| Titel: | Ueber die denitrirende Function des Gloverthurmes; von Prof. Dr. G. Lunge in Zürich. | 
| Autor: | Georg Lunge [GND] | 
| Fundstelle: | Band 225, Jahrgang 1877, S. 570 | 
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                        Ueber die denitrirende Function des
                           								Gloverthurmes; von Prof. Dr. G.
                              									Lunge in Zürich.
                        (Schluß von S. 491 dieses Bandes.)
                        Lunge, über die denitrirende Function des
                           								Gloverthurmes.
                        
                     
                        
                           Ich wende mich nun zur Beschreibung der Versuche im Einzelnen.
                           Erster Versuch. Angewendet 20cc Uetiker Nitrose = 87cc,0 Chamäleon; Temperatur derselben wenig
                              									um 170° schwankend gehalten. Durchgeleitet 420cc SO₂ und 5500cc Luft (= 1150 Sauerstoff). Dauer des
                              									Versuches etwa 40 Minuten. Zurückerhalten:
                           
                              
                                 a) Rückstand im Denitrirungscylinder auf 100cc
                                    											gebracht;    davon verbraucht zur
                                    											Entfärbung von 4cc
                                    												Chamäleon    9cc,0; für 8cc Chamäleon 17,9, also im
                                    											Ganzen    entsprechend (100 ×
                                    											8)/17,9 =
                                 44,8 Chamäleon
                                 
                              
                                 b) Absorptionssäure auf 200
                                    											gebracht;    3 Chamäleon brauchen davon
                                    												14cc,2
                                    											    6        
                                    											„              
                                    											„            
                                    											„     28cc,0,
                                    											    also im Ganzen (200 × 9)/42,2
                                    											=
                                 42,6        
                                    											„
                                 
                              
                                 c) Chamäleon am Schlusse unverändert =
                                   0            „
                                 
                              
                                 
                                 –––
                                 
                              
                                 Wiedererhalten
                                 87,4        
                                    											„
                                 
                              
                                 anstatt
                                 87,0        
                                    											„
                                 
                              
                           also gar kein Verlust.
                           
                           Zweiter Versuch. Angewendet 20cc Nitrose = 87cc,0 Chamäleon; Temperatur derselben 150
                              									bis 170°; Zeit 40 Minuten. Durchgeleitet 500cc SO₂ und fast 5000cc Luft (= 1050 Sauerstoff).
                           Wiedererhalten:
                           
                              
                                 a)
                                 Im Rückstande, auf 100cc gebracht,5 Chamäleon
                                    											=   11,0 Säure
                                    											5        „         
                                    											=   11,0     „ also im
                                    											Ganzen (100 × 10)/22 =
                                 45,5 Chamäleon.
                                 
                              
                                 b)
                                 In der Absorptionssäure (= 250cc)  6 Chamäleon
                                    											=  38,2 Säure
                                    											  6        
                                    											„         =  38,6    „
                                    											  5        
                                    											„         =  32,0    „
                                    											–––                  
                                    											–––––
                                    											17        „         =
                                    											108,8    „also im Ganzen (250
                                    											× 17)/108,8 =
                                 39,1          
                                    											„
                                 
                              
                                 c)
                                 Am Ende des Apparates angewendet u. gänzlich
                                    											entfärbt
                                   1,0          
                                    											„
                                 
                              
                                 
                                 
                                 ––––
                                 
                              
                                 
                                 
                                 85,6          
                                    											„
                                 
                              
                           Hier war zwar ein kleiner Verlust von 1,4 Chamäleon; aber da das
                              									am Ende des Apparates angewendete Chamäleon (nur 1cc in gehöriger Verdünnung) schon etwas vor
                              									dem Schlusse des Versuches gänzlich entfärbt war, also jedenfalls ein gewisser, wenn
                              									auch nicht bedeutender Absorptionsverlust stattgefunden hatte, so darf man auch bei
                              									diesem Versuche schließen, daß beim Denitriren kein
                              									merklicher Verlust entstanden war.
                           Dritter Versuch. Angewendet 20cc Nitrose = 87cc,0 Chamäleon; Temperatur 140 bis
                              									160°; durchgeleitet 420cc SO₂
                              									mit 2000cc Luft (= 420 Sauerstoff), also
                              									weniger Luft als früher. Dauer des Versuches etwa 1/2 Stunde.
                           Wiedererhalten:
                           
                              
                                 a)
                                 Im Rückstande, auf 100cc gebracht,10 Chamäleon =
                                    											16,110        
                                    											„         =
                                    											16,0,also im Ganzen entsprechend
                                 62,5 Chamäleon.
                                 
                              
                                 b)
                                 In der Absorptionssäure (= 250cc)3 Chamäleon =
                                    											33,16        
                                    											„         =
                                    											66,1, im Ganzen
                                 22,7          
                                    											„
                                 
                              
                                 c)
                                 Am Ende des Apparates angewendet 5cc Chamäleon;brauchten noch
                                    											6,4 der Säure a = 4cc,0 Chamäleon,also consumirt
                                    											während des Versuches
                                   1,0          
                                    											„
                                 
                              
                                 
                                 
                                 ––––
                                 
                              
                                 
                                 Wiedererhalten im Ganzen
                                 86,2          
                                    											„
                                 
                              
                                 
                                 also auch hier kein merklicher Verlust.
                                 
                                 
                              
                           Vierter Versuch. Angewendet 20cc Nitrose; Temperatur derselben diesmal
                              									auf 200° (mit geringen Schwankungen) gehalten. Durchgeleitet zunächst 470cc SO₂ und 4200cc Luft = 882 Sauerstoff (1/2 Stunde). Der
                              									Rückstand im Denitrirungscylinder wurde darin belassen, ebenso das am Ende
                              									angewendete Chamäleon (5cc) und nur die
                              									Absorptionssäure in der großen Flasche und den Kugelapparaten (auf 250cc gebracht) geprüft.
                           
                           
                              
                                   6 Chamäleon
                                 =   37,4
                                 
                                 
                              
                                   6          
                                    											„
                                 =   37,0
                                 
                                 
                              
                                   6          
                                    											„
                                 =   36,5
                                 
                                 
                              
                                 ––
                                   
                                    											–––––
                                 
                                 
                              
                                 18          
                                    											„
                                 = 110,9,
                                 
                                 
                              
                                 also im Ganzen
                                    											entsprechend      
                                 40,5 Chamäleon.
                                 
                              
                           Jetzt wurde durch die theilweise denitrirte Nitrose von neuem Gas
                              									durchgeleitet, nachdem die Absorptionsapparate mit frischer Säure beschickt worden
                              									waren; Temperatur wieder auf 200° gehalten; durchgeleitet 450cc SO₂, 3700cc Luft (= 777 Sauerstoff), Dauer 40
                              									Minuten. Bei dem hierauf folgenden Durchleiten von Luft, um die Gase in den
                              									Absorptionsapparat hinüber zu drängen, wurde schließlich das zu Ende vorgelegte
                              									Chamäleon (5cc auf 50 verdünnt) eben
                              									vollständig entfärbt, muß also ganz in Rechnung gebracht werden. Die
                              									Absorptionssäure zeigte jetzt, auf 250 gebracht:
                           
                              
                                     2 Chamäleon
                                 =   37,8
                                 
                                 
                              
                                     4          „
                                 =   75,0
                                 
                                 
                              
                                   –––
                                 –––––––
                                 
                                 
                              
                                     6          „
                                 = 112,8,
                                 
                                 
                              
                                     im Ganzen also
                                    											(250 × 6)/112,8 =
                                 13,3 Chamäleon.
                                 
                              
                                     Dazu das
                                    											vollständig entfärbte End-Chamäleon
                                   5,0          „
                                 
                              
                                     Die im
                                    											Rückstand gebliebene Säure (auf 100 gebracht)erforderte noch:
                                 
                                 
                              
                                     3 Chamäleon
                                 = 10,5
                                 
                                 
                              
                                     6          
                                    											„
                                 = 20,4
                                 
                                 
                              
                                  –––
                                 
                                 
                                 
                              
                                     9          
                                    											„
                                 = 30,9,
                                 
                                 
                              
                                     also im Ganzen
                                    											(100 × 9)/30,9 =
                                 29,1          „
                                 
                              
                                 Dazu die zuerst absorbirten 
                                 40,5          „
                                 
                              
                                 
                                 –––
                                 
                              
                                 Im Ganzen wiedererhalten 
                                 87,9          „
                                 
                              
                           Der letzte dieser Versuche ist ganz besonders instructiv; es war hier absichtlich die
                              									Temperatur auf 200° gehalten und das Durchleiten von SO₂ und Luft so
                              									lange fortgesetzt worden, als ich es ohne Gefahr thun zu können glaubte, und doch
                              									konnte gar kein Verlust constatirt werden; das kleine
                              									Plus an Chamäleon, welches sich ergab, etwa 1 Proc., kommt natürlich von
                              									unvermeidlichen Versuchsfehlern her. Weiter mit der Denitrirung zu gehen, schien mir
                              									gefährlich; denn es mußte dann in meinem Apparate ein ganz unverhältnißmäßig großer
                              									Ueberschuß von schwefliger Säure mit wenig salpetrigen Gasen vorhanden sein, von dem
                              									nicht anzunehmen war, daß er in der großen Flasche sich völlig in Schwefelsäure
                              									verwandelt, und welcher dann die salpetrige Säure aus den Kugelröhren selbst nach
                              									und nach austreiben mußte; es läßt sich eben ihm Kleinen, wo der Versuch einseitig
                              									zu Ende geführt werden muß, nicht so verfahren wie im Großen, wo die Operationen
                              									continuirlich fortgehen und am Ende des Kammersystemes eben ein Ueberschuß von salpetrigen Gasen und
                              									keine (oder fast keine) schweflige Säure mehr vorhanden ist. Um zu ermitteln, ob
                              									nicht etwa der bei weiterm Durchleiten von SO₂ gefürchtete Fall schon bei dem
                              									zweiten Durchleiten eingetreten sei, d.h. ob nicht etwa die Absorptionssäure bereits
                              									schweflige Säure enthalten habe, die dann ja ebenfalls Chamäleon consumiren mußte,
                              									wurde sie mit Jodkalium und Stärke geprüft, welche durch ihre höchst intensive
                              									Bläuung das Vorhandensein von salpetriger und mithin die Abwesenheit von schwefliger
                              									Säure bewiesen.
                           Es geht aus den beschriebenen vier Versuchen mit Bestimmtheit hervor, daß bei dem Durchleiten von schwefliger Säure, gemischt mit
                                 										einem ähnlichen Ueberschusse von atmosphärischer Luft, wie in den Röstgasen von
                                 										Pyritöfen, durch Nitrose die letztere in der Weise denitrirt wird, daß man
                                 										sämmtliche aus ihr ausgetriebene Salpetergase durch Absorption in concentrirter
                                 										Schwefelsäure wieder gewinnen kann, selbst wenn die Nitrose dabei bis auf
                                 										200° erhitzt wird. Es ist also die Annahme ausgeschlossen, daß unter
                                 										diesen Umständen durch die Einwirkung der schwefligen Säure auf die Nitrose
                                 										Stickoxydul oder Stickstoff entstehe.
                           Nach der schwach gelblichen Farbe der entwickelten Dämpfe, welche ja mit einem großen
                              									Ueberschusse ungefärbter Gase vermischt waren, zu urtheilen, scheint es, als ob das
                              									bei der Reaction zwischen SO₂ und SO₂ (OH) (NO₂) entstehende NO
                              									sich im Augenblicke der Zersetzung oder sofort darauf durch den im Ueberschuß
                              									zugegenen Sauerstoff zu N₂ O₃, aber nicht zu NO₂ oxydirt;
                              									vielleicht ist an letzterm grade der bei meinen Versuchen unvermeidliche Ueberschuß
                              									von SO₂ schuld. Im Großen bemerkt man auch häufig, daß z.B. die zweite und
                              									dritte Kammer eines vierkammerigen Systemes gelb (von
                              									N₂ O₃), die vierte dagegen roth (von
                              									NO₂) erscheint; in der letztern ist schon sehr wenig SO₂ vorhanden,
                              									und es herrschen Salpetergase und Sauerstoff (neben Stickstoff) vor. Mit
                              									Bestimmtheit nach der einen oder andern Seite zu entscheiden, ist freilich nach den
                              									blosen Farbenunterschieden nicht möglich.
                           Die Bedingungen obiger Versuche waren freilich insoweit nicht identisch mit
                              									derjenigen des Gloverthurmes, als, abgesehen von dem Drucke, die Temperatur der
                              									einströmenden Gase niedriger, diejenige der Nitrose viel höher als im Gloverthurme war. Das letztere kommt
                              									hauptsächlich in Betracht; denn da die Wirkung der SO₂ auf die salpetrigen
                              									Verbindungen ja innerhalb der Flüssigkeit vor sich geht, in welcher sie gelöst
                              									vorhanden sind, so wird die Temperatur der letztern von entscheidendem Momente sein,
                              									nicht diejenige der Röstgase, welche nur einen Theil ihrer Wärme an die Flüssigkeit
                              									abgeben. Außerdem ist der Vorgang im Gloverthurme, wie man aus den gegebenen
                              									Bedingungen ohne irgend erhebliches Hereinziehen von hypothetischen Annahmen
                              									schließen kann, im wesentlichen jedenfalls folgender: Das etwa 300° heiße
                              									Röstgas trifft unten im Thurme schon völlig oder so gut wie ganz denitrirte
                              									Schwefelsäure und wirkt concentrirend auf sie, indem es schnell den größten Theil
                              									seiner Hitze durch Wärmeabgabe an die Schwefelsäure und die Wände des Thurmes, noch
                              									mehr aber durch die in dem erzeugten Wasserdampf latent gewordene Wärme verliert;
                              									oben tritt es ja nur mit 40 bis 50° aus. Das also schon bedeutend abgekühlte
                              									Röstgas trifft in der Mitte des Thurmes, wo es etwa 1/2 (300 + 50) = 175°
                              									haben muß, auf schon zum Theil denitrirte Schwefelsäure, deren Temperatur etwa das
                              									Mittel zwischen der Eintritts- und Austrittstemperatur, sage im Sommer 1/2
                              									(20 + 120) = 70° hat, zusammen und kann wegen der etwas erhöhten Temperatur
                              									besser denitrirend auf sie wirken, als wenn die Säure und das Gas kalt wären; auch
                              									ist hier die Säure noch nicht weit concentrirt. Im obern Theile des Thurmes dagegen
                              									kommt die noch reiche, nur mit Kammersäure verdünnte Nitrose von gewöhnlicher
                              									Temperatur mit dem schon auf etwa 100° bis zuletzt auf 50° abgekühlten
                              									Gase zusammen und gibt dort schon einen großen Theil ihrer salpetrigen Gase ab,
                              									indem bei der hier herrschenden Verdünnung der Säure schon die wenigen heißen Gase
                              									gut auf sie wirken müssen. Bei einer Anzahl von Nebenversuchen, welche ich hier
                              									nicht mittheile, weil sie nicht quantitativ angestellt waren, habe ich das aus der
                              									Großpraxis völlig bekannte Verhalten durchaus bestätigen können, daß nämlich die
                              									Denitrirung der Nitrose durch selbst geringe Verdünnung ganz außerordentlich
                              									befördert wird. Daß in Folge von Schwefelsäurebildung der Procentgehalt der Röstgase
                              									an SO₂ oben im Thurme etwas niedriger als unten ist, kommt in der Praxis
                              									nicht in Betracht, da diese Abnahme nur Bruchtheile eines Procentes beträgt. Der
                              									obere Theil des Thurmes, wo Säure und Gas nur wenig warm sind, dient ganz sicher
                              									hauptsächlich als Denitrirungsapparat; der untere, wo fast denitrirte Säure mit
                              									heißem Gase zusammentrifft, als Concentrationsapparat. Nie aber kommt die Temperatur
                              									der Säure auf mehr als 120 bis höchstens 130°, und die Bedingungen sind daher
                              									in Bezug auf etwaige Verluste in Form von N₂O und Stickstoff, welche von allen Beobachtern auf zu hohe Temperaturen zurückgeführt
                              									werden, bei weitem günstiger als in meinem Apparate, in welchem die Denitrirung in gleich von vorn herein auf höhere Temperatur (bis
                              									200°) erhitzter
                              									Säure, und ohne Verdünnung der letztern, stattfand. Wenn also schon bei
                              									meinen Versuchen, unter ungünstigem Bedingungen, in der Absorptionssäure bald einige
                              									Bruchtheile eines Procentes weniger, bald ebensoviel mehr N₂ O₃
                              									vorgefunden wurde, als aus der Nitrose ausgetrieben war, also
                                 										factisch gar kein Verlust stattfand, so muß dies bei dem Gloverthurm noch mehr
                                 										der Fall sein, und wird dadurch die Erfahrung der Großpraxis vollkommen
                                 										bestätigt, wonach man bei Anwendung des Gloverthurmes nicht mehr, sondern eher
                                 										noch weniger Salpeter zum Betriebe der Kammern braucht, als bei der Denitrirung
                                 										durch heißes Wasser oder Dampf.
                           Ich habe es nun auch versucht, einen Apparat herzustellen, in welchem ich mich im
                              									Kleinen den Bedingungen des Gloverthurmes noch mehr annähern könnte, als in den oben
                              									mitgetheilten Versuchen. Trotz mehrwöchentlicher, unausgesetzter Arbeit, bei welcher
                              									weder an Mühe, noch an Apparaten gespart wurde, kam ich aber nicht zum Ziele und
                              									will deshalb nur wenige Worte darüber sagen. Ich stellte mir einen Gloverthurm im
                              									kleinen Maßstabe aus einem vertical gestellten Glascylinder von 40mm Weite und 600mm Länge dar, welcher unten verengert und
                              									mit einem Glashahn versehen war und außerdem nahe am Boden einen Tubulus zum
                              									Einleiten des Gases besaß; oben war ein anderer Tubulus zum Abführen des Gases, und
                              									in dem den Cylinder ganz abschließenden Kautschukpfropf war ein Thermometer und ein
                              									kleiner Scheidetrichter mit Glashahn zum Eintropfen der Nitrose angebracht. Der
                              									Cylinder war mit Glasbrocken gefüllt. Die wie früher gemengten Gase passirten ein
                              										1m langes, mit Porzellanstücken
                              									gefülltes Rohr von Berliner Porzellan, welches in einem Erlenmeyer'schen
                              									Verbrennungsofen zur lebhaftesten Glut erhitzt war; der Tubulus des kleinen
                              									Gloverthurmes stieß in das Rohr selbst hinein und war darin durch
                              									Zinkoxychlorid-Kitt festgekittet. Die Absorptionsapparate waren wie früher
                              									angeordnet und wurden später sogar noch durch einige Kugelapparate vermehrt. Trotz
                              									aller Bemühungen gelang es aber nicht, den Gasstrom so zu erhitzen, daß der untere
                              									Theil des gläsernen Gloverthurmes heiß genug geworden wäre, obwohl derselbe dicht an
                              									den Verbrennungsofen anstieß; demnach war eine Hauptbedingung des Versuches
                              										verfehlt.Freilich hätte man in einem Kohlenwindofen das Porzellanrohr stärker erhitzen
                                    											können als in einem Gasverbrennungsofen; aber dann hätte man den gläsernen
                                    											Gloverthurm kaum so dicht an die erhitzten Stellen selbst stellen können,
                                    											und hätte hier, wo es sich um die Temperatur des Gases hinter der Erhitzungsquelle handelt, mehr verloren als
                                    											gewonnen. Ferner gelang es nie, die Säure aus dem mit Glasbrocken gefüllten Thurme durch Nachgießen von
                              									reiner Säure vollständig auszuwaschen, auch bei Anwendung sehr großer Mengen der
                              									letztern; bis zuletzt zeigte sich immer starke Bläuung von KJ mit Stärke; man konnte
                              									also den Rückhalt an N₂O₃ in der Thurmsäure auch nicht annähernd genau
                              									bestimmen. An Fortsetzung der Versuche bis zur völligen Denitrirung der Thurmsäure
                              									war ebenfalls nicht zu denken, weil dann die oben berührte Schwierigkeit, die
                              									Austreibung von N₂O₃ aus der Absorptionssäure selbst, eintreten mußte.
                              									Auch konnte bei diesen Versuchen trotz vermehrter Absorptionsapparate ein Durchgehen
                              									von salpetrigen Gasen, welches starke Bläuung der zuletzt vorgelegten
                              									Jodkaliumstärke-Lösung verursachte, fast nie vermieden werden. Um von den
                              									Schwierigkeiten einer die Hitze und den großen Druck überwindenden Verkittung
                              									zwischen Porzellan und Glas gar nicht zu reden, waren bei den Versuchen so
                              									zahlreiche Fehlerquellen vorhanden, daß sie nichts Brauchbares ergeben konnten. Ich
                              									thue ihrer nur Erwähnung, um darzuthun, daß ich es nicht an Mühe habe fehlen lassen,
                              									einen wirklichen Gloverthurm im kleinen Maßstabe zu construiren; ob ein Anderer
                              									darin glücklicher als ich sein wird, muß abgewartet werden.
                           Es ist mir auch nicht recht klar, wie man im Großen an einem Gloverthurme exacte
                              									Beobachtungen über die Denitrirungsvorgänge sollte anstellen können. Absaugen von
                              									Gasproben würde zu gar nichts führen, da die Zusammensetzung der Gase zu
                              									verschiedenen Perioden des Tages und selbst in demselben Momente an verschiedenen
                              									Stellen des Querschnittes des Thurmes so stark wechselt, daß man aus einzelnen
                              									Gasproben gar nichts schließen kann. Die Prüfung im Großen wird eben auf andere
                              									Weise, nämlich durch den Erfolg, d.h. den Consum von Salpeter, geliefert, und dabei
                              									wird es wohl auch bleiben. Allenfalls könnte man die von mir oben beschriebenen
                              									Vorgänge im Innern des Thurmes durch Entnehmen von Säureproben aus verschiedenen
                              									Höhen des Thurmes zu verfolgen versuchen; man müßte aber eine bezügliche Einrichtung
                              									schon bei Erbauung des Thurmes anlegen, z.B. ein durch den Bleimantel, das Futter
                              									und die Füllung des Thurmes bis in dessen Mitte reichendes Thonrohr u. dgl.; aber es
                              									ist daraus doch nicht viel mehr zu lernen, als man schon ohnehin weiß oder sicher
                              									schließen kann, und wird sich kaum ein Fabrikant den Kosten und Umständen einer
                              									solchen Einrichtung (welche jedenfalls bald durch Verstopfen der Röhren versagen
                              									würde) unterziehen.
                           Es schien mir nun doch noch von Interesse, auch die Wirkung von reiner schwefliger Säure, ohne Zumischung von Luft, auf erhitzte Nitrose
                              									zu untersuchen; denn obwohl im Großen diese Bedingung im regelmäßigen Betrieb nie
                              									eintritt, so konnte die Untersuchung doch einiges Licht werfen, einmal auf die
                              									Resultate anderer Chemiker, welche unter ähnlichen Bedingungen, also mit zu wenig
                              									oder gar keiner Luft gearbeitet hatten, zweitens auf abnorme Vorgänge im Großen, wo
                              									ja zeitweilig und local es einmal an Sauerstoff fehlen kann. Es wurden also Versuche
                              									angestellt, in denen die Zumischung von Luft zu der schwefligen Säure vor dem Einleiten in die Nitrose unterlassen wurde;
                              									dagegen wurde in die große Erlenmeyer'sche Flasche, welche statt der Bleikammer
                              									dienen sollte und deren Boden mit Schwefelsäure bedeckt war, durch ein in diese
                              									Säure hineinreichendes Glasrohr Luft aus einem Gasometer eingeleitet, um das aus der
                              									Nitrose entweichende NO nachträglich zu oxydiren und so seine Wiedergewinnung in der
                              									vorgelegten Schwefelsäure zu ermöglichen.
                           Erster Versuch. Angewendete Nitrose 20cc = 87cc,0 Chamäleon; Temperatur derselben 120 bis 130°; Versuchsdauer 35
                              									Minuten; durchgeleitete SO₂ 450cc;
                              									Luft hinter dem Denitrirungscylinder eingeleitet 2300cc. Während bei allen früheren Versuchen
                              									die in der Kälte schwach gelbliche Nitrose während des Versuches goldgelb wurde,
                              									diese Farbe bis zuletzt beibehielt und beim Erkalten wieder ihre alte schwach gelbe
                              									Farbe annahm, zeigte die Nitrose bei diesen Versuchen ähnliche Farbenänderungen, wie
                              									sie von Vorster bei seinen mit viel zu wenig Sauerstoff
                              									angestellten Versuchen beobachtet wurden. Sie wurde zuerst auch goldgelb, dann
                              									grüngelb, dann flaschengrün, schließlich violett und behielt auch diese Farbe beim
                              									Erkalten.
                           Wiedererhalten:
                           
                              
                                 a)
                                 Im Rückstande (auf 100 gebracht)
                                 
                              
                                 
                                 12 Chamäleon
                                 =   14,7 Nitrose
                                 
                                 
                              
                                 
                                 12        „
                                 =  
                                    											14,6      
                                    											„       im Ganzen =
                                 82,3 Chamäleon.
                                 
                              
                                 b)
                                 In der Absorptionssäure (250cc)
                                 
                              
                                 
                                   2 Chamäleon
                                 = 110,4
                                 
                                 
                              
                                 
                                   1      
                                    											„
                                 =   63,0
                                 
                                 
                              
                                 
                                 ––
                                 –––––
                                 
                                 
                              
                                 
                                   3      
                                    											„
                                 = 173,4,
                                 
                                 
                              
                                 
                                 also im Ganzen entsprechend
                                   4,3        „
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 –––––
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 86,6        „
                                 
                              
                           Das zuletzt vorgeschlagene Chamäleon (5cc) brauchte 6,0 der Nitrose von a zurück, war somit gar nicht verändert worden.
                           Es war also hier überhaupt eine nur schwache Denitrirung eingetreten, aber auch hier gar kein Verlust an N₂O₃ zu constatiren. Woher die so ungemein geringe Denitrirung
                              									stammt, weiß ich mir nicht zu erklären, um so weniger, als bei dem sonst ganz
                              									ähnlich angestellten dritten Versuche eine viel stärkere Denitrirung erfolgte.
                           Zweiter Versuch. Aehnliche Bedingungen wie bei dem
                              									ersten; doch wurde die angewendete Nitrose (20cc = 87cc,0 Chamäleon) auf 190
                              									bis 210° erhitzt. Durchgeleitet 450cc SO₂, dahinter eingeführt 3700cc Luft, Versuchsdauer 40 Minuten.
                           
                           Wiedererhalten:
                           
                              
                                 a)
                                 Im Rückstande (100cc)
                                 
                              
                                 
                                 10 Chamäleon
                                 = 21,5
                                 
                                 
                              
                                 
                                 10        „
                                 = 21,5, im Ganzen =
                                 46,5 Chamäleon.
                                 
                              
                                 b)
                                 In der Absorptionssäure (250cc)
                                 
                              
                                 
                                   5 Chamäleon
                                 = 47,4
                                 
                                 
                              
                                 
                                   5      
                                    											„
                                 = 46,4
                                 
                                 
                              
                                 
                                 –––
                                   ––––
                                 
                                 
                              
                                 
                                 10      
                                    											„
                                 = 93,8,
                                 
                                 
                              
                                 
                                 im Ganzen also
                                 26,7          
                                    											„
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 ––––
                                 
                              
                                 c)
                                 Das zuletzt vorgelegte Chamäleon war fast gar
                                    											nichtverändert, indem es 10cc,6 der Nitrose a brauchte,
                                    											statt10,75; also überhaupt wiedererhalten
                                 73,2            „
                                 
                              
                                 
                                 
                                 Verlust
                                 13,8            „
                                 
                              
                           Die am Schlusse vorgelegte Jodkalium-Stärkelösung bläute sich ganz schwach
                              									schon zu Anfang des Versuches, als einmal der Luftstrom ungewöhnlich stark war; da
                              									aber diese Bläuung später nicht zunahm und das ihm vorhergehende Chamäleon, wie oben
                              									berichtet, so gut wie unverändert war, so kann wohl nur eine einzige Gasblase von
                              									N₂O₃ zufällig durch den starken Strom mit durch alle
                              									Absorptionsapparate fortgerissen worden sein, welche man füglich vernachlässigen
                              									kann. Es hat also unter diesen Umständen, d.h. bei der
                                 										Einwirkung von reiner, nicht mit Luft verdünnter, schwefliger Säure auf zu 190
                                 										bis 210° erhitzte Nitrose in der That ein Verlust von Salpetergasen
                                 										stattgefunden.
                           Dritter Versuch. Nach dem Resultate des vorigen
                              									Versuches, und nachdem bei dem ersten Versuche eine so ungemein geringe Denitrirung
                              									stattgefunden hatte, schien es doch wünschenswerth, noch einmal die Einwirkung von
                              									reiner SO₂ auf Nitrose bei niedrigerer Temperatur zu untersuchen.
                           Angewendet 20cc Nitrose;
                              									Temperatur 110 bis 120; SO₂ und dahinter eingeleitete Luft fast ganz genau
                              									wie bei dem ersten Versuche. Die Säure wurde hierbei dunkel violett, fast schwarz,
                              									zuletzt nur ganz schwach violett; es zeigten sich in dem großen Kolben
                              									Kammerkrystalle.
                           Wiedererhalten:
                           
                              
                                 a)
                                   Im Rückstande (= 100cc)
                                 
                              
                                 
                                   5 Chamäleon
                                 = 12,5
                                 
                                 
                              
                                 
                                 10        „
                                 = 24,9; im Ganzen =
                                 40,1 Chamäleon.
                                 
                              
                                 b)
                                   In der Absorptionssäure
                                    												(250cc)
                                 
                              
                                 
                                   5 Chamäleon
                                 = 29,2
                                 
                                 
                              
                                 
                                   5        „
                                 = 29,4
                                 
                                 
                              
                                 
                                 ––
                                   
                                    											––––
                                 
                                 
                              
                                 
                                 10        „
                                 = 58,6,
                                 
                                 
                              
                                 
                                   im Ganzen also
                                 42,5            
                                    											„
                                 
                              
                                 c)
                                 Die zuletzt vorgeschlagenen 5cc Chamäleon wurden bei
                                    											demschließlichen Durchleiten von Luft noch eben grade
                                    											entfärbt,also ganz verbraucht
                                   5,0            „
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 –––––
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 87,6            
                                    											„
                                 
                              
                           
                           Hier war also ebenfalls, wie bei dem ersten Versuche, gar kein
                                 										Verlust zu constatiren, indem sogar ein kleines Plus, natürlich von
                              									unvermeidlichen Versuchsfehlern herrührend, gefunden wurde. Es
                                 										verursacht also reine SO₂, bei Abwesenheit von
                                 										Sauerstoff, in der Nitrose noch keine Bildung von N₂O oder Stickstoff, wenn sie auf etwa
                              									120° erhitzt ist, dagegen allerdings, wenn sie auf
                              									190 bis 210° erhitzt
                                 										ist. Der Sauerstoffüberschuß ist also jedenfalls von großer Wichtigkeit und
                              									stimmt dies auch völlig mit den von C. A. Winkler
                              									erhaltenen und oben angeführten Resultaten überein.
                           Durch einen weiteren Versuch wurde noch constatirt, daß ein Ueberschuß von schwefliger Säure mit Luft gemengt, durch eine Lösung von
                              									wenig N₂O₃ in starker Schwefelsäure bei gewöhnlicher Temperatur geleitet, vollständige Denitrirung bewirkt. Dazu wurden von der
                              									Absorptionssäure des zweiten eben beschriebenen Versuches, von der 93cc,8 = 10 Chamäleon entsprechen, ein
                              									Quantum von 100g, 13 angewendet, welches
                              									nach Beendigung des Versuches 100g,80 wog;
                              									es roch dann stark nach schwefliger Säure und gab mit Jodkalium und Stärkelösung
                              									absolut gar keine Reaction mehr auf N₂O₃
                           Durch die oben angeführten Experimente scheint mir die Theorie der Reactionen im
                              									Gloverthurm hinreichend aufgeklärt zu sein; sie erweisen, daß selbst unter
                              									ungünstigeren Umständen, als sie dort herrschen, die salpetrigen Verbindungen in
                              									solcher Form ausgetrieben werden, daß sie, bei Anwesenheit einer genügenden Menge
                              									von Sauerstoff, vollständig wieder von Schwefelsäure absorbirt werden; es kann also
                              									weder Stickoxydul noch Stickstoff aus ihnen entstanden sein. Dieses Resultat
                              									widerspricht auch keineswegs denjenigen der frühern oben angeführten Beobachter
                              									(abgesehen von den als irrig erwiesenen Vorster's); denn
                              										Pelouze, Weber und später Kuhlmann arbeiteten mit Gemischen von schwefliger Säure und Stickoxyd, Weber und später Frémy
                              									mit solchen von salpetriger und schwefliger Säure ohne freien Sauerstoff; Winkler, welcher mit solchem arbeitete, sagt nichts von
                              									einer Reduction zu Stickoxydul.
                           Es erschien immerhin von Interesse, auch die Reactionen der Gase auf einander zu studiren und die Beobachtungen der Vorgänger darüber
                              									zu erweitern. Daß Stickoxyd durch schweflige Säure bis zu N₂O reducirt werde,
                              									ist durch Pelouze und Weber so
                              									sicher festgestellt worden und ist auch so leicht erklärlich, daß eine Wiederholung
                              									dieser Versuche unnöthig schien; diejenigen von Kuhlmann,
                              									soweit man sie aus seiner fragmentarischen Beschreibung verstehen kann, bieten auch nichts neues; denn
                              									daß z.B. bei Gegenwart von Platinschwamm eine Reduction bis zu Stickstoff eintritt,
                              									interessirt uns hier nicht, weil eben weder der Gloverthurm noch die
                              									Schwefelsäurekammern mit Platinschwamm gefüllt sind. Ich sing also gleich mit der
                              									Einwirkung von schwefliger Säure (aus Kupfer und SO₄H₂) auf salpetrige
                              									Säure (aus Stärke und NO₃H; auf eine kleine Beimischung von
                              									N₂O₄ konnte es hier nicht ankommen) an, welche beide durch Wasser
                              									gewaschen, absichtlich in feuchtem Zustande zusammengebracht, durch oben erwähntes
                              									Porzellanrohr geführt und schließlich durch Natronlauge und durch concentrirte
                              									Eisenvitriollösung geleitet wurden; dabei wurde ein großer Ueberschuß von
                              									SO₂-Gas angewendet. Schon in der Kälte, also wenn der
                              									Verbrennungsofen, in welchem das Porzellanrohr lag, nicht angezündet war, blieb nach
                              									der Absorption durch Natronlauge und Eisenvitriol und möglichstem Austreiben der
                              									Luft aus dem Apparate ein permanentes Gas, welches einen glimmenden Span lebhaft
                              									entflammte, also nur größtentheils oder ganz Stickoxydul sein konnte. Wenn das
                              									Porzellanrohr erhitzt war, so bildete sich mehr von diesem Gase – bei starkem
                              									Glühen des Rohres etwa das Doppelte. Auch diese Reaction ist leicht verständlich.
                              									Bei der Einwirkung von SO₂ auf N₂O₃
                              									in Gegenwart von Wasser entsteht SO₄H₂ und NO, und die überschüssige
                              									SO₂ wirkt dann auf letzteres ganz wie in den Pelouze'schen Versuchen und bildet N₂O. Ob etwas Stickstoff dabei
                              									entstand, konnte bei der geringen Gasmenge nicht mit Sicherheit ermittelt werden;
                              									jedenfalls mußte das Stickoxydul seiner oben bezeichneten Reaction nach das
                              									Hauptproduct sein, da sonst das Entflammen des glimmenden Spanes nicht eingetreten
                              									wäre.
                           Bis dahin war durch diese Versuche durchaus nichts Neues festgestellt worden, was
                              									nicht Weber und Frémy
                              									schon beobachtet hätten; es kam aber jetzt darauf an, ob
                                 										auch (was meine Vorgänger nicht versucht hatten) in
                                 										Gegenwart von überschüssigem Sauerstoff, welcher das bei der Einwirkung von
                              									SO₂ auf N₂O₃ entstehende NO schon im Entstehungsmomente höher
                              									oxydiren mußte, zu gleicher Zeit eine Reduction des NO einträte; denn ein solcher
                              									Ueberschuß von Sauerstoff ist ja im Gloverthurme und in den Schwefelsäurekammern
                              									vorhanden. Es wurde also ein vierschenkliges Glasrohr angewendet; drei der Schenkel
                              									waren mit Entwicklungsapparaten für SO₂, für N₂O₃ und einem mit
                              									möglichst reinem Sauerstoffgas gefüllten Gasometer (sämmtliche Gase feucht gehalten)
                              									in Verbindung; der vierte ging in das oben erwähnte Porzellanrohr. Die Entwicklung
                              									der N₂O₃ wurde gegenüber derjenigen der SO₂ und des
                              									Sauerstoffes sehr zurückgehalten; letztere beide waren in großem Ueberschusse. Die Bildung
                              									von flüssiger SchwefelsäureSalpetersäure in dem Porzellanrohre und schon in dem Vierschenkelrohre war sehr stark.
                              									Zur Absorption am Ende des Porzellanrohres diente erst Natronlauge, dann
                              									Kalium-Pyrogallat; nach möglichster Austreibung der Luft wurden dann
                              									Gasproben in einer Winkler'schen Gasbürette aufgefangen und zur völligen Absorption
                              									des Sauerstoffes mit Kalium-Pyrogallat behandelt. Dabei blieb allerdings
                              									immer ein unbedeutender Gasrückstand, in welchem aber ein glimmender Span
                              									augenblicklich verlöschte; das Gas, welches bei seiner geringen Menge nicht näher
                              									untersucht werden konnte, enthielt demnach keine irgend erhebliche Menge Stickoxydul
                              									und war also wahrscheinlich Stickstoff, herrührend von nicht völliger Austreibung
                              									der Luft aus dem sehr complicirten Apparate und von nicht völliger Reinheit des
                              									Sauerstoffes, oder möglicherweise zugleich etwas Kohlenoxyd, herrührend von der
                              									Wirkung des Pyrogallats auf Sauerstoff. Keinesfalls war
                                 										Stickoxydul in nachweisbarer Menge zugegen, und man ist wohl zu dem sichern
                              									Schlusse berechtigt, daß auch kein Stickstoff durch Reduction von salpetrigen Gasen
                              									gebildet worden war, obwohl meine Versuche wegen der nicht völligen Absorption des
                              									Sauerstoffes dies nicht positiv widerlegen; denn wenn, was alle Versuche zeigen,
                              									schon bei Abwesenheit von freiem Sauerstoff die Reduction von N₂O₃
                              									durch SO₂ nur bis N₂O geht, so ist es doch wider alle Analogie
                              									streitend anzunehmen, daß bei großem Ueberschusse von Sauerstoff sich zwar kein
                              									N₂O gebildet habe, aber die Reduction der N₂O₃ gleich bis zu
                              									Stickstoff gegangen sei. Genau dieselben Erscheinungen traten ein, als das
                              									Porzellanrohr in dem Verbrennungsrohr so weit erhitzt war, daß man sein
                              									hervorragendes Ende eben nur noch einen Augenblick mit dem Finger berühren durfte.
                              										Man kann also auch aus diesen Versuchen mit den Gasen
                                 										ebenso wie aus denen mit Nitrose schließen, daß bei Gegenwart von überschüssigem
                                 										Sauerstoff die schweflige Säure aus salpetriger Säure kein Stickoxydul und
                              									a fortiori
                              									keinen Stickstoff bildet, und zwar selbst bei dem Grade
                              									der Erwärmung, wie es eben beschrieben worden ist. Bei noch höherer Temperatur ist
                              									es freilich möglich, daß sich doch N₂O,
                              									möglicherweise selbst etwas Stickstoff bildet; aber dies kommt nicht in Betracht,
                              									denn mit so hohen Temperaturen haben wir eben in den Apparaten, um die es sich hier
                              									handelt, nichts zu schaffen.
                           Bei der großen Wichtigkeit, welche der Gloverthurm für die Schwefelsäurefabrikation
                              									erreicht hat, wird es mir wohl verstattet sein, einige historische Notizen über das
                              									Entstehen desselben hauptsächlich nach einem Briefe des Erfinders, meines Freundes
                              									Hrn. John Glover aus Wallsend bei
                              									Newcastle-on-Tyne, mitzutheilen. Derselbe war früher Director der
                              									chemischen Fabrik zu Washington bei Durham und baute daselbst den ersten
                              									Denitrirungsthurm nach seinem Systeme im J. 1859. Dieser Thurm war ganz aus
                              									feuerfesten Ziegeln gebaut und mit einer Füllung von half-thicks (Ziegeln von nur 30mm Dicke) versehen; derselbe konnte zwar, wie man jetzt schon von vornherein schließen würde, der Säure nicht auf die Länge
                              									widerstehen, hielt aber doch 1 1/2 Jahre aus, und wurde durch seine Function der
                              									Beweis vollständig geliefert, daß das von Glover
                              									aufgestellte Princip der gleichzeitigen Denitrirung und Concentration durch die
                              									heißen Röstgase ohne Dampf etc. richtig sei. Es wurde daher im Winter 1860/61 ein
                              									neuer Thurm aus Blei gebaut; jedoch noch vor seiner Inbetriebsetzung verließ Glover Washington, um an der Neugründung einer Sodafabrik
                              									zu Wallsend am Ufer des Tyne Theil zu nehmen, deren Erbauer und Director er wurde.
                              									Dort wurde also 1861 ein bleierner Thurm gebaut und bis 1864 betrieben. Nach den mit
                              									diesem Thurme gesammelten Erfahrungen erbaute nun Glover
                              									1864 einen neuen Thurm, welcher in allen wesentlichen Stücken derselbe Apparat war,
                              									wie er heute noch überall ausgeführt wird.
                           Ein Patent hatte Glover auf den Apparat nicht genommen – vermuthlich wohl,
                              									weil er dessen Tragweite anfangs selbst nicht in vollem Maße erkannte. Es ist aber
                              									mit höchster Anerkennung zu constatiren, daß Glover, wie
                              									es wohl wenig Andere gethan haben würden, seinen Apparat trotzdem jedem Besucher
                              									seiner Fabrik mit größter Bereitwilligkeit und völliger Uneigennützigkeit zeigte und
                              									in allen Details erläuterte. Schreiber dieses kann dies aus eigener Erfahrung
                              									bezeugen, als er Glover in seiner Fabrik im J. 1865 zum
                              									erstenmal, als ein ihm damals völlig Unbekannter, besuchte. Schon 1862 oder 1863
                              									erbaute Glover's unmittelbarer Nachbar Allen einen Thurm in seiner Sodafabrik, nachdem er die
                              									guten Resultate desselben in Glover's Fabrik gesehen
                              									hatte. Um 1864 ließ die „Jarrow Chemical Company“ sich Pläne
                              									von Glover liefern und erbaute Thürme nach seinem System
                              									in ihren Fabriken zu South-Shields und Friars Goose; später folgten ihnen Gaskell und Deacon in Widnes,
                              										Prentice in Stowmarket, Bealey in Ratcliffe bei Manchester u.a. Um 1869, als ich ihn erbaute, war
                              										Glover's Thurm schon in den meisten
                              									Schwefelsäure-Districten Englands ein bekannter Apparat, wurde aber am
                              									Tyne-Fluße bedeutend mehr als in Lancashire gefunden; 1870 gelangte er nach
                              									London (zu Farmer, Hall und Comp., später 1873 in Schröder's große
                              									Superphosphatfabrik in Victoria-Docks). Bis 1871 war trotzdem über diesen Apparat selbst in
                              									England noch nichts publicirt worden, und ich glaube, daß meine Beschreibung in
                              									diesem Journal (* 1871 201 341) zugleich die erste
                              									öffentliche Erwähnung desselben gewesen ist. Seitdem ist der Thurm selbst von den
                              									wenigen größern Fabriken Englands, welche sich anfangs gegen ihn gesträubt hatten
                              									(z.B. Allhusen's), eingeführt worden und nur unter den
                              									kleinern Fabriken finden sich noch solche, welche ihn nicht besitzen. Seine
                              									Verbreitung in Deutschland, Belgien etc. datirt erst von den letzten Jahren, und
                              									kann ich darüber nichts neues beibringen.