| Titel: | Das Aluminium auf der Pariser Weltausstellung 1878; von Clemens Winkler. | 
| Autor: | Clemens Winkler [GND] | 
| Fundstelle: | Band 230, Jahrgang 1878, S. 159 | 
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                        Das Aluminium auf der Pariser Weltausstellung
                           								1878; von Clemens Winkler.
                        Winkler, über Aluminium.
                        
                     
                        
                           Die Entwicklungsgeschichte der Aluminium-Industrie ist eine so kurze, daſs die
                              									heutige Generation, welche sie ja mit durchlebt hat, dieselbe vollkommen zu
                              									überblicken vermag. Die drei Weltausstellungen aber, welche die französische
                              									Hauptstadt seit dem Erstehen einer fabrikmäſsigen Gewinnung des Aluminiums gesehen,
                              									bilden gewissermaſsen Marksteine in dieser Geschichte:, denn sie waren es, welche
                              									uns in nahezu gleichen Intervallen ein Bild von deren Wandlung vor Augen führten.
                              									Wir begegnen i. J. 1855 im Palais de l'Industrie zum
                              									ersten Male einem gröſseren Barren des wunderlichen Erdmetalles, des „Silbers aus
                                 										Lehm“, wie man es überschwänglich genannt hatte. Wir treffen es i. J. 1867
                              									in verarbeiteter Gestalt an und sehen die mannigfachen Schwierigkeiten, welche seine
                              									Massendarstellung, seine Reinigung, seine Formgebung mit sich brachten, in der
                              									Hauptsache überwunden; es tritt uns bereits als Guſs, als Blech und Draht, als
                              									Folie, als geformte Waare im polirten, ciselirten, gelötheten Zustande entgegen, wie
                              									wir denn auch seine wichtigste Legirung, die Aluminiumbronze, zum ersten Male und in
                              									verschiedenartiger Gestaltung vorfinden. Und heute, nach abermaligem Ablauf eines
                              									Decenniums, zeigt die Pariser Weltausstellung 1878 eine gewisse Reife der
                              									Aluminium-Industrie. Es sind nicht mehr, wie ehemals, Einzelerzeugnisse, denen wir
                              									begegnen, Raritäten, welche die Verarbeitungsfähigkeit des Aluminiums zeigen oder
                              									seine zukünftige Verwendbarkeit andeuten sollen, sondern was uns geboten wird, ist
                              									wirkliches Fabrikat, in regelrechtem Turnus hergestellt, Handelswaare mit laufendem
                              									Begehr und zum Theil von hoher Vollendung.
                           Diese Thatsache beweist, daſs man über die Entwicklungsfähigkeit der
                              									Aluminiumfabrikation zu früh den Stab gebrochen hat. Freilich hat diese Industrie
                              									nicht im Entferntesten den Aufschwung genommen, den man ihr dereinst prophezeihte;
                              									denn nur zu bald war die unterste Grenze der Darstellungskosten erreicht und das
                              									Aluminium ist nach wie vor das theure chemische Educt eines zwar in unbegrenzter
                              									Menge von der Natur dargebotenen, aber nur schwer verarbeitbaren Rohmaterials
                              									geblieben. Daſs es sich aber, trotz seines verhältniſsmäſsig hohen Stehungspreises,
                              									allgemach ein festes Absatzgebiet eroberte, ist zweifellos ein Beweis dafür, daſs
                              									man seine Eigenschaften zu schätzen beginnt und für manche Zwecke seine Anwendung
                              									derjenigen anderer billigerer Metalle vorzieht. Ursache hiervon ist, nächst seinem
                              									angenehmen Aeuſseren, die hervorstechendste und originellste seiner Eigenschaften,
                              									seine groſse Leichtigkeit, welche in gewissen Fällen die Concurrenz anderer Metalle
                              
                              									völlig unmöglich macht. Berücksichtigt man diese Leichtigkeit, erwägt man, daſs das
                              									Aluminium in Folge derselben etwa die dreifache Ausgiebigkeit des Eisens, Kupfers,
                              									Messings, Neusilbers, die vierfache des Silbers hat, so wird auch sein Preis dem
                              									Consumenten zwar noch hoch, aber doch nicht so übermäſsig erscheinen, wie beim
                              									ersten Vergleich mit den Preisen anderer Metalle.
                           So wie Frankreich das Verdienst gebührt, das Wöhler'sche Verfahren der Aluminiumdarstellung in
                              									groſsen Maſsstab übertragen und eine eigentliche Fabrikation dieses Metalles ins
                              									Leben gerufen zu haben, so scheint auch für diese Fabrikation selbst der
                              									französische Boden der einzig günstige zu sein. Denn die englische Aluminiumfabrik
                              									von J. L. Bell und Comp. in Washington bei
                              									Newcastle-on-Tyne vermochte nicht zu prosperiren und ist seit etwa 5 Jahren wieder
                              									eingegangen, die deutsche Aluminiumfabrik von J. F. Wirtz
                                 										und Comp. in Berlin (S. O. Annenstraſse 54) dagegen wohl nie wirklich zu
                              									gedeihlicher Entwicklung gekommen. In Frankreich ist es gegenwärtig die groſse
                              									chemische Fabrik von H. Merle und Comp. in Salindres
                              									bei Alais (Vertreter: Ch. Collin, 15, rue de
                              									Quincampoix in Paris), welche die Darstellung, und die Société anonyme de l'Aluminium (P. Morin) in
                              									Nanterre (Seine), welche die Verarbeitung von Aluminium zu Handelsgegenständen
                              									betreibt. Beide Firmen waren auf der diesjährigen Weltausstellung vertreten; Merle und Comp. führten Aluminium in Masse als
                              									stattliche Aufschichtung von groſsen Barren vor, während die Société anonyme zu zeigen bestrebt war, wie bedeutende Fortschritte man
                              									hinsichtlich der Bearbeitung dieses Metalles gemacht hat – Fortschritte, welche
                              									übrigens auch auf eine erhebliche Verbesserung der Qualität desselben schlieſsen
                              									lassen. Ohne solche würde es nicht möglich gewesen sein, jene Rollen haarfeinen
                              									glänzenden Drahtes, jene prächtigen Bleche von groſser Dünne herzustellen. Auch
                              									geprägtes Aluminium in gröſseren Medaillen und in Stücken von genau 1g Gewicht fanden sich vor, wie man denn die
                              									Leichtigkeit des Aluminiums dadurch veranschaulicht hatte, daſs man auf einer Wage
                              									fünf Aluminiumschlüsseln verschiedener, aber beträchtlicher Gröſse einem eisernen
                              										Schluſsel gegenüber
                              									legte, wobei letzterer sich noch immer als schwerer erwies. Die dem Aluminium eigene
                              									blaulichweiſse Farbe und sein hoher Glanz zeigten sich bei dieser Ausstellung auf
                              									das Vortheilhafteste, wie sich dem Aeuſseren desselben beim Vergleich mit Zinn oder
                              									Zink eine gewisse Noblesse nicht abstreiten laſst.
                           Diesen Eindruck empfängt man auch beim Besuche des Verkaufslocals
                              									im Maison de l'Aluminium (welches sich am Boulevard
                              									Poissonnière 21 befindet), demselben Gebäude, in dessen Hofe die Société anonyme de l'Aluminium ihr Geschaftsbureau hat.
                              									Hier kann man verschiedene, zum Theil allerliebst aussehende Gegenstände aus reinem
                              									Aluminium sowohl, wie aus Aluminiumbronze zu maſsigem Preise erwerben, vom einfachen
                              									Fingerhut oder Federhalter an bis zum vollständigen Tafelservice. Allerdings
                              									scheinen die wirklich schön aussehenden, goldfarbigen, trefflich gearbeiteten und
                              									namentlich billigeren Gegenstände aus Aluminiumbronze sich bedeutend groſseren
                              									Absatzes zu erfreuen, als die aus reinem Aluminium gefertigten, welche letzteren
                              									noch immer mehr oder minder als Curiositäten betrachtet werden und verhältniſsmäſsig
                              									theuer sind. Der Kauflustige wiegt sie wohl staunend in der Hand, legt sie aber nach
                              									Nennung des Preises häufig wieder bei Seite. Nur kleinere Gegenstände, darunter
                              									hübsche Flechtereien aus Aluminiumdraht, scheinen viel gekauft zu werden.
                           Allgemein üblich ist, in Paris wenigstens, die Verwendung des Aluminiums zur
                              									Herstellung von Fassungen für Fernröhre und Operngläser geworden. Erzeugnisse dieser
                              									Art, wie man sie z.B. bei Clermont (104 rue du Temple),
                              									bei Lemaire (23 und 26, rue Oberkampf), bei L. Fischer (7, rue de la Paix) und vielen Anderen
                              									findet, sind nach Arbeit und Aussehen oft von bewundernswerther Schönheit und zeigen
                              									recht deutlich, welche Effecte man mit diesem Metall erreichen kann. Trotzdem läſst
                              									sich diese Art der Verwendung des Aluminiums von Seiten der Optiker und Mechaniker
                              									nicht als die glücklichste bezeichnen. Viel rationeller und dankenswerther würde es
                              									sein, wenn man sich in deren Werkstätten bemühen wollte, das niedrige specifische
                              									Gewicht des Aluminiums auszunutzen und das Metall namentlich zur Anfertigung von
                              									Wagebalken zu verwenden. Wagebalken aus Aluminiumbronze begegnet man seit einigen
                              									Jahren öfters; aber sie haben, was Leichtigkeit anbetrifft, kaum einen Vortheil vor
                              									Messing. Der Mechaniker Sartorius in Göttingen (vgl.
                              									1878 229 263) war der Erste, der überaus leichte und unveränderliche Wagebalken aus
                              									nahezu reinem, mit nur 4 Proc. Silber versetztem Aluminium anfertigte; doch scheint
                              									er wenige Nachfolger gefunden zu haben. Auf der diesjährigen Pariser Ausstellung
                              									lieſs sich nur eine einzige Wage mit Balken aus reinem Aluminium ausfindig machen.
                              									Dieselbe war von A. Collot (8, boulevard de Montrouge
                              									und 28, boulevard d'Enfer) ausgestellt, und zwar war ihre Tragkraft zu 100g, ihre Empfindlichkeit zu 0mg,1, ihr Preis zu 2000 Franken angegeben. Die
                              									Ursache davon, daſs man das Aluminium so selten von Mechanikern verwendet findet,
                              									ist theils im Preise des Metalles und seiner ungewohnten Bearbeitung, theils im
                              									Vorurtheil, besonders aber wohl in dem Umstände zu suchen, daſs sich Niemand auf das
                              									Gieſsen desselben versteht. Denn bekanntlich greift flüssiges Aluminium die
                              									gewöhnlichen irdenen Schmelzgefäſse an, reducirt daraus Silicium und wird dadurch grau und
                              									brüchig – ein Uebelstand, der sich nur vermeiden läſst, wenn man Kalktiegel
                              									anwendet, oder wenn man den irdenen Tiegeln ein Futter von Kohle oder besser von
                              									heftig geglühter Kryolith-Thonerde gibt. Wenn sich Jemand mit der Lieferung von
                              									Aluminium-Rohguſs befassen wollte, so lieſse sich erwarten, daſs jenes Leichtmetall
                              									allmälig Eingang in die Werkstätten der Mechaniker finden würde.
                           Die Preise (in Franken) der Société anonyme de
                                 										l'Aluminium stellen sich nach deren neuestem Tarif für 1k, wie folgt:
                           
                              
                                 Aluminium
                                 Aluminiumbronze(10 Proc. Al.)
                                 
                              
                                 Barren
                                 130
                                 Barren
                                 18
                                 
                              
                                 Blech 0,5 bis 0mm,1
                                 135 bis 160
                                 Blech 2,0 bis 0mm,5
                                 24 bis 30
                                 
                              
                                 Draht 2,0  "  0mm,3
                                 170 bis 200
                                 Draht 7,0  "  1mm,0
                                 28 bis 39.
                                 
                              
                           Nächst der AluminiumbronzeAlumininiumbronze, dieser anerkannt schönen, selbst in der Glühhitze nicht anlaufenden,
                              									sondern sich goldgelb gieſsenden Legirung, welche sich einer ziemlichen Verwendung
                              									erfreut, sind es namentlich die Legirungen des Aluminiums mit Silber, welche
                              									Beachtung verdienen. Dieselben scheinen zum Theil vorzügliche Eigenschaften zu
                              									besitzen, höchst bearbeitbar und wenig veränderlich zu sein und aus diesem Grunde
                              									wäre es sehr zu wünschen, daſs man ihrer Darstellung und Verarbeitung erhöhte
                              									Aufmerksamkeit zuwendete.
                           Freiberg, 24. September 1878.