur schwefligen Säure die Resultate der
                              									Versuche beeinflußt und eine Reduction weiter als bis NO hervorgerufen hat, während
                              									im Gloverthurme bei der mehr als doppelten Sauerstoffmenge diese Reduction eben nicht eintritt; meine später zu beschreibenden Versuche
                              									sprechen wenigstens für die Möglichkeit, daß sich bei
                              									Sauerstoffmangel und hoher Temperatur N₂O bilden könne. Jedenfalls
                              									entsprechen in Bezug auf die Gasmischung Vorster's
                              									Versuche schon nicht den Bedingungen des Gloverthurmes.
                              									Noch weniger ist dies aber der Fall mit der Temperatur. Wie Vorster selbst angibt, verläßt die denitrirte Säure den Thurm mit einer
                              									Temperatur von 120°; ich habe nur ganz ausnahmsweise und bei sehr intensivem Betriebe
                              									mehr, nie aber über 130° beobachtet. Man muß aber bedenken, daß die Säure
                              									oben im Thurme mit gewöhnlicher Temperatur einströmt und sich nur allmälig erhitzt,
                              									indem der größte Theil der ihr durch die heißen Röstgase zugeführten Wärme zur
                              									Verdampfung von Wasser benutzt wird. Es ist also die Säure während des größten
                              									Theiles ihres absteigenden Weges im Thurme viel weniger heiß als 120° und nur
                              									ganz dicht vor dem Ausfließen, und zwar, wenn sie schon ganz
                                 										oder so gut wie ganz denitrirt ist, wird sie diese Temperatur annehmen. Vorster aber arbeitete bei Temperaturen von 135 bis
                              									180°, welcher die Säure während der ganzen Zeit ausgesetzt war, und grade bei
                              									der höchsten Temperatur soll der Versuch „völlig maßgebend für die
                                 										Verluste im Gloverthurm sein“. Dies ist also ganz sicher nicht der
                              									Fall.
                           Auch wäre noch zu bedenken, daß sehr möglicherweise der Druck im Innern von Vorster's Apparat, statt
                              									dessen im Gloverthurm ein Zug stattfindet, die Art der
                              									Reaction erheblich modificiren könnte.
                           Nach der vorhergegangenen Motivirung kann man sicher mit vollem Rechte schließen,
                              									daß, selbst wenn bei den von Vorster angestellten
                              									Versuchen wirklich die von ihm behaupteten Verluste eingetreten wären, man daraus
                              									durchaus keine Berechtigung ableiten dürfte, ähnliche Verluste in dem unter völlig
                              									verschiedenen Bedingungen arbeitenden Gloverthurme vorauszusetzen. Es könnte
                              									immerhin der Fall sein, daß, wenn man eine Mischung von schwefliger Säure und
                              									atmosphärischer Luft anhaltend durch auf 140 bis 180° erhitzte nitrose
                              									Schwefelsäure leitet, und zwar unter dem zur Absorption der Gase nöthigen Druck,
                              									dadurch ein gewisser Theil der Stickstoffsäuren bis zu N₂O oder selbst zu
                              									Stickstoff reducirt würde, während doch keine solche Reduction im Gloverthurm
                              									einträte, in welchem viel mehr Sauerstoff vorhanden ist, in welchem ferner die Säure
                              									nie so heiß wird, selbst nicht ganz unten im Thurme, wo sie schon denitrirt ist, und
                              									in welchem endlich kein Druck stattfindet. Jedenfalls arbeitet man auf die oben
                              									beschriebene Art in einer für die Wiedergewinnung der Stickstoffoxyde als NO und
                              									höhere Oxydationsstufen viel ungünstigern Art als im Gloverthurme. Ich war deshalb,
                              									als ich die zunächst zu beschreibenden Versuche anstellte, vollkommen darauf gefaßt,
                              									einen Verlust an Salpeter zu erleiden, und wollte meinen ersten Versuchen, welche
                              										keinen Verlust ergaben, trotzdem ich mir keines
                              									Fehlers bewußt war, im Angesichte von Vorster's so
                              									positiven Angaben kaum trauen; der Leser mag aber urtheilen, ob nach meinen
                              									Versuchsresultaten noch der mindeste Zweifel darüber bestehen kann, daß Vorster's Versuche auch an sich genommen absolut falsch
                              									sein müssen, sei es
                              									durch Versuchsfehler, sei es durch seine analytische Methode, sei es durch
                              									beides.
                           Um bei meiner Untersuchung das Verhältniß zwischen schwefliger Säure und Luft in
                              									genauerer Weise zu messen, als dies möglich ist, wenn man unmittelbar mit einem
                              									Entwicklungsapparate für SO₂ arbeitet, wobei man auf das sehr ungenaue Zählen
                              									von Blasen u. dgl. angewiesen ist, schlug ich den freilich umständlichem Weg ein,
                              									die schweflige Säure in einem etwa 0l,5
                              									fassenden Quecksilbergasometer aufzufangen und durch Quecksilberdruck auszutreiben.
                              									Das Gasometer war graduirt, so daß man die Schnelligkeit der Ausströmung genau
                              									reguliren konnte. Mit der SO₂ wurde Luft durch Vermittlung eines
                              									Schenkelrohres von Glas gemischt; die Luft wurde durch ein gewöhnliches gläsernes,
                              									etwa 10l fassendes, ebenfalls graduirtes
                              									Gasometer geliefert, strömte aber zunächst durch einen Quecksilberverschluß von 2
                              									oder 3mm, damit nicht die SO₂ aus
                              									dem andern Gasometer bei zu starkem Drucke in das Luftgasometer hinübertreten und
                              									durch dessen Wasser absorbirt werden könnte. Das Verhältniß zwischen SO₂ und
                              									Luft, welches mithin genau gemessen werden konnte, wurde so gewählt, daß man ein
                              									Gasgemenge von 7 bis 9 Proc. SO₂ erhielt, wie sie die Röstgase der Pyritöfen
                              									annähernd, nur mit etwas mehr Stickstoff darstellen. Das Schenkelrohr war durch ein
                              									Kautschukrohr mit einer kleinen Flasche verbunden, durch deren Pfropfen zwei eben
                              									durchgehende Röhren geführt waren; die zweite derselben führte weiter in das Gefäß
                              									mit der Nitrose. Der Zweck dieser Flasche war theils der, die Gase besser zu
                              									mischen, theils der, als Sicherheitsvorrichtung bei etwaigem Zurücksteigen der
                              									Nitrose zu dienen. Ein Trocknen der Gase, wie es Vorster
                              									vornahm, hielt ich weder für nöthig, noch auch nur für zweckmäßig. Die Nitrose war
                              									in einem weiten Reagensrohre, 30mm weit und
                              										150mm lang, enthalten, und zwar wurden
                              									für jede Operation 20cc Nitrose verwendet.
                              									Der Zweck davon war dieser: Wenn man, wie Vorster, für
                              									jeden Versuch 200cc Nitrose anwendet, so
                              									braucht man so große Gasmengen, daß deren Messen durch Quecksilber ganz
                              									ausgeschlossen ist, und man braucht ferner zum Absorbiren der entwickelten Gase eine
                              									übermäßig große Menge von Flüssigkeit, und besonders bei der von mir gewählten
                              									Absorptionsflüssigkeit (chemisch reine Schwefelsäure) wäre dies sehr lästig gewesen;
                              									auch ist nicht abzusehen, warum man für analytische Zwecke mit 20cc nicht ebenso viel als mit 200cc ausrichten sollte; die analytischen
                              									Operationen sind im erstern Falle viel leichter auszuführen, und ein besseres Bild
                              									des Vorgangs im Großen gibt der zweite Fall auch nicht. Um nun aber mit den 20cc eine möglichst hohe Absorptionsschicht
                              									zu gewinnen, wählte ich
                              									die Form eines weiten Reagenscylinders, durch dessen dreifach durchbohrten
                              									Kautschukstopfen das Einführungsrohr der Gase und ein Thermometer, beide bis nahe
                              									zum Boden, und das oben kurz unter dem Stopfen abgeschnittene Ausführungsrohr der
                              									Gase hindurchging. Die Gase hatten in dem Cylinder eine Schicht Nitrose von etwa
                              										70mm Höhe zu durchstreichen.
                           Was nun die Behandlung der aus dem Denitrirungscylinder entweichenden Gase betrifft,
                              									so schlug ich einen von Vorster's völlig Verschiedenen
                              									Weg ein. Vorster hatte die ausströmenden Gase mit
                              									überschüssiger Luft gemischt und dann durch Natronlauge absorbirt, letztere nach
                              									Schluß des Versuches auf ein bestimmtes Volum gebracht und die
                              									Stickstoffverbindungen darin durch das Siewert'sche Verfahren bestimmt. Letzteres
                              									scheint in der That das einfachste, wenn man eine alkalische Flüssigkeit vor sich
                              									hat. Nun hatte ich aber durch meine in diesem Journal, Bd. 225 S. 182, mitgetheilte Voruntersuchung
                              									dargethan, daß dieses Verfahren nicht verläßlich ist, und daß die einzige, zugleich
                              									bequeme und sichere Methode der Bestimmung von salpetriger Säure das Titriren mit
                              									Chamäleon unter bestimmten Cautelen ist; dieses bedingt eine saure Flüssigkeit, und
                              									tritt jetzt, bei Anwendung von Natronlauge zur Absorption, die Schwierigkeit auf,
                              									daß durch die bei der Ansäuerung doch unvermeidliche Verdünnung unter allen
                              									Umständen ein Verlust an N₂O₃ stattfindet, wie ich ebenfalls a. a. O.
                              									nachgewiesen hatte. Alle Schwierigkeiten dieser Art verschwinden, wenn man zur
                              									Absorption der Gase concentrirte reine Schwefelsäure anwendet, welche man dann
                              									direct titriren kann, indem man sie aus einer Bürette in Chamäleon auslaufen läßt.
                              									Zugleich gewinnt man auf diesem Wege einen andern ungemein großen Vortheil. Man
                              									fängt mit einer Nitrose an, d.h., soweit es die Zwecke der Analyse betrifft, mit
                              									einer N₂O₃ in Auflösung haltenden Schwefelsäure, und man hört wieder
                              									mit einer Nitrose auf; beide werden direct aus der Bürette angewendet und unter
                              									identischen Bedingungen durch Chamäleon oxydirt, so daß die etwaigen Ungenauigkeiten
                              									der analytischen Methode (obwohl solche nach meinen Untersuchungen kaum vorhanden
                              									sind) hier in genau gleicher Weise ins Spiel kommen und somit keinen Schaden thun.
                              									Dann hat man aber auch noch einen andern sehr wichtigen Vortheil. Man gestaltet
                              									nämlich den Proceß fast ganz übereinstimmend demjenigen in der Bleikammer; in beiden
                              									Fällen beginnt man mit einer Nitrose, durch welche ein Gemenge von schwefliger Säure
                              									und Luft streicht; das Gasgemenge wird dann vor dem Austritt in die Atmosphäre
                              									wieder durch reine concentrirte Schwefelsäure geleitet und dadurch eine neue Nitrose
                              										erzeugt. Es handelt
                              									sich ja grade darum, ob, wie es Kuhlmann und Vorster behaupten, die neue Nitrose lange nicht so reich
                              									an Salpeter als die erste ist, oder ob, wie es nach der großen Praxis von vorn
                              									herein den Anschein hat, die neue Nitrose ebenso reich als die erste werden wird.
                              									Freilich erfolgen im Großen 3 bis 4 Proc. Verlust; aber im Kleinen mußte man
                              									offenbar diese Verluste vermeiden können, soweit sie sich auf unvollkommene
                              									Absorption, auf Gehalt der Kammersäure an N₂O₃, auf zu starke
                              									Verdünnung in der Nähe von Dampfstrahlen etc. beziehen, und nur ein eventuell im
                              									Gloverthurm durch die Einwirkung der heißen SO₂ eintretender Verlust mußte im
                              									Kleinen größer sein, wenn man dabei die Temperatur der
                              									Nitrose höher hielt als sie im Mittel im Gloverthurm ist
                              									(wo das Mittel höchstens 70 bis 80° sein kann). Um
                              									den Apparat einmal dem Kammersystem noch ähnlicher zu machen, und um zweitens den
                              									für die Wiedergewinnung der N₂O₃ schädlichen Ueberschuß von SO₂
                              									zu oxydiren, schaltete ich zunächst hinter dem Denitrirungsrohre einen großen, 1l,5 fassenden Erlenmeyer'schen Kolben ein,
                              									auf dessen Boden für jeden Versuch 100cc
                              									chemisch reine, mit 1/3 Wasser verdünnte Schwefelsäure gegossen waren; das
                              									Gaseinführungsrohr reichte bis dicht über, aber nicht in die Säure, das
                              									Abführungsrohr schnitt dicht unter dem Stopfen ab. Dieser Kolben sollte die
                              									Bleikammer vertreten; es sollte darin das sich ja ganz langsam darin fortbewegende
                              									Gasgemenge Zeit haben, um die nicht ganz trockene überschüssige SO₂ durch das
                              									aus der Nitrose austretende Gas (NO, durch den Luftüberschuß sofort zu
                              									N₂O₃ und NO₂ umgewandelt) oxydiren zu lassen, und da derselbe
                              									Luftüberschuß wie im Großen angewendet wurde, so mußte eben schließlich aus dem
                              									Kolben weder SO₂, noch NO, sondern ganz wie in einer normalen
                              									Schwefelsäurekammer nur N₂O₃ und NO₂ entweichen, natürlich
                              									gemengt mit überschüssigem Sauerstoff und allem Stickstoff. Dieses Gas passirte nun
                              									drei Mitscherlich'sche Kugelapparate; es wurde diese Form gewählt, wie Cl. Winkler es empfiehlt, weil sie es leichter als die
                              									meisten andern gestattet, den Inhalt vollständig auszuleeren und nachzuwaschen. Die
                              									Kugelapparate waren mit reiner concentrirter Schwefelsäure (etwa 21 bis 23cc für jeden) in gewöhnlicher Weise
                              									gefüllt, und mußten die salpetrigen Gase hier absorbirt werden. Dann strich das Gas
                              									noch durch einen kleinen Kolben mit 50cc
                              									Wasser und einer bestimmten Menge Halbnormal-Chamäleon, um die bei zu
                              									schnellem Gasstrome unabsorbirt entweichenden salpetrigen Gase zu oxydiren und zu
                              									messen, und endlich noch ein offenes Becherglas mit verdünnter
                              									Jodkaliumstärkelösung, als Indicator des Entweichens von N₂O₃. Man
                              									könnte einwenden, daß auch etwa dahin gelangende SO₂ auf das Chamäleon einwirken und
                              									dasselbe ebenso, wie N₂O₃, consumiren würde; aber dieser Fall konnte
                              									unmöglich eintreten, da, auch wenn aus dem großen Kolben noch unveränderte
                              									SO₂ austrat, diese doch unbedingt in den drei mit Nitrose gefüllten
                              									Kugelapparaten sich oxydiren mußte.
                           Zu Ende jeder Operation wurde noch einige Zeit Luft durch den Apparat geleitet,
                              									alsdann der Inhalt des Denitrirungscylinders in eine 100cc-Flasche ausgegossen, mit reiner
                              									Schwefelsäure gut nachgespült, mit eben solcher bis zur Marke gefüllt und gemischt
                              									und in eine Bürette mit Geißler'schem (hohlem) Glashahn gebracht, welche erst mit
                              									derselben Mischung ausgespült und dann damit gefüllt wurde. Man ließ nun diese Säure
                              									in eine aus einer andern ganz ähnlichen Bürette entnommene, auf 200cc verdünnte
                              									Halbnormal-Chamäleonlösung bis zur Entfärbung derselben ausfließen und
                              									ermittelte dann die noch vorhandene N₂O₃ nach der Gleichung
                           x = (ab)/c, worin
                           x = Verhältniß von N₂O₃ in der Säure des
                              									Denitrirungscylinders,
                           a = angewendete Cubikcentimeter
                              									Halbnormal-Chamäleon,
                           b = Volum der gesammten Säure (in diesem speciellen
                              									Falle also 100cc) und
                           c = zur Entfärbung von a
                              									verbrauchte Säure in Cubikcentimeter.
                           Genau nach derselben Methode wurde die angewendete Nitrose vor dem Versuche titrirt, und ebenso die in den Absorptionsapparaten
                              									neugebildete, nachdem der große Kolben und die Kugelapparate ausgeleert, mit reiner
                              									Schwefelsäure nachgespült und das Ganze auf 200 oder 250cc gebracht worden war. Ich glaube auf
                              									diesem Wege ein ziemlich genaues Bild des Vorganges im Großen erhalten zu haben,
                              									immer mit Berücksichtigung des mehrfach betonten Umstandes, daß mein
                              									Denitrirungsapparat ungünstiger für Vermeidung von Verlusten als der Gloverthurm
                              									war.
                           Selbstredend mußte für die betreffenden Versuche eine chemisch reine, von
                              									Stickstoffverbindungen absolut freie Schwefelsäure angewendet werden. Solche erhielt
                              									ich, wie schon in meinem frühern Aufsatze erwähnt, von der Deutschen Gold-
                              									und Silberscheideanstalt (früher Rößler) zu Frankfurt a.
                              									M. und zwar zu sehr mäßigem Preise; sie gab mit Diphenylamin und mit reinem
                              									Jodkalium und Stärke auch nicht die Spur einer Färbung, und wurde nach Verdünnung
                              									mit Wasser durch das erste Tröpfchen Chamäleon geröthet, was freilich nicht entfernt
                              									eine so empfindliche Reaction als die beiden erstgenannten ist. Ich war also ganz sicher, nicht durch
                              									Unreinheit meines Absorptionsmittels die Versuche zu fälschen.
                           Als Grundlage der Experimente diente dieselbe Nitrose von der Fabrik zu Uetikon,
                              									deren Analyse ich in meiner frühern Mittheilung (S. 291 d. Bd.) gegeben habe. Da ich
                              									mich zu gleicher Zeit damals überzeugt hatte, daß in der Nitrose gar keine
                              									Salpetersäure vorhanden ist, so brauchte ich diese bei meinen Analysen gar nicht zu
                              									berücksichtigen, auch nicht für meine künstliche Absorptionsnitrose, was eine große
                              									Vereinfachung bewirkte. Ich brauchte mithin die Versuchsresultate nur in
                              									Cubikcentimeter von Halbnormal-Chamäleon auszudrücken, in folgender
                              									Weise:
                           
                              1)An gewendet, je 20cc Uetiker Nitrose, entsprechend 87cc,0 Chamäleon.
                              
                                 2)
                                 Erhalten
                                 
                                    a) Rückständig im
                                       												Denitrirungscylinder N₂O₃-haltige Säure, welche
                                       												entspricht x
                                       												cc Chamäleon.
                                    b) Erhalten in den
                                       												Absorptionsapparaten, ebenfalls N₂O₃-haltige Säure,
                                       												entsprechend ycc
                                       												Chamäleon.
                                    c) Consumirt von dem am Schlusse
                                       												vorgeschlagenen Chamäleon, zurückgemessen durch die Säure a = 2cc Chamäleon.
                                    
                                 
                              
                           Die Summe x + y + z mußte, wenn kein Verlust
                              									bei der Denitrirung stattfand, grade wieder = 87,0 sein, und war eine Berechnung auf
                              									N₂O₃ etc. ganz unnöthig.
                           
                              
                                 (Schluß folgt.)