| Titel: | Die schlagenden Wetter in Steinkohlengruben; ihre Entstehung, Auftreten und die Mittel, sie unschädlich zu machen. | 
| Fundstelle: | Band 227, Jahrgang 1878, S. 62 | 
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                        Die schlagenden Wetter in Steinkohlengruben; ihre
                           								Entstehung, Auftreten und die Mittel, sie unschädlich zu machen.
                        Ueber schlagende Wetter in Steinkohlengruben.
                        
                     
                        
                           Unter den vielen Schwierigkeiten und Gefahren, die mit dem Abbau der Kohlenlager
                              									verknüpft sind, gibt es wohl keine, welche schwerer zu überwinden oder zu vermeiden
                              									ist, als das Auftreten explosiver Gase in den Grubenbauen, durch deren Entzündung
                              									die furchtbarsten Unglücksfälle herbeigeführt werden. Zwar ist vieles geschehen, um
                              									diesen Feind zu bekämpfen, und wenn auch durch Anwendung der Sicherheitslampen und
                              									kräftige, häufig künstliche Ventilation die Zahl der Explosionen sich vermindert
                              									haben mag, so zeigt doch leider die Statistik der letzten Jahrzehnte, dass die
                              									Heftigkeit der Explosionen vielmehr zugenommen hat. Die Erklärung dieser anscheinend
                              									abnormen Thatsache hat die Ingenieure aller Kohlen producirenden Länder beschäftigt,
                              									und wenn es nach wissenschaftlichen Principien von vorn herein feststeht, dass eine
                              									erfolgreiche Bekämpfung des Uebels erst dann zu erwarten ist, wenn die Bedingungen
                              									seiner Entstehung und die Gesetze, an welchen sein Auftreten gebunden, erkannt sind,
                              									so muss zugestanden werden, dass grosse Fortschritte gemacht worden sind und eine
                              									endliche praktische Lösung der Frage in Aussicht steht.
                           
                           Wir wollen im Nachstehenden versuchen, einen Ueberblick der bislang in dieser
                              									Richtung gemachten Untersuchungen und der aus diesen sich entwickelnden Anwendungen
                              									und Vorschläge zu geben, und beziehen uns besonders auf die Arbeiten von R. H. Scott und Galloway
                              										(Annales des mines, 1877 Bd. 11 S. 212), Soulary (Daselbst S. 241) und auf den Aufsatz von A. Habets (Revue universelle
                                 										des mines, 1877 Bd. 1 S. 79), deutsch von Hasslacher (Oesterreichische Zeitschrift für Berg-
                                 										und Hüttenwesen, 1877 S. 330), weil aus der Zusammenstellung der in den
                              									erwähnten Abhandlungen enthaltenen Beobachtungen und Thatsachen sich der jetzige
                              									Standpunkt der Frage am klarsten ergibt.
                           Wie und unter welchen Umständen entstehen explosive
                                 										Wetter? Das aus der Kohle sich entwickelnde Kohlenwasserstoffgas, brennbar,
                              									aber für sich allein nicht explosiv, ist als die alleinige Ursache der schlagenden
                              									Wetter anzusehen, sobald es in einem gewissen Verhältnisse mit atmosphärischer Luft
                              									vermengt auftritt. Es entsteht also zunächst die Frage, wie entwickelt sich das
                              									Grubengas und welches sind die seiner Entstehung günstigsten Bedingungen? Der erste
                              									Theil der Frage muss unentschieden bleiben, da keine Thatsachen vorliegen, die das
                              									Vorhandensein des Gases in der Kohle, oder eine allmälige Bildung durch Zersetzung
                              									der Kohle mit Bestimmtheit bestätigen könnten. Wahrscheinlicher indessen ist es,
                              									dass die Zersetzung der Kohlen überwiegenden Antheil an der Bildung des Grubengases
                              									hat und letzteres um so reichlicher auftritt, in je grösseren Massen die Kohle
                              									blosgelegt wird. Durch diese Umstände Hesse sich denn auch erklären, weshalb unter
                              									sonst gleichen Verhältnissen der Flötze Abbaumethoden, welche grössere Kohlenflächen
                              									auf einmal in Angriff nehmen, stets ein verstärktes Auftreten von Grubengas mit sich
                              									führen.
                           Sei nun die erstere oder letztere Annahme der Entstehung des Gases die richtige – und
                              									wir können in den meisten Fällen annehmen, dass beide Entstehungsweisen gleichzeitig
                              									vorhanden sind – so ist es doch unbestreitbar richtig, dass die Entwicklung des
                              									Gases um so lebhafter sein muss, je geringer der ihm entgegenwirkende Druck ist, und
                              									dieser kann nach Ablösung der einschliessenden Gesteinsschichten kein anderer sein
                              									als der Luftdruck, welcher der Tiefe der Grubengebäude entspricht. Könnte es demnach
                              									scheinen, als ob die Entwicklung des Gases bei zunehmender Tiefe eine geringere sein
                              									müsste, so wirkt doch diesem Factor die gleichzeitig zunehmende Temperatur entgegen,
                              									welche die Spannkraft der Gase derart steigert, dass das Auftreten des
                              									Kohlenwasserstoffgases für alle Teufen als ein gleichmässiges angesehen werden kann.
                              									Wir werden später sehen, in welcher Weise eine Veränderung des Luftdruckes auf bereits gebildete Gasmassen eine Wirkung ausübt, und
                              									wie auch die Temperatur der äussern Luft in derselben Richtung von Einfluss ist.
                           Explosiv wird nun das sich bildende Gas erst dann, wenn es in einem gewissen Verhältnisse mit
                              									Luft gemengt ist, während es darüber oder darunter nicht mehr explodirt. Dieses
                              									Verhältniss liegt zwischen 1 : 14 und 1 : 6, so zwar, dass bei dem Verhältnisse von
                              									1 : 8 die Heftigkeit der Explosion am grössten ist und nach beiden Grenzwerthen zu
                              									abnimmt. Die Annahme liegt also nahe, dass es genügen würde, durch die Ventilation –
                              									natürliche oder künstliche – das Mengungsverhältniss derart zu regeln, dass keine
                              									explosive Mischung entstehen kann. Es hat sich aber nach den neuesten sorgfältigsten
                              									Untersuchungen ergeben, und Galloway hat es
                              									experimentell nachgewiesen, dass der bisher wenig beachtete, in der Grubenatmosphäre
                              									suspendirte Kohlenstaub Gasgemenge explosibel machen kann, auch wenn das oben
                              									angegebene Mischungsverhältniss von Grubengas und Luft nicht besteht. Als Resultat
                              									seiner Versuche hat sich ergeben, dass noch bei dem Verhältnisse 1 : 112 durch
                              									suspendirte Kohlenstaubtheilchen das Gasgemenge explosiv wird, während schon bei dem
                              									Verhältnisse 1 : 60 die Gegenwart des Kohlenwasserstoffgases durch die
                              									Sicherheitslampe nicht mehr erkannt werden kann. Diese Entdeckung ist von grösster
                              									Wichtigkeit und gibt uns eine Erklärung für viele Explosionen, deren Auftreten
                              									bisher unbegreiflich erschien. Wir werden diesen Punkt später noch näher
                              									betrachten.
                           Es bliebe nun noch zu erörtern, wie grössere Mengen von Grubengas sich ansammeln, wie
                              									sie sich der Einwirkung des Wetterzuges entziehen und schliesslich, wie ihr
                              									plötzliches Auftreten in grösseren Mengen, wodurch die Gewalt der Explosionen
                              									bedingt wird, zu erklären ist. Da das Kohlenwasserstoffgas specifisch leichter als
                              									die Luft ist (0,56), so wird es stets nach oben zu steigen suchen und sich in um so
                              									reichlicherer Menge in den oberen Theilen der Grubenräume anhäufen, je langsamer die
                              									Diffusion mit der Luft, in Folge geringer Geschwindigkeit derselben, vor sich geht.
                              									Ganz besonders also wird es die durch den Abbau der Kohle geschaffenen, mit
                              									Bergeversatz nur theilweise angefüllten Räume einnehmen, welche nicht vom Wetterzuge
                              									berührt seine ungestörte Ansammlung zulassen.
                           Berücksichtigen wir, dass selbst bei möglichst vollkommenem Versatze die leeren
                              									Zwischenräume in demselben noch ungefähr 30 Proc. des ganzen Volums ausmachen, so
                              									ergibt eine einfache Rechnung, welch ungeheure Mengen von Gas sich in den alten
                              									Abbauen ansammeln können, und dass diese Menge um so grösser sein wird, je länger
                              									die Grube in Betrieb ist und je mehr Kohle gefördert wird. Soulary berechnet z.B., dass ein auf 10ha (flach gemessen) abgebautes Kohlenflötz von 5m Mächtigkeit nach dem Setzen des Versatzes noch
                              									immer einen Gesammthohlraum von 50000cbm aufweist,
                              									wobei er denselben nur zu 0,1 des abgebauten Volums annimmt. Steht dieser Raum, wie
                              									wohl in den meisten Fällen anzunehmen, in keinerlei Verbindung nach oben zu mit der
                              									Oberfläche, so wird er sich schliesslich ganz mit Grubengas anfüllen, dessen Spannung nur
                              									durch den Druck der Luft das Gleichgemacht gehalten wird. Tritt eine Verminderung
                              									dieses Druckes ein, so muss natürlich eine gewisse Menge des Gases in die
                              									Grubenräume zurücktreten und kann selbst bei genügendem Wetterzuge während der
                              									Zeitdauer des Austretens explosive Gemenge bilden. Wir wollen dies nach Soulary mit Bezug auf obige Angaben durch Rechnung
                              									nachweisen.
                           Nehmen wir an, dass innerhalb einer Stunde der Barometerstand um 15mm gesunken, also der Luftdruck um 0at,02 geringer geworden ist, so wird das in den
                              									alten Bauen angesammelte Gas sein Volum in demselben Verhältnisse zu vergrössern
                              									streben. Diese Zunahme beträgt also 1000cbm für
                              										50000cbm, und diese Menge wird während der
                              									angenommenen Dauer der Depression in die Abbaustrecken eindringen. Wenn nun in
                              									letztern ein Luftquantum von 10cbm in der Secunde,
                              									also 36000cbm in der Stunde circulirt, so beträgt
                              									der Zuwachs des Volums durch das Grubengas 3 Proc. Angenommen, dass der
                              									Procentgehalt des Luftstromes an Grubengas, welches sich während des Abbaues bildet
                              									schon 4 Proc. beträgt – diese Mischung ist nicht einmal durch Sicherheitslampe zu
                              									erkennen – so wird es durch den Zufluss des Gases auf 7 Proc. steigen, und dieses
                              									Gemenge ist explosiv. Es ergibt sich hieraus, dass schon durch eine geringe Abnahme
                              									des Luftdruckes, die aber in  einem verhältnissmässig kurzen Zeitraume zur Geltung
                              									kommt das in den alten Abbauen angesammelte Gas die Grubenluft momentan explosiv
                              									machen kann, während für gewöhnlich keine Spur Gas in derselben mittels der Lampe
                              									nachzuweisen ist. Daraus ergibt sich denn auch die Erklärung für das plötzliche
                              									Auftreten und die Gewalt so vieler von den traurigsten Folgen begleiteten
                              									Explosionen der letzten Jahre. In der That haben sorgfältige Beobachtungen gezeigt
                              									und ist es statistisch nachgewiesen, dass ein Zusammenhang zwischen dem Luftdrucke
                              									und den Explosionen besteht. Da eine Aenderung des Luftdruckes nicht allein durch
                              									das Barometer nachgewiesen wird, sondern auch eine örtliche Temperaturänderung auf
                              									denselben von Einfluss ist, so hat man, zumal in England, aus zahlreichen,
                              									methodisch angestellten Beobachtungen beider Factoren und der stattgefundenen
                              									Explosionen Diagramme angefertigt, aus denen das oben Gesagte klar hervorgeht.
                           Im J. 1869 fanden 200 Explosionen statt, von denen 96 mit einer Depression des
                              									Barometers, 35 mit einer Temperaturerhöhung in Zusammenhang standen. Im J. 1870
                              									fallen von 196 Explosionen 98 mit einer Verminderung des Luftdruckes, 47 mit dem
                              									Steigen der Temperatur zusammen. Im J. 1871 erfolgten 207 Explosionen, 113 davon
                              									wurden durch das Sinken des Barometers bezeichnet, 39 durch Temperaturzunahme,
                              									während 55 mit kleiner dieser Erscheinungen im Zusammenhang standen. Nachstehende
                              									Tabelle gibt eine Uebersicht der von 1868 bis 1872 gemachten Beobachtungen.
                           
                           
                              
                                 
                                 
                                 Im Zusammenhange mit
                                 
                                 
                              
                                 Jahr
                                 Anzahl derExplosionen
                                 dem Fallendes Baro-meters
                                 dem Steigendes Thermo-meters
                                 Ohne Zusam-menhang mitbeiden
                                 
                              
                                 1868
                                 154
                                   47 Proc.
                                    27 Proc.
                                     26 Proc.
                                 
                              
                                 1869
                                 200
                                   48
                                    17
                                     35
                                 
                              
                                 1870
                                 196
                                   50
                                    24
                                     26
                                 
                              
                                 1871
                                 207
                                   55
                                    19
                                     26
                                 
                              
                                 1872
                                 233
                                   58
                                    17
                                     25
                                 
                              
                           Ist nun auch durch diese Angaben nachgewiesen, dass die überwiegende Mehrzahl der
                              									Explosionen auf die beiden angeführten Ursachen zurückgeführt werden kann, so bliebe
                              									dennoch das Auftreten der übrigen Explosionen zu erklären. In dieser Richtung ist
                              									die von Galloway gemachte Entdeckung über die Rolle des
                              									Kohlenstaubes bei Explosionen von grösster Wichtigkeit. Wenn es nach seinen
                              									Experimenten feststeht, dass schon 0,89 Proc. Grubengas bei Gegenwart von
                              									Kohlenstaub Explosionen veranlassen können, so lässt sich, ganz abgesehen von andern
                              									mitwirkenden Bedingungen, schon daraus allein die übrige Zahl der Explosionen
                              									herleiten, sowie auch ersehen, weshalb grade letztere fast immer von grösseren
                              									Verlusten an Menschenleben begleitet sind, weil durch den Kohlenstaub die anfangs
                              									localen Explosionen auf das ganze Grubengebäude ausgedehnt werden. Da die Menge des
                              									in dem Luftstrom suspendirten Kohlenstaubes von der Feuchtigkeit der Luft abhängt,
                              									so ist dadurch ein neues Element gegeben, dessen Beobachtung gewiss von Wichtigkeit
                              									sein wird. Schon jetzt hat man feststellen können, dass die Explosionen, welche
                              									durch die Mitwirkung des Kohlenstaubes herbeigeführt wurden und sich durch ihre
                              									Ausdehnung und Heftigkeit auszeichneten, in den Wintermonaten und bei trockener Luft
                              									vorzugsweise stattfanden.
                           Nachträglich wollen wir noch anführen, dass die grosse Katastrophe des Schachtes
                              									Jabin bei St. Etienne in engstem Zusammenhange mit einer barometrischen Depression
                              									stand. Am 4. Februar 1876 Nachmittags sank das Barometer plötzlich um 13mm und an demselben Tage 3 Uhr Nachmittags fand
                              									die furchtbare Explosion statt.
                           Wie gelangen explosive Wetter zur Explosion? Alle
                              									Explosionen können nur durch unmittelbare Entzündung herbeigeführt werden, sei es
                              									nun durch die Flamme der Lampen oder durch Grubenbrände und Sprengschüsse. Schon
                              									dadurch werden wir auf eine andere Frage hingeführt: Wie kann die Entzündung
                              									vermieden werden? Zuvor jedoch wollen wir die Frage aufwerfen:
                           Kann die Bildung explosiver Gasgemenge verhindert werden und
                                 										wie? Aus dem bisher Mitgetheilten wird wohl zur Genüge hervorgehen, dass
                              										die Bildung
                              									explosiver Gase nicht vollständig vermieden werden kann sondern nur bis zu einem
                              									gewissen Grade beschränkbar ist. Alle Versuche, die darauf hinzielten, durch
                              									chemische Mittel (Absorption des Gases in Flüssigkeiten) das Gas unschädlich zu
                              									machen, sind praktisch nicht anwendbar; andere Vorschläge (ewige Lampen, langsames
                              									Verbrennen des Gases durch Kugeln aus Thon und Platinmohr, oder durch den
                              									elektrischen Funken in continuirlicher Weise) sind ebenfalls nicht recht ausführbar,
                              									und so hat man sich denn darauf beschränken müssen, durch eine kräftige Ventilation
                              									die Diffussion des Gases und der Luft zu beschleunigen und ihr Mengungsverhältniss
                              									so zu regeln, dass es kein explosives wird. Viel ist in dieser Richtung geschehen
                              									durch sinnreiche Ventilationsmaschinen und durch Anpassen ihrer Leistungen an die
                              									Veränderungen des Luftdruckes und der Temperatur; trotzdem aber muss auch die
                              									sorgfältigste Ventilation als ungenügend angesehen werden, sobald grössere
                              									Gasansammlungen über den Abbauen vorhanden sind, da die Energie des Luftzuges, von
                              									der Geschwindigkeit abhängig, eine Grenze hat, die nicht überschritten werden kann,
                              									ohne die Gefahr (durch Ausblasen der Lampenflamme) zu vergrössern und andere
                              									Uebelstände (Belästigung der Arbeiter) herbeizuführen. Berücksichtigt man noch, was
                              									über den Einfluss des Kohlenstaubes gesagt wurde, so muss zugestanden werden, dass
                              									die Ventilation nur in normalen Verhältnisse der Grubenatmosphäre einige Sicherheit
                              									gewährt. Die wirkliche Lösung der Frage scheint also nur darin zu liegen, dass das
                              									Grubengas als solches vor seiner Diffusion mit Luft den Grubenräumen entzogen werde,
                              									und erscheint in dieser Beziehung der Vorschlag von Soulary aller Beachtung werth der unseres Wissens zuerst das Problem von
                              									dieser Seite aufgefasst hat.
                           
                              
                                 (Schluss folgt.)