| Titel: | Zur Kenntniss der Leimung des Papieres; von C. Wurster. | 
| Autor: | C. Wurster | 
| Fundstelle: | Band 227, Jahrgang 1878, S. 267 | 
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                        Zur Kenntniss der Leimung des Papieres; von
                           									C. Wurster.
                        Wurster, zur Kenntniss der Leimung des Papieres.
                        
                     
                        
                           Vor einiger Zeit erschien gleichzeitig in verschiedenen Blättern (vgl. 1877 226 600) eine Mittheilung von A.
                                 										Tedesco: Beitrag zur Theorie der Leimung des Papieres; worin derselbe, auf einige qualitative Versuche
                              									gestützt, meine Beobachtung der Anwesenheit freien Harzes im Papiere und die
                              									Erklärung des Leimens durch freies Harz entschieden in Abrede stellt. Erst der
                              									Umstand, dass der Artikel andere Fachmänner veranlasste, öffentlich anzugeben, es
                              									sei durch Tedesco meine Theorie der Leimung durch
                              									freies Harz gründlich widerlegt, bewegt mich, einige der Angaben Tedesco's kurz zu besprechen und zu widerlegen.
                           Dass bei Anwendung von 15 bis 20 Th. Soda auf 100 Th. Harz die Harzseife kein freies
                              									Harz enthält, ist sehr wahrscheinlich, da bei Anwendung einer guten Soda diese Menge
                              									Alkali völlig genügt, um neutrales harzsaures Natron zu bilden; denn 100 Harz
                              									bedürfen nur etwa 14,9 kohlensaures Natron.
                           Es steht uns natürlich frei, anzunehmen, das Harz sei bei Anwendung von nur 7 bis 9
                              									Proc. kohlensaurem Natron in der Harzseife mechanischBerzelius: Traité de Chimie (Paris 1831), Bd. 5
                                    											S. 441. Duvernoy: Inaugural Dissertation,
                                    											Tübingen 1865. Annalen der Chemie, 1867 Bd. 148
                                    											8. 143. oder als saures harzsaures Alkali gelöst; keinesfalls
                              									sind aber saure Salze vorhanden, wenn die Harzseife mit dem 5 bis 20fachen Wasser
                              									verdünnt ist; wir haben dann nur mehr freies Harz, neutrales harzsaures Alkali,
                              									neben doppeltkohlensaurem Alkali in Lösung.
                           Verdünnt man eine Harzseife, die freies Harz enthält, mit viel Wasser, so scheidet
                              									sich freies Harz in Milchform ab; man kann die Flüssigkeit bis zum Kochen erhitzen,
                              									ohne dass das freie Harz gerinnt oder sich abscheidet. Ist jedoch die Flüssigkeit
                              									concentrirter, so tritt bei einer gewissen Temperatur ein Augenblick ein, wo die
                              									weisse Flüssigkeit plötzlich gelb, das Harz flockig wird und rasch zu Boden fällt.
                              									Nach dem Verjagen des Wassers zeigten 5k so
                              									erhaltenen Harzes alle Eigenschaften des angewendeten Colophoniums.
                           Die äusserst günstige Wirkung der Stärke beim Leimen ergibt sich ganz von selbst bei
                              									der Vergleichung verschiedener Leimverfahren. D'Arcet
                              									erhielt mit 1 Proc. Harz ganz gut geleimte Papiere, als er die Stärkemenge auf 12
                              									Proc. erhöhte, obwohl seine Harzseife zum Leimen nicht günstig war. Es ist die
                              									Stärke bei braunem Leim und concentrirten Flüssigkeiten sehr nothwendig, um die
                              									Zersetzung der compacten harzsauren Thonerde durch den Alaun zu ermöglichen und das
                              									Dichterwerden des Harzes zu verhindern; sie wirkt aber auch mechanisch äusserst günstig auf die Leimung
                              									ein, indem der trockene Stärkekleister einen grossen Theil der Capillarräume des
                              									Papieres verstopft.
                           Dass in Wasser gelöste Kalksalze durch Fett und Harzseifen gefällt werden, ist eine
                              									so bekannte alltägliche Thatsache, dass ich nicht für nöthig fand, darauf
                              									einzugehen. Dass ich unter der milchförmigen Flüssigkeit nicht harzsauren Kalk
                              									verstehe, geht daraus hervor, dass alle meine Laboratoriums versuche mit
                              									destillirtem Wasser vorgenommen wurden. Bei Anwendung kalkhaltigen Wassers ist der
                              									Niederschlag immer flockig und wird leicht vom Filter zurückgehalten, während ich
                              									als Haupteigenschaft des Milchharzes hervorhob, dass dasselbe völlig durch das
                              									Filter hindurch läuft und wochenlang schwebend bleibt.
                           Das Bleisalz der Harzsäure entsteht als weisser Niederschlag bei Zusatz einer
                              									alkoholischen Bleizuckerlösung zu einer Lösung von Harz in Alkohol und so viel
                              									Ammoniak, dass die Flüssigkeit noch schwach sauer oder neutral reagirt. Auf Zusatz
                              									von Essigsäure wird das Bleisalz wieder zersetzt, der Niederschlag löst sich auf.
                              									Den Schmelzpunkt eines aus Aether umkrystallisirten Bleisalzes fand ich früher bei
                              									127°, den Schmelzpunkt der ebenfalls durch Alkohol und Aether gereinigten harzsauren
                              									Thonerde erst über 300°.
                           Von der Darstellung der harzsauren Thonerde in alkoholischer Lösung nahm ich Abstand,
                              									da die schwefelsaure Thonerde in absolutem Alkohol ganz unlöslich ist.
                           Dass der Niederschlag, welchen Tedesco als harzsaure
                              									Thonerde anspricht und den er erhielt, als er eine concentrirte Lösung von
                              									schwefelsaurer Thonerde zu in absolutem Alkohol gelöstem Harze setzte, harzsaure
                              									Thonerde war, muss ich stark bezweifeln.
                           Absoluter Alkohol scheidet aus einer concentrirten wässerigen Lösung von
                              									schwefelsaurer Thonerde die schwefelsaure Thonerde als einen in Alkohol unlöslichen
                              									Körper ab. Ist der Niederschlag in einer alkoholischen Harzlösung erfolgt, und man
                              									wäscht denselben zur Entfernung des mechanisch anhaftenden freien Harzes mit Alkohol
                              									aus, so löst sich der Rückstand bis auf eine schwache weisse Trübung in wenig Wasser
                              									auf. Die vermeintliche harzsaure Thonerde Tedesco's ist also
                                 										in diesem Falle schwefelsaure Thonerde, während er weiter unten freies Harz
                                 										ebenfalls zur Harz-Thonerdeverbindung stempelt.
                           Die Bildung und das Vorhandensein der harzsauren Thonerde in Gegenwart freier
                              									Schwefelsäure und der Anwesenheit eines Lösungsmittels für das freie Harz
                              									widerspricht allen meinen Beobachtungen. Das Verhalten des absoluten Alkoholes der
                              									schwefelsauren Thonerde gegenüber ist sogar als Methode angegeben worden, letztere
                              									auf einen Gehalt an freier Schwefelsäure zu prüfen.Dr. L. Müller: Fabrikation des Papieres (4.
                                    											Auflage), S. 362.
                           Dass Alkohol das Harz aus dem Papier nicht ausziehen soll, ist nicht der Fall. Arbeitet man mit
                              									allen nöthigen Vorsichtsmassregeln, so genügt meistens bei dünnen Papieren ein 6 bis
                              									8maliges Ausziehen des Papieres mit siedendem Alkohol, um dasselbe fliessend zu
                              									erhalten, welche Anzahl von Extractionen ich auch für den Aether vorgeschrieben
                              									habe. Aber auch bei Anwendung von Aether gelingt es schon bei massig dicken Papieren
                              									kaum, dasselbe an allen Stellen fliessend zu erhalten, obwohl die angewendeten
                              									Aethermengen weitaus genügen sollten, um sowohl das freie Harz als auch die
                              									harzsaure Thonerde aufzulösen.
                           Unter den vielen Umständen, welche darauf einwirken, die Lösung des Harzes im Papiere
                              									zu erschweren, will ich nur hervorheben, dass die meisten Papiere nicht mit Harz
                              									allein, sondern zugleich unter Zusatz von Stärke und häufig noch von thierischem
                              									Leim dargestellt sind; es folgt daraus, dass das Harz in diese Körper ganz
                              									eingeschlossen und oft noch von Thonerdeverbindungen umhüllt ist. Das einmal mit
                              									Alkohol benetzte Papier verändert in seinem Innern die Flüssigkeit nur noch durch
                              									Osmose; es ist deshalb die Extraction eine sehr langsame. Werden Stärke und die
                              									Thonerdeverbindungen durch Kochen mit einer Säure, welche den Kleister in lösliche
                              									Stärke, Dextrin und Zucker überführt, die anorganischen Thonerdeverbindungen aber
                              									auflöst, für Alkohol und Aether durchdringlicher gemacht, so ist ein Haupthinderniss
                              									der Lösung weggefallen, das Ausziehen geht viel leichter vor sich.
                           Harzsaure Thonerde ist beinahe ausschliesslich dann im Papier enthalten, wenn bei
                              									völlig gelöstem Harz auf 1k Harz etwas über ⅓
                              									Alaun zur Fällung benutzt wird. Es ist aber seit 70 Jahren als unumstössliche
                              									Thatsache festgestellt, dass zur Leimung auf 1k
                              									Harz mindestens 1k Alaun genommen werden muss.
                           Dass einmal ausgeschiedenes, also festes Harz sich mit schwefelsaurer Thonerde
                              									umsetzt, widerspricht ganz der Natur des Harzes und der Thonerdesalze. Wie, wenn
                              									diese Umsetzung auch wirklich stattfände, mehr schwefelsaure Thonerde gebraucht
                              									werden soll, ist mir nicht erklärlich.
                           GrahamAnnalen der Chemie, 1862 Bd. 121 S.
                                    										30. hat nachgewiesen, dass das basische Chloraluminium schon bei
                              									geringer Verdünnung nicht mehr als solches in der Flüssigkeit vorhanden ist, sondern
                              									dass lösliches Thonerdehydrat und neutrales Chloraluminium entstehen. Bei der
                              									Dialyse diffundirt letzteres durch die Membran, während das colloide Thonerdehydrat
                              									zurückbleibt. Es ist demnach ganz gleich, ob man bei solch grosser Verdünnung, wie
                              									sie im Holländer stattfindet, basisches oder neutrales Chloraluminium zum Leimen
                              									verwendet, das Endresultat wird immer dasselbe sein, da nach Graham das basische Salz in neutrales und in Thonerdehydrat zerfällt.
                           
                           Ich habe nicht gesagt, „dass das Thonerdehydrat nicht anticapillarisch wirkt“,
                              									sondern „dass weder der trockene Stärkekleister, noch das
                                    											Thonerdehydrat anticapillarische Eigenschaften besitzen“, d.h. von
                              									Wasser leicht benetzt werden. Es findet sich in meinem Laboratoriumsjournal folgende
                              									Bemerkung: „12. Juni 1876. Ganzstoff, mit einer grossen Menge vorher gefällten
                                 										und durch Decantation ausgewaschenen Thonerdehydrats versetzt, gibt ein stark
                                 										knitterndes durchscheinendes Papier. Das Papier ist etwas, aber nur wenig
                                 										geleimt.“
                           Das Thonerdehydrat verstopft ebenso wie die Stärke einen grossen Theil der
                              									Capillarräume des Papieres ganz oder theilweise, es wird also dieses das Wasser
                              									nicht mehr so rasch aufsaugen.
                           Die Unterschiede der von Tedesco angekündigten
                              									Harz-Thonerdeverbindungen, die mit und ohne Ueberschuss von schwefelsaurer Thonerde
                              									dargestellt sind, bestehen lediglich darin, dass in dem einen Fall viel freies Harz
                              									neben wenig harzsaurer Thonerde, in dem andern viel harzsaure Thonerde neben wenig
                              									freiem Harz vorhanden sind.
                           Durch welche stöchiometrische Gleichung Tedesco bei
                              									kalkhaltigem Wasser einen Minderverbrauch von schwefelsaurer Thonerde ausrechnet,
                              									verstehe ich nicht. Da bei dem jetzigen Leimverfahren der gelöste kohlensaure Kalk
                              									durch die schwefelsaure Thonerde umgesetzt werden muss, so wird bei der
                              									ausserordentlichen Verdünnung des Ganzstoffes der Kalkgehalt des Wassers auf den
                              									Verbrauch an schwefelsaurer Thonerde ganz beträchtlich einwirken.
                           Sehen wir auch von jeder Theorie und jeder Erklärung der Leimung ab und bleiben auf
                              									dem festen Boden der Thatsachen stehen, so geht aus der Zusammenstellung der
                              									verschiedenen Leimverfahren hervor:
                           
                              
                                 Man leimt mittelmässig undunsicher bei
                                    											Anwendung von:
                                 
                                 Man leimt gut undimmer sicher mit:
                                 
                              
                                 Harz
                                 5 bis 6
                                 
                                  1,5 bis 2,5
                                 
                              
                                 Soda krystallisirt
                                 2   „  4
                                 
                                 0,5   „   1
                                 
                              
                                 Alaun
                                  5   „ 12
                                 
                                 1,5   „   3
                                 
                              
                                 Stärke
                                 5   „  8
                                 
                                  3     „   1
                                 
                              
                                 
                                 auf 100 Papier.
                                 
                              
                           Die meisten Fabriken arbeiten mit braunem Leim, lassen also zum mindesten ⅔ der Soda
                              									und der schwefelsauren Thonerde unnützer Weise ins Wasser laufen.
                           Aus den Notizen, die ich über den Verbrauch der Leimmaterialien einer sonst gut
                              									arbeitenden Fabrik besitze, geht hervor, dass dieselbe in einem Jahre bei Anwendung
                              									eines rationelleren Verfahrens der Auflösung des Harzes und Anwendung von 2,5 Proc.
                              									Harz für 100 Papier 15000 M. an Leimmaterialien ersparen würde; oder wenn dieselbe
                              									auch vorzöge, wie bisher mit 5 Proc. Harz zu leimen, so ergäbe sich immerhin noch
                              									eine jährliche Ersparniss von 12000 M. an Leimmaterialien allein, und die Leimung, die
                              									jetzt immer eine unsichere ist, würde nie versagen.
                           In der Literatur befinden sich Angaben, dass schon früher mit Harzseife und
                              									verdünnten Mineralsäuren geleimt wurde; ebenso ist ein Verfahren angegeben, bei
                              									welchem weder Säure noch Alaun angewendet wird; weiteres hierüber später.
                           Paris, 4. Januar 1878.