| Titel: | Die Jodindustrie in Frankreich; von C. Deite. | 
| Autor: | C. Deite | 
| Fundstelle: | Band 230, Jahrgang 1878, S. 53 | 
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                        Die Jodindustrie in Frankreich; von C.
                              								Deite.
                        Deite, über die Jodindustrie in Frankreich.
                        
                     
                        
                           Das vorige Jahr brachte uns einen interessanten Artikel über Jodgewinnung von E. C. C. Stanford (vgl. 1877 226 85), der vorzugsweise die schottischen Verhältnisse berücksichtigt.
                              									Der Verfasser erwähnt dabei, welch gefährlicher Concurrent der schottischen
                              									Industrie in dem chilenischen Jod erwachsen ist, welches aus den Mutterlaugen bei der Verarbeitung der
                              									Caliche von Peru gewonnen wird; dies gilt auch für die französischen Verhältnisse.
                              									Die einst so blühende französische Jodindustrie hat nicht minder unter dieser
                              									Concurrenz und dem dadurch bedingten gewaltigen Preisrückgang zu leiden gehabt. Der
                              									Preis für 1k Jod betrug in Frankreich 1871/72 97
                              									Franken, Ende 1876 nur 20 Fr. und ist 1877 nur wieder auf 24 Fr. gestiegen. In Folge
                              									dessen ist ungefähr die Hälfte der französischen Jodfabriken eingegangen, und
                              									beinahe der ganze RestIn mehreren Lehrbüchern der Chemie und chemischen Technologie ist angegeben,
                                    
                                    											daſs in Frankreich nur zwei Jodfabriken vorhanden sind: dies ist nicht
                                    											richtig. Pellieux schätzt die Zahl der jetzt
                                    											noch existirenden Jodfabriken auf 10 bis 12. Auf der Ausstellung ist die
                                    											französische Jodindustrie durch 7 Firmen vertreten: Carof und Comp. in Ploudalmézeau, Gebrüder
                                       												Glaizot in Abervrach, Gebrüder De
                                       												l'Ecluse-Trévoédal in Audierne, Mazé-Launay
                                       												und Pellieux in Kerhuon, Paisant und
                                       												Comp. in Pont-l'Abbé, Pellieux und A.
                                       												Mazé-Launay in Kerhuon und F. Tissier
                                    											in Conquet. fristet nur dadurch ein kümmerliches Dasein, daſs
                              									unterm 31. März d. J. zwischen den chilenischen, französischen und schottischen
                              									Fabriken eine Vereinbarung, vorläufig auf 2 Jahre, zu Stande gekommen ist. Schuld
                              									daran, daſs die meisten französischen Fabriken die chilenische Concurrenz nicht
                              									auszuhalten im Stande sind, ist vor allen Dingen das jetzt noch in Frankreich fast
                              									allgemein übliche unvollkommene Verfahren der Gewinnung und Verarbeitung der Tange,
                              									wie dies schlagend nachgewiesen ist in einer Broschüre: „L'industrie française de l'iode à l'exposition de 1878,“ die von
                              										J. Pellieux verfaſst und von Pellieux und Mazé-Launay zusammen mit ihren Fabrikaten
                              									ausgestellt ist. Die erwähnte Broschüre, die ich der Güte des Hrn. Pellieux verdanke, liegt hauptsächlich der folgenden
                              									Darstellung zu Grunde.
                           Von den 400 bis 500 Fucusarten, welche an der Westküste Frankreichs gefunden werden,
                              									eignen sich höchstens ein Dutzend zur Jodfabrikation; verarbeitet werden
                              									hauptsächlich: Fucus vesiculosus, nodosus, siliquosus,
                                 										serratus (diese vier heiſsen in Frankreich goëmons
                                 										noirs), loreus (lacets), esculentus, bulbosus (tuet), saccharinus (frisou), digitatus
                                 										stenolobus (thali) und digitatus stenophyllus (calcut). Jede dieser
                              									Algen wächst in einer bestimmten Tiefe des Meeres; je tiefer eine Species wächst, um
                              									so reicher ist sie an Jod. Setzt man den Jodgehalt von Digitatus stenophyllus = 100, so repräsentiren:
                           
                              
                                 Digitatus
                                       												stenolobus (calcut)
                                 neues LaubStengelaltes Laub (goëmons
                                       												d'avril)ganze Pflanze
                                 122,89109,3358,0366,16
                                 
                              
                                 
                                    Saccharinus
                                    
                                         "
                                 45,48
                                 
                              
                                 
                                    Vesiculosus
                                    
                                    Nodosus
                                    
                                    Serratus
                                    
                                    Siliquosus
                                    
                                 goëmons noirs (im
                                    											Mittel)
                                 12,14
                                 
                              
                                 Esculentus (Alaria esculenta)
                                 10,84
                                 
                              
                                 
                                    Bulbosus
                                    
                                 7,83.
                                 
                              
                           
                           Doch ist zu bemerken, daſs der Gehalt an Jod sich bei
                              									derselben Art in Folge des Standortes ändern kann. Im Allgemeinen kann man sagen, je
                              									langsamer die Algen wachsen, um so reicher sind sie an Jod. Die Temperatur scheint
                              									bei der Assimilation des Jodes eine groſse Rolle zu spielen. Je weiter die Algen
                              									nach Norden wachsen, um so reicher sind sie an Jod. Auch ändert sich der Jodgehalt
                              									mit der Jahreszeit; das Maximum erreicht derselbe im Winter, das Minimum fällt auf
                              									Juni, Juli, August. Die durch die Jahreszeit bedingte Differenz kann bis zu 40 Proc.
                              									betragen.
                           Saccharinus und Digitatus
                              									wachsen in einer Tiefe von wenigstens 5 bis 11m
                              									unter dem niedrigsten Wasserstand zur Zeit der Ebbe und können nur zur Zeit der Ebbe
                              									mit eigens dazu ausgerüsteten Fahrzeugen gesammelt werden. Mit Hilfe von 5 bis 6m langen Stangen, die unten mit Sicheln oder Haken
                              
                              									versehen sind, werden die Algen losgerissen und steigen dann an die Oberfläche. Die
                              									Ostküste von Finistère hält eine Flotille von 1000 bis 1200 Fahrzeugen, die zum
                              									Sammeln der Algen bestimmt sind; dagegen lassen die Heftigkeit der Stürme, die
                              									Erhebung der Dünen über das Niveau des Meeres und die Unmöglichkeit zu landen diese
                              									Art des Sammelns an dem gröſsten Theile der Westküste nicht zu. Uebrigens hindert
                              									der Umstand, daſs gerade zur Zeit der groſsen Ebben das Meer sehr unruhig ist, oft
                              									genug das Sammeln der tief wachsenden Algen. Anstatt in so beschwerlicher Weise die
                              									Algen zu sammeln, nehmen die gewöhnlichen Varech-Brenner ihre Zuflucht zu den
                              									Schnitt- und Treibalgen, die mit leichter Mühe und in reichlicher Menge zu
                              									beschaffen sind. Mit dem Namen Schnittalgen (goëmons de
                                 										coupe) bezeichnet man die in sehr seichem Wasser wachsenden Fucus nodosus, serratus, vesiculosus, siliquosus und
                                 										loreus. Treibalgen (goëmons épaves) dagegen
                              									heiſsen alle diejenigen, welche an das Land getrieben werden, sei es, daſs sie in
                              									Folge erlangter Reife sich losgelöst haben, sei es, daſs sie durch Stürme
                              									losgerissen sind.
                           Die Zeit der Reife ist bei den verschiedenen Fucusarten verschieden. Bulbosus beginnt im Juli sich loszulösen und wird im
                              									August reichlich ans Land getrieben; er ist einjährig, erreicht beträchtliche Längen
                              									(bis zu 5 und 6m) und gebraucht fast 4 Monate, um
                              									sich vollständig zu entwickeln. Saccharinus reift gegen
                              									den September und löst sich im October und November. Digitatus stenolobus entledigt sich alle Jahre im April seines alten
                              									Laubes. Da diese Alge sehr häufig ist, so bildet sie in manchen Gegenden mehr als
                              									die Hälfte der jährlichen Ernte. Digitatus stenophyllus
                              									ist mehrjährig, woraus sich unzweifelhaft sein bedeutender Jodgehalt erklärt.
                              									Vermöge seiner gewaltigen wurzelartigen Ausbreitungen sitzt er sehr fest auf den
                              									Felsen, von wo er gewöhnlich im Sommer nur durch die langen Sicheln der Fischer oder
                              									durch die heftigen Stürme des Winters losgerissen wird.
                           Die Treibalgen kommen erst an die Küste, nachdem sie mehrere Tage im Meere umhergetrieben
                              
                              									sind. Dieser kurze Aufenthalt im Meere kann ihre Beschaffenheit sehr bedeutend
                              									ändern, ohne daſs die äuſsere Erscheinung diese Veränderung andeutet, Aus
                              									zahlreichen Versuchen, welche Pellieux angestellt hat,
                              									geht hervor, daſs Algen, nach einem Aufenthalt im Meere:
                           
                              
                                 von
                                 2
                                 Tagen nur
                                 59
                                 Proc. des ursprünglichen Jodgehaltes
                                 
                              
                                 
                                 3
                                 
                                 39
                                 
                                 
                              
                                 
                                 4
                                 
                                 28
                                 
                                 
                              
                                 
                                 5
                                 
                                 27
                                 
                                 
                              
                                 
                                 6
                                 
                                 26
                                 
                                 
                              
                                 
                                 7
                                 
                                 25
                                 
                                 
                              
                                 
                                 8
                                 
                                 19
                                 
                                 
                              
                                 
                                 9
                                 
                                 8
                                 
                                 
                              
                                 
                                 10
                                 
                                 7
                                 
                                 
                              
                           zeigen. Ein weiterer Uebelstand bei den Treibalgen ist, daſs
                              									verschiedene Arten unter einander gemischt angetrieben werden, und daſs in diesen
                              									Gemengen jodarme Algen vorwalten.
                           Mit alleiniger Ausnahme der Fabriken von Mazé-Launay und
                                 										Pellieux werden die Tange in Frankreich in der primitivsten Weise
                              									verarbeitet. Noch heute wie vor 50 Jahren werden dieselben von den Küstenbewohnern
                              									in offenen Gruben eingeäschert. Ueber die mannigfachen Nachtheile, welche dieses
                              									Verfahren im Gefolge hat, ist oftmals geschrieben worden, und hat bekanntlich Stanford bereits i. J. 1862 empfohlen, die Algen zu
                              									destilliren. Die Nachtheile des Verfahrens sind kurz folgende. Die Tange können in
                              									den Gruben nur trocken verbrannt werden; auch kann dies nur bei gutem Wetter
                              									geschehen. Die ganze Fabrikation ist deshalb auf die heiſsen Monate Juli, August,
                              									September und Anfang October beschränkt. Der Varech-Brenner hat übrigens noch ein
                              									besonderes Interesse mit dem Brennen nicht vor dem Juli zu beginnen. Seit einiger
                              									Zeit sind diese Tange ein sehr gesuchtes Düngemittel, und so findet am 24. Juni an
                              									der Ostküste von Finistère ein groſser Markt für dieselben statt, zu welchem die
                              									Landwirthe aus dem Innern erscheinen. Nur was diese übrig lassen, wird
                              									eingeäschert.
                           Ein groſser Uebelstand ist, daſs der Varech-Brenner keine Rücksicht auf die
                              									Beschaffenheit des Materials nimmt; er verwendet das, was am bequemsten zu
                              									beschaffen ist, d.h. die verhältniſsmäſsig an Jod armen Schnittalgen und Treibalgen
                              									des Sommers, während er die weit bessern Treibalgen des Winters verloren geben muſs,
                              									da er sie nicht zu trocknen vermag. Eine groſse Quelle des Jodverlustes ist das
                              									Trocknen der Algen. Der Varech-Brenner ist genöthigt, den Tang im Freien
                              									auszubreiten, ohne ihn den Einflüssen der Witterung entziehen zu können. Die Algen
                              									sind gegen letztere auſserordentlich empfindlich und werden durch sie noch mehr
                              									verschlechtert als durch das Salzwasser des Meeres. Der Seetang kommt nur nach Sturm
                              									und den Regen bringenden Westwinden reichlich an die Küste, und dem reichlichen Antrieb folgt gewöhnlich
                              									in 2 bis 3 Tagen Regen. Der zu kleinen Haufen aufgeschichtete frische Seetang geht
                              									nach wenigen Tagen in Gährung über und verliert dabei die Hälfte seines Gewichtes
                              									und seiner Salze. Während man nur 16 bis 18t durch
                              									Kähne aus dem Meere gesammelte und grün verbrannte Algen nöthig hat, um 1t Soda mit einem Gehalt von 14 bis 20k Jod zu erhalten, also etwa 1t frischen Tang für 1k Jod, gebraucht man von demselben Tang, wenn er getrocknet ist, 25 bis
                              										65t, um 1t
                              									Soda mit 7 bis 14k Jodgehalt zu gewinnen, d.h.
                              									durchschnittlich 2t,3 dieses getrockneten Tanges
                              									für 1k Jod.
                           Mit dem Ausbreiten der Algen auf dem sandigen Ufer ist noch der groſse Uebelstand
                              									verbunden, daſs dieselben durch Sand sehr verunreinigt werden. Nach Pellieux kommen auf diese Weise 15 bis 25 Proc. Sand
                              									und andere Unreinigkeiten in den Varech; letzterer wird aber von den Brennern an die
                              									Fabriken nicht nach dem Gehalt, sondern lediglich nach dem Gewicht verkauft. Die
                              									Folge davon ist, daſs die Brenner auſser den Unreinigkeiten, die von selbst hinein
                              									kommen, noch groſse Mengen Sand hinzuthun, um das Gewicht zu vermehren, und zwar um
                              									so mehr, je stärker die Nachfrage nach Varech ist. Im J. 1871 kostete 1t Varech 85 Franken und die Production betrug
                              										9500t; 1872 stieg der Preis auf 125 Fr. und
                              									die Production auf 15000t. Pellieux behauptet, daſs zu diesen 15000t nicht mehr Tang verbraucht wurde als zu den 9500t in 1871 und die höhere Production lediglich dem
                              									Zusatz von Sand zuzuschreiben ist! Nach Einführung des chilenischen Jodes fielen
                              
                              									Preis und Production von Varech ganz bedeutend. Es betrug:
                           
                              
                                 im J.
                                 1873
                                 die Varech-Production etwa
                                 9000t, der Preis
                                 95 Franken
                                 
                              
                                 
                                 1874
                                 
                                 6000
                                 85
                                 
                              
                                 
                                 1875
                                 
                                 4000
                                 70
                                 
                              
                                 
                                 1876
                                 
                                 3500
                                 65
                                 
                              
                                 
                                 1877
                                 
                                 2500
                                 70.
                                 
                              
                           Bei einem Preis unter 80 Fr. für 1t Varech ist es für den Brenner vortheilhafter, seinen Tang an die
                              									Landwirtschaft zu verkaufen.
                           Die Einzigen in Frankreich, die sich von den Varech-Brennern unabhängig gemacht
                              									haben, sind, wie schon erwähnt, Pellieux und
                                 										Mazé-Launay. Dieselben verschmähen auch die gewöhnlichen Schnitt- und
                              									Treibalgen des Sommers und verarbeiten in 8 Fabriken, die sie auf mehreren kleinen
                              									Inseln und an mehreren Punkten der Küste von Finistère errichtet haben,
                              									hauptsächlich Algen, welche mit eigens dazu ausgerüsteten Fahrzeugen gesammelt sind,
                              									und nur so weit diese nicht hinreichend sind, werden auch Treibalgen des Winters
                              									verwendet, diese aber nur nach vorausgegangener Untersuchung. Die Einäscherung der
                              									Algen erfolgt das ganze Jahr hindurch, ohne daſs dieselben zuvor getrocknet werden.
                              									Die genannten Industriellen haben in ihren Fabriken terrassenartige Erhöhungen
                              									errichtet, welche aus drei Absätzen bestehen. Auf der obersten Fläche, die nicht cementirt ist, werden
                              									die ankommenden Algen aufgeschichtet und bleiben hier 4 bis 5 Tage liegen, um
                              									abzutropfen. Das abflieſsende Wasser wird nicht gesammelt, da es nicht jodhaltig
                              									ist. Am sechsten Tage kommen die Algen auf die demnächst folgende tiefere Fläche,
                              									welche viel gröſser ist als die erste, und auf ihr läſst man die Algen gähren. Zu
                              									dem Zweck werden sie in Haufen von 50 bis 60cm
                              									Höhe aufgeschichtet und zwei bis drei Mal gewendet. Nach 48 Stunden haben sie den
                              									gewünschten Grad der Fermentirung erreicht. Sie kommen sodann auf die unterste
                              									Fläche und sind nunmehr für die eigentliche Verarbeitung genügend vorbereitet. Der
                              									Saft, welcher bei der zweiten und dritten Lagerung abflieſst, wird sorgfältig in
                              									weiten Cysternen gesammelt; er zeigt 7 bis 8° B. und ist reicher an Jod als die
                              									Algen selbst. Dieser Saft geht verloren, wenn die Algen im Freien ausgebreitet und
                              									getrocknet werden, und ist dies eine Hauptquelle des Jodverlustes bei dem
                              									gewöhnlichen Verfahren. (22000t des bezeichneten
                              									Saftes geben 1t Salz [salin] mit einem Gehalt von 20k,2 Jod.)
                              									Dieser Saft kommt in flache, 10 bis 15cm lange und
                              										1m breite Pfannen, die über den Oefen zum
                              									Eindampfen aufgestellt sind. Hier beginnt der Saft sich zu concentriren und gelangt
                              									dann in die Eindampföfen selbst, wo er bis auf 32° B. eingedickt wird. Wenn er aus
                              									diesen Oefen kommt, ist er mit Theer und andern empyreumatischen Producten gemischt.
                              									Er wird dann gemeinschaftlich mit den Algen in Calciniröfen eingeäschert. 12t,6 Algen liefern jetzt bei Pellieux und Mazé-Launay durchschnittlich 1t Soda mit einem Gehalt von 10k,5 Jod; dagegen hatten die 4500t Varech des Handels, welche von 1868 bis zur
                              									Einführung des neuen Verfahrens in Kerhuon verarbeitet wurden, einen
                              									Durchschnittsgehalt von 3k,15 Jod. Pellieux gibt folgende Calculation für 1t Varech nach seinem System:
                           
                              
                                 12t,6 frische Algen zu 4,75
                                    											Franken
                                 59,85
                                 Fr.
                                 
                              
                                   0t,8 Steinkohlen zu 22,00
                                    											Fr.
                                 17,60
                                 
                                 
                              
                                 Fabrikationsunkosten
                                 25,00
                                 
                                 
                              
                                 Reparaturen, Zinsen u. dgl.
                                 4,50
                                 
                                 
                              
                                 
                                 –––––––––––
                                 
                              
                                 
                                 106,95
                                 Fr.,
                                 
                              
                           d.h. bei einem Gehalt von 10k,5 Jod in 1t Soda für 1k Jod 10,20 Fr., während bei dem gewöhnlichen
                              									Varech mit einem Durchschnittspreis von 85 Fr. und einem Durchschnittsgehalt von
                              										3k Jod in der Tonne 1k Jod 28,35 Fr. kostet.
                           Nach Pellieux enthält der gewöhnliche Varech des Handels
                              									durchschnittlich 42 Proc. lösliche Salze, und zwar:
                           
                              
                                 Chlornatrium (mit Spuren von kohlens. und schwefels.
                                    											Natron)
                                 23
                                 
                              
                                 Chlorkalium
                                 12
                                 
                              
                                 Schwefelsaures Kali
                                 7
                                 
                              
                                 
                                 –––
                                 
                              
                                 
                                 42,
                                 
                              
                           
                           der nach seinem Verfahren dargestellte dagegen 57 Proc.
                              									lösliche Salze in folgender Zusammensetzung:
                           
                              
                                 Chlornatrium und schwefelsaures Natron
                                 21,15
                                 
                              
                                 Kohlensaures Natron
                                 5,10
                                 
                              
                                 Chlorkalium
                                 28,25
                                 
                              
                                 Schwefelsaures Kali
                                 2,50
                                 
                              
                                 
                                 ––––––
                                 
                              
                                 
                                 57,00.
                                 
                              
                           Die weitere Behandlung des Varech ist bei Pellieux
                              									ebenfalls abweichend von dem gewöhnlichen Verfahren. Er laugt methodisch aus, wobei
                              									die Laugen eine Stärke von 30 bis 31° B. erlangen, dampft dieselben sodann auf 35°
                              									B. ein und calcinirt sie schlieſslich. Die Calcination, die ohne jeden Verlust an
                              									Jod vor sich gehen soll, hat den Zweck, die Schwefelalkalien und
                              									unterschwefligsauren Salze zu zersetzen, was sonst dadurch erreicht wird, daſs man
                              									die jodhaltigen Mutterlaugen mit Schwefelsäure versetzt. Pellieux wendet diese Methode nicht an, weil bei ihr durch Bildung von
                              									Jodwasserstoffsäure Verlust an Jod eintritt. Die calcinirten Salze werden abermals
                              									methodisch ausgelaugt; die ersten Laugen enthalten das Jodkalium und Jodnatrium. Ist
                              									kein Jod mehr in den Salzen, so werden sie getrocknet und als Düngemittel in den
                              									Handel gebracht. Die jodhaltenden Mutterlaugen werden eingedampft und calcinirt. Es
                              									resultirt ein weiſses Salz, welches 30 bis 35 Proc. Jod enthält. Durch kaltes
                              
                              									Auslaugen u.s.w. erhält man daraus ein Salz, das 72,4 Proc. Jodkalium und 27,6 Proc.
                              									Jodnatrium enthält, aus welchem in bekannter Weise das Jod dargestellt wird.
                           Die Gewinnung von Brom aus Varech ist in Folge der deutschen und amerikanischen
                              									Concurrenz fast allgemein aufgegeben. Pellieux meint,
                              									daſs bei seinem Varech, der weit Brom-reicher als der gewöhnliche Varech des Handels
                              									ist, die Darstellung von Brom mit Vortheil wieder aufgenommen werden kann.
                           Wir haben oben gesehen, daſs Pellieux die Salze, aus
                              									denen die Jodverbindungen extrahirt sind, ohne sie weiter zu trennen, als
                              									Düngemittel verkauft; früher wurden dieselben allgemein auf Chlorkalium und
                              									schwefelsaures Kali verarbeitet. Heute lohnt sich in Folge der Staſsfurter
                              									Concurrenz eine solche Verarbeitung nicht mehr; doch sind immer noch einzelne
                              									Jodfabrikanten, die sich damit befassen.
                           Welche Bedeutung die Varech-Industrie für Frankreich hat, ergibt die Thatsache, daſs
                              
                              									im Departement Finistère gegen 5000 Familien davon leben; die Einnahme, welche
                              									dieselbe erzielen, beläuft sich im Jahre auf ungefähr 2 Millionen Franken. Vor
                              									Einführung des chilenischen Jodes wurden in Frankreich im Jahre durchschnittlich
                              									13000 bis 14000t Varech verarbeitet und daraus
                              									gewonnen etwa 1800t Chlorkalium, 1200t schwefelsaures Kali, 2500t Natronsalze, 40t Jod und 5t Brom, nebst 5000 bis
                              										6000t Rückstände. Die Rückstände, die auf 100 Th. Trockensubstanz
                              									22,4 Th. kohlensauren Kalk und 9,4 Th. phosphorsauren Kalk enthalten, werden als
                              									Düngemittel verwendet und sind von der Landwirtschaft sehr begehrt.
                           Der gröſste Theil der französischen Jodfabrikanten bildete früher
                              									einen Verein; derselbe hatte 1873 in Wien eine Collectivausstellung seiner Producte
                              									veranstaltet, die sehr das Interesse der Chemiker erregte. Diesem Verein, dem Pellieux und Mazé-Launay ebenfalls als Mitglieder
                              									angehörten, machten die Genannten 1874 das Anerbieten für sämmtliche Mitglieder des
                              									Vereines die Darstellung von Varech übernehmen zu wollen. In Folge dieses
                              									Vorschlages kam im J. 1875 zwischen Pellieux und
                                 										Mazé-Launay und sechs anderen Jodfabrikanten ein Vertrag zu Stande, wonach
                              									die Erstgenannten die Darstellung von Varech nach ihrem Systeme für die übrigen
                              									Fabriken übernahmen. Das Quantum wurde vorläufig auf jährlich 5000 bis 6000t festgesetzt; an demselben sollten die einzelnen
                              									Fabriken nach einem bestimmten Verhältniſs Theil nehmen und den Varech nach seinem
                              									Jodgehalt bezahlen. Um die angegebene Menge Varech beschaffen zu können, war die
                              									Einrichtung neuer Fabriken und die Anlage neuer Oefen erforderlich. Als jedoch Pellieux und Mazé-Launay hierzu die Genehmigung
                              									nachsuchten, wurde ihnen dieselbe abgeschlagen oder wenigstens unter solchen
                              									Bedingungen ertheilt, die einer Abweisung gleich kamen. Zu verdanken hatten sie dies
                              									hauptsächlich der Opposition der Landwirthe, die sich in ihren Interessen bedroht
                              									glaubten, und des Gesundheitsrathes. Man hetzte die ganze Umgegend gegen Pellieux und Mazé-Launay auf, machte den Leuten weiſs,
                              									daſs sie durch das neue Verfahren ruinirt würden, und erklärte die dortige
                              									Schifffahrt durch den Dampf der Oefen für gefährdet. Die Folge davon war eine wahre
                              									Sturmfluth von Petitionen an den Präfecten, die nachgesuchten Concessionen nicht zu
                              									ertheilen. Man erreichte denn auch, daſs Pellieux und
                                 										Mazé-Launay verboten wurde, in den Monaten Mai, Juni und Juli zu brennen,
                              									damit durch den Rauch nicht die Blüthen des Getreides und der Apfelbäume Schaden
                              									litten; in den übrigen Monaten dürfe nur dann gearbeitet werden, wenn der Wind den
                              									Rauch nach dem Meere treibt (man bezog sich dabei auf Verordnungen aus den J. 1731
                              									und 1772). Als man um Revision dieser Bestimmungen ersuchte, wurde festgesetzt, daſs
                              									nicht fabricirt werden darf, wenn Westwind ist, wenn also der Wind den Rauch nach
                              									dem Lande treibt. (Dabei, sagt Pellieux, ist von 365
                              									Tagen im Jahr wenigstens an 275 Westwind an der Küste von Finistère!) Vergebens
                              									machten Pellieux und Mazé-Launay gegen diese
                              									Beschränkungen geltend, daſs ihr Verfahren in jeder Beziehung besser sei als das
                              									alte; daſs von einer Gefährdung der Gesundheit nicht die Rede sein könne, da der
                              									abziehende Dampf lediglich Wasserdampf sei; für die Schifffahrt sei es jedenfalls
                              									vortheilhafter, wenn nur wenige und der Lage nach bekannte Etablissements vorhanden
                              									wären, statt daſs jetzt eine groſse Anzahl Gruben bald hier, bald dort an den
                              									verschiedensten Punkten der Küste in Betrieb gesetzt würde. Um ja nicht den
                              									Interessen der Landwirtschaft zu nahe zu treten, erboten sich die genannten
                              									Industriellen nur im Meere gesammelte Algen zu verarbeiten und auf Schnitt- und
                              									Treibalgen ganz zu verzichten; sie wiesen ferner darauf hin, daſs durch ihre bereits
                              									bestehenden Fabriken keinerlei Unzuträglichkeiten verursacht würden. Alles
                              									vergebens! Alle ihre Reclamationen wurden entweder zurückgewiesen oder
                              									todtgeschwiegen. Die Folge war, daſs Pellieux und
                                 										Mazé-Launay die contractlich übernommenen Verpflichtungen nicht einhalten
                              									konnten, wodurch ein Proceſs entstand, welcher groſse Summen Geldes verschlungen hat
                              									und, so viel ich weiſs, heute noch nicht beendigt ist.