| Titel: | Ueber die amerikanische Petroleumindustrie. | 
| Fundstelle: | Band 225, Jahrgang 1877, S. 505 | 
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                        Ueber die amerikanische
                           								Petroleumindustrie.
                        Martius, über die amerikanische Petroleumindustrie.
                        
                     
                        
                           Einem längern Vortrage von Martius über die chemische
                              									Industrie auf der Ausstellung in Philadelphia, welchen derselbe am 8. Januar 1877 im
                              									Verein zur Beförderung des Gewerbefleißes in Berlin hielt, entnehmen wir aus den
                              									Sitzungsberichten folgende Angaben.
                           Die Gewinnung, der Transport und das Raffiniren des Petroleums bilden gegenwärtig eine der Hauptindustrien der Vereinigten
                              									Staaten. Die Gegend, in welcher das Petroleum gefunden wird, erstreckt sich in einer
                              									Länge von etwa 1100km und einer Breite von
                              										30km schräg über die Staaten Tenessee,
                              									Kentucky, Ohio, West-Virginia, Pennsylvanien und New-York bis hinauf
                              									nach Canada und läuft parallel mit den Alleghany-Gebirgen.
                           Das Oel findet sich in mehreren auf einander folgenden Sandsteinschichten, welche mit
                              									einer undurchdringlichen Schieferschicht überdeckt sind. Der Sandstein, welcher
                              									häufig porös und zerklüftet, ist der eigentliche Träger des Oeles. Die dritte
                              									Sandsteinschicht ist bei weitem die ergiebigste. Im nördlichsten Theil von
                              									Pennsylvanien, wo Oel gewonnen wird, liegt die letzte Schicht nur 25m unter dem Boden. Sie senkt sich aber
                              									allmälig nach Südwesten ungefähr 2m,3 auf
                              										1km. Das Bohren hört in der Gegend auf,
                              									wo die Oelschicht eine Tiefe von 540m
                              									erreicht hat. In einzelnen Gegenden weiter südlich hat man Petroleum bei einer Tiefe
                              									von 70m getroffen.
                           Obwohl schon den Indianern das Vorkommen von kleinen Petroleum-Springquellen
                              									bekannt war, so wurde doch der erste Bohrversuch, der eigentlich das Aufschließen
                              									eines Steinsalzlagers zum Zweck hatte, im J. 1859 von E. L. Drake gemacht. Das reichliche Ergebniß dieser Entdeckung gab Anlaß zu
                              									weiteren Bohrungen. Ein Brunnen folgte schnell dem andern, und als man Brunnen
                              									anbohrte, die täglich 4000 bis 5000hl Oel
                              									lieferten, trat eine Epoche der tollsten Speculation ein. Enorme Geldsummen wurden
                              									täglich an der New-Yorker Petroleumbörse verloren und gewonnen. Der Ort
                              										„Pithole“ in der Mitte der Gegend, wuchs in 90 Tagen von 2
                              									Häusern zu einer Stadt von 16000 Einwohnern. Mit dem Aufhören dieser bei jeder
                              									großen Entdeckung unvermeidlichen schwindelhaften Speculation trat die Industrie
                              									allmälig in das Stadium der gesunden und rationellen Entwicklung, in der sie sich
                              									heute befindet.
                           In dem Bohren und der Einrichtung der Brunnen, im Transport des Rohproductes, im
                              									Raffiniren des rohen Oeles hat man einen hohen Grad der Vollkommenheit erreicht. Es waren aber dazu
                              									auch enorme Kapitalauslagen erforderlich. Die Brunnen besitzen gewöhnlich einen
                              									Durchmesser von 20cm. Die Bohrstangen
                              									werden im allgemeinen mittels einer Dampfmaschine von 15e getrieben. Nachher dient dieselbe
                              									Maschine zum Auspumpen von 4 bis 5 Brunnen. Seit 1859 sind nicht weniger als 10499
                              									Brunnen gebohrt worden, von denen noch 3572 im Betriebe sind. Das tägliche Ergebniß
                              									der Brunnen war im J. 1875:
                           
                              
                                 in Pennsylvanien
                                 37290hl Rohpetroleum
                                 
                              
                                  „ West-Virginia etwa
                                     640            
                                    											„
                                 
                              
                                  „
                                    											Ohio                
                                    											„
                                     320            
                                    											„
                                 
                              
                           Gegenwärtig rentiren sich nur solche Brunnen, die bei tieferen
                              									Bohrungen täglich 700 bis 900hl
                              									ergeben.
                           Der Transport des rohen Oeles von den Brunnen nach der Eisenbahn oder nach den
                              									Flüssen und von da weiter nach den Raffinerien bot zu Anfang eine schwierige Aufgabe
                              									dar, die erst vor etwa 10 Jahren in befriedigender Weise gelöst wurde, als man
                              									anfing, das Oel durch Systeme von eisernen Röhren (vgl. 1877 223 438) von einem Orte zum andern zu leiten. Mit diesem Transport des
                              									Rohöles von den Gewinnungsorten nach den Hauptconsumtionsplätzen befassen sich
                              									gegenwärtig gegen 30 verschiedene Gesellschaften. Die größte derselben, die
                              										„Empire Transportation Company“, eine mächtige, die
                              									schnelle Beförderung von Frachtgut unternehmende Gesellschaft, besitzt ein Rohrnetz,
                              									welches gegenwärtig schon die Länge von 640km erreicht hat und alle Oel producirenden Gegenden in Verbindung mit der
                              									Eisenbahn setzt. Ich will diese eigenthümlichen Einrichtungen hier etwas eingehender
                              									beschreiben und bemerke, daß in einem von der „Empire Transportation
                                 										Company“ auf der Ausstellung in Philadelphia 1876 errichteten
                              									Pavillon durch bewegliche Modelle die ganze Einrichtung eines Petroleumbrunnens, des
                              									Röhrensystemes, des Eisenbahntransportes und des Enddepot in vollem Gange gezeigt
                              									wurde.
                           Die Röhren sind von gezogenem Eisen, 51mm im
                              									Durchmesser, und kostet 1km laufend mit dem
                              									Legen 5625 M. Das ganze System liegt frei auf der Erde und wird nur beim Uebergang
                              									der Chausseen oder beim Eintritt in einen Fluß gedeckt. Auf den Eisenbahnstationen
                              									stehen große eiserne Behälter, deren Fassungsraum zwischen 8000 bis 30000hl schwankt. Diese Behälter stehen so hoch,
                              									daß der Inhalt ohne weiters in die zum Transport bestimmten Oelwagen hineinfließen
                              									kann. Auf den wichtigsten Stellen des Röhrennetzes sind Pumpstationen errichtet, die
                              									aus einem Pumpenhaus mit zwei oder mehreren starken Pumpen, einem Kesselhaus, zwei
                              									Behältern von 700 bis 3000hl Inhalt, einem
                              									Telegraphenbureau und einem Wohnhaus bestehen. Von jeder dieser Stationen erstrecken
                              									sich Zweigröhren nach den verschiedenen Brunnen der Umgegend. Diese Zweige endigen
                              									in geeigneten Lagerbehältern der einzelnen Brunnen, die mit genauen Visirmaßen
                              									versehen sind. Vor dem Beginn des Auspumpens und am Schluß desselben werden die
                              									Höhen des Oelniveau abgelesen. Der Unterschied in Zollen, d.h. also die gelieferte
                              									Menge des Rohpetroleums, wird dem betreffenden Brunnenbesitzer in den Büchern der
                              									Gesellschaft creditirt und ein verkäufliches, sogen. „Gaugers
                                 										Ticket“ übergeben. Diese Scheine cursiren von Hand zu Hand. Dem
                              									Vorzeiger eines solchen Scheines wird die entsprechende Quantität Petroleum aus dem
                              									allgemeinen Vorrath einer beliebigen Centralstation geliefert. So verkauft z.B. der
                              									Brunnenbesitzer A. in Petroleumcity an den Raffinirer B. in New-York einen
                              									Gaugers Ticket für 10000 Gallonen Rohpetroleum. Auf Vorzeigen dieses Scheines auf
                              									dem Bureau der „Empire Transportation Company“ zu
                              									New-York werden dem B. sofort die 10000 Gallonen in
                              										„Tank-Cars“ auf die Fabrik geliefert, wogegen noch an die
                              									Compagnie die fest normirten Transportkosten zu entrichten sind.
                           Obwohl die Qualität des Petroleums aus den verschiedenen Brunnen nicht immer ganz
                              									gleichförmig ist, wird doch alles Rohpetroleum in den Behältern der
                              									Transport-Company mit einander gemischt.
                           Die Gesammtvorräthe in den Oelbehältern der „Empire Transportation
                                 										Company“ betragen durchschnittlich 3000000 bis 5000000hl. Bis jetzt hat diese Gesellschaft
                              										14500000hl Oel mittels ihres
                              									Röhrensystemes befördert. Eine Hauptröhre von 2 Zoll (51mm) Durchmesser ist durchschnittlich im
                              									Stande, 70hl stündlich durchgehen zu
                              									lassen. Die durch dieses System überwundenen Schwierigkeiten sind zuweilen sehr
                              									bedeutend. So treibt in einem Falle eine einzige Pumpe das Oel durch eine
                              									ununterbrochene 26km lange Röhre und
                              									überwindet dabei eine Höhe von 131m.
                           Der Transport auf der Eisenbahn findet in besonders dazu eingerichteten
                              										„Tank-Cars“ statt, deren nicht weniger als 4000 in
                              									Thätigkeit sein sollen. Diese bestehen aus cylindrischen, kesselartigen, eisernen
                              									Behältern, welche einen Fassungsraum von ungefähr 136hl besitzen, sind sehr sorgfältig genietet
                              									und mit gut schließenden Ventilen versehen, so daß eine Verdunstung der leicht
                              									flüchtigen Antheile des Rohpetroleums fast vollständig vermieden wird. Für den
                              									Transport nach der Seeküste und den großen Raffinerien von New-York,
                              									Baltimore und Philadelphia dienen die Oil-Yards. Das großartigste dieser
                              									Magazine sind die New-York gegenüber gelegenen
                              									Kommunipaw-Oil-Yards. In diesen Oil-Yards wird das Rohpetroleum
                              									direct aus den Eisenbahnwagen in Boote oder in große eiserne Reservoirs
                              									entladen.
                           Bei weitem der größte Theil des Rohpetroleums wird in den Vereinigten Staaten selbst
                              									raffinirt. Es bestehen wohl 50 bis 60 größere oder kleinere Raffiniranstalten. Die
                              									bedeutendsten befinden sich in Cleveland, Pittsbury, Baltimore, Philadelphia und
                              									Boston.
                           Ein Begriff von dem Umfang einer solchen Fabrik ließ sich sehr gut auf der
                              									Ausstellung zu Philadelphia aus dem großen aufgestellten Modell der Pratt'schen Fabrik in Brooklyn bei New-York
                              									gewinnen. Dieses Etablissement, welches ich selbst besucht habe, enthält 19
                              									Destillirblasen, welche täglich 4800hl
                              									Petroleum zu verarbeiten vermögen. In den verschiedenen Abtheilungen des
                              									Etablissement werden 450 Menschen beschäftigt. Das Petroleum wird entweder in den
                              									bekannten Fässern oder für die südlichen Länder in 5 Gallonen enthaltenden Karnisten
                              									aus Weißblech nach dem Auslande verschickt. Die New-Yorker Fabrik
                              									verarbeitet, füllt und verwendet zuweilen an einem Tage 10000 von diesen Kannen. Die
                              									dazu dienenden Einrichtungen sind so vollkommen, daß eine Kanne in weniger als 2
                              									Minuten verfertigt, mit Petroleum gefüllt, verschlossen, in Kisten verpackt und
                              									adressirt werden kann. Von den verschiedenen Petroleumproducten, die in dieser
                              									Fabrik gewonnen werden, nimmt natürlich das eigentliche, für Beleuchtungszwecke
                              									bestimmte, raffinirte Petroleum den ersten Rang ein. Es bildet eine wasserhelle,
                              									geruchlose Flüssigkeit.
                           Andere leichter siedende Producte, die auch in großen Quantitäten ausgeführt werden,
                              									sind die folgenden: Cymogen siedet bei 0° und wird
                              									insbesondere zur künstlichen Eiserzeugung (1875 218 56)
                              									1877 224 168) benutzt. Rhyolan
                              									siedet bei 18°, dient für wissenschaftliche und medicinische Zwecke. Gasolan dient für Gasmaschinen, sowie es auch benutzt
                              									wird, um die Leuchtkraft des Leuchtgases zu vergrößern. Naphta dient zum Brennen in Ofen- und Straßenlampen, zum Reinigen
                              									von Buchdruckerlettern, sowie für andere Reinigungs- und Färbereizwecke. Benzin wird in der Färberei und Malerei, sowie bei der
                              									Fabrikation von Wachstüchern, Kautschukwaaren u.s.w. angewendet.
                           
                           Ein beschränkter District in Pennsylvanien liefert ein Oel, das sich vom gewöhnlichen
                              									Petroleum durch eine dunklere Farbe und ein größeres specifisches Gewicht
                              									unterscheidet. Nach dem Raffiniren, und sogar roh, bildet es ein ausgezeichnetes
                              									Schmieröl, dessen Eigenschaften weder durch die in Amerika vorkommende Kälte, noch
                              									Wärme verändert werden.
                           Die folgenden statistischen Zahlen geben einen Begriff von der Großartigkeit der
                              									Petroleumindustrie.
                           In den Jahren 1859 bis 1875 wurden im Ganzen in Pennsylvanien 121170000hl Rohpetroleum, welches an den Quellen
                              									einen Werth von 92886500 M. besaß, gewonnen.
                           Ausgeführt wurden in dieser Zeit 59920000hl
                              									(roh oder raffinirt) im Werthe von 454612000 M.
                           Gesammtproduction für 1875.
                           
                              
                                             Rohpetroleum
                                 
                                 13515000hl
                                 
                              
                                             Gesammtwerth
                                    											an den Brunnen
                                 
                                 44625000 M.
                                 
                              
                                 Durchschnittlicher Preis (1,40 Doll. für 1 Barrel =)
                                    											3,30 M. für 1hl.
                                 
                              
                                             Petroleum,
                                    											das als rohes Oel oder
                                    											nach                dem
                                    											Raffiniren ausgeführt wurde
                                 
                                    
                                    
                                   8268000hl
                                 
                              
                                             Gesammtwerth
                                    											der Ausfuhr an
                                    											den                Brunnen
                                 
                                    
                                    
                                 27300000 M.
                                 
                              
                           Ausfuhr für 1875.
                           
                              
                                 Rohes Oel
                                        611900hl
                                 
                              
                                 Raffinirtes Oel
                                      6636700
                                 
                              
                                 Naphta
                                        458276
                                 
                              
                                 Untergeordnete Sorten
                                         
                                    											75230
                                 
                              
                                 Schmieröl
                                           
                                    											4100
                                 
                              
                                 Die Kosten des rohen Oels an
                                    											den    Brunnen betrugen
                                 3,30 M. für 1hl
                                 
                              
                                 Die Kosten des Raffinirens
                                 4,70  „    
                                    											„   „
                                 
                              
                                 Die Frachtkosten vom Brunnen
                                    											nach    der See
                                 5,87  „    
                                    											„   „
                                 
                              
                                 Der Gesammtwerth des
                                    											Petroleums    zur Ausfuhr an der
                                    											Seeküste
                                 113179000 M.