| Titel: | Ueber die Gewinnung des Schwefels mit überhitztem Wasserdampf; von Dr. G. Th. Gerlach in Cöln. | 
| Autor: | G. Th. Gerlach | 
| Fundstelle: | Band 230, Jahrgang 1878, S. 61 | 
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                        Ueber die Gewinnung des Schwefels mit überhitztem
                           								Wasserdampf; von Dr. G. Th. Gerlach in Cöln.Das Verfahren ist dem Verfasser in den meisten industriellen Staaten patentirt.
                                 										(Vgl. D. R. P. Nr. 229 vom 3. Juli 1877.)
                           							
                        Gerlach, über die Gewinnung des Schwefels.
                        
                     
                        
                           Bei Weitem die gröſste Menge des Schwefels kommt von Sicilien. Eingehende
                              									Schilderungen der dortigen Verhältnisse, des Vorkommens, der Mächtigkeit der Lager,
                              									der Art der Gewinnung, der Menge der Ausfuhr hat Lorenz
                                 										ParodiVgl. Wagner's Jahresbericht, 1875 S.
                                    										289., vormals Director der Gruben von Grottacalda. im Auftrage der
                              									italienischen Regierung gegeben. Eine sehr ausführliche Abhandlung über das
                              									Vorkommen des Schwefels und den eigenthümlichen bergmännischen Betrieb in Sicilien
                              									verdanken wir G. vom RathBerg- und hüttenmännische Zeitung, 1874 S.
                                    											243.; über verschiedene in Italien übliche Processe zur Gewinnung
                              									des Schwefels aus seinen Erzen hat E. PirckheyBerg- und hüttenmännische Zeitung, *1874 S. 343
                                    											und 351. eine vorzügliche Arbeit veröffentlicht, welcher
                              									ausführliche Calculationen über den Fabrikbetrieb beigegeben sind und welche
                              									auſserdem die angewendeten Apparate eingehend erklärt.
                           Ganz in der Kürze hebe ich aus diesen Arbeiten hervor, daſs in Sicilien bis zum J.
                              									1850 ausschlieſslich sogen. Calcarelle zum Ausschmelzen
                              									des Schwefels in Gebrauch waren, kleine Meiler von 2 bis 3m im Durchmesser; diese sind jetzt ersetzt durch
                              									die Calcaroni, d. s. aufgeschüttete kegelförmige
                              									Rösthaufen von Schwefelerzen von mindestens 200cbm
                              									Rauminhalt, die eine geneigte Sohle haben und von auſsen mit Kalksteinen oder
                              									Ziegeln ummauert sind; als Mörtel dient Kalk, Gyps oder Lehm. Ein solcher Haufen
                              									wird durch die am Boden der Seitenwände befindlichen Luftlöcher in Brand gesteckt,
                              									damit der flüssige Schwefel auf der Sohle abläuft und gesammelt werden kann. Als
                              									Brennmaterial wird also ein Theil Schwefel selbst verwendet. Sicilien, wie ganz
                              									Italien, besitzt kein Brennmaterial. Die Waldungen sind längst ausgerottet und die
                              									Steinkohle wird ausschlieſslich von England eingeführt.
                           Brieflichen Mittheilungen des Hrn. Emil Stöhr aus
                              									München, der früher den Fabrikbetrieb der Schwefelanlagen von Grotte bei Girgenti
                              									leitete, verdanke ich folgende Angaben: „Die Kohle kostet in den Häfen ungefähr 4
                                 										Franken für 100k, welcher Betrag durch den
                                 										Transport nach den Gruben meist auf 8 Fr. sich stellt. Wird die Heizkraft des
                                 										Schwefels auf ¼ jener der Kohle angenommen, wie es im Ganzen der Fall ist, so
                                 										entsprechen 400k Schwefel 100k Kohle; 100k Schwefel im Erze sind aber nur auf 2 Fr. zu veranschlagen; deshalb
                                 										ist für Gruben im
                                 										Innern des Landes selbst theoretisch der Schwefel ein billigeres Brennmaterial
                                 										als die Kohle.“
                           In diesen ganz eigenthümlichen Verhältnissen liegt der Grund, weshalb das an sich roh
                              									erscheinende Verfahren, den Schwefel in Calcaroni
                              									auszuschmelzen, sich bis jetzt in Sicilien erhalten hat, und daſs sich die Apparate,
                              									wie sie in der Romagna in Gebrauch sind, sich bis jetzt dort nicht einbürgern
                              									konnten.
                           Das sicilianische Schwefelerz ist ein mit Schwefel durchdrungener mergelartiger Kalk,
                              									in welchem häufig ein körniger oder pulverförmiger Anflug, Briseale genannt, vorkommt, der nichts Anderes als schwefelsaurer Kalk mit
                              									Wasser ist. Es liegen mir indeſs Sendungen von sicilianischen Schwefelerzen vor, wo
                              									der Schwefel in reinem Kalkspath eingesprengt ist, und wo sich vielfach Drusen von
                              									Kalkspathkrystallen vorfinden. In der Romagna hingegen sind es mehr oder weniger
                              									bituminöse kalkhaltige Mergellager, in denen sich der Schwefel vorfindet. Dies ist
                              									wohl auch der Grund, weshalb dort ein Ausschmelzen des Schwefels nicht vorgenommen
                              									wird, sondern die Gewinnung des Schwefels durch Destillation geschieht. Man benutzt
                              									hierzu dickwandige guſseiserne Retorten von birnförmiger Gestalt, von denen mehrere
                              									in einem gemeinsamen Kanal liegen, der mit feuerfesten Steinen gewölbt ist. Immer
                              									liegen zwei solcher Retorten sich gegenüber, woher diese Destillationsapparate den
                              									Namen „Doppioni“ erhalten haben.
                           Auſser dem Calcaroni- und Doppioni-Betrieb hat man versucht, den Schwefel mit gespanntem Dampf
                              									auszuschmelzen. Solche Dampfapparate sind von Jos.
                                 										Gill, später von E. und P. Thomas (*1869 191 36) und
                              										GrittiWagner's Jahresbericht, *1869 S. 163.
                              									construirt worden. Alle diese Dampfapparate bezwecken, den Schwefel mit gespanntem Wasserdampf von 3 bis 3at,5 auszuschmelzen. Es liegt denselben also das
                              									Princip zu Grunde, welches Schaffner in Aussig zuerst
                              									bei der Wiedergewinnung des Schwefels aus Sodarückständen angewendet hat.
                           Die Società privilegiata per la fusione dei solfi en
                                 										Italia, mit dem Hauptsitz in Mailand, hat dieses Verfahren des
                              									Ausschmelzens mit gespanntem Dampf an sich gebracht. Die Gesellschaft betreibt die
                              									Dampfschmelze auf eigene Rechnung in der Weise, daſs sie sich durch eine Quote der
                              									erzielten Rohproducte bezahlt macht, während der Rest dem Eigenthümer der Solfare verbleibt. Die Versuche wurden in Sicilien
                              
                              									zuerst ausgeführt, in ausgedehntem Maſse wurden die Apparate aber in Latera (Provinz
                              									Rom) zur Anwendung gebracht, nachdem sie durch Ingenieur E.
                                 										Pirckhey wesentlich verbessert worden waren.
                           Nach Nawratil (1878 227 289.
                              										228 366) schmilzt man in Swoszowice ebenfalls den
                              									Schwefel mit Wasserdampf von 140 bis 150° aus. Die angewendeten Apparate gleichen
                              									im Princip auſserordentlich den in Latera gebräuchlichen; indeſs sind doch
                              									wesentliche Aenderungen betreffs der Entleerung des entschwefelten Materials
                              										angebracht.Um mit wenigen Worten die Construction dieser Dampfapparate auch an dieser
                                    											Stelle zu erwähnen, sei bemerkt, daſs der aufrecht stehende Apparat aus zwei
                                    											in einander geschobenen Cylindern besteht, wovon der innere, welcher von
                                    											oben her mit Schwefelerzen chargirt wird, aus gelochtem Blech besteht, damit
                                    											die gespannten Wasserdämpfe, welche in den Apparat geleitet werden, sich
                                    											durch den ganzen Apparat gleichmäſsig verbreiten können. Der innere Cylinder
                                    											ist unten mit einem Gitter versehen, auf dem sich ein eisernes Drahtnetz
                                    											befindet, auf welches Weidenäste gelegt werden; hierauf ruhen die Erze.
                                    											Unter den Cylindern befindet sich eine guſseiserne, doppelwandige,
                                    											umgestürzte Glocke, welche mit Schrauben und Flanschen fest und hermetisch
                                    											an die beschriebenen Cylinder angepreſst wird. Der so zusammengestellte
                                    											Apparat ist in einem Gebälke passend gelagert. Der gespannte Dampf saigert
                                    											den Schwefel aus, welcher durch das Sieb filtrirt und in die innere heiſse
                                    											Glocke flieſst, von wo er mittels eines Hahnes in eiserne Gefäſse abgelassen
                                    
                                    											wird. Dem ganzen Apparat ist eine nach oben etwas verjüngte conische Form
                                    											gegeben, die obere Füllöffnung ist ein wenig enger als der Durchmesser des
                                    											unteren Gitterwerkes. Bei den Apparaten in Latera wird nach jeder
                              									Operation die doppelwandige (Hocke entfernt und das Gitterwerk beseitigt. Das
                              									entschwefelte Erz fällt wieder in den Schacht zurück, um in der Grube als Versatz zu
                              									dienen. In Swoszowice hingegen wird der Apparat nach der Ausschmelzung der Erze,
                              									ohne daſs man die Glocke abnimmt, so geneigt, daſs man das vom Schwefel befreite
                              									Gestein heraus krücken kann.
                           Mein Verfahren, den Schwefel zu gewinnen, besteht nicht in einem Ausschmelzen oder
                              									Aussaigern, sondern in der Verflüchtigung und Destillation des Schwefels unter
                              									gleichzeitiger Anwendung von überhitztem Wasserdampf.Ich kann es nicht mit Stillschweigen übergehen, daſs man mehrfach den
                                    												„gespannten“ Dampf, welcher zum Ausschmelzen des Schwefels in
                                    											diesen Apparaten benutzt wird, als „überhitzten“ Dampf bezeichnet. So
                                    											schreibt z.B. Nawratil in seinem erwähnten
                                    											Aufsatz: „Die Aussaigerung erfolgt mittels überhitzten Dampfes, welche
                                       												Methode Schaffner seit vielen Jahren zur
                                       												Aussaigerung des aus den Sodarückständen regenerirten Schwefels
                                       												verwendet.“ Auch anderwärts hat man von der Schwefelaussaigerung mit
                                    												„überhitztem Wasserdampf“ in Apparaten von E. und P. Thomas
                                    											gesprochen. Das Aussaigern bei 135° bei einem Drucke von 3at, oder das Aussaigern bei 140 bis 150°
                                    
                                    											bei einem Drucke von 3,5 bis 4at,5
                                    											geschieht aber lediglich mit „gespanntem Wasserdampf“. Die
                                    											Bezeichnung „überhitzter Wasserdampf“ ist in diesem Falle
                                    											unstatthaft. Ich habe ein Interesse daran, auf diesen Irrthum in der
                                    											Ausdrucksweise aufmerksam zu machen, da die Anwendung des überhitzten
                                    											Wasserdampfes zur Schwefelgewinnung als neu zu bezeichnen ist.
                              									Die Erze oder schwefelhaltigen Massen werden daher bis zum Schmelzpunkt des
                              									Schwefels, oder etwas höher, in eisernen oder thönernen Retorten oder zweckmäſsig
                              									construirten Oefen erwärmt und überhitzter Wasserdampf auf das heiſse Erz geleitet.
                              									Auch ähnliche Apparate, wie sie in Latera oder Swoszowice in Anwendung sind, können
                              									mit wenig Abänderung derselben zum Betriebe mit überhitztem Wasserdampf eingerichtet
                              									werden.
                           Ohne Anwendung von überhitztem Wasserdampf destilliren die Dämpfe des Schwefels nur
                              									äuſserst langsam und träge und nur bei hoher Temperatur, während bei Einführung von
                              									überhitztem Wasserdampf in die betreffenden Apparate die Destillation sehr rasch und
                              									bequem von statten geht. Während in geschlossenen Dampfkesseln mit erhöhter
                              									Temperatur auch die Spannung der Dämpfe steigt, kann man überhitzten Wasserdampf
                              									durch Hindurchleiten von Dampf durch glühende Röhren von jeder beliebigen Temperatur
                              									herstellen, ohne daſs er irgend eine erhöhte Spannung zeigt. Beim überhitzten
                              									Wasserdampf ist die Temperatur ganz unabhängig von seiner Spannung. Wird
                              									gewöhnlicher Wasserdampf durch einen zur Rothglut erwärmten Ueberhitzungsapparat
                              									geleitet, so tritt der Dampf mit der Temperatur des rothglühenden Eisens aus.Ein solcher überhitzter Wasserdampf ist bekanntlich dem Auge nicht sichtbar,
                                    											er verhält sich genau wie ein Gas. In diesem Dampfstrome verkohlt Holz und
                                    											Papier, kommt Siegellack, selbst Blei und Zinn, zum Schmelzen, und bei
                                    											genügender Erhitzung kann man an solchem Wasserdampf seine Cigarre in Brand
                                    											stecken. Die Einwirkung des überhitzten Wasserdampfes auf die
                              									Verflüchtigung des Schwefels ist höchst überraschend und erinnert an das Mitreiſsen
                              									der Borsäure durch Wasserdämpfe. In der Technik ward überhitzter Wasserdampf
                              									bekanntlich benutzt zur Destillation von Glycerin, ebenso zur Sublimation von
                              									Naphtalin und anderen flüchtigen Körpern.
                           Die überhitzten Wasserdämpfe reiſsen die Schwefeldämpfe in die mit Wasser gefüllte
                              									Vorlage herüber und verflüchtigen den Schwefel in kürzester Zeit. Es eignet sich die
                              									Anwendung des überhitzten Wasserdampfes zur Destillation des Schwefels in allen
                              									Fällen, wo der Schwefel seither durch Aussaigern oder durch Sublimation gewonnen
                              									wurde, sei es aus schwefelhaltigen Erzen oder andern schwefelhaltigen Massen, oder
                              									sei es nur zur Reinigung des Rohschwefels von fremden Körpern. Namentlich wird das
                              									Verfahren bei solchen Schwefelerzen mit günstigem Erfolg anzuwenden sein, wo der
                              									Schwefel in mergelhaltigen Massen eingesprengt ist, während der schädliche Einfluſs,
                              									welchen die Gegenwart von Gyps auf die Schwefelgewinnung ausübt, sich leider auch
                              									hier geltend machen wird, da derselbe durch die Temperatur bedingt ist. Die Meinung
                              									der Bergleute, daſs der Gyps den Schwefel verzehre, erklärt sich nach den Versuchen
                              									von F. Sistini dadurch, daſs der Gyps und Schwefel sich
                              									zu schwefliger Säure und Schwefelcalcium umsetzen nach der Gleichung: CaO,SO3 + 2S = 2SO2 + CaS. Bei 130°
                              									bildet sich Schwefelwasserstoff, bei 440° entweicht schweflige Säure.
                           Das Entschwefeln alter Gasreinigungsmassen. Wie man den
                              									Schwefel aus Schwefelerzen mit überhitztem Wasserdampf erhalten kann, ebenso können
                              									auch andere schwefelhaltige Massen, z.B. die unbrauchbar gewordenen Reinigungsmassen
                              									der Gasanstalten, zur Reindarstellung von Schwefel verwendet werden. Zur Entschwefelung des
                              									Leuchtgases wurde lange Zeit die Laming'sche Masse
                              									angewendet, jetzt fast allgemein nur Raseneisenerz. Die ausschlieſsliche
                              									Kalkreinigung ist fast nur noch in einigen wenigen Gaswerken gebräuchlich. Die
                              									unbrauchbar gewordenen Reinigungsmassen enthalten oft bis zu 40 Proc. Schwefel.
                           Diese schwefelhaltigen Reinigungsmassen wurden seither zur Fabrikation von
                              									Schwefelsäure verwendet. Die damit erhaltene Schwefelsäure ist jedoch immer dunkel
                              									gefärbt von den Producten der Verbrennung des Theeres oder auch den Sägespänen,
                              									welche zum Auflockern der Masse dem Raseneisenerz beigemengt waren. Anderwärts hat
                              									man den Schwefel aus diesen Reinigungsmassen mit Schwefelkohlenstoff extrahirt, z.B.
                              									in den Gas Purification Company Works zu Stratford bei
                              									London.
                           Schon i. J. 1867 machte H. Condy Bollmann den Vorschlag,
                              									die Schwefelerze mit Schwefelkohlenstoff zu extrahiren. Nach Versuchen, welche in
                              									Bagnoli bei Neapel 1868 ausgeführt wurden, hätten sich der Ausführung im Groſsen
                              									unübersteigliche Hindernisse in den Weg gegestellt; indeſs wurden i. J. 1873 in
                              									Swoszowice bei Krakau durch Dr. Clemens Winkler
                              									Versuche angestellt (vgl. 1878 228 366), den dort natürlich vorkommenden Schwefel,
                              									der in Mergel eingelagert ist, mit Schwefelkohlenstoff zu extrahiren, und diese
                              									Versuche haben ergeben, daſs der in dem Swoszowicer Mergel eingelagerte Schwefel mit
                              									äuſserster Leichtigkeit unter auffallender Wärmebindung und auf das Vollkommenste
                              									durch Schwefelkohlenstoff extrahirt wurde.
                           Die Extraction des Schwefels aus den unbrauchbar gewordenen Reinigungsmassen der
                              									Gasanstalten mit Schwefelkohlenstoff scheint mehrfach Schwierigkeiten zu haben. Ich
                              									vermuthe, daſs der Theergehalt dieser Massen ohne Zweifel den Schwefel sehr
                              									verunreinigt und daſs eine mehrfache Reinigung desselben nöthig wird. Dies ist
                              									vielleicht auch der Grund gewesen, weshalb die erwähnte Stratforder Compagnie diesen
                              									Betrieb eingestellt hat.
                           Bei Anwendung von überhitztem Dampf dagegen erhält man einen Schwefel von rein
                              									hellgelber Farbe. Allerdings bleibt ein Theil des Schwefels an Eisen gebunden als
                              									Schwefeleisen zurück und bei der feinen Zertheilung oxydirt sich dasselbe nach dem
                              									Oeffnen der Retorten beim Luftzutritt, wobei sich schweflige Säure entwickelt. Dies
                              									scheint namentlich der Fall zu sein, wenn die unbrauchbar gewordenen
                              									Reinigungsmassen mit Eisenfeilspänen gemengt wurden, um sie von Neuem zur
                              									Entschwefelung des Gases zu verwenden. Unter allen Umständen ist es daher rathsam,
                              									die Reinigungsmassen, ehe sie zur Entschwefelung mit überhitztem Wasserdampf
                              									gelangen, vorher zu schlämmen. Durch ein einfaches Schlämmverfahren wird der gröſste
                              									Theil des Schwefels in unreinem Zustande herausgewaschen. Nach dem Absetzen des
                              									Schlämmwassers erhält man viel hochprocentigere Schliche, die nach Wiederholung des Schlämmprocesses
                              									einen unreinen Schwefel von 70 Proc. und höheren Schwefelgehalt ergeben. Dieser
                              									Schwefel wird dann der Destillation mit überhitztem Wasserdampf unterworfen.
                           Um auch die übrigen Producte der unbrauchbar gewordenen Reinigungsmassen zu gewinnen,
                              									ist es rathsam, dieselben zuerst einer systematischen Auslaugung mit reinem Wasser
                              									zu unterwerfen. Die löslichen Ammoniakverbindungen, namentlich das reichlich
                              									vorhandene Rhodanammonium, wird in Form einer hinreichend concentrirten Lauge
                              									gewonnen, um dieselbe mit Kalk versetzt zur Herstellung von Ammoniak oder dessen
                              									Verbindungen zu verarbeiten. In denselben Auslaugekästen werden die Massen dann
                              									systematisch unter Zusatz von etwas Kalk ausgelaugt. Diese alkalische Lauge enthält
                              									die Cyanverbindungen in Form von Cyancalcium, woraus man entweder Berlinerblau oder
                              									Blutlaugensalz herstellt. Dann erst werden die ausgelaugten und aufgeweichten und
                              									leichter zertheilbaren Reinigungsmassen dem Schlämmverfahren ausgesetzt und, wie
                              									oben beschrieben, der Schwefel aus den Schlichen gewonnen. Die vom Schlämmverfahren
                              									rückständigen Raseneisenerze mit nur geringem Schwefelgehalt können von Neuem zur
                              									Gasreinigung verwendet werden; nach der abermaligen übermäſsigen Anreicherung mit
                              									Schwefel werden sie wiederum in der beschriebenen Art behandelt.
                           Auf diese Weise ist das seitherige Regenerationsverfahren der Gasreinigungsmassen
                              									keineswegs verdrängt; aber die völlig unbrauchbar gewordenen Reinigungsmassen,
                              									welche seither eine Beschwerde der Gasfabriken bildeten, sind in der nützlichsten
                              
                              									Weise verwendet und zum abermaligen Gebrauch in der Gasfabrik geeignet gemacht.
                              									Selbst der Zusatz von Eisenfeilspänen oder Sägespänen tritt bei diesem Verfahren der
                              									Gewinnung von Schwefel und der übrigen Producte nicht hindernd entgegen.
                           Ich erlaube mir jetzt den kleinen Apparat zu beschreiben, den ich anfänglich zu den
                              									Laboratoriumversuchen verwendete, ehe ich gröſsere Mengen schwefelhaltiger Massen in
                              									einer guſseisernen Retorte mit überhitztem Wasserdampf abdestillirte. Die
                              									Destillationsvorrichtung für den Schwefel bestand in einer kleinen tubulirten
                              									Glasretorte von ungefähr 150cc Inhalt. Diese
                              									Retorte wurde zu ¼ bis ⅓ der schwefelhaltigen Masse gefüllt. Durch den Kork des
                              									Tubulus der Retorte senkte sich ein Glasrohr bis etwa 8mm Entfernung auf die Oberfläche der abzudestillirenden Masse. Das
                              									Glasrohr war mit Gyps in das Ende eines eisernen Gasrohres eingekittet. Dieses 1cm weite Rohr war mehrfach gewunden, und die
                              									Windungen lagen in einem Windofen, in dem etwa 1m
                              									des Rohres rothglühend gemacht werden konnte. Dieses gewundene Rohr dient als
                              									Ueberhitzungsapparat für den Wasserdampf. Als Dampfquelle genügte eine Kochflasche
                              									von einigen Liter Inhalt.
                              									Die Glasretorte wurde mit einem Gasbrenner sehwach erwärmt: indeſs wurde nicht eher
                              									durch das eintauchende Glasrohr der überhitzte Wasserdampf eingeleitet, als bis der
                              									Schwefel ganz schwach zu sublimiren begann. Deshalb war zwischen der Kochflasche und
                              									den Windungen des eisernen Rohres ein mit Hähnen versehenes ⊥-Stück eingesetzt, wodurch ermöglicht wurde, den Wasserdampf nach
                              									Belieben ins Freie gelangen zu lassen, oder durch Schlieſsung des betreffenden
                              									Hahnes den Wasserdampf zu zwingen, seinen Weg durch die rothglühenden Windungen des
                              									Eisenrohres zu nehmen und im überhitzten Zustande über die Schwefelmassen in der
                              									Retorte zu streichen. Es ist wichtig für den Apparat, daſs die Retorte dicht hinter
                              									dem Ueberhitzungsapparat angebracht ist, damit der überhitzte Wasserdampf nicht
                              									Gelegenheit findet, sich wieder abzukühlen. Der überhitzte Wasserdampf reiſst sofort
                              									den schmelzenden Schwefel in Dampfform mit über. Der Hals der Retorte mündet in die
                              									Oberfläche einer vorgelegten Wasserschicht, und der überdestillirte geschmolzene
                              									Schwefel setzt sich in rein hellgelber Farbe auf dem Boden der Wasserschicht ab.
                           Dieser einfache Apparat dient nicht nur dazu, um sich ein recht anschauliches Bild
                              									von der Wirkung des überhitzten Wasserdampfes auf die Verflüchtigung des Schwefels
                              									zu bilden, sondern er kann auch dazu verwendet werden, um schon mit kleinen
                              									gewogenen Mengen sofort durch den Versuch festzustellen, welche Ausbeute an Schwefel
                              									man aus den fraglichen Erzen bei Anwendung von überhitztem Wasserdampf zu erwarten
                              									hat.
                           Beim fabrikmäſsigen Betriebe bedient man sich zum Ueberhitzen des Wasserdampfes
                              									besonderer Apparate; sie bestehen aus schmiedeisernen Röhren, welche in einem Klotz
                              									von Guſseisen eingegossen sind. Ich wendete einen Ueberhitzungsapparat an, der von
                              									der Firma Wippermann und Comp. in Kalk bei Deutz
                              									gegossen worden war, 1m lang, 0m,5 breit und 0m,1 hoch. Das schmiedeiserne Rohr hatte 40mm
                              									im Lichten und 3 Windungen, der Wasserdampf hatte mithin einen Weg von nahezu 4m Länge in der Rothglut zu durchlaufen.
                           Für die Gewinnung des Schwefels aus Schwefelerzen mit Anwendung von überhitztem
                              									Wasserdampf habe ich Apparate construirt, deren Zeichnung ich mit Vergnügen auf
                              									Anfrage zur Verfügung stelle.