| Titel: | Ueber Anilinblau. | 
| Fundstelle: | Band 230, Jahrgang 1878, S. 242 | 
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                        Ueber Anilinblau.
                        (Fortsetzung von S. 170 dieses Bandes.)
                        Ueber Anilinblau.
                        
                     
                        
                           Folgende Fällungsmethode ist unumgänglich, wenn man mit weniger Anilin gearbeitet hat
                              									und gleichwohl das Blau in feinvertheiltem Zustande gewinnen will. Man läſst die bis
                              									auf 50° abgekühlte Schmelze in das gleiche Gewicht 90 proc. Alkohol einflieſsen,
                              									fällt dann mit Salzsäure, filtrirt auf dem Saugfilter nach völligem Erkalten und
                              
                              
                              									wäscht mit Alkohol und Salzsäure, endlich mit Wasser nach. Man erhält zwar so ein
                              									Blau, welches dem obigen in keiner Weise nachsteht; aber man hat Verlust an
                              									Feinblau, welches mit in die spirituöse Lösung ging, ferner einen Verlust von 3 bis
                              										4k Alkohol auf 1k Blau zu rechnen; endlich erfordert dieses Verfahren einen besonderen
                              									Apparat zur Wiedergewinnung des Alkoholes, der zudem immer erheblich schwächer und
                              									stets mit Anilin geschwängert wiedergewonnen wird.
                           Nur für besondere Zwecke nimmt man mit den so erhaltenen Spiritusblau noch weitere
                              									Reinigungen vor, die bei vollkommen gutem Ausgangsmaterial und richtiger Leitung der
                              									Operation überflüssig sind, z.B. Kochen des Blaus mit Schwefelsäure von 1,3 bis 1,4
                              									sp. G., Lösen in Anilin, Fällen mit Salzsäure wie oben (im Kleinen für analytische
                              									Zwecke), Lösen in Alkohol, Fällen mit Ammoniak zur Gewinnung der reinen Base
                              									u.s.f.
                           Wie schon bemerkt, werden nach dem soeben ausführlich erläuterten Ansatz und
                              									Verfahren die reinblauen, grünstichigen Spiritusblau dargestellt. Wir bezeichnen sie
                              									kurz als Baseblau oder Opalblau. Die Fabrikation der rötheren Blau geht vom Fuchsin
                              									aus; in den bezüglichen Ansätzen wird neben diesem Natriumacetat – seltener Benzoat
                              									– und Anilin in geringerem Ueberschuſs verwendet. Im Uebrigen verläuft die Operation
                              									genau so, wie bei den Ansätzen mit Rosanilin. Auf die Reinheit des- Acetates und
                              									seine Trockenheit hat man gebührend Rücksicht zu nehmen; man schmilzt reines
                              									krystallisirtes Acetat in emaillirten Kesseln über freiem Feuer, bis kein Wasser
                              									mehr abgegeben wird und das Salz als trockne poröse Masse erscheint.
                           Die Nüancen und Abstufungen, welche im Handel verlangt werden, direct in der Schmelze
                              									zu erzeugen, ist nur bei Bedarf einer Specialität anzurathen; man erreicht
                              									gewünschte Varietäten besser und leichter durch geeignete Mischungen vollkommen
                              									fertiger Producte.
                           Es folgen hier einige Ansätze, die gut zu verarbeitende Spiritusblau (Fuchsin- oder
                              									Rothblau) liefern unter Innehaltung der mitgetheilten Vorsichtsmaſsregeln. Sie sind
                              									übrigens, mit Ausnahme des nach dem zuletzt angegebenen Ansatz, als völlig
                              									trisubstituirte Rosaniline aufzufassen. Dafür spricht vor Allem der Umstand, daſs
                              									sie jedesmal im Zustande der höchst erreichbaren Bläuung aus der Schmelze
                              									hervorgehen, welche bei diesen Ansätzen ohne Gefahr der Rückbildung des Blaus
                              									erreicht werden kann. Eine Analyse eines Baseblaus, nach obigen Verhältnissen
                              									dargestellt, lieferte dieselben Werthe, wie sie bei der Untersuchung eines
                              									Fuchsinblaus nach Ansatz Nr. 1 erhalten wurde; trotzdem zeigten beide in Lösung und
                              									auf Geweben sehr groſse Unterschiede:
                           
                              
                                 Nr. 1.
                                 1
                                 Th.
                                 Fuchsin,
                                 0,25
                                 Th.
                                 Acetat,
                                 5
                                 Th.
                                 Anilin
                                 von
                                 180
                                 bis
                                 183°
                                 Siedepunkt
                                 
                              
                                 Nr. 2.
                                 1
                                 „
                                 „
                                 0,25
                                 „
                                 „
                                 3
                                 „
                                 „
                                 „
                                 180
                                 „
                                 185
                                 „
                                 
                              
                                 Nr. 3.
                                 1
                                 „
                                 „
                                 0,25
                                 „
                                 „
                                 3
                                 „
                                 „
                                 „
                                 180
                                 „
                                 210
                                 „
                                 
                              
                                 Nr. 4.
                                 1
                                 „
                                 „
                                 1,00*
                                 „
                                 „
                                 2
                                 „
                                 „
                                 „
                                 180
                                 „
                                 210
                                 „
                                 
                              
                           * Für Nr. 1, 2 und 3 ist das Acetat trocken, für Nr. 4
                              									krystallisirt anzuwenden.
                           Die Spiritusblau, die aus den angeführten Sätzen hervorgehen, unterscheiden sich
                              									durch zunehmend rothen Ton der Färbung, die von Nr. 2 und 3 pflegte man früher
                              									Parmablau (Parme) zu nennen. Beim Arbeiten nach Nr. 4, besonders wenn man die
                              									Temperatur nicht über 170° steigen läſst, erhält man mono- und disubstituirte
                              									Producte, von fast violettem Ton und bedeutend stärkerer Lösbarkeit in Alkohol, als
                              									die übrigen Blau. Ihre Reindarstellung ist indeſsen umständlich und verlustreich,
                              									auch sind sie schwer wasserlöslich zumachen; dabei können die so erzielten Farben
                              									in Schönheit und Ausgiebigkeit nicht mit den Methyl violett concurriren.
                           Bei der Fällung dieser mit Fuchsin dargestellten Blau wird man in der Regel nicht
                              									jene feine Vertheilung direct erzielen können, sondern erst durch ein wiederholtes
                              									Behandeln mit überschüssiger Salzsäure; trotzdem sind die Fuchsinblau in der Regel
                              									leichter in wasserlösliche Producte überzuführen und besitzen einen reinen,
                              									feuerigen Ton, sei es, weil die rothe Nuance etwaige Schäden mehr verhüllt, oder
                              									weil miſsfarbige Producte sich nicht in dem Maſse bilden als wie im Baseprocess,
                              									selbst wenn sie offenbar nicht so sorgfältig gereinigt wurden.
                           
                              
                                 Rosanilin
                                 Fuchsin
                                 Aniline
                                 Benzoesaure etc.
                                 Acetat
                                 Anfang
                                 180°
                                 Feuerentfernt
                                 Salzsäure
                                 95 proc. Alkohol zumFallen
                                 85 proc. Alkoholzum Waschen
                                 Ausbeute rein
                                 Ruckstandsblau
                                 Anilinim Vorlauf †
                                 Kalk
                                 Anilindestillat
                                 Gesammtes
                                    											zuruck-gewonnenes Anilin
                                 
                              
                                 Zeitangabe in Uhrund Minuten
                                 
                              
                                 25
                                 –
                                 b250
                                 –
                                 3
                                 –
                                 6 30
                                 10 30
                                 12 45
                                 260
                                 250
                                 300
                                 40
                                 2
                                 3051
                                 70
                                 190
                                 220
                                 
                              
                                 –
                                 25
                                 bd125
                                 –
                                 –
                                 6,25
                                 6 30
                                 10  –
                                 12  –
                                 130
                                 –
                                 –
                                 38
                                 2
                                 1327
                                 35
                                 87
                                 100
                                 
                              
                                 –
                                 25
                                 bd75
                                 –
                                 –
                                 6,25
                                 6 30
                                 9 45
                                 11 30
                                 75
                                 –
                                 –
                                 37
                                 1,5††
                                 712
                                 20
                                 44,5
                                 51,5
                                 
                              
                                 –
                                 25
                                 –
                                 r75
                                 –
                                 6,25
                                 6 30
                                 9 30
                                 11 20
                                 80
                                 –
                                 –
                                 38
                                 –
                                 511,5
                                 22
                                 45
                                 50
                                 
                              
                           
                              
                                 *
                                 Mit b (blau Oel)
                                    											bezeichnet
                                 ein
                                 Anilin
                                 siedend
                                 zwischen
                                 180 bis 183°
                                 höchstens
                                 
                              
                                 
                                 mit bd (blau Oel
                                    											destillirt)
                                 "
                                 "
                                 "
                                 "
                                 180 bis 185
                                 "
                                 
                              
                                 
                                 mit r (roth Oel, für
                                    											Fuchsin)
                                 "
                                 "
                                 "
                                 "
                                 180 bis 210
                                 etwa.
                                 
                              
                                 **
                                 Für den Fall, daſs man die Alkoholfallung
                                    											verwenden wollte. Die Zahlen sind aus kleineren Ansätzenabgeleitet, bei
                                    											welchen die Alkoholfallung besser anzuwenden.
                                 
                              
                                 †
                                 Vorlauf besteht nach dem Aussalzen aus 2
                                    											Schichten, die obere Anilin, niedrig siedendes; die obereZahl ist das
                                    											Gewicht des Anilins, die darunterstehende das Gesammtgewicht.
                                 
                              
                                 ††
                                 Nicht abgeschieden, weil zu gering und zu
                                    											werthlos. Die rother gehaltenen Schmelzen geben an
                                    											dieChlorhydrat-haltigen Waschwässer viel mehr (violett) gefärbte Körper
                                    											ab.
                                 
                              
                           Die vorstehende Tabelle gibt nun noch ein zusammenfassendes Bild dessen, was im
                              									Betriebe zu berücksichtigen ist; sie enthält eine Zahl von Blauschmelzen, die auſser
                              									einer Base-Operation noch die drei soeben aufgeführten Fuchsinansätze einschlieſst.
                              									Behufs einer am Ende aufzustellenden Berechnung soll dann auch der weitere Proceſs
                              									des Löslichmachens an diesen vier Operationen erläutert werden. Im Uebrigen bedarf
                              									die Tabelle keiner weiteren Erklärung.
                           Zum Schlüsse dieses Abschnittes sei noch bemerkt, daſs hohe Ausbeute an gereinigtem
                              									Spiritusblau Hand in Hand geht mit guter Qualität desselben. Letztere hat man
                              									indessen durch einen Farbeversuch festzustellen: Man löst zu dem Ende 0g,1 der Blau in 100cc Alkohol; es müssen dann 5g Wolle in
                              									einem Bad von etwa 1l, mit 1cc concentrirter Schwefelsäure angesäuert, klar
                              									und stark ausgefärbt werden mit 5 bis allerhöchstens 7cc dieser Lösung. Die Auffärbung geschieht fast augenblicklich; man setzt
                              									die Farblösung allmälig zu und führt die Wolle gut um.
                           Lösliche Blau. In Wasser leicht
                              									löslich sind die Salze der Alkalien und z. Th. auch der alkalischen Erden der
                              									Sulfosauren der Anilinblau. Letztere werden erhalten durch Lösen in überschüssiger
                              									Schwefelsäure von 1,83 bis 1,84 sp. G., Digeriren bei angemessener Temperatur,
                              									eventuell unter Zusatz von rauchender Säure. Nachdem unter nicht unbedeutender
                              									Wärmeentwicklung aus den Chlorhydraten der phenylirten Rosanaline der
                              									Chlorwasserstoff verdrängt wurde, tritt unter Wasserabscheidung ein
                              									Schwefelsäurerest SO3H mit einem Blaurest zusammen,
                              									oder wird ein Wasserstoff desselben durch SO3H
                              									ersetzt gemaſs der Gleichung
                           C20H15(SO3H)(C6H5)3N3 + H2O = C20H16(C6H5)3N3 + SO4H2
                           Durch weitere Einwirkung kann noch ein zweites, drittes und
                              									viertes Wasserstoffatom, so weit bis jetzt bekannt worden, durch je eine Gruppe
                              										SO3H ersetzt werden; man hat demgemaſs eine
                              									Mono-, eine Di-, eine Tri- und eine Tetrasulfosäure. Da nun Rosanilin und dessen
                              									durch Methylirung und Aethylirung entstandenen Substitutionsderivate mit
                              									Schwefelsäure nur schwierig Sulfosäuren bilden, so hat man wohl die Befähigung dazu
                              									bei den phenylirten Rosanilinen den eingetretenen Phenylresten C6H5 zuzuschreiben,
                              									welche Anschauung auch in der Formel zum Ausdruck gelangt, wenn man beispielsweise
                              									die Trisulfosaure schreibt: C20H16(C6H4SO3H)3N3.
                           Die gesammten Sulfosauren sind sogen, schwache Säuren; doch
                              									vermögen sie Kohlensäure auszutreiben. Mit steigendem Gehalt an SO3H erhöht sich die eigene Löslichkeit sowohl, als
                              									die der Salze gegenüber Wasser und Alkohol; zugleich wächst die Verbindungsfähigkeit
                              									mit Metallen. Während die Monosulfosaure nur eine Reihe von Salzen bildet, geben die
                              									andern der Folge nach 2 bis 4. Diese Verbindungen sind bisher immer nur amorph
                              									erhalten worden, so wie die freien Sulfosauren selbst, in Form blauer bis
                              									blaubräunlicher Pulver, mit schwachem Kupferglanz bis fast Goldglanz, je nach dem
                              									Ursprungsblau, dem Gehalt an Sulfogruppen und, das Aussehen der Salze anlangend, je
                              									nach der in diesen enthaltenen Base. Für technische Zwecke werden fast
                              									ausschlieſslich die Natronverbindung der Sulfosaure und die Ammoniaksalze der höher
                              									substituirten Sulfosauren dargestellt; doch kommen von letzteren auch Natron- und
                              									Kalksalze vor.
                           Im Gegensatz zu den anderen ist die Monosulfosaure fast unlöslich
                              									in Wasser, unlöslich auch ihre Verbindungen mit den alkalischen Erden; noch
                              									eigenthümlicher ist das Verhalten eines nur so weit substituirten Phenylrosanilins
                              									in der Farbflotte gegen Wolle. Eine überalkalische, verdünntere Lösung der
                              									Sulfosäuren ist nur schwach gefärbt; geht man in ein derartiges Bad mit einem
                              									Wollstrang bei annähernder Siedhitze ein, so erscheint er auch nach längerem
                              									Verweilen im Bade kaum eine Spur des Farbstoffes aufgenommen zu haben; wenn man dann
                              									aus wringt und wäscht, darauf ein schwaches, erwärmtes Säurebad passirt, so erhält
                              									man nur dann eine sehr brillante Färbung, wenn das alkalische Bad den Farbstoff als
                              									Monosulfosäure enthält. Die höheren Sulfosäuren gehen nur aus saurer Lösung an die
                              									Wolle, die Monosulfosäure auch, und zwar in vorzüglicher Weise in alkalischer,
                              									während sie aus saurer Flotte zufolge ihres raschen Niederschlagens nur sehr
                              									unansehliche Töne liefert.
                           Bei der Fabrikation der wasserlöslichen Blau muſs man, den Bedürfnissen entsprechend,
                              									ausgehen von der möglichsten Reingewinnung der Monosulfosäuren und der höher substituirten. Es werden
                              									hohe Ansprüche von den Consumenten gemacht in Bezug auf Reinheit und Ergiebigkeit
                              									der fertigen Producte, von denen jene, die nur für Wolle in alkalischer Flotte
                              									bestimmt sind, und in welchen die Monosulfosäuren, fast ausschlieſslich an Natron
                              									gebunden, die Farbstoffträger sind, schlechthin Alkaliblau genannt werden, während
                              									die salzartigen Verbindungen der höheren Sulfosäuren, meist für Seide- und
                              									Baumwollfärberei bestimmt, schlechthin als Wasserblau (bleus
                                 										solubles, cottonblues) bezeichnet werden.
                           
                              
                                 (Schluſs folgt.)