| Titel: | Ueber amerikanische Dampfmaschinen; von Professor J. F. Radinger. | 
| Autor: | J. F. Radinger | 
| Fundstelle: | Band 229, Jahrgang 1878, S. 413 | 
| Download: | XML | 
                     
                        Ueber amerikanische Dampfmaschinen; von Professor
                           									J. F. Radinger.
                        (Fortsetzung von S. 314 dieses Bandes.)
                        Mit Abbildungen.
                        Radinger, über amerikanische Dampfmaschinen.
                        
                     
                        
                           
                              Wheelock's Dampfmaschine.
                              
                           Einer der besten und schönsten und der zweitgröſste aller Motoren im Dienste der
                              									Ausstellung war die „150pferdige“ Dampfmaschine von Jerome Wheelock in Worcester, Maſs., welche die Transmission der
                              									Landwirthschaftshalle betrieb.
                           Wheelock's lang bestehende Fabrik hat einen guten Ruf
                              									in den Yankee-Staaten und ist Specialität im Neubau und der Reparatur von
                              									Dampfmaschinen. Im Neubau steigt sie von 5e
                              									aufwärts ohne Grenze, und die gleich zu besprechende Ausstellungsmaschine und deren
                              									automatisch variable Steuerung mag als ein Muster ihrer Arbeit dienen; in der
                              									Reparatur ist sie derart mit Special Werkzeugen ausgerüstet, daſs sie Nachbohrungen
                              									von Cylindern u. dgl. in
                              									kürzester Zeit an Ort und Stelle und ohne Demontirung des Cylinders vornimmt.
                           Die Ausstellungsmaschine zeigte in der Hauptanordnung die moderne Form des
                              									Colonnenbalkens; sie ging schwer belastet, aber tadellos und ruhig mit einer
                              									Kolbengeschwindigkeit von fast 2m,5 in der
                              									Secunde. Sowohl ihre Construction, als auch ihre Ausführung trugen den Stempel
                              									unübertrefflicher Sorgfalt und vielfältigster Erfahrung. Hauptverhältnisse sind:
                           
                              
                                 Cylinderdurchmesser
                                 0m,432
                                 Umdrehungen
                                           60 in 1 Min.
                                 
                              
                                 Kolbenhub
                                 1m,22
                                 Kolbengeschwindigk.
                                        2,44 in 1 Sec.
                                 
                              
                                 Einströmrohr-Durchmesser
                                 127mm
                                 Einströmfläche
                                 1/11,5
                                    											des Cylinders
                                 
                              
                                 Ausströmrohr       „
                                 152mm
                                 Ausströmfläche
                                 1/8,1       „         „
                                 
                              
                                 Dampfdruck
                                 5at
                                 Dampfgeschwindigk.
                                        28m  in 1 Sec.
                                 
                              
                                 Schwungrad-Durchmesser
                                 4m,88
                                 Umfangsgeschwindigk.
                                        15m,3 „ „   „
                                 
                              
                                            „       Breite
                                 650mm
                                 Radgewicht
                                        7000k
                                 
                              
                                 Effect der Maschine
                                 150e
                                 Gesammtgewicht
                                        13000k
                                 
                              
                                 Gewicht auf 1qc Cylinderfläche 9k,0.
                                 
                              
                           Diese Zahlen sprechen bereits, daſs die hohe Kolbengeschwindigkeit der Fabrik nichts
                              									Neues ist.
                           Der Dampfkolben besteht, wie die Zeichnung Fig. 1 bis
                              										3 Taf. 34 zeigt, aus einem hohlen Guſskörper mit zwei Dichtungsringen;
                              									diese bestehen je aus vier einzelnen, im Umfangssinne breit überplatteten und auch
                              									der Höhe nach überschnittenen Bogentheilen, welche auf der Innenseite je das eine
                              									Ende einer langen bogenförmigen federnden Stahlplatte angeschraubt enthalten. Diese
                              									Federn stemmen sich an den Grund der Dichtungsrinne und verleihen dem Kolben einen
                              									hohen Grad von Schmiegsamkeit und Elasticität, welcher um so eher gewahrt wird, als
                              									derselbe nicht durch den Druck von Kolbendeckelschrauben beeinfluſst und der Kolben
                              									selbst nicht verzogen werden kann.
                           Die Kolbenstange ist nicht mit Keil, sondern mit Hintermutter befestigt, deren Anzug
                              									dadurch erleichtert wird, daſs die Stange abgeflacht durch den Kolben geht.
                           Viele hundert solcher Kolben arbeiten in groſsen Dampfmaschinen,
                              									worüber die glänzendsten Zeugnisse vorliegen. Die groſsen Spinnereien in Fall River
                              									und Providence, R. L, viele Schifffahrts- und Bahngesellschaften u.a. versahen. sich
                              									alle mit denselben, und manche nach und nach für sämmtliche Maschinen. Daſs sie nach
                              									11 und 13 Monaten noch absolut dampfdicht befunden wurden, liegen glaubwürdige
                              									Zeugnisse vor, und selbst andere Maschinenfabriken beziehen ihre Dampfkolben von Wheelock. Die Verkaufspreise für diese Kolben sind 4
                              									Dollars für den Zoll Durchmesser des hohlen Kolbens, 6 Dollars für den Zoll
                              									Kolbendurchmesser für die Ringe und 50 Cents für den Zoll Kolbendurchmesser extra
                              									für den Einbauring; von Locomotiven 50 Dollars für das Recht. Zählung haar, ein
                              									Monat Probe.
                           Die Dampfzufuhr und Abfuhr zum Cylinder geschieht an der unteren Seite durch einen
                              									angegossenen Kasten mit flachem Doppelboden, der gleichzeitig zur Stützung des
                              									Cylinders auf zwei Endfüſsen dient, an welche er mit Stockschrauben von unten
                              									angeschraubt ist. Eine solche Schraube erscheint in der Zeichnung. Der Innentheil
                              									des Doppelbodens enthält den Kesseldampf, der von auſsen seitlich durch das Anlaſsventil zuströmt,
                              									während der Untertheil für den Auspuff benutzt ist.
                           Die Steuerung ist in der beigegebenen Zeichnung nach eigener Aufnahme maſsstabrichtig
                              									vorgeführt. Man entnimmt, daſs die Einströmung durch eine Art Corliſs-Schieber und
                              									die Ausströmung durch einen hohlen Rundschieber erfolgt, welche dicht bei einander
                              									unten an jedem Cylinderende als ein gekuppeltes Paar vorkommen, wobei der
                              									Auslaſshebel den Hauptantrieb aufnimmt. Die Excenterstange hängt ausschaltbar am
                              									vorderen Auslaſsschieber, wo sie in einen Handgriff verlängert ist, so daſs mit
                              									diesem das Anlassen durch die Hand oder ein Umsteuern der Maschine stattfinden kann,
                              									indem das ganze übrige Gestänge an diesem Hebel hängt. Der hintere Auslaſshebel
                              									folgt nämlich, durch eine starke Kuppelstange verbunden, genau den Schwingungen des
                              									vorderen Hebels, indem die Gegenseite des Excenterstangenzapfens als Kuppelzapfen
                              									dient. Nun trägt der Auslaſshebel nahe über seinem Drehpunkt einen Hinterzapfen, an
                              									welchem ein gabelförmiges Schmiedestück frei beweglich hängt, dessen oberer flacher
                              									Arm den Stahlanschlag für die Mitnehmung des Einlaſshebels enthält. Der untere
                              									gebogene Gabelarm nähert sich bei der Zugbewegung des Ganzen einem Ausrückdaumen,
                              									der ihn und damit auch den oberen flachen Arm in die Höhe drückt; letzterer läſst
                              									dabei den Einlaſshebel frei, der nun von einem Gegengewicht am Seitenarm in
                              									bekannter Art niedergezogen wird. Der Ausrückdaumen ragt oben aus der Nabe einer
                              									frei auf die Einlaſswelle gesteckten Kurbel vor, deren Arm nach abwärts und an der
                              									Regulatorstange hängt, wodurch die Lage des ausrückenden Daumens von der Höhenlage
                              									der Kugeln abhängig bleibt und die Füllung desto eher beendet wird, je höher diese
                              									stehen.
                           Die übrigen Details der Steuerung halten längst bekannte Formen ein. So ist der
                              									drehbare Stahlwürfel am Einlaſshebel, an welchem der Angriff erfolgt, an einer
                              									Rundstange geführt, deren inneres Ende am gemeinsamen Zapfen mit dem Auge der
                              									Mitnehmgabel hängt u.s.f. Erwähnt mag noch sein, daſs die Regulatorstange wohl von
                              									der niederhängenden Stellkurbel vorn zur rückwärtigen zieht, daſs jedoch der
                              									symmetrischen Lage des Schieberpaares halber dort die Bewegung umgekehrt als vorn
                              									eingreifen muſs, was durch Einschaltung eines kleinen Zwischenzahnrades erfolgt.
                           Füllungen sind hier, wie bei jeder ähnlichen Steuerung von einem Excenter aus, nur
                              									bis höchstens 40 Procent oder voll möglich; aber die vortheilhafte und elegante
                              									Lagerung der Schieber neben einander zeichnet diesen Motor vor allen
                              									Corliſs-Maschinen aus. Die oscillirenden Schieberstangen treten in ihre Dampfräume
                              
                              									ohne Stopfbüchsen ein. Sie sind mit den Schiebern innerhalb des Dampfraumes starr
                              									verbunden und dadurch gedichtet, daſs ihre Rohrführung im Deckel eine
                              									Bronze-Ausbüchsung enthält, welche sich wie ein Ventilsitz gegen einen Bund der Ventilspindel
                              									innenseits des Dampfraumes stemmt. Dieses Stemmen ist eigentlich ein nur wenig
                              									kräftiges Anlegen, wird durch die Hinterschraube an der Gegenseite des Schiebers
                              									bewirkt und nachgestellt und verursacht trotz völliger Dampfdichte so wenig Reibung,
                              									daſs der dampflose Schieber unter seinem Gewichte selbst ohne Gegengewicht
                              									niedersinkt. Während der Arbeit drückt wohl der Dampfdruck den Bund an seinen Sitz;
                              									nichts desto weniger spricht aber die Leichtigkeit der Handsteuerung auch in diesem
                              									Falle für die geringe Reibung dieses Ventilschluſses, der unter der Bewegung
                              									fortwährend eingeschliffen wird und dicht bleibt. Die Schieber haben Tragränder; die
                              									Erfahrung zeigt nun, daſs die Schieberstange sich gleichmäſsig mit dem Schieber
                              									abnutzt, und da der Dampfdruck letzteren stets gegen sein Gesicht drückt, kann die
                              									Stange mit ihrem dichtenden Bunde derselben immer folgen, und so erwächst auch hier
                              									keine Undichtheit und kein Zwang. Ueberdies ist die Steuerung in etwa 50 namentlich
                              									angeführten Exemplaren und zur höchsten Zufriedenheit ihrer Besitzer seit Jahren
                              									dauernd im Gang.
                           Der Regulator stand seitlich am Colonnenbalken; auf dem Tragrohr seiner Riemenwelle
                              									hing ein schwingender guſseiserner Hebel, der die Excenterstange näher an den
                              									Cylinder brachte, aber auch den Hub vergröſserte. Die Manchettenstange ragte unten
                              									aus der Tragsäule vor und beherrschte jenen Winkelhebel, der die Füllung regelt. So
                              									weit ist alles in der Zeichnung niedergelegt; das Uebrige folgt mehr dem normalen
                              									Plan: Die Geradführung war in der elliptischen Colonne des Balkens nach zwei
                              									Cylinderflächen ausgedreht, zu welchem Zwecke auſser den vier Verbindungsschrauben
                              									desselben mit dem Dampfcylinder noch zwei mittlere Bohrungen in der Kreisplatte
                              									waren, welche als Centrum der Führungsbohrungen dienten.
                           Der Kreuzkopf ist ein Corliſs-Kopf, welcher die 68mm dicke Kolbenstange mit Gewinde und Gegenmutter hält. Die
                              									Führungsschuhe, 300mm lang, 110mm breit, sind mit je vier Kopfschrauben stellbar
                              									und arbeiten mit 2k,7 Auflagedruck für 1qc. Der Zapfen ist mit dem Kopf in Einem. Die
                              									Schubstange war 3m,65 – sechsmal die Kurbel – lang
                              									und streng doppeltconisch, 102mm in der Mitte,
                              										70mm an den Enden dick; sie ging mit
                              									achteckigen Anklängen beiderseits in offene, 95mm
                              									hohe Bügelköpfe aus, deren einfache Construction je aus einer Auſsenzange und mit
                              									Vorderschraube geklemmten Theil bestand. Die Kurbel war aus Guſseisen mit blanken
                              									Seitenrippen, 50mm in der Hauptwand, 130mm in der Seitenansicht, 205mm am schmälsten Punkte der Vorderansicht breit.
                              									Der Zapfen war eingenietet, die Nabe maſs 150mm
                              									Länge und 410mm Durchmesser. Sie saſs dicht an der
                              									Schale und die Entfernung vom Zapfen zur Lagermitte betrug 380mm. Der Seitenbalken schloſs sich mit einer 350mm hohen Stirnplatte an den 385mm breiten Lagerkörper mittels vier Schrauben an.
                              									Der Lagerkörper stand gleich dem Cylinder mit seiner Achse 800mm
                              									über dem Grund, über den sich die Lagerfüſse mit 1m,5 Breite erstreckten. Diese Lagerfüſse erhoben sich, je 200mm breit, bogenförmig über einen Hohlraum von 410
                              									bei 650mm Höhe und Breite und vereinigten sich
                              
                              
                              
                              									oben zum 585mm breiten Lagerkörper. Der
                              									übergreifende Deckel war jederseits nur durch eine mittlere Schraube niedergehalten
                              									und hielt die Welle mit seiner Unterfläche direct. Das Lager enthielt aber zwei
                              									Seitenschalen, deren äuſsere durch zwei Wangenschrauben stellbar war. Die
                              									Abmessungen der Hauptzapfen sind:
                           
                              
                                 
                                 Durchmesser
                                 Länge
                                 Auflagedruck
                                 Abnutzarbeit
                                 
                              
                                 
                                 mm
                                 mm
                                 k auf 1qc
                                 in 1 Sec.
                                 
                              
                                 Kreuzkopfzapfen
                                   80
                                   85
                                 68
                                 –
                                 
                              
                                 Kurbelzapfen
                                   80
                                 110
                                 66
                                 0,8
                                 
                              
                                 Kurbellager
                                 210
                                 410
                                      6,8
                                    0,21.
                                 
                              
                           Der Excenterring bestand aus Guſseisen mit Weiſsmetall-Innenflächen. Die Welle hatte
                              										230mm, das Schwungrad 4m.88 Durchmesser und übertrug seinen Effect unter
                              										15m,3 Umfangsgeschwindigkeit und 650mm Breite durch einen einfachen 550mm breiten, 7mm,5 dicken Riemen. Es hatte zehn gerade Arme, je 125mm auſsen, 155mm
                              									an der Nabe hoch. Der Kranz war E-förmig, 28mm im
                              									Haupttheil, 68mm über die Endräder dick. Der
                              
                              									Mitteltheil hatte auf 120mm Breite 53mm Dicke. Die Nabe lag auf der auf 250mm verstärkten Welle 480mm lang auf. Das Rad war herrlich lackirt,
                              
                              									zweitheilig im Guſs, am Kranz mit Innenflanschen und je vier neben einander
                              									stehenden, die Nabe durch jederseits zwei je 40mm
                              									dicke Bolzen mit vergoldeten Muttern verschraubt. Es wog angeblich 7t. Die Maschine soll im Ganzen 13t (9k auf 1qc Cylinderquerschnitt) schwer sein. Bei
                              
                              									Normalarbeit und 1at im Schieberkasten wird 2½
                              									Pfund engl. (1k,12) Kohlenverbrauch für 1 Stunde
                              									und 1e indicirt bei der nicht condensirenden
                              									Maschine versprochen oder garantirt.
                           
                              
                                 (Fortsetzung folgt.)