| Titel: | Rundschau auf dem Gebiete der Brauerei; von Dr. V. Griessmayer. | 
| Autor: | V. Griessmayer | 
| Fundstelle: | Band 229, Jahrgang 1878, S. 279 | 
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                        Rundschau auf dem Gebiete der Brauerei; von Dr.
                           									V. Grieſsmayer.
                        Grieſsmayer, Rundschau auf dem Gebiete der Brauerei.
                        
                     
                        
                           Das Laboratorium von Carlsberg und seine Leistungen.
                           In Carlsberg bei Kopenhagen erhebt sich eine Brauerei, deren
                              									Eigenthümer Hr. J. C. Jacobsen, gleich hervorragend
                              									durch Genie wie Patriotismus, aus Liebe zur Wissenschaft die groſsartige Summe von
                              									einer Million Kronen (1120000 M.) zur Errichtung und Fortführung eines
                              									chemisch-physiologischen Laboratoriums gestiftet hat, welches ausschlieſslich
                              									Brauereizwecken dienen soll. Das Laboratorium wurde i. J. 1875 gegründet und von Jacobsen persönlich geleitet bis zum 25. September
                              									1876, worauf die Direction gemäſs der Gründungsstatuten an einen Ausschuſs überging,
                              									welcher von der dänischen Akademie der Wissenschaften ernannt wird und zur Zeit aus
                              									den Professoren Barfoed, Panum und Steenstrup, Namen vom besten Klange, und den Adjuncten
                              										Jacobsen und Kogsbelle
                              									besteht.
                           Als Hauptzweck dieses Institutes wird bestimmt, durch Original-Untersuchungen die Lehren zu
                              									bestätigen, welche die Wissenschaft aufgestellt hat, und dieselben durch
                              									fortgesetzte Studien weiterzuführen, um so eine möglichst vollständige
                              									wissenschaftliche Basis für die Operationen des Mälzens, Brauens und der Gährführung
                              									zu gewinnen.
                           In der Stiftungsurkunde sind diesem Princip entsprechend eine Menge Detailaufgaben
                              									festgesetzt, deren Durchführung das Laboratorium zu beschäftigen hat. Vor Kurzem nun
                              									wurde der erste Bericht desselben herausgegeben unter dem Titel: Meddelelser fra Carlsberg Laboratoriet. Forste Hefte.
                                 										Kjobenhavn 1878. I Kommission hos H. Hagerup. Nach dem dänischen Texte
                              									folgt eine ausführliche Uebersicht in französischer Sprache. Ich gebe im Folgenden
                              									einen Bericht dieser Abhandlungen.
                           
                        
                           1) Ueber die Drehkraft, welche
                                 										Bierwürze auf das polarisirte Licht ausübt, und über deren Schwankungen während
                                 										der Gährung: von J. Kjeldahl.
                              								
                           Die Untersuchungen wurden in einem Soleil-Apparate vorgenommen, und die aufgeführten
                              									Ziffern gelten für 1g Trockensubstanz, in 100cc gelöst und durch eine Röhre von 200mm beobachtet. Es wurde nun während der
                              									verschiedenen Phasen der Gährung ein und dieselbe Würze verfolgt, deren Extract
                              									durch Austrocknung auf Sand und deren Drehung nach Entfärbung mittels Kohle oder
                              									Bleiessig bestimmt.
                           Gährbottich Nr. 77 der Brauerei Carlsberg.
                           
                              
                                 Datum
                                 Extract in Vol.-Proc.= 1g in 110cc
                                 Ablenkung
                                 SpecifischeDrehung
                                 Soleil-Gradeweniger
                                    											anVol.-Proc.
                                 
                              
                                 21. April
                                 13,65
                                 149
                                 10,9
                                 –
                                 
                              
                                 24.     „
                                 12,36
                                 139
                                 11,2
                                   7,8
                                 
                              
                                 29.     „
                                   9,03
                                 106
                                 11,7
                                   9,9
                                 
                              
                                   1. Mai
                                   7,50
                                 87
                                 11,6
                                 12,4
                                 
                              
                                   3 Tage Lagerkeller
                                   5,88
                                 68
                                 11,6
                                 –
                                 
                              
                                 18   „           „
                                   5,45
                                    61,5
                                 11,3
                                 –
                                 
                              
                                 Bier in Faschen
                                   5,00
                                 56
                                 11,2
                                 –
                                 
                              
                           Die specifische Drehkraft des Extractes hat daher ein Maximum, das nach etwa Stägiger
                              									Gährung auftritt; dann vermindert sie sich allmälig, zumal bei der Nachgährung, bis
                              									sie im fertigen Bier wieder mit der Rotation der Würze übereinstimmt. Die Erklärung
                              									für diesen Vorgang findet sich darin, daſs die Substanzen, welche die geringste
                              									Drehung haben, zuvor eliminirt werden, also wächst die Drehung zuerst; dann nimmt
                              									sie ab, weil das Extract überhaupt relativ ärmer an drehender Substanz wird. Die
                              									Ziffern der letzten Tabellenspalte, welche die Drehkraft von 1 Proc. vergohrenen
                              									Extractes darstellen, entsprechen hinlänglich genau 1 Proc. vergohrenen Zuckers, wie
                              									ja die die zersetzte Substanz gröſstentheils aus diesem Körper besteht; einige
                              									Hopfenbestandtheile und Proteine scheiden sich zu gleicher Zeit aus.
                           
                           Folgende Analyse zeigt, wie viel von dieser letztern Substanz sich während der
                              									Gährung einer Exportbierwürze der Carlsberger Brauerei ausscheidet:
                           
                              
                                 Vor der Hauptgährung 16,5 Vol.-Proc.
                                    											Extract,    enthaltend 4,1 Proc. stickstoffhaltige Substanz
                                 = 0,68 Vol.-Proc. der Würze
                                 
                              
                                 Nach der Hauptgährung 9,3 Vol.-Proc.
                                    											Extract,    enthaltend 5,2 Proc. stickstoffhaltige Substanz
                                 = 0,48 Vol.-Proc. des Bieres
                                 
                              
                                 
                                 ––––––––––––––––
                                 
                              
                                 Ausgeschieden während der Gährung
                                 = 0,20 Vol.-Proc.
                                 
                              
                           Kjeldahl zieht daraus den Schluſs, daſs mehrere
                              									Zuckerarten hierbei in Frage kommen, deren Drehkraft zunächst zwischen Glucose und
                              									Maltose und später zwischen Maltose und Dextrin liegt. Es ist daher ein Gemenge
                              									dieser drei Substanzen, oder, was noch wahrscheinlicher ist, eine Reihe
                              									verschiedener Kohlenhydrate anwesend.
                           Letztere Ansicht wird auch von Musculus und Gruber vertreten (vgl. Comptes
                                 										rendus, Juni 1878 Bd. 86 S. 1459). Unter dem Einfluſs der Diastase oder
                              									verdünnter Schwefelsäure entsteht nach diesen Forschern:
                           a) Lösliche Stärke: Unlöslich in Wasser von 50 bis 60°,
                              									färbt sich im festen Zustande mit Jodblau, in wässeriger Lösung weinroth. Getrocknet
                              									mit Ueberschuſs von Jod, wird sie violett, gelb oder braun. α = + 218. Ihre Reductionskraft ist 6 (die der Glucose = 100 gesetzt).
                           b) Erythrodextrin: Das Dextrin des Handels besteht
                              									hauptsächlich daraus; wird nie unlöslich in Wasser, mit Jod wird es immer roth,
                              									sowohl in festem Zustande, wie gelöst.
                           c) Achroodextrin α: Färbt sich nicht mit Jod, ist
                              									theilweise durch Diastase saccharificirbar, aber weniger leicht wie a und b. α = + 210. Reductionskraft = 12.
                           d) Achroodextrin β: Ist wenigstens 24 Stunden lang durch
                              									Diastase nicht angreifbar, α = 190. Reductionskraft =
                              									12.
                           e) Achroodextrin γ: Zum mindesten 1 Jahr durch Diastase
                              									nicht angreifbar; siedende verdünnte Schwefelsäure verwandelt es in Glucose, aber
                              									erst nach mehreren Stunden, α = +150. Reductionskraft =
                              									28.
                           f) Maltose: Schwer angreifbar durch Diastase. α = + 150 und Reductionskraft = 66.
                           g) Glucose: α = + 56. Reductionskraft = 100. Bei
                              									fortschreitender Verzuckerung nimmt die Drehung (a) ab
                              									und steigt die Reductionskraft.
                           Musculus betrachtet die Stärke als ein Polysaccharid von
                              									der Formel n (C12H20O10), worin n erst zu bestimmen ist und
                              									nicht geringer als 5 oder 6 sein kann. Dieses Kohlehydrat erleidet durch Diastase
                              									oder verdünnte Schwefelsäure eine Reihe von Hydratationen und Spaltungen. Bei jeder
                              									Spaltung bildet sich Maltose und ein neues Dextrin von geringerem Moleculargewicht.
                              									n wird immer kleiner bis zur Production von Achroodextrin γ, das sich vermuthlich durch einfache Hydratation in Maltose verwandelt. Die
                              									Maltose spaltet sich zuletzt und verwandelt sich in 2 Mol. Glycose: C12H22O11 + H2O = 2(C6H12O6).
                           Gegenüber dieser Auffassung ist geltend zu machen, das aus den übereinstimmenden
                              									Analysen von Nägeli und Sachsse die Formel C36H62O31 sehr
                              									ungezwungen hervorgeht und das n daher nur = 3 ist: 3(C12H20O10)
                              									+ H2O. Hieraus ergibt sich ferner, daſs der
                              									Verzuckerungsproceſs nicht als eine fortlaufende Reihe von Spaltungen aufzufassen
                              									ist, sondern daſs auch die Synthese dabei eine Rolle spielt, indem aus dem
                              									Achroodextrin unter Wasseraufnahme Maltose entsteht: 2(C6H10O5) +
                              										H2O = C12H22O11.
                           Was die optische Bierprobe betrifft, so haben wir in neuerer Zeit eine Abhandlung von
                              										Hanaman zu verzeichnen (Bayerischer Bierbrauer, 1878 S. 123. 201), worin die Bestimmung des
                              									Dextrins auf optischem Wege neben der chemischen Bestimmung der Maltose empfohlen
                              									wird. Obwohl der Verfasser sich nicht verhehlt, daſs vielleicht auch andere
                              									Kohlenhydrate hierbei ins Spiel kommen, so gelingt es ihm doch nachzuweisen, daſs
                              									die rein chemische und seine gemischte Methode genügend übereinstimmen. Aber so
                              									lange man nicht auch die Maltose neben dem Dextrin durch das Polariskop bestimmen
                              									kann, ist ein besonderer Gewinn hierbei nicht ersichtlich.
                           
                        
                           2) Extractbestimmung in Würze und
                                 
                                 										Bier; von Kjeldahl.
                              								
                           Indem Kjeldahl die Methode von Balling mit der pyknometrischen und directen Methode vergleicht, kommt er
                              									zu dem Schlusse, daſs die Differenzen zwischen der Balling'schen und der directen Methode zu klein sind, um für die Praxis
                              									von Wichtigkeit zu sein. Die directe Methode führt er in der Art durch, daſs er die
                              									Austrocknung in einem Glase auf vorher mit Salzsäure ausgezogenem und dann geglühtem
                              									Sande vornimmt. Nach 2 bis 3 Tagen wird das Gewicht constant. W. Schultze, der im Bayerischen
                                 										Bierbrauer, 1878 S. 19, 39, 248 denselben Gegenstand behandelt, kommt ohne
                              									Sand zu demselben Resultate, indem er auf Uhrgläsern im Luftbade bei Temperaturen
                              									von 75 bis 80° trocknet. Nach seinen Versuchen bewirkt eine höhere Temperatur die
                              									Zersetzung und in Folge davon die Unbestimmbarkeit des Extractes. Kjeldahl gibt a. a. O. im französischen Texte nichts
                              									über die Temperatur an; im dänischen aber finden sich die Ziffern 97° und 100°; nur
                              									kann ich nicht verstehen, welche davon gilt.
                           
                        
                           3) Bestimmung des Alkoholes im Biere;
                                 										von Kjeldahl.
                              								
                           Der Verfasser theilt hier eine Untersuchung der verschiedenen Methoden der
                              									Alkoholbestimmung mit, wie sie durch Destillation, auf saccharometrischem Wege und
                              									nach den Formeln von Reischauer, Balling, Otto, Zenneck
                              									und Korschelt erhalten werden. Das Ergebniſs von 24 verschiedenen
                              									Proben, bei welchen uns zugleich auch die vollständige Bieranalyse mitgetheilt wird,
                              									geht dahin, daſs die Formeln von Reischauer und Korschelt im Allgemeinen am besten mit den Resultaten
                              									der Destillationsmethode stimmen, und daſs die Formeln von Otto, Zenneck und die saccharometrische Berechnung in der Regel etwas zu
                              									hohe Ziffern liefern. Für die Praxis, meint Kjeldahl,
                              									sei die Formel von Reischauer (vgl. 1868 189 400)Vgl. auch Heiſs: Die Bierbrauerei, 6. Auflage, S. 299.
                                    												Reischauer: Die Chemie des Bieres, S.
                                    											328. die beste; sie heiſst:
                           
                              A=\frac{P\mbox{ für }\frac sS}{S}.