| Titel: | Die Verbreitung und Bekämpfung der Reblaus in Frankreich. | 
| Fundstelle: | Band 227, Jahrgang 1878, S. 304 | 
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                        Die Verbreitung und Bekämpfung der Reblaus in
                           								Frankreich.
                        Ueber Verbreitung und Bekämpfung der Reblaus in
                           								Frankreich.
                        
                     
                        
                           Im J. 1864 wurde im südlichen Frankreich, in der Gegend zwischen Roquemaure und
                              									Villeneuve-les-Avignon, zuerst eine Rebenkrankheit beobachtet, deren Verlauf die
                              									Erscheinung eines langsamen Dahinschwindens bot. Die Pflanzen waren plötzlich in
                              									ihrer Entwicklung gehemmt, brachten die Trauben nicht mehr zur Reife, zeigten gelbe,
                              									verwelkte Blätter und starben schliesslich gänzlich ab. Diese Anzeichen legten
                              									zunächst die Vermuthung nahe, dass die Ursache der Erkrankung ein Mangel an Nahrung
                              									sei, welche der erschöpfte Boden nicht mehr in hinreichender Menge biete. Allein die
                              									grosse Schnelligkeit, mit der das Uebel über die benachbarten Gegenden sich
                              									ausbreitete, machte bald jene Annahme unmöglich, welche in der Bodenbeschaffenheit
                              									oder sonst einer örtlich beschränkten Einwirkung dessen Grund erblickte. Als solcher
                              									wurde vielmehr im J. 1868 von der Ackerbau-Gesellschaft des Departement Herault
                              									richtig das Vorhandensein eines Insektes erkannt, das an den Wurzeln der erkrankten
                              									Reben, dem unbewaffneten Auge freilich nicht sichtbar, in grosser Menge sich
                              									fand.
                           Phylloxera rastatrix nannten die Naturforscher diesen
                              									neuen Feind des Weinbaues, der von Amerika seinen Weg nach Europa genommen hatte.
                              									Bei einer nähern Untersuchung, die namentlich auch die Entwicklungsgeschichte dieses
                              									Insektes, der Reblaus, ergründete, zeigte sich, dass dessen Stich eine Anschwellung
                              									erzeugt, die den Saftumlauf hindert, und dass in Folge der Verletzung die
                              									angegriffene Wurzelfaser der Fäulniss verfällt. Damit wurde auch nachgewiesen, dass
                              									die Verkümmerung der kranken Pflanze die Gegenwart der Reblaus erst dann verräth,
                              									wenn sie sich schon so weit ausgebreitet hat, dass ihre Vernichtung den grössten
                              									Schwierigkeiten begegnet. Dieselben scheinen nach den Erfahrungen, die in Frankreich
                              									gemacht wurden, fast unüberwindlich zu sein. So viele Vorschläge auch die Stärke der
                              									betheiligten Interessen und der verlockende Regierungspreis von 300000 Fr. (240000
                              									M.) auf allen Seiten hervorrief, so viele Versuche auch an verschiedenen Stellen
                              									gemacht wurden, noch keines der empfohlenen und angewendeten Mittel hat bis zu
                              									dieser Stunde hindern können, dass die Verheerungen der Reblaus von Jahr zu Jahr
                              									grösser und ausgedehnter wurden. Sie hat heute das ganze Dreieck zwischen Lyon,
                              									Béziers und den lies d'Hyères in Besitz genommen, in dessen Norden bedroht sie
                              									bereits Burgund und an der französischen Westküste richtet sie ihren Weg auf die
                              									weltberühmten Weingelände von Médoc und Saint-Emilion. Ueber 28 Weinbau treibende
                              									Departements hat die Phylloxera sich bereits
                              									verbreitet, und die Fläche, auf welcher sie die angebauten Reben vollständig
                              									vernichtet hat, wird auf 288000ha geschätzt,
                              									während auf einem Gebiete von 365000ha ihrem
                              									Zerstörungswerke mit ungleichem Erfolge entgegen gearbeitet wird.
                           
                           Gleichwohl hat während der letzten Jahre in dem Ertrage des gesammten französischen
                              									Weinbaues sich kein Ausfall gezeigt, der das Vordringen der Phylloxera widerspiegelte. Es sind geherbstet worden
                           
                              
                                 
                                 Tausend hl
                                 
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                                 1860
                                 39580
                                 1873
                                 35770
                                 
                              
                                 1870
                                 53538
                                 1874
                                 63146
                                 
                              
                                 1871
                                 57084
                                 1875
                                 83632
                                 
                              
                                 1872
                                 50528
                                 1876
                                 41848.
                                 
                              
                           Unter den mannigfachen Einflüssen, die in ihrem jährlichen Wechsel den Reichthum der
                              									französischen Weinernten so grossen Schwankungen unterwerfen, nehmen die
                              									Verheerungen der Phylloxera zur Zeit noch keine
                              									entscheidende Stellung ein; besondere günstige Umstände haben ihren Einfluss während
                              									der letzten Jahre, namentlich 1875, dem besten Weinjahre dieses Jahrhunderts,
                              									ausgeglichen und aufgehoben. Aber dadurch wird die Gefahr nicht geringer, und wie
                              									gross dieselbe ist, dies können die folgenden Zahlen über die Weinernten in sechs
                              									von der Reblaus schwer heimgesuchten Departements zeigen. Es war der Ertrag:
                           
                              
                                 in demDepartement
                                 einer Mittelerntein den letzten
                                 der Ernte von
                                 
                              
                                 
                                 10 Jahren
                                 1875
                                 1876
                                 
                              
                                 Bouches-du Rhône
                                       316397hl
                                     289092hl
                                     182334hl
                                 
                              
                                 Drôme
                                     258195
                                   237048
                                   127447
                                 
                              
                                 Gard
                                   1618518
                                   943966
                                   241275
                                 
                              
                                 Hérault
                                 12782670
                                 9423193
                                 6464739
                                 
                              
                                 Hautes-Pyrénées
                                     192492
                                   148725
                                     91984
                                 
                              
                                 Vaucluse
                                     208659
                                     68220
                                      49971.
                                 
                              
                           Im Departement Vaucluse soll die Reblaus in drei Jahren nicht weniger als 15000ha Weinland verwüstet haben.
                           Hier zeigt sich also, wie erheblich das Vordringen der Phylloxera den französischen Weinbau und in ihm eine Hauptquelle des
                              									Volkswohlstandes schädigt. Zur Abwehr der drohenden Gefahr sind daher auch die
                              									grössten Anstrengungen von Seiten der Regierung gemacht worden. Die Deputirtenkammer
                              									hat eine eigene Commission niedergesetzt zur Berathung der gesetzlichen Massregeln,
                              									die zur Bekämpfung und Vernichtung der Reblaus erforderlich sind. Im Mai 1877 hat
                              									die Commission ihre Vorschläge gemacht, und die Beobachtungen, zu denen ihr eine
                              									Rundreise im vergangenen Herbste Gelegenheit bot, in einem Berichte niedergelegt,
                              									dem wir schon bisher gefolgt sind.
                           Das wirksamste Vernichtungsmittel lernte die Commission im Departement
                              									Bouches-du-Rhône kennen, wo ein Weinbergbesitzer seine angegriffenen Reben dadurch
                              									rettete, dass er dieselben längere Zeit unter Wasser setzte. Seine Anpflanzungen,
                              									die ihm vor dem Erscheinen der Phylloxera im Mittel
                              									eine jährliche Ernte von 925hl gewährten, waren
                              									1869 von diesem Insekte dergestalt verwüstet worden, dass er nur 35hl in diesem sonst so günstigen Weinjahre
                              									herbstete. Als aber dann die Reben eine Zeit lang unter Wasser gestanden hatten,
                              									stieg ihr Ertrag im J. 1874 wieder auf 1175 und 1875 auf 2480hl Ein so günstiger Erfolg erwarb dieser Massregel
                              									bald zahlreiche Freunde. Wo Wasser in genügender Menge herbeigeschafft werden
                              									konnte, wurde das Rebland zum Theil mit Hilfe von Dampfmaschinen künstlich
                              									überschwemmt, und in der Gegend von Arles sind allein bald darauf 500ha unter Wasser gesetzt worden. Die
                              									Untersuchungscommission der Deputirtenkammer empfiehlt darum vor Allem die
                              									Bewässerung und Ueberschwemmung der Weinpflanzungen als das wirksamste
                              									Vernichtungsmittel der Reblaus. Um dessen ausgedehnte Anwendung zu fördern, legte
                              									sie den Entwurf eines Gesetzes vor, durch welchen unter dem Vorsitze des Ministers
                              									für öffentliche Arbeiten eine Regierungscommission eingesetzt wird mit der
                              									Bestimmung, zunächst festzustellen, welche Gewässer diesem Zwecke dienstbar zu
                              									machen oder für denselben besser als bisher auszunutzen sind. Wo kostspielige
                              									Anlagen erforderlich sind, um das Wasser in genügenden Mengen auf die Weinanpflanzungen zu
                              									führen, soll sie die Bildung grösserer Gesellschaften nach Kräften fördern; überall
                              									aber soll sie in erster Linie die Eigenthümer selbst veranlassen, zu Schutzverbänden
                              									zusammenzutreten, denen die Vorrechte der „Syndicate“ in Aussicht gestellt
                              									werden.
                           Eine weitergehende, unmittelbare Einwirkung empfiehlt die Untersuchungscommission der
                              									Regierung nicht. Diese soll sich ihrer Ansicht nach darauf beschränken, die
                              									Eigenthümer zur Anwendung jener erprobten Massregel anzuregen und soll, um deren
                              									Durchführung überall zu ermöglichen, vor Allem die Hindernisse beseitigen, welche
                              									das bestehende Wasserrecht derselben entgegenstellt.
                           Da das vorgeschlagene Mittel aber kaum überall anwendbar sein wird, so fügte die
                              									Untersuchungscommission zu dieser Gesetzesvorlage noch eine zweite, durch welche die
                              									Ausfuhr von Reben aus den angegriffenen Gebieten nach anderen von der Phylloxera freien Gegenden verboten wird, damit der
                              									Ausbreitung dieses Insektes wenigstens eine Grenze gezogen werde.
                           Ein vollkommen bewahrtes und überall anwendbares Vernichtungsmittel der Phylloxera ist also bis jetzt in Frankreich noch nicht
                              									gefunden worden, und schon beginnt man mit dem Gedanken sich vertraut zu machen,
                              									dass ihre Ausrottung für immer unmöglich bleiben werde. Darum hat man den folgenden
                              									Versuch angestellt, um die Reblaus wenigstens ungefährlich zu machen. Es war den Weinbauern schon wiederholt
                              									aufgefallen, dass einige amerikanische Reben allen Angriffen der Phylloxera widerstanden; gelingt es dieselben, wie es
                              									versucht worden ist, in grösserem Umfange einzuführen und durch Aufpfropfung
                              									einheimischer Reiser zu veredeln, so kann damit eine Rebe geschaffen werden, welcher
                              									das weitere Vordringen der Phoylloxera keine Gefahr
                              									bringt. (Statistische Correspondenz, 1877 Nr.
                                 										25.)