| Titel: | Ueber die Fortschritte in der Schlackenindustrie. | 
| Autor: | –r. | 
| Fundstelle: | Band 230, Jahrgang 1878, S. 440 | 
| Download: | XML | 
                     
                        Ueber die Fortschritte in der
                           								Schlackenindustrie.
                        Wood, über die Fortschritte in der Schlackenindustrie.
                        
                     
                        
                           Schon vor vielen Jahren hat man versucht, die Hohofenschlacke zu verwerthen. Wohl 60
                              									verschiedene Systeme wurden patentirt oder versucht und endeten nach groſser Zeit –
                              									und Geldverschwendung mit vollständiger Enttäuschung. Die Verwendung der Schlacken
                              									zum Wegebau blieb bis vor 4 Jahren der einzige Absatz. Erst in neuerer Zeit gelang
                              									es der Unermüdlichkeit der Hohofentechniker, die Schlacke auch in weiteren Kreisen
                              									zu einem Handelsartikel zu machen, und heute können wohl ein Dutzend verschiedene
                              									Fabrikate aufgezählt werden, welche aus schlieſslich oder zum gröſseren Theil aus
                              									Hohofenschlacke bestehen.
                           Es hat sich in Middlesbrough eine Gesellschaft gebildet, welche Hohofenschlacke in
                              
                              									Mortel, Cement, Mauersteine und Beton verwandelt und selbst in den jetzigen
                              									schlechten Zeiten noch mit ansehnlichem Nutzen absetzt. Auf den Tees-Eisenwerken
                              									stehen 3 Schlackensandmaschinen und 2 Schlacken-Quetschmaschinen, welche nicht viel
                              									weniger als 100000t Schlacken verarbeitet und
                              									nutzbar gemacht haben. Die Schwierigkeiten, welche dem Unternehmen anfangs
                              									entgegentraten, erschienen nahezu unüberwindlich. Eine Maschine brach nach der
                              									anderen, und nur mit unendlicher Ausdauer, trotz bedeutender Zeit- und Geldverluste,
                              									gelang es der Firma Gilkes, Wilson, Pease und Comp. das
                              									Unternehmen in eine Lage zu bringen, welche für die Zukunft einen schönen Ertrag
                              									verspricht.
                           Die Werke der Cleveland Slag Company liegen in der Nähe
                              									der Docks von Middlesbrough und bezahlen wöchentlich 1200 bis 1400 M. Arbeitslöhne.
                              									Der gröſste Theil ihrer Fabrikate besteht aus Schlackensteinen zu Mauerzwecken,
                              									welche an den Hohöfen selbst aus Schlackensand angefertigt werden. Dieser Sand wird
                              									mit Kalk unter Zusatz von Eisenoxyd vermischt und durch eine eigene Maschine
                              									gepreſst (deren Beschreibung und Zeichnung im nächsten Hefte folgt). Auſserdem wird
                              									eine Art hydraulischer Cement – bestehend aus Schlackensand, gewöhnlichem Kalk und
                              									Eisenoxyd – angefertigt. Der Preis desselben stellt sich auf ungefähr ¼ von
                              									demjenigen des Portlandcementes, während er an Qualität letzterem nur unbedeutend
                              									nachsteht. Der aus einem Gemenge dieses Cementes mit Schlackenstücken hergestellte
                              									Beton eignet sich ganz vortrefflich zu Maschinenfundamenten. Die Herstellungskosten
                              									dieses Betons betragen etwa ¼ derjenigen von Ziegelmauerwerk, und als fernerer
                              									Vorzug vor letzterem ist namentlich seine gröſsere Härte hervorzuheben. Die Gebäude
                              									der Gesellschaft sind sämmtlich aus Schlackensteinen hergestellt und wurden von
                              									gewöhnlichen Taglohnern aufgemauert, 1cbm kostet
                              									nicht über 8 M. Aus einer Mischung von Schlackensand mit 10 Proc. gelöschtem Kalk
                              									wird Mörtel hergestellt und zu dem billigen Preis von 4 M. für 1t verkauft. Der Absatz dieser verschiedenen
                              									Fabrikate stieſs im Anfang auf groſsen Widerstand seitens der Architekten und
                              									Baumeister, bis schlieſslich die auſserordentliche Festigkeit und Billigkeit der
                              									Materialien die Verwendung derselben in solchem Maſse forderten, daſs die Fabrikation mit dem
                              									Verbrauch kaum noch Schritt zu halten vermag.
                           Wie schon erwähnt, bot die Herstellung einer geeigneten Maschine zur Fabrikation der
                              									Schlackensteine anfänglich die gröſste Schwierigkeit. Es muſsten dabei verschiedene
                              									Punkte im Auge behalten werden: Groſse Tiefe der Formen, weil die Schlacke sehr
                              									schwammig ist und sich leicht zusammendrücken läſst; eine geeignete Vorrichtung zum
                              									Entweichen des Wassers aus den Formen, ohne daſs die Steine dadurch beschädigt
                              									werden; ein hinreichender Druck, um den Schlackensand die nöthige Bindekraft zu
                              									geben; eine Sicherheitsvorrichtung gegen Ueberdruck, im Falle zu viel oder zu hartes
                              									Material in die Formen geräth; groſse Vorsicht bei Vermischung des Kalkes mit der
                              									Schlacke und schlieſslich groſse Regelmäſsigkeit in der Füllung der Formen. Die
                              									heute in Betrieb befindliche Maschine erfüllt sämmtliche genannte Anforderungen
                              									vollständig. Wenn die Steine die Presse verlassen haben, so werden sie 5 bis 6 Tage
                              									lang in Schuppen aufgestapelt und alsdann, bis zur vollständigen Erhärtung, der
                              									freien Luft ausgesetzt. Es entstehen nicht über 2 bis 3 Proc. Ausschuſs. Jede
                              									Maschine kann täglich ungefähr 10000 Steine liefern, und bis heute wurden im Ganzen
                              									etwa 40 Mill. Stück verkauft. Der Hauptabsatz geht nach London, zum Preise von 17
                              
                              									bis 18 M. für 1000 Stück. Das ganze bisher zu diesem Zweck verarbeitete
                              
                              									Schlackenquantum beträgt mindestens 10000t. Vor
                              									den gebrannten Mauerziegeln haben die Schlackensteine mannigfache Vorzüge. Nach dem
                              									Pressen sind sie vollständig gleichförmig an Gestalt und Dicke; sie sind billiger
                              									als Ziegelsteine, weil sie für 1000 Stück ungefähr 1t weniger wiegen, und es gibt weder Ausschuſs, noch Brocken. Eine fernere
                              									Ersparniſs liegt im Mauerlohn, Mörtel und Verputz; der Zimmermann kann an jeder
                              									beliebigen Stelle Nägel einschlagen, ohne daſs die Steine reiſsen, und schlieſslich
                              									werden dieselben um so härter, je länger sie liegen. Bei Anfertigung der ersten
                              									Schlackenzerkleinerungsmaschine wurden die tüchtigsten Mühlenbauer Englands zu Rathe
                              									gezogen. Doch sowohl die besten französischen Mühlsteine, als der härteste Stahl
                              									versagten nach 6 bis 8tägigem Gebrauch den Dienst, in Folge der auſserordentlich
                              									schneidigen Natur der Hohofenschlacke. Nur der Beharrlichkeit der oben genannten
                              									Firma ist es zu verdanken, daſs ihre Versuche schlieſslich zu einem günstigen
                              									Resultat geführt haben.
                           H. Hobson, Ingenieur der Moss Bay-Eisenwerke in
                              									Cumberland, änderte die Fabrikation der Schlackensteine insofern, als er die
                              									pulverisirte Schlacke ohne Zusatz von Kalk verwendete. Er nimmt dazu nur Schlacke
                              									von Hämatit-Bessemereisen, welche zunächst in kleine Stücke gestoſsen und dann unter
                              									französischen Mühlsteinen zu Pulver gemahlen wird. Hierauf wird dieselbe mit Wasser
                              									gedämpft und ohne weiteren Zusatz gepreſst. Die Presse ist mit einem rotirenden
                              									Tische versehen, und die pulverisirte Schlacke wird mit der Hand in die an demselben
                              									angebrachten Formen eingefüllt. Die Pressung erfolgt selbstthätig. Die Steine
                              									erscheinen ausgezeichnet geformt und sind von tadelloser Qualität. Diese
                              									Fabrikationsmethode leidet indeſsen an dem Uebelstand, daſs viel Ausschuſs entsteht,
                              									daſs die Steine sehr schwer sind und daſs die Zerkleinerung der Schlacke sowohl eine
                              									kostspielige Maschinerie, als viel Arbeitslohn erfordert. Der groſse Kalkgehalt der
                              									Bessemerschlacke scheint hinzureichen, um die pulverisirte Schlacke zu binden. Dies
                              									läſst sich in der Weise erklären, daſs die im trockenen Zustande pulverisirte
                              									Schlacke eine groſse Menge Wasser aufnimmt, wodurch ein Hydrat von Kalk- und
                              									Thonerdesilicaten gebildet wird, ähnlich wie beim Portlandcement. Andererseits ist
                              									dieser Ueberschuſs von Kalk oft gefährlich, indem die Schlacke, der Luft oder einem
                              									Uebermaſs von Feuchtigkeit ausgesetzt, leicht anschwillt und zu Pulver zerfällt, und
                              									die aus ihr gemachten Steine sind aus demselben Grunde leicht zerbrechlich. Dies ist
                              									indeſsen mit Cleveland- und jeder anderen kalkarmen Schlacke nicht der Fall.
                           Die Verwendung der Hohofenschlacke zum Wegebau, obgleich seit langer Zeit bekannt,
                              									wurde jüngst von Woodward in anerkennenswerther Weise
                              									vervollkommnet (vgl. *1877 226 39). Es eignen sich hierzu
                              									natürlich nur Schlacken von bestimmter Zusammensetzung. Die Schlacke läuft vom
                              									Hohofen direct in
                              									Formen, welche sich am Rande eines groſsen rotirenden Tisches befinden, der mit der
                              									Hand bewegt wird. Sobald die Schlacke in einer Form hinreichend erstarrt ist, klappt
                              									man deren Boden auf und läſst den gebildeten Schlackenstein herausfallen; letzterer
                              									wird alsdann in einem Glühofen bis zur Weiſsglut erhitzt und darauf langsam
                              									abgekühlt. Das Fabrikat ist sehr hart und gleichförmig; allein seine Anwendung als
                              									Baumaterial wird dadurch sehr beeinträchtigt, daſs es bei groſser Kälte leicht
                              									reiſst.
                           In Finedon (Northamptonshire) hat sich jüngst eine Gesellschaft gebildet, unter dem
                              									Namen Britten's Patent Glass Company, welche die
                              									Hohofenschlacke zur Glasfabrikation verwendet. Die geschmolzene Schlacke wird zu
                              									diesem Zweck in einer Kelle aufgefangen und in einen Siemens-Ofen, in welchem sich
                              									ein der Zusammensetzung der Schlacke entsprechendes Gemisch von kohlensaurem Natron
                              									und Kieselsäure befindet, ausgegossen. Die hierin angestellten Versuche erwiesen
                              									sich als sehr erfolgreich, und im Verlauf weniger Monate wird eine groſse Menge
                              									gläserner Flaschen auf diese Weise erzeugt werden. (Nach einem von C. Wood in der Herbstversammlung 1877 des Iron and Steel Institute gehaltenen Vortrage.)
                           An dieser Stelle darf es nicht unerwähnt bleiben, daſs die von den Engländern bis
                              									heute in Bezug auf Verwerthung der Hohofenschlacke erzielten Erfolge in der durch
                              										Fritz Lurmann in Osnabrück ins Leben gerufenen
                              									Schlackenindustrie mindestens einen ebenbürtigen Rivalen gefunden haben. Ungefähr
                              									der dritte Theil der Neustadt Osnabrück ist aus Schlackensteinen erbaut, und die
                              									Menge der nach Lurmann's System erzeugten
                              									Schlackenziegel beziffert sich auf mindestens 7 Mill. Mark im Jahr.
                           
                              
                                 –r.