| Titel: | Ueber amerikanische Dampfmaschinen; von Professor J. F. Radinger. | 
| Autor: | J. F. Radinger | 
| Fundstelle: | Band 229, Jahrgang 1878, S. 311 | 
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                        Ueber amerikanische Dampfmaschinen; von Professor
                           									J. F. Radinger.
                        Mit Tabellenbeilage und Abbildungen.
                        Radinger, über amerikanische Dampfmaschinen.
                        
                     
                        
                           An die Spitze der Auszüge, welche wir mit gef. Genehmigung des Verfassers dem
                              									österreichischen Bericht über Dampfmaschinen der Weltausstellung in
                              										Philadelphia 1876 entnehmenJ. F. Radinger: Dampfmaschinen und Transmissionen in
                                       												den Vereinigten Staaten von Nordamerika. 44 S. Einleitung und 352
                                    											S. Text in gr. 8. Mit 256 Zeichnungen. Preis 6 M. (Wien 1878. Faesy und Frick.) Vgl. die Auszüge aus dem
                                    											Kapitel „Transmissionen“, nämlich über „Riementriebe“ 1878 228 385 und über „Zahnräder“ * S. 114 d.
                                    											Bd.D. Red., stellen wir die interessante Tabelle
                              									über die hervorragendsten Ausstellungsmaschinen. Dieselbe – in ihrer lichtvollen
                              									Anordnung kaum einer weiteren Erklärung bedürfend und sich logisch an die ähnliche
                              									Tabelle (vgl. 1875 215 14) des unermüdlich forschenden
                              
                              									Verfassers über die Wiener Weltausstellung 1873 anschlieſsend – gibt einen
                              									ausgezeichneten Ueberblick über die in Nordamerika giltigen Grundprincipien des
                              									Dampfmaschinenbaues. Man wird aus den nachfolgenden Beschreibungen einzelner
                              									Maschinen ersehen, daſs der Unterschied gegen unsere Praxis mehr in der Form als in
                              									dem Wesen begründet ist.
                           
                        
                           
                              Corliſs' neue Steuerung.
                              
                           Die seit 1875 von Corliſs in Providence gebauten
                              									Dampfmaschinen erhalten durchwegs die Steuerung, welche auf Taf. 24 nach einer
                              									authentischen und mit Bewilligung Corliſs' auf seinem
                              									Tische vom Verf. angefertigten Pause des Originalplanes einer Maschine von 660mm Cylinderbohrung und 1m,52 Hub in1/10 n. Gr. maſsstabsrichtig dargestellt ist.
                           Die Steuerung zeichnet sich dadurch vor ihren Vorgängern aus, daſs in ihr keine
                              
                              									Federn und keine Gewichte vorkommen, welche Kraftleistungen zu üben hätten; beide
                              									sind durch Luftdruckwirkungen ersetzt. Die Corliſs-Scheibe ist einfacher als früher
                              									und hat auſser ihrem Dreh- und dem Angriffspunkte der Excenterstange nur zwei
                              									Zapfen, an welchen je der Einlaſs- und der Auslaſsschieber der zugehörigen
                              									Cylinderseite hängen. Ihr Hauptvortheil wird überdies erst am Schlusse der
                              									Beschreibung erkannt werden. Die oscillirenden Rundschieber der inneren Steuerung
                              									blieben in der alten Form. In der Mitte des Cylinders steckt die Corliſs-Scheibe S am Zapfen T, um welchen
                              									sie etwa 40° nach
                              									vorwärts und ebenso viel nach rückwärts schwingt. Die Bewegung wird ihr am Zapfen
                              										c durch die Excenterstange übermittelt, die statt
                              									von der rechten Seite, wie deutlichkeitshalber gezeichnet, von der linken Seite
                              									herkommend zu denken ist. In der Seitenansicht Fig. 3 der
                              									Scheibe bedeutet der schwarze Schlitz die Einsteckhülse für einen Handhebel beim
                              									Angehenlassen der Maschine. In der Scheibe stecken die beiden Zapfen a und b, von welch jedem,
                              									wie bei a (Fig. 2)
                              									gezeichnet, die Zugstange z für die Einströmung und z1, für die Ausströmung
                              									wegziehen. Ueber a1,
                              										d1, und z1 welche durch B die Ausströmung besorgen, ist nichts zu bemerken.
                           Die Welle A des Einlaſsschiebers ruht auſser in ihrer
                              									Stopfbüchse noch im vorgelagerten Auge des Gehäusedeckels g, an welchem eine feste Platte E mit den
                              									Zapfenträgern e und q
                              									angegossen ist. Die Welle A des Einlaſsschiebers trägt
                              									nun einen einfachen Hebel, an dessen Endzapfen die Stange p hängt. Diese greift den Zapfen o eines
                              									Kolbens l an, dessen unterer Theil mit Lederstulp
                              									gedichtet, dann als Vacuumpumpe dient, wenn er in die Höhe gezogen wird. Wird er
                              									dann wieder frei, so drückt ihn der Atmosphärendruck räch nieder, wobei die obere
                              									Erweiterung des Kolbens als Luftpuffer dient und eventuell auf eine Lederplatte
                              									auftreffen würde, falls der Luftpolster nicht ausreichen sollte. Unten am Boden
                              									enthält der Vacuumraum ein kleines Druckventil, welches bei undichtem Stulpen durch
                              									Auslassen der eingesickerten Luft zur Wirkung käme.
                           Vom Zapfen o ragt ferner noch die Flachstange n1 nach aufwärts,
                              									welche oben mit der Stahlnase n endigt. Die Flachstange
                              										n1 wird durch eine
                              									kleine (in der Figur nicht gezeichnete) Feder, welche nichts zu thun hat, als das
                              									Umfallen der Stange zu verhüten, stets leise nach vorwärts gedrückt. Nun hängt am
                              									festen Zapfen e ein zweiarmiger Hebel H, welcher in Fig. 5 und
                              										6 deutlichkeitshalber ganz herausgezeichnet ist. An seinem rückwärtigen
                              									Theile, dem Zapfen d, greift die Zugstange z der Steuerscheibe an, wodurch sich sein vorderer
                              									Theil hebt. Dieser ist mit der harten Stahlschneide m
                              									versehen und greift mit dieser unter die Nase n. Hebt
                              									sich daher unter dem Zug der Stange z der Anschlag m des Hebels H, so wird
                              									durch m die Nase n der
                              									Stange n1 durch diese
                              									der Vacuumkolben l und durch deren Verbindungszapfen
                              										o gleichzeitig die Stange p gehoben, welche an der Kurbel A angreifend
                              									den Dampfeinlaſsschieber öffnet.
                           Nun ist der obere Theil der Nase n keilförmig gestaltet
                              									und steigt bei seinem Hube an einer Rolle r entlang,
                              									die am Winkelhebel s angebracht ist. Die von der
                              									Regulatormanschette herkommende Stange t rückt den
                              									Rollenträger s weiter vor oder weiter nach rückwärts,
                              									wodurch die Neigung der Stange n1 bestimmt wird, indem diese durch die Hinterfeder
                              									stets an die Rolle r angedrückt bleibt. Das Aufsteigen
                              									der Nase n erfolgt daher in schräger Richtung und der
                              									Weg ihrer
                           
                           Radinger: Ueber amerikanische Dampfmaschinen.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 229, S. 312
                              Firma; Angeblicher Effect; Maschine; Cylinderdurchmesser; Kolbenhub; Umdrehungen in 1 Minute; Kolbengeschwindigkeit für 1
                                 Secunde; Dampfrohr-Verhältnisse; Einströmungs-Durchm.; Ausströmungs-Durchm.; Einström.-Querschnitt; Cylinder-Querschnitt;
                                 Ausström.-Querschnitt; Dampfgeschwindigkeit; Dampfdruck; Kolbenstangen-Durchmesser; Führung; Länge; Breite; Auflagedruck;
                                 Kreuzkopfzapfen; Kurbelzapfen; Abnutzarbeit auf 1qc in 1 Secunde; Kurbellager; Wellendurchmesser; Breite; Gewicht; Schwungrad;
                                 Umfangsgeschwindigkeit in 1 Secunde; Gewicht der Maschine; Anmerkungen.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 229, S. 312
                              Firma; Ort; Anmerkungen; Corliſs Engine Co. (Balancier-Maschine); Corliſs Engine Co. (Liegende Maschine); Wheelock; Buckeye
                                 Engine Co.; C. H. Brown & Co.; Putnam Machine Co.; Robert Wetherill & Co.; William Wright & Co.; Hartford Foundry & Machine
                                 Co.; Goldie & McCulloch; Reliance Works; Erie City Iron Works; Providence; Worcester, Mass.; Salem, Ohio; Fitchburg; Chester,
                                 P.; Newburg, N. Y.; Hartford, Conn.; Galt, Ont.; Milwaukee, Wis.; Erie, New-York; Charles W. Ervien & Bros.; Bowser Prentiss
                                 & Falls; John W. Wilbraham Bros.; Jac. Naylor, People Works; Lane & Bodley; H. & F. Blandy; Ch. P. Gladwin; Supplee Steam
                                 Engine Co.; A. F. Brown; Hampson, Whitehill & Co.; Moorhouse & Co.; Philadelphia; Fort Wayne, Ind.; Cincinnati; Zanesville,
                                 Ohio; Columbia; New-York; Corliſs-Steuerung, Schwungrad verzahnt; Corliſs-Steuerung seit 1860 benutzt; Automatische Expansion;
                                 Nicht in der Ausstellung; Drosselregulator; Zapfen heiſs.; Bilgram-Steuerung.
                              
                           
                           
                           Arbeitskante muſs desto früher auſserhalb des Bogens fallen,
                              									welchen der hebende Anschlag m beschreibt, je weiter
                              									vorgerückt die Rolle r verharrt. Streift aber m über die sich zurückziehende Kante n, so zieht das Vacuum unter l das ganze, in die Höhe gezogene und nun frei gewordene System plötzlich
                              									zurück, der Schieber hinter A schlieſst die
                              									Dampfeinströmung und die Expansion beginnt.
                           Die Regulatorstangen sind hohle Schmiedeisenrohre und deren zweite t1 zieht für die andere
                              									Cylinderseite, vor Durchhängen an dem Träger x der
                              									festen Platte E geschützt, vorbei.
                           So ist diese Steuerung beschaffen, welche von Corliſs
                              									seit 1875 statt der früheren Mechanismen angewendet wird. Sie ist bereits an etwa
                              									100 Maschinen erprobt, und Verfasser fand dieselbe in manchem Exemplar, z.B. an der
                              										300e-Maschine von Fletcher's Spinning Mill in tadellosem Gange.
                           Erwähnt muſs noch werden, daſs der Vacuumcylinder an den neuesten Maschinen (1877),
                              									nicht an den Dampfcylinder selbst, wie noch die Zeichnung zeigt, gehängt, sondern
                              									ins Fundament auf einen Stein gesetzt wird. Je länger nämlich die Stangen n und p sind, desto
                              									zwangloser wird ihre Wirkung, und die Maschine selbst erfährt weniger von dem Ruck,
                              									welchen das Spiel des Luftkolbens, wenn auch elastisch, bringt. Auch wird es stiller
                              									im Maschinenhause. Die Zusammenstellung dieser ganzen Steuerung zeigt Fig.
                                 										1.
                           Der Hauptvortheil dieser Anordnung liegt nun in der vollständigen Entlastung der
                              									Schieberstange von den Auſsenkräften. Denn während diese bei den früheren Systemen
                              									einen Winkelhebel trug, an dessen einer Seite der öffnende und an dessen anderer
                              									Seite der schlieſsende Zug angriff, und die Schieberstange als Drehpunkt beider die
                              									Summe der Züge erfuhr, unter diesen in Führung und Stopfbüchse lag und selbst auf
                              									den Schieber reagirte, – entfällt hier auf das Schieberstangen-Ende nur der einfache
                              									Zug zur Ueberwindung der Reibung. Der ganze, den Schluſs besorgende Zug des
                              									Vacuumkolbens hängt hier, ohne einen Drehzapfen und am wenigsten das heikle
                              									Schieberstangen-Ende zu passiren, direct an der hebenden Nase, und dies war das
                              									Hauptmotiv der gründlichen Aenderung, welche Corliſs an
                              									seinem System vornahm, während er sonst nichts an seiner übrigen Steuerung zu
                              									verbessern fand.
                           Die Luftpumpen, welche Corliſs anwendet, sind stets vertical und bei liegenden
                              									Maschinen in einer Fundamentgrube zwischen Cylinder und Kurbellager untergebracht.
                              									Der Antrieb des Luftpumpenkolbens erfolgt mit einem Winkelhebel vom Kreuzkopfe aus;
                              									der aufrechte (treibende) Arm ist drei- bis viermal so lang als der betriebene. Die
                              									Lager für diesen Winkelhebel sind an den Luftpumpendeckel angegossen, und bei
                              									gröſseren Pumpen wird dieser Deckel durch starke Fundamentschrauben direct
                              
                              									niedergehalten.
                           Die beigegebenen Figuren 8
                              									und 9 Taf. 24 sind getreu nach der Constructionszeichnung einer solchen Pumpe
                              									hergestellt, welche im Juli 1876 in der Werkstätte zu Providence angefertigt wurde.
                              									Der Kolbendurchmesser beträgt 813 und der Hub 305mm. Die Wand der hohlen Sockelplatte ist 28mm stark. Der Auſsendurchmesser des Luftpumpen-Cylinders beträgt 889mm, wodurch sich dessen Wandstärke eingeschlossen der
                              									Bronze-Auskleidung auf 38mm stellt. Die hohle
                              									Kolbenstange ist als Taucherkolben auf gröſstmöglichste Länge der Zugstange gelöst,
                              									die untere Schale gemeinsam mit der oberen durch eine lange Bügelschleife anzuziehen
                              									und das Ganze ohne besondere Geradführung an den Antriebshebel gehängt.
                           Es sind nur zwei Ventilsysteme vorhanden, deren jedes aus sechs
                              									Gummitellern besteht. Der Kolben, sowie der ganze obere Ventileinsatzdeckel und die
                              									hohle Kolbenstange sind aus Bronze. Corliſs braucht
                              									eben mit nichts zu sparen, denn ihm wird Alles bezahlt. Wie der obere
                              									Ventileinsatzdeckel durch Druckschrauben von auſsen niedergepreſst wird, ist aus der
                              									Zeichnung klar. Die Ventilplatten können sich nicht nur am Rand, sondern mit der
                              									ganzen Fläche erheben.
                           Erwähnt muſs noch die Dichtung des Kolbenumfanges und der beiden
                              									Stopfbüchsen werden. Diese geschieht in der in Fig. 10 und
                              										11 in ⅕ n. Gr. gezeichneten Art durch verschnittene Ahorn-Holzkörper,
                              									welche durch je zwei hinterlegte Kautschukrohre für den Anfang elastisch gemacht
                              									sind. Nach kurzem Betrieb wächst dieses Holz gleichsam zu einem einzigen Körper
                              									zusammen, der, im warmen Wasser und auf den Bronzeflächen laufend, jahrelang dicht
                              
                              									hält und kaum eine Abnutzung zeigt.
                           
                              
                                 (Fortsetzung folgt.)