| Titel: | Ueber die Widerstandsfähigkeit des Aluminiums gegen äussere Einflüsse; von Prof. Dr. Clemens Winkler. | 
| Fundstelle: | Band 226, Jahrgang 1877, S. 71 | 
| Download: | XML | 
                     
                        Ueber die
                           								Widerstandsfähigkeit des Aluminiums gegen äussere Einflüsse; von
                           								Prof. Dr. Clemens Winkler.
                        Winkler, über die Widerstandsfähigkeit des
                           								Aluminiums.
                        
                     
                        
                           Obwohl die vortrefflichen Eigenschaften des Aluminiums allgemein
                              									bekannt und vielfach besprochen worden sind, will es diesem
                              									Metall doch nicht gelingen, sich in dem Maße einzuführen, wie es
                              									zu wünschen wäre. Noch immer sind Production und Absatz
                              									desselben auffällig gering; von den Fabriken, welche in Folge
                              									der epochemachenden Arbeiten Deville's in kurzer Zeit entstanden, dürften sich nur noch
                              									einige wenige in regelmäßigem Betriebe befinden und auch diese
                              									haben verhältnißmäßig geringe Aussicht auf lebendigere
                              									Entwicklung ihres Geschäftszweiges. (Vgl. 1877 223 323.)
                           Es läßt sich nicht verhehlen, daß die Hoffnungen, welche man
                              									dereinst in das Aufblühen der Aluminium-Industrie setzte,
                              									verfrühte gewesen sind. Das Metall ist trotz der Ausgiebigkeit,
                              									die durch sein geringes Volumgewicht bedingt wird, zu theuer und
                              									wird für eine verallgemeinerte Anwendung zu theuer bleiben, so
                              									lange man kein anderes Reductionsverfahren für dasselbe
                              									auffindet. Der Umstand, daß nur die Haloidsalze des Aluminiums
                              									direct reducirbar sind und als Reductionsmittel das noch immer
                              									hoch im Preise stehende Natrium erfordern, legt diesem
                              									Industriezweige eine Fessel an, die ihn voraussichtlich noch
                              									lange, wenn nicht für immer, an der freien Entwicklung hindern
                              									wird. Dazu kommt noch, daß direct verschmelzbare Aluminiumerze
                              									verhältnißmäßig spärlich vorkommen, und daß das einzige
                              									derselben, der grönländische Kryolith, zur Zeit – und
                              									vielleicht sehr zum Schaden der künftigen Aluminiumindustrie
                              									– zu ganz andern Zwecken abgebaut wird; es gesellt sich
                              									ferner dazu der schwerwiegende Umstand, daß der Werth des
                              									Aluminiums einzig durch dessen Metallzustand bedingt wird,
                              									während sein Oxydationsproduct total werthlos genannt werden
                              									muß. Stellen sich somit der Einbürgerung des Aluminiums
                              									mancherlei Hindernisse entgegen, deren Beseitigung unmöglich,
                              									theils aber auch nur eine Frage der Zeit sein dürfte, so hat
                              									dieselbe auch noch mit einem Vorurtheile zu kämpfen, welches
                              									traditionell geworden ist, ohne daß man es jemals unternommen
                              									hätte, dasselbe durch geeignete Versuche ernstlich zu
                              									begründen.
                           Von jeher hat das Aluminium für ein leicht angreifbares, gegen
                              									äußere Einflüsse wenig widerstandsfähiges Metall gegolten, und
                              									namentlich hat man es ihm zum Vorwurfe gemacht, daß es nicht
                              									allein von verdünnten Säuren, sondern auch von alkalischen
                              									Flüssigkeiten unter Wasserstoffentwicklung aufgelöst wird. Diese
                              									Angreifbarkeit wird ermüdend häufig hervorgehoben, während man
                              									andere und treffliche Eigenschaften des Aluminiums viel zu wenig
                              									würdigt; man fährt fort, immer und immer wieder auf dieselbe
                              									hinzuweisen – als auf eine Thatsache, welche die
                              									Verwendungsfähigkeit des Aluminiums in den meisten Fällen als
                              									zweifelhaft erscheinen lasse, und bedenkt nicht, daß Zink genau
                              									dasselbe Verhalten zeigt und doch zweifellos eines unserer
                              									technisch wichtigsten Metalle ist. Ja, die Angreifbarkeit des
                              									Zinks durch alkalische Flüssigkeiten ist insofern eine größere
                              									als diejenige des Aluminiums, als. sich dessen Oxydationsproduct
                              									auch im Ammoniak löst, also grade in demjenigen Alkali, welches
                              									ein ganz alltägliches Abfallproduct des menschlichen Haushaltes
                              									bildet.
                           So wie das Zink vermöchte auch das Aluminium die vielfältigste
                              									Anwendung zu finden, und es würde diese nicht ausbleiben, wenn
                              									es dereinst gelänge, es zu entsprechend billigem Preis in den
                              									Handel zu liefern. Aber das Preisverhältniß zwischen Zink,
                              									Aluminium und Silber stellt sich zur Zeit ungefähr wie 1 : 200 :
                              									400, oder, wenn man die durch das Volumgewicht bedingte
                              									Ausgiebigkeit dieser Metalle in Rücksicht zieht, wie 1 : 67 :
                              									530. Dieser noch immer viel zu hohe Preis schreckt ab und die
                              									vielbesprochene Angreifbarkeit des Aluminiums bietet einen
                              									willkommenen Entschuldigungsgrund für die Indifferenz, welche
                              									man der Einführung des im Uebrigen mit so vortrefflichen
                              									Eigenschaften ausgestatteten Metalles entgegenbringt.
                           Um über diese Angreifbarkeit eine Vorstellung zu erlangen und den
                              									Grad der Abnutzung des Aluminiums beim Gebrauch, im Vergleich
                              									mit derjenigen anderer bewährter Metalle oder Legirungen,
                              									festzustellen, ließ ich mir in Paris eine Anzahl Speiselöffel
                              									aus reinem Aluminium anfertigen, welche mir vor Jahresfrist
                              									durch freundliche Vermittlung der Deutschen Gold- und
                              									Silberscheideanstalt in Frankfurt a. M. zugestellt wurden.
                              									Dieselben zeigten angenehm weiße Farbe, starken Glanz, gute
                              									Politur und besaßen hellen Klang, waren aber, namentlich in den
                              									Stielen, sehr stark gearbeitet, so daß das geringe Eigengewicht
                              									des Aluminiums beim Vergleiche derselben mit andern
                              									Metalllöffeln nicht völlig zur Geltung kam. Immerhin nahm man
                              									dasselbe sofort wahr, und wenn man die Löffel in der Hand wog,
                              									war man geneigt, sie für hohl zu halten.
                           Der eine dieser Löffel diente als Versuchsobject und wurde
                              									gleichzeitig mit einem neuen Speiselöffel aus Silber (0,750) und
                              									einem solchen aus Neusilber erster Qualität in täglichen
                              									Gebrauch genommen. Sämmtliche drei Löffel wurden am 1. Februar
                              									1876 genau gewogen und kamen von diesem Tage an ein ganzes Jahr
                              									hindurch regelmäßig und in völlig gleicher Weise in Benutzung.
                              									Sie wurden geflissentlich mit den verschiedensten Speisen in
                              									Berührung gebracht, kamen täglich in heiße Suppen und Saucen
                              									oder in saure Salate und Compots, und das Dienstpersonal war auf
                              									das Strengste angewiesen, sie in gleichmäßiger Weise zu
                              									reinigen. Die Reinigung bestand darin, daß die Löffel nach jedem
                              									Gebrauch mit einem eingeseiften wollenen Lappen abgerieben,
                              									darauf in heißem Wasser gewaschen und zuletzt in kaltem Wasser
                              									gespült wurden. Zeitweilig wusch man sie auch mit dünner
                              									Sodalösung, so daß sie also täglich mit heißen und kalten,
                              									sauren und alkalischen Flüssigkeiten in Berührung kamen. Im
                              									Laufe der Zeit veränderte sich das Ansehen der Löffel. Das
                              									Aluminium verlor seinen Glanz und nahm todte, blaugraue Färbung
                              									an; das Neusilber ward ebenfalls glanzlos, während seine Farbe
                              									in ein unangenehmes Graugelb überging, und am besten hielt sich
                              									das Silber, indem es nur an Politur, an Weiße aber
                              									verhältnißmäßig wenig einbüßte. Was die mechanische Abnutzung
                              									anlangt, so ließen sich auffallende Unterschiede nicht bemerken;
                              									nur zeigte sich nach Ablauf eines Jahres der scharfe Rand des
                              									Aluminiumlöffels an der Spitze, und zwar seitlich da, wo die
                              									häufigste Berührung mit dem Speisegeschirr stattgefunden hatte,
                              									ein wenig abgeschliffen, was an dem silbernen und dem
                              									neusilbernen Löffel nicht so deutlich hervortrat.
                           
                           Um die beim Gebrauche eingetretene Abnutzung der Löffel
                              									quantitativ festzustellen, wurden diese zeitweilig gewogen, und
                              									es ergab sich hierbei Folgendes:
                           
                              
                                 Speiselöffelaus
                                 Datum.
                                 Gewicht.
                                 
                                 Abnutzung.
                                 Abnutzungin 1 Jahr.
                                 
                                 Mittlere
                                    											jährlicheAbnutzung.
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 
                                    g
                                    
                                 
                                 Tage.
                                 Proc.
                                 Proc.
                                 
                                 Proc.
                                 
                              
                                 Aluminum      
                                    											„      
                                    											„      
                                    											„
                                 1876„„1877
                                   1. Febr.20. Aug.12.
                                    											Oct.26. Jan.
                                 25,49325,44225,42825,343
                                 
                                    
                                    
                                 201  53106
                                 0,2000,0550,334
                                 0,3600,378   1,150
                                       											*
                                 
                                    
                                    
                                 0,630
                                 
                              
                                 Neusilber      
                                    											„      
                                    											„      
                                    											„
                                 1876„„1877
                                   1. Febr.20. Aug.12.
                                    											Oct.26. Jan.
                                 53,61653,41753,33553,130
                                 
                                    
                                    
                                 201  53106
                                 0,3700,1530,384
                                 0,6431,0541,322
                                 
                                    
                                    
                                 1,006
                                 
                              
                                 Silber  
                                    											„  
                                    											„   „
                                 1876„„1877
                                   1. Febr.20. Aug.12.
                                    											Oct.26. Jan.
                                 44,14844,05844,03343,974
                                 
                                    
                                    
                                 201  53106
                                 0,2030,0570,133
                                 0,3680,3900,457
                                 
                                    
                                    
                                 0,403
                                 
                              
                           Es geht aus dieser Zusammenstellung hervor, daß das Aluminium mit
                              									Unrecht als leicht angreifbar verschrieen ist. Denn es hält
                              									hinsichtlich des Grades seiner Abnutzung die Mitte zwischen
                              									Silber und Neusilber, wobei es noch wahrscheinlich ist, daß,
                              									worauf die mit * bezeichnete Zahl deutet, der Aluminiumlöffel
                              									einmal eine wenn auch nie zugestandene, ungebührliche Behandlung
                              									beim Reinigen erlitten hat. Der Abnutzungsgrad von Silber,
                              									Aluminium und Neusilber steht diesen Versuchen zufolge im
                              									Verhältniß von 1,00 : 1,56 : 2,49 und, wenn eine so lange
                              									andauernde Handhabung überhaupt möglich wäre, so würde der
                              									Löffel aus Silber in 248, derjenige aus Aluminium in 158, der
                              									Neusilberlöffel in 99 Jahren aufgebraucht sein.
                           Es soll das Ergebniß dieser Versuche durchaus nicht dazu dienen,
                              									der Verwendung des Aluminiums zur Anfertigung von Löffeln und
                              									Luxus-Speisegeräthschaften das Wort zu reden; denn schon weil es
                              									seinen Glanz und sein anfänglich hübsches Ansehen allmälig
                              									einbüßt, würde dieses Metall nicht fähig sein, mit dem Silber in
                              									Concurrenz zu treten. Es wurde vielmehr die Löffelform nur
                              									deshalb gewählt, weil sie am besten Gelegenheit gab, den Grad
                              									der täglichen chemischen und mechanischen Abnutzung des
                              									Aluminiums im Vergleiche mit derjenigen anderer erprobter
                              									Metalle bezieh. Legirungen festzustellen. Gleichzeitig sind noch
                              									andere Versuche im Gange gewesen, welche den Zweck hatten, die
                              									Widerstandsfähigkeit des Aluminiums gegen atmosphärische
                              									Einflüsse festzustellen, die indessen wiederholt werden müssen,
                              									weil ein Sturm die Versuchsobjecte beschädigt und die Resultate
                              									unzuverlässig gemacht hat. Ich würde auch mit
                              									dem Vorstehenden noch nicht vor die Oeffentlichkeit getreten
                              									sein, wenn sich nicht in einer soeben erschienenen Publication
                              									Karmasch's (1877 223 16) ein sehr abfälliges Urtheil über den Vorschlag, das
                              									Aluminium zur Vermünzung zu verwenden, vorfände – ein
                              									Urtheil, welches sich wiederum auf die oft behauptete, aber bis
                              									jetzt nie praktisch erwiesene Angriffsfähigkeit des Aluminiums
                              									stützt. Es befindet sich dieser bedeutende Technologe in der
                              									That im Irrthum, wenn er die Verwendung des Aluminiums als
                              									Münzmetall aus solchen Gründen für
                              									unstatthaft und unmöglich hält. Ich empfing durch die gefällige
                              									Vermittlung von Garraux und Clottii in Neuchâtel im J. 1873
                              									kleine französische Wallfahrtsmedaillen, die aus Aluminium
                              									hergestellt sind und ein sehr angenehmes Aussehen besitzen;
                              									obwohl dieselben stetig im Laboratorium aufbewahrt wurden, haben
                              									dieselben auch nicht im Mindesten an Glanz verloren, Nickel- und
                              									Silbermünzen dagegen sind grau und unscheinbar geworden.
                              									Aluminiummünzen, die ich 1873 in einer bayerischen
                              									Spielmarkenfabrik fertigen ließ, zeigten von Anfang an
                              									mangelhafteres Gepräge und nicht so schönen Glanz wie das
                              									französische Fabrikat; aber obwohl sie drei Jahre lang mit
                              									anderm Gelde im Portemonnaie geführt worden sind, haben sie sich
                              									sehr wenig verändert. Wenn man es einmal versuchen wollte,
                              									Aluminium kunstgerecht zu prägen und in Curs zu setzen, dürfte
                              									es sehr wahrscheinlich sein, daß diese Münzen, was
                              									Dauerhaftigkeit und Erhaltung des äußern Ansehens anlangt, den
                              									aus Silber- und Nickellegirungen hergestellten Münzen mindestens
                              									nicht nachstünden.
                           Trotzdem will ich heute gern eingestehen, daß ich das Aluminium,
                              									namentlich seiner abnormen, an Pappe erinnernden Leichtigkeit
                              									und seines zweifelhaften Metallwerthes halber, für nicht
                              									geeignet zur Ausprägung von Verkehrsmünzen halte und auch nie
                              									ernstlich dafür gehalten habe. Als ich im J. 1873, wo der
                              									deutsche Reichstag über die Herstellung einer neuen Reichsmünze
                              									zur Berathung saß, auf die hervorragenden Eigenschaften des
                              									Aluminiums hinwies und den Wunsch aussprach, daß man sich bei
                              									Auswahl eines geeigneten Scheidemünzenmetalles desselben
                              									erinnern möge, wollte ich namentlich die sich darbietende
                              									günstige Gelegenheit ergreifen, das Augenmerk der deutschen
                              									Reichsregierung auf das stiefmütterlich behandelte, halb in
                              									Vergessenheit gerathene Aluminium zu lenken, und hoffte, daß die
                              									bevorstehende Münzreform direct oder indirect Veranlassung zu
                              									einem neuen Aufschwung der kranken Aluminiumindustrie geben
                              									könnte. War es doch Thatsache, daß fast 10 Jahre vergehen
                              									mußten, bevor Wöhler's Entdeckung des
                              									regulinischen Aluminiums durch Deville's hervorragende Arbeiten
                              									praktische Verwirklichung fand, und die Aluminiumfabrikation
                              									würde vielleicht heute noch nicht vorhanden sein, wenn sich an
                              									ihre Ausbildung nicht staatliche Interessen geknüpft hätten,
                              									wenn nicht Napoleon III. in der
                              									Erwartung, seine Armee mit leichten, aber hieb- und kugelfesten
                              									Kürassen panzern zu können, die für die beantragten Versuche
                              									erforderlichen Geldmittel bewilligt hätte. Warum hätte es nicht
                              									möglich sein sollen, daß nach weitern 20 Jahren die deutsche
                              									Münzfrage das Interesse am Aluminium bei der mächtigen
                              									vaterländischen Regierung weckte und man mit neuen Mitteln einen
                              									neuen, weiten Schritt vorwärts that? Diese Hoffnung hat sich
                              									nicht verwirklicht; trotzdem aber soll man nicht daran
                              									verzweifeln, daß es fortgesetzten energischen Bemühungen
                              									dereinst gelingen werde, das Aluminium nach zweckmäßigerer,
                              									billigerer Methode darzustellen und dadurch dem Kreise der
                              									eigentlichen Industriemetalle ein neues und sicherlich
                              									schätzbares Glied zuzuführen. (Vom Verfasser als Abdruck aus der
                              									Deutschen Industriezeitung, 1877 S. 64 gef.
                              									eingeschickt.)
                           Freiberg, 1. Februar 1877.